Donnerstag, 17. Januar 2013

Theater hat auch kleine Probenhindernisse - für Ö.


Ach! Ach ja! Nun ja!
Ich probiere gerade Schillers "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua" und habe Spaß und
denke viel nach und arbeite halt, wie es sich gehört und manchmal auch etwas mehr.

Vorgeschichte:
Da kein Stadttheaterensemble die Darsteller für circa fünfundsechzig vorgegebene genuesische Italiener und Teutsche zur Verfügung stellen kann, fünf Stunden Schillertexte unsere verknappte Aufmerksamkeitsspanne mächtig überfordern würden, und überhaupt, zwei von drei Leuten, die das Stück zu lesen versuchten, frühestens nach Akt Eins aber spätestens Akt Zwei in erschöpfter Verwirrung das Handtuch warfen, habe ich eine knappe, strenge, zugespitzte Fassung verfertigt und reise in Erwartung von sieben produktiven Probenwochen nach Bayern. Probenbeginn: 10. Dezember.

Die Realität:
Zwei Darsteller stoßen erst am 2. Januar dazu, weil sie vorher noch in einer anderen Produktion beschäftigt sind. Und da ist noch ein viertägiges Gastspiel in Budapest vor Weihnachten und ein paar kleine Wiederaufnahmen und das Detail von einer Woche Urlaub für das ganze Theater, ach ja, und eine Nebenhöhlenvereiterung, ein schwerer Infekt, ein entzündeter Backenzahn, zwei Magen-Darm-Grippen und - nichts und, das war es - bis heute.
Gestern hat Fiesco die Dame, die er zu erführen plant, zärtlich gebeten ihm ihren DArm zu reichen.


Schematische und vergrößerte Darstellung eines Norovirus. Noroviren sind weltweit die häufigste Ursache von akuten Gastroenteritis-Ausbrüchen. Impfstoffe oder antivirale Medikamente gegen humane Noroviren stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Das aller erstaunlichste an der meschuggenen Situation ist aber, dass niemand panisch ist. Nicht mal ich. Wir probieren, manchmal mit zwei, gelegentlich mit drei vorgestellten Partnern - unsere Souffleuse ist eine exzellente Einleserin, die Regieassisstentin agiert stumm - wir hüpfen zwischen den Akten und imaginieren die Verbindungsstücke. Wir arbeiten, als wäre dies alles normal. Aber, wenn wir uns dann mal vollständig versammeln, zweimal bisher, und auch noch auf der Bühne sind und nicht auf der gemütlichen, aber leicht rachitischen (schmal in der Brust) Probebühne, dann passt es. Fragt mich nicht warum.
Ich möchte damit keinerlei Vorbildwirkung behaupten, denn es ist ein Wunder und ein gefährdetes Wunder. Noch ein Norovirus, ein Sturz infolge von Glatteis (Bei 30 cm Schnee!), ein Husten, Schnupfen, Halsweh und es hat sich ausgewundert.


Es gibt so wunderweiße Nächte

Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.


Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.

Rainer Maria Rilke 

 


Mittwoch, 16. Januar 2013

blaublümerant



BLAUBLÜMERANT

Mir ist so blümerant zumute. Ganz mau, flau, schwindelig, schlapp. 
Nicht wirklich übel oder kotzübel, eher kodderig, ein bisschen nicht gut.

Herders Conversations-Lexikon gibt uns: Bleumourant (franz. Blöhmurang), mattblau.
Und Wictionary schreibt: Im 17. Jahrhundert von französisch bleumourant „mattblau“ 
(eigentlich „sterbendes Blau“) entlehnt; aus bleu „blau“ und mourant „sterbend“, 
in Anlehnung an die leicht bläuliche Gesichtsfarbe von Personen, denen es schwindlig wird. 

Und wenn man das blau dann verdoppelt, weil doppelt besser hält, erhält man blaublümrerant.



Liste der 10 schönsten berohten Wörter von 2007 

Kleinod
blümerant
Dreikäsehoch
Labsal
bauchpinseln
Augenstern
fernmündlich
Lichtspielhaus
hold
Schlüpfer

Quelle: Tagesschau

http://www1.spiegel.de/active/quiztool/fcgi/quiztool.fcgi?name=bedrohteswortquiz

 

Dienstag, 15. Januar 2013

Mumpitz! Humbug! Kokolores!


   

   Mumpitz, Humbug, Quatsch, mit und ohne Sauce, Quark, Käse,
   Blödsinn, Schwachsinn, Unsinn, oder netter, Kokolores, 
   Wörter für etwas wovon es eine unüberhörbare Menge gibt, 
   leeres Geschwätz, dummes Zeugs, Text ohne Inhalt, um eine 
   unschöne, aber bildhafte Beschreibung zu nutzen, verbaler  
   Dünnpfiff, Logorrhö habe ich gerade als feineres Fremdwort 
   gefunden.
   
   Als belustigende Variante treffen wir die akute Logorröh als
   Manifestation von Spaß an Worten, an Lauten, am Herumspinnen,
   quatschen stammt wohl daher. Man trifft sich, um durch
   Wortaustausch Kontakt aufzunehmen, der Redeinhalt ist sekundär, 
   durch Mimik, Klang, gelegentliche leichte Berührungen versichern
   sich alle Beteiligten der gegenseitigen Zuneigung. 
   Politiker hinwiederum, werden sobald sie eine gewisse Rangstufe
   erreicht haben, mit einem virulenten Logorröh-Virus infiziert, 
   um sicherzustellen, dass sie eine Stunde reden, um Nichts zu 
   sagen, wenn eine mögliche sachliche Aussage drei Sätze verlangt
   hätte. Sie verstecken somit die Lüge in der immensen Menge der 
   Wörter.

   Comedians, zumindest die deutsche Sorte, babbeln für bares 
   Geld.
   
   Dann gibt es gekotzte Worthülsen infolge von Überforderung: ein 
   Freund hat mir glaubhaft berichtet, auf einem Treffen des
   Bezirksverbandes der SED kurz nach den Umstürzen des Novembers
   1989 folgenden Redebeginn gehört zu haben: Hu, Genossen, ra, es
   lebe der Sozimus. Der betreffende Genosse genoss kurze Zeit
   später die Gastfreundschaft der örtlichen Irrenanstalt. 
   
   Ich hinwiederum, plappere aus verbaler Lust, und weil ich gute 
   Gedanken meist irgendwo in der Überfülle der Worte finde, wie
   Goldnuggets im durchgesiebten Sand. Ich quatsche mich an
   den Kern eines Problems heran. Anekdoten, dumme Witze,
   weithergeholte Vergleiche, Wortspiele, freie Assoziationen,
   ein Berg Wortmüll und ich, das blinde, bzw. taube Huhn finde
   urplötzlich das Korn, die Idee, den Kernpunkt. Was habe ich
   Freunde, Liebste und Familienmitglieder schon zugequatscht, 
   auf der Suche nach dem außer meiner gedanklichen Reichweite
   liegenden, sich immer wieder entziehenden Eigentlichen.       
   Dank all den Zuhörenden, sich mit mir durch den wuchernden
   Dschungel der unzähligen Wörter Kämpfenden. Ohne euch hätte
   es viele genaue Bühnenideen nicht gegeben, hätte ich noch
   mehr Chaos in meinem Leben veranstaltet, wäre ich wahrscheinlich
   schon vor Jahren als selbstgesprächführende Irre weggefangen
   worden. Dank, dem nichtexistierenden Gott, für die
   Möglichkeit und Fähigkeit des scheinbaren Herumlaberns auf der
   Suche nach dem einen klugen Gedanken. Gedanke wurzelt wohl im 
   Wort "denken", vielleicht aber auch im Wort "Dank".
   Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden nennt
   es Kleist, ich nenne es, so lange reden, bis etwas Vernünftiges
   dabei herauskommt.

   Beim Bäcker:
  
"Tag, ich möchte gerne Rumkugeln."
   "Gerne, aber nicht hier im Laden!" 

       
   „Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht 
   im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, 
   Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei 
   geschaffenen Symbolen“. Edward Sapir 1921
   Humbug kommt aus dem Englischen und die albernste

   Herkunftsgeschichte behauptet, dass ein Professor für
   Entomologie, ein Insektenforscher, seine Studenten foppen 
   wollte, indem er aus Teilen verschiedener Krabbeltiere ein 
   "neues" zusammensetzte und ihnen zur Bestimmung vorlegte. 
   Als diese fragten: "Did it hum?" - "Hat es gesummt?", soll 
   er geantwortet haben, "Yes, it is a humbug." - "Ja, es ist 
   ein Summkäfer." es gibt auch wissenschaftlichere etymologische   
   Bestimmungen, aber die sind auch langweiliger. Ebenezer Scrooge 
   aus der Weihnachtsgeschichte von Dickens schreit des öfteren, 
   wenn ihn etwas ärgert,und so ziemlich alles ärgert ihn, "Bah, 
   humbug!" Herbert Wehner hat ihm dämlich erscheinende Fragen 
   oft mit: "das ist doch Mumpitz!" beantwortet.
 

 
   Wiki sagt: Mit Mumpitz war ab dem 17. Jahrhundert 
   eine Schreckgestalt oder auch Vogelscheuche gemeint. 
   Das Wort leitet sich ursprünglich von "Mummelputz" und 
   "Mombotz" ab und verbindet die beiden Worte vermummen 
   und (hessisch) Boz oder Butzemann (eine Kinderschreckfigur). 
   Beim Mumpitz handelt es sich um eine Schreckgestalt für Toren. 
   Der Begriff erschien dann auf der Berliner Börse seit der 
   zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für "erschreckende 
   Gerüchte" oder "schwindelhaftes Gerede".
   Wictionary beschreibt Kokolores mit: Herkunft aus der 
   Berliner Szene um 1930, in der Kokain konsumiert wurde, 
   unter Konsum kommt es u.a. zu einer Logorrhö (verstärkter 
   Redefluss von Unsinnigem ohne aufzuhören) so wurde dieses 
   Phänomen als Kokolores bezeichnet. Alternativ wird der 
   Ausdruck mit dem Ruf des Hahns in Verbindung gebracht.

Sprache

Halte mich in deinem Dienst
lebenslang
in dir will ich atmen

Ich dürste nach dir
trinke dich Wort für Wort
mein Quell

Dein zorniges Funkeln
Winterwort

Fliederfein
blühst du in mir
Frühlingswort

Ich folge dir
bis in den Schlaf
buchstabiere deine Träume

Wir verstehen uns aufs Wort
Wir lieben einander
(aus: Rose Ausländer: Im Aschenregen die Spur deines Namens. Gedichte und Prosa 1976, 1984)

Der junge Picasso malt den jungen Picasso



 
Pablo Picasso, Selbstportrait 1899-1900

PABLO PICASSO GEBOREN 1881

Pablo Picasso, Selbstbildnis, Ende 1901

Pablo Picasso, 1901 Yo Picasso, Ich bin Picasso 

 Pablo Picasso, Selbstportrait 1901

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ZEITSPRUNG

Sein letztes bekanntes Selbstportrait weniger als ein Jahr vor seinem Tod, 30. Juni 1972
Selbstportrait im angesicht des Todes 


Alle Bilder © Pablo Picasso Estate 

Montag, 14. Januar 2013

Innozenz III., ein besonders netter Mensch



   Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt 
nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht 
   nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut 
   sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt 
   alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
   Die Bibel, 1. Kor 13,4-7


Lothar Graf von Segni, vom 8.1.1198 bis zum 16.7.1216
Papst Innozenz III.
   
   "Jeder Kleriker muß dem Papst gehorchen, selbst wenn er Böses befiehlt; 
   denn niemand kann über den Papst urteilen."


   Aus De miseria humanae conditionis - Vom Elend des menschlichen Daseins

   „Aus Erde geformt ist der Mensch, empfangen in Schuld und geboren zur Pein. 
   Er handelt schlecht, gleichwohl es ihm verboten ist, er verübt Schändliches, das 
   sich nicht geziemt, und setzt seine Hoffnung auf eitle Dinge ... Er endet als Raub 
   der Flammen, als Speise der Würmer, oder er vermodert.“
   „aus dir aber kommt nur Schleim, Urin und Kot ..., du hinterläßt abscheulichen
   Gestank“  

Innozenz III.

    Päpstliche Dekretale Vergentis in senium

    Im zweiten Jahr seines Pontifikats erließ Papst Innozenz III. die Dekretale 

    Vergentis gegen die Katharer in der Kommune Viterbo, die sich im Patrimonium 
    Petri, 'Kirchenstaat', südwestlich von Rom befand. Obwohl Innozenz mit der 
    Analogie von Häresie und Majestätsverbrechen, 'Hochverrat. lediglich die 
    Konfiskation der Güter von Ketzersympathisanten rechtfertigen wollte, legte er 
    damit den Grundstein für die künftige Politisierung des Häresiedeliktes und 
    die Rechtfertigung der Todesstrafe, die nach römischen Recht für Majestätsverbrecher
    galt, kurzgesagt er bereitete den Boden für die Inquisition: 

    "In den Gebieten, die unserer weltlichen Rechtssprechung unterworfen sind, 

    ordnen wir die Konfiskation der Güter der Begünstiger, Beherberger, Verteidiger 
    und Anhänger [von Ketzern] an. Auch sollen die Güter jener nicht zurück 
    erstattet werden, sofern sich nicht jemand ihrer erbarmen wollte, wenn sie zu 
    sich kämen und der Gemeinschaft mit den Häretikern abschwörten. Auf diese 
    Weise führt die weltliche Strafe die zurück, die die kirchliche Disziplin nicht 
    zur Vernunft bringt. Wie nämlich gemäß den legitimen (rechtlichen) Maßnahmen 
    [i.e. die der römischen Kaiser] die weltlichen Güter zum Tode verurteilter 
    Majestätsverbrecherneingezogen werden, nachdem ihr Leben nur aus Mitleid für 
    die Söhne geschont worden ist, um wieviel mehr müssen dann diejenigen 
    ihrer weltlichen Güter beraubt werden, die durch dem Abfall vom rechten 
    Glauben Gottes Sohn Jesus Christus beleidigt haben und [daher] vom Haupt 
    unserer Kirche, das Christus ist, durch kirchliche Strenge getrennt werden."

     Othmar Hageneder, Register Innozenz III, Bd. 2 (1979), No. 1.
     Zitiert von http://www.sragg.de 

    Kreuzzug gegen die Albigenser:
    "Widmet euch der Vernichtung der Häresie mit allen Mitteln, die Gott euch 
    eingeben wird. Seit gewissenhafter als bei den Sarazenen, denn sie sind 
    gefährlicher. Bekämpft die Häretiker mit starker Hand und hoch erhobenem 
    Arm. Wenn der Graf von Toulouse... der Kirche und Gott keine Genugtuung 
    leistet, dann verjagt ihn und seine Mittäter aus den Zelten des Herrn. Nehmt 
    ihm seine Ländereien weg, damit katholische Einwohner die vernichteten 
    Häretiker ersetzen können ... "

    Der Chronist Wilhelm von Tudèle - Über die Einnahme von Béziers, einem Sitz 
    der Albigenser

    Im Handgemenge dringen sie ein in die Stadt
    Gezwungen sind die Belagerten, Mauern und Wall zu verlassen
    Frauen und Kinder nehmen sie mit sich
    Sie eilen zur Kirche und läuten die Glocken
    Doch niemand kann sie mehr schützen
    Auch wer in die Kirche geflüchtet, wurde getötet.
    Nicht das Kreuz rettet ihn, der Altar, der Gekreuzigte
    Die Priester werden von tobenden Knechten getötet
    Die Frauen und Kinder. Niemand, glaub ich, entkam
    Die Knechte sind in die Häuser gedrungen
    Und finden in Fülle wertvolle Güter.
    Als die Barone dies sehen, werden sie zornig
    Und jagen die Knechte aus den Häusern wie Hunde
    Da sie selbst nun beraubt sind durch die Barone
    Schreien die Taugenichtse und Gauner >legt Feuer, legt Feuer<
    Und tragen Fackeln zusammen genug, um Scheiterhaufen zu richten
    Feuer ergreift die Stadt, der Schrecken breitet sich aus
    Die Stadt verbrennt in ihrer Länge und Breite
  



    Vertreibung der Katharer (Albigenser) aus Carcassonne 
(mittelalterliche Miniatur)

    Und als Bonbon: "Der Jude ist wie ein Feuer im Busen, wie eine Maus im Sack, wie 
    eine Schlange am Hals."
 

    Alle Zitate, außer der Chronistentext, Papst Innozenz III. 
 

Sonntag, 13. Januar 2013

Ein Treppenwitz



EIN TREPPENWITZ ...

Variante 1:
Ein junger Mann hilft einer sehr alten Frau über die verkehrsreiche Strasse. Tirilli, es war eine gute Fee. " Du warst gut zu mir, deshalb hast Du jetzt drei Wünsche frei!" Der junge Mann denkt nach. " Ich wäre gern reich, berühmt und hätte gern eine wunderschöne Frau." Pling! Der Mann liegt in einem kostbaren Bett, eine wunderschöne Frau liegt neben ihm. Sie erwacht , schaut ihn lächelnd an und sagt: "Ferdinand, fahren wir nun nach Sarajevo oder nicht?"


Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie kurz vor dem Attentat. Dieses führte zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Sarajevo, 28.06.1914
Variante 2 von Mireille Adieu:
das war immer einer meiner lieblingswitze, ein bisschen anders erzählt. niemand versteht, wieso ich darüber jedesmal vor lachen umkippen könnte, wenn der in meinem witz sagt: ich würde gern eine bedeutende rolle in der weltgeschichte spielen und dann öffnet sich die tür, der kammerdiener kommt rein und sagt: herr erzherzog, ihre kutsche nach sarajevo ist vorgefahren.

Gavrilo Princip erschießt Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau am 28.Juni 1914
 Karl Kraus zum Tode des Erzherzogs "Franz Ferdinand und die Talente":

"...Franz Ferdinand war die Hoffnung dieses Staats für alle, die noch glaubten, daß im Vorland des großen Chaos ein geordnetes Staatsleben durchzusetzen sei. Kein Hamlet, der, wär' er hinaufgelangt, unfehlbar sich höchst königlich bewährt hätte; sondern Fortinbras selbst. Aber wenn selbst Fortinbras fällt, muß etwas faul auch außerhalb des Staates sein.
Nicht, daß er die Hoffnung der sogenannten Reaktion, aber daß er die Furcht des Fortschritts war, und daß sein Leben wie ein Schatten auf der abscheulichen Heiterkeit dieses Staatswesens lag, sichert seinem Andenken etwas von dem Respekt,..."


Am 28. Juni 1914 wurden der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau bei einem Besuch der bosnischen Hauptstadt Sarajevo von einem neunzehnjährigen Studenten erschossen. Mit dem Attentat wollten die von Rußland unterstützten serbischen Panslawisten ihre Forderung nach einem von Österreich-Ungarn unabhängigen serbischen Nationalstaat unterstreichen. (Wiki)
 

Dorothea Tanning liebt Max Ernst und malt.


DOROTHEA TANNING

Wenn Sie irgendetwas in ihrem Leben oder in ihren Leben  ändern könnten, was wäre das?
Mehr Farbe in meinen Träumen.
Interview im Februar 2002 für "Salon"

Dorothea Tanning war zum Zeitpunkt dieses Interviews 91 Jahre alt und wurde, der älteste lebende Surrealist genannt. Sie starb 2012.


Max Ernst, Zwei Kinder werden von einer Nachtigall bedroht 1924

Sie sagte, sie hätte sich in Max Ernst verliebt, als sie das oben zu sehende Bild 1936 in der Ausstellung "Phantastic, Dada, and Surrealismus" im Museum of Modern Art in New York sah.

Also, was haben Sie als Künstler versucht mitzuteilen? Was waren ihre Ziele, und haben Sie sie erreicht?
Ich wäre zufrieden, wenn ich darauf hinweisen konnte, das es mehr gibt als das Auge sieht. 
ebenda


D.T., Geburtstag 1942

1942 besucht Max Ernst ihr Studio, sie spielen Schach und sind von nun an bis zum Tode Max Ernsts 1976 unzertrennlich. 


Max Ernst und Dorothea Tanning beim Schachspiel 
Sedona, Arizona, 1948 - ©Bob Towers

 Kunst war immer ein Floß, auf das wir geklettert sind, um unseren Verstand zu retten. Ich sehe auch heute keinen anderen Zweck.
ebenda

Dorothea Tanning, Eine Kleine Nachtmusik, 1943

Wir leben offensichtlich in einer Gesellschaft, die Jugend wertschätzt. Hat diese
eindeutige kulturelle Ausrichtung irgendeine Auswirkung auf Sie in den letzten Jahren?
Sie haben so recht. Sogar alte Leute wollen Jugendlichesein. Aber wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war es nicht gar so glorreich. Zu meiner Überraschung, mag ich es mitlerweile alt zu sein. Du kannst tun, was Du willst.
ebenda


D.T., Familien Portrait 1954

Darf ich Sie bitten mit mir ein pseudo.surrealistisches freies Assoziations Spiel zu spielen? Ihr Ehemann Max Ernst? 
Sein Humor. Ironisch, amüsiert, verwundert. Wir haben viel gelacht. Selbst heute, muß ich acht geben, dass ich Dinge nicht absurd finde, was sie ja meistens sind. Gleichzeitig weine ich mir die Augen leer.
ebenda


Sommer 1947. Max Ernst und Dorothea Tanning mit der Max Ernst-Skulptur "Capricorn" im Garten ihres Hauses in Sedona / Kalifornien. ©John Kasnetsis

Ein pseudo.surrealistisches freies Assoziations Spiel

André Breton?
Sehr streng:" Dorothea, trägst Du diesen tiefen Ausschnitt nur, um Männer zu provozieren?"

René Magritte?
Süß.
Truman Capote?
Ein ordentliches leines Päckchen - Dynamit. 

Orson Wells? 
Finsterblicker. 

Dylan Thomas?
Wie könnte irgendjemand seinem bardischen Überschwang, seinen Dithyramben widerstehen? 
Duchamp? 
Unübertroffen. 

Picasso?
Einmal war ich in seinem Haus, Jhuan-les-pins auf einem Nachmittags-Besuch, wir standen an der Küchentür, um Aufwiedersehen zu sagen und er hat die letzte Rose von einem alten Rosenstrauch gepflückt und sie mir gegeben. Wie würden Sie sich fühlen? 


 D.T., Canapé für einen regnerischen Tag (Rainy Day Canapé) 1970

http://www.salon.com/2002/02/11/tanning/

Freitag, 11. Januar 2013

Blaubart, ein Märchen in drei Variationen

 

Blaubart  

(Gebrüder Grimm)


In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Söhne und eine schöne Tochter. Einmal kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus still, und ein König stieg aus und bat den Mann, er möchte ihm seine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh, dass seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr, und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszusetzen, als dass er einen ganz blauen Bart hatte, so dass man einen kleinen Schrecken kriegte, sooft man ihn ansah. Das Mädchen erschrak auch anfangs davor und scheute sich, ihn zu heiraten, aber auf Zureden ihres Vaters willigte es endlich ein. Doch weil es so eine Angst fühlte, ging es erst zu seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sagte: "Liebe Brüder, wenn ihr mich schreien hört, wo ihr auch seid, so lasst alles stehen und liegen und kommt mir zu Hülfe." Das versprachen ihm die Brüder und küssten es. "Leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine Stimme hören, springen wir auf unsere Pferde und sind bald bei dir." Darauf setzte es sich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr mit ihm fort. Wie es in sein Schloss kam, war alles prächtig, und was die Königin nur wünschte, das geschah, und sie wären recht glücklich gewesen, wenn sie sich nur an den blauen Bart des Königs hätte gewöhnen können, aber immer, wenn sie den sah, erschrak sie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit gewährt, sprach er: "Ich muss eine große Reise machen, da hast du die Schlüssel zu dem ganzen Schloss, du kannst überall aufschließen und alles besehen, nur die Kammer, wozu dieser kleine goldene Schlüssel gehört, verbiet ich dir; schließt du die auf, so ist dein Leben verfallen." Sie nahm die Schlüssel, versprach ihm zu gehorchen, und als er fort war, Schloss sie nacheinander die Türen auf und sah so viel Reichtümer und Herrlichkeiten, dass sie meinte, aus der ganzen Welt wären sie hier zusammengebracht. Es war nun nichts mehr übrig als die verbotene Kammer, der Schlüssel war von Gold, da gedachte sie, in dieser ist vielleicht das Allerkostbarste verschlossen; die Neugierde fing an, sie zu plagen, und sie hätte lieber all das andere nicht gesehen, wenn sie nur gewusst, was in dieser wäre. Eine Zeitlang widerstand sie der Begierde, zuletzt aber ward diese so mächtig, dass sie den Schlüssel nahm und zu der Kammer hinging: "Wer wird es sehen, dass ich sie öffne", sagte sie zu sich selbst, "ich will auch nur einen Blick hineintun." Da Schloss sie auf, und wie die Türe aufging, schwamm ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Wänden herum sah sie tote Weiber hängen, und von einigen waren nur die Gerippe noch übrig. Sie erschrak so heftig, dass sie die Türe gleich wieder zuschlug, aber der Schlüssel sprang dabei heraus und fiel in das Blut. Geschwind hob sie ihn auf und wollte das Blut abwischen, aber es war umsonst, wenn sie es auf der einen Seite abgewischt, kam es auf der andern wieder zum Vorschein; sie setzte sich den ganzen Tag hin und rieb daran und versuchte alles mögliche, aber es half nichts, die Blutflecken waren nicht herab zu bringen; endlich am Abend legte sie ihn ins Heu, das sollte in der Nacht das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der Blaubart zurück, und das erste war, dass er die Schlüssel von ihr forderte; ihr Herz schlug, sie brachte die andern und hoffte, er werde es nicht bemerken, dass der goldene fehlte. Er aber zählte sie alle, und wie er fertig war, sagte er: "Wo ist der zu der heimlichen Kammer?" Dabei sah er ihr in das Gesicht. Sie ward blutrot und antwortete: "Er liegt oben, ich habe ihn verlegt, morgen will ich ihn suchen." "Geh lieber gleich, liebe Frau, ich werde ihn noch heute brauchen." "Ach ich will dir's nur sagen, ich habe ihn im Heu verloren, da muss ich erst suchen." "Du hast ihn nicht verloren", sagte der Blaubart zornig, "du hast ihn dahin gesteckt, damit die Blutflecken herausziehen sollen, denn du hast mein Gebot übertreten und bist in der Kammer gewesen, aber jetzt sollst du hinein, wenn du auch nicht willst." Da musste sie den Schlüssel holen, der war noch voller Blutflecken.

"Nun bereite dich zum Tode, du sollst noch heute sterben", sagte der Blaubart, holte sein großes Messer und führte sie auf den Hausehrn. "Lass mich nur noch vor meinem Tod mein Gebet tun", sagte sie. "So geh, aber eil dich, denn ich habe keine Zeit lang zu warten." Da lief sie die Treppe hinauf und rief, so laut sie konnte, zum Fenster hinaus: "Brüder, meine lieben Brüder, kommt, helft mir!" Die Brüder saßen im Wald beim kühlen Wein, da sprach der jüngste: "Mir ist, als hätte ich unserer Schwester Stimme gehört; auf! wir müssen ihr zu Hülfe eilen!" Da sprangen sie auf ihre Pferde und ritten, als wären sie der Sturmwind. Ihre Schwester aber lag in Angst auf den Knien; da rief der Blaubart unten: "Nun, bist du bald fertig?" Dabei hörte sie, wie er auf der untersten Stufe sein Messer wetzte; sie sah hinaus, aber sie sah nichts als von Ferne einen Staub, als käme eine Herde gezogen. Da schrie sie noch einmal: "Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und ihre Angst ward immer größer. Der Blaubart aber rief: "Wenn du nicht bald kommst, so hol ich dich, mein Messer ist gewetzt!" Da sah sie wieder hinaus und sah ihre drei Brüder durch das Feld reiten, als flögen sie wie Vögel in der Luft, da schrie sie zum dritten Mal in der höchsten Not und aus allen Kräften: "Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und der jüngste war schon so nah, dass sie seine Stimme hörte: "Tröste dich, liebe Schwester, noch einen Augenblick, so sind wir bei dir!" Der Blaubart aber rief: "Nun ist's genug gebetet, ich will nicht länger warten, kommst du nicht, so hol ich dich!" "Ach! nur noch für meine drei lieben Brüder lass mich beten." Er hörte aber nicht, kam die Treppe herauf gegangen und zog sie hinunter, und eben hatte er sie an den Haaren gefasst und wollte ihr das Messer in das Herz stoßen, da schlugen die drei Brüder an die Haustüre, drangen herein und rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie ihre Säbel und hieben ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehängt zu den andern Weibern, die er getötet, die Brüder aber nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus, und alle Reichtümer des Blaubarts gehörten ihr.

Gustav Dore

Blaubart - La barbe bleu

(Charles Perrault)

Es war einmal ein Ritter, der besaß viele Häuser in der Stadt und viele Schlösser auf dem Lande und silbernes und goldenes Tafelgeschirr und Möbel voll kostbarer Stickereien und vergoldete Karossen und Kasten voll Geld – aber er besaß auch einen blauen Bart, und das gab ihm ein so abstoßendes Aussehen, daß Weiber und Mädchen ihn weder leiden noch sehen mochten.
Eine seiner Nachbarinnen, eine vornehme, aber arme Dame, hatte zwei sehr schöne Töchter. Er warb bei ihr, es der Mutter überlassend, welche von beiden sie ihm geben wolle. Sie mochten aber alle beide von dieser Partie nichts wissen, und eine wollte ihn der andern aufreden, da sich keine entschließen konnte, einen Mann mit blauem Barte zu heiraten. Auch hatte es etwas Abschreckendes, daß Blaubart schon mehrere Male verheiratet gewesen und daß man nicht wußte, was aus seinen bisherigen Frauen geworden. Es war das jedenfalls ein verdächtiger Umstand.
Blaubart aber kannte die Weiber und die Mittel, ihnen die Köpfe zu verdrehen. Er lud die Mutter und die Töchter samt einigen ihrer Freundinnen und mehrere junge Männer auf eines seiner Schlösser, wo man sich durch acht Tage aufs angenehmste unterhielt. Da ging es hoch und lustig her; nichts als Landpartien, Bälle, Mahlzeiten, Gesellschaftsspiele, Neckereien, dazu wohlangebrachte Geschenke an die Mädchen wie an die Mutter und an die Freundinnen, die auf die Schwestern am meisten Einfluß hatten. Kurz, nach acht Tagen fand die jüngere Schwester, daß der Bart ihres Wirtes nur bläulich, nicht blau, 
und daß er selbst im ganzen und großen ein recht galanter Ritter und höchst 
annehmbarer Ehemann sei. Wenige Wochen nach diesen Lustbarkeiten war Hochzeit.
Nach Verlauf des Honigmondes sagte Blaubart zu seiner Frau: »Ich muß in sehr wichtiger Angelegenheit eine längere Reise machen, die mich wohl sechs Wochen lang von dir, mein Engel, und von meinem jungen Glücke trennen wird. Betrübe dich darum nicht allzusehr; im Gegenteil, lasse deine Freundinnen kommen und unterhalte dich während meiner Abwesenheit so gut als möglich. Hier übergebe ich dir die Schlüssel zu meinen Vorrats- und Schatzkammern, denn was mir gehört, gehört dir, und schalte und walte du damit nach Belieben. Dieser Schlüssel führt zum Saal der Gold- und Silbergeschirre, die man nicht täglich braucht, dieser zu meinen Kassen voll Gold und Silber, dieser zu den Kisten, in denen ich meine Diamanten aufbewahre, und dieser hier ist der Hauptschlüssel, der alle Türen öffnet. Was nun dieses kleine Schlüsselchen betrifft, so führt es in das kleine Gemach am Ende der großen Galerie. Gehe du überall hin, wohin es dir beliebt, öffne alle Türen, wie du willst, aber ich verbiete dir aufs strengste, in jenes kleine Kabinett einzutreten. Sollte es dir dennoch begegnen, daß du es öffnest, so wisse, daß du von meinem Zorne das Schrecklichste zu erwarten hast.« Sie versprach und beteuerte, seine Verordnungen aufs gewissenhafteste zu beobachten. Er umarmte sie zärtlich, stieg zu Roß und ritt davon. Die Nachbarinnen, Gevatterinnen und Freundinnen warteten nicht, bis man sie abholte. Kaum war Blaubart abgeritten, als sie schon herbeikamen, neugierig, wie sie waren, alle Reichtümer und Herrlichkeiten der jungen Frau zu sehen, während sie bisher nicht gewagt hatten, sie zu besuchen, aus Furcht vor dem blauen Barte. Da liefen sie nun voll Neugierde durch Zimmer und Zimmerchen, durch Säle und Sälchen und Schatzkammern und konnten sich nicht genug verwundern, und manche beneidete die glückliche Blaubärtin. Diese Tapisserien, diese Sofas, diese Lehnstühle, diese ausgelegten Tische – es war alles über alle Beschreibung reich und schön, jedes Kabinettchen ein Grünes Gewölbe. Am schönsten aber waren die großen Spiegel mit den prächtigen Rahmen, in denen das häßlichste Frauenzimmer reizend aussah. Sie waren alle wie berauscht von den schönen Sachen, und manche bedauerten, daß es nicht noch viele solche Blaubärte in der Welt gab. Am wenigsten unterhielt sich bei all dem die Beneidete, die Frau des Hauses selbst. Sie war zerstreut, sie konnte es nicht erwarten, hinabzusteigen in die Galerien und das kleine Kabinett zu öffnen. Die Neugierde verzehrte sie, und am Ende hielt sie es nicht länger aus, verließ unartigerweise ihre Gesellschaft und schlüpfte über die verborgene Wendeltreppe so schnell hinab, daß sie zwei- oder dreimal in Gefahr war, den Hals zu brechen. Erst vor der Türe des kleinen Kabinetts kam sie einigermaßen zur Besinnung und überlegte, ob es auch recht sei, die Verbote des Gatten so sehr außer acht zu lassen, und ob ihr aus ihrem Ungehorsam nicht etwelches Unglück erwachsen könne. Sie erinnerte sich des Gesichtes, das Blaubart gemacht hatte, als er ihr einschärfte, das Kabinett nicht zu öffnen, und sie schauderte. Aber die Versuchung war zu groß. Sie konnte nicht widerstehen – und schon hielt sie das kleine Schlüsselchen in der Hand, und schon hatte sie, obwohl zitternd, die Türe geöffnet.
Zuerst sah sie nichts, gar nichts, weil die Fenster geschlossen waren. Nach einigen Minuten sah sie, daß der Boden mit geronnenem Blut bedeckt war und in dem Zimmer tote Frauen lagen. Es waren das die Frauen, die Blaubart früher geheiratet und die er alle, eine nach der andern, umgebracht hatte. Sie war halb tot vor Schrecken, und das Schlüsselchen, das sie aus dem Schlosse gezogen., entfiel ihren Händen.
Nachdem sie sich wieder gefaßt, hob sie das Schlüsselchen auf, schloß die Türe und lief in ihr Zimmer, um sich zu sammeln und von ihrem Schrecken zu erholen. Aber das wollte ihr nicht gelingen, so sehr erschrocken und aufgeregt war sie. Da sie bemerkte, daß das Schlüsselchen mit Blut befleckt war, wischte sie es zwei- und dreimal ab, aber das Blut wollte nicht weichen. Sie mochte es noch so sehr waschen und mit Sand und Bimsstein reiben, der Blutfleck blieb nach wie vor, denn der Schlüssel war ein Zauberschlüssel, da half nichts. Und wenn der Blutfleck an einer Stelle verschwand, kam er an einer andern wieder zum Vorschein. Blaubart kehrte noch am selben Abend von der Reise zurück und erzählte, daß er durch Briefe, die er unterwegs erhalten, in Erfahrung gebracht, daß die Reise überflüssig und daß seine Angelegenheiten aufs beste geordnet seien. 
Seine Frau tat alles mögliche, um ihn glauben zu machen, daß sie über seine frühe Rückkehr hocherfreut sei.

Am nächsten Morgen verlangte er die Schlüssel zurück. Sie übergab sie ihm, 
aber mit so arg bebenden Händen, daß er leicht erriet, was geschehen war. 
»Wie kommt es«, fragte er, »daß der kleine Schlüssel zum Kabinett hier fehlt?«
»Ich werde ihn wohl oben auf dem Tische haben liegenlassen.«
»Vergiß nicht, mir ihn alsbald zu bringen«, sagte Blaubart.
Sie schob es mehrere Male auf, aber am Ende mußte sie den Schlüssel denn doch herbeibringen. Blaubart betrachtete ihn und sagte dann: »Wie kommt Blut an diesen Schlüssel?« »Ich weiß es nicht«, antwortete das arme Weib, blaß wie der Tod.
»Du weißt es nicht«, schrie Blaubart, »ich aber weiß es, ich! Du wolltest in das Kabinett! Nun wohl, du sollst deinen Willen haben, du wirst hineinkommen in dieses Kabinett und wirst deinen Platz einnehmen neben den Damen, die du dort zu sehen das Vergnügen hattest. Sie warf sich ihm zu Füßen, weinte und bat um Verzeihung und Gnade mit allen Zeichen der Reue. Sie weinte, wie man sich denken kann, vergebens, denn Blaubart hatte ein Herz von Stein. »Du mußt sterben«, sagte er gefaßt, »und zwar gleich.«
»Wenn ich schon sterben muß«, sagte sie mit vor Tränen zitternder Stimme, »so laß mir nur so viel Zeit, um mein Gebet verrichten zu können.« »Ich gewähre dir eine halbe Viertelstunde und keine Minute mehr.« Als er sie allein ließ, rief sie ihre Schwester und sagte zu dieser: »Schwester Anna, ich bitte dich, steige auf den Turm, so hoch du kannst, und sieh, ob nicht meine Brüder kommen. Sie haben sich auf heute zu Besuch angesagt, und wenn du sie kommen siehst, mache ihnen Zeichen, daß sie sich beeilen.«
Schwester Anna stieg auf den Turm, so hoch sie konnte, und die arme Betrübte rief von Zeit zu Zeit zu ihr hinauf: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
Und Schwester Anna antwortete: »Ich sehe nur die Sonne, die schimmert, und das grüne Gras, das glitzert.« Unterdessen stand Blaubart, mit einem großen Messer in der Hand, unten und rief aus Leibeskräften seiner Frau; »Komme rasch herunter, oder ich steige hinauf!«
»Noch einen Augenblick!« antwortete seine Frau, und dann rief sie leise: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?« Und Schwester Anna antwortete: »Ich sehe nur die Sonne, die schimmert, und das grüne Gras, das glitzert.«
»So komm doch!« schrie Blaubart, »oder ich steige hinauf!«
»Ich komme!« antwortete seine Frau, dann rief sie: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
»Ich sehe«, erwiderte Schwester Anna, »einen großen Staub, der sich von jener Seite erhebt.«
»Sind es meine Brüder?«
»Ach nein, meine Schwester, es ist eine Schafherde.«
»Willst du nicht endlich kommen?« schrie Blaubart.
»Noch eine Minute«, antwortete seine Frau, dann rief sie: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
»Ich sehe«, antwortete Schwester Anna, »ich sehe zwei Ritter von jener Seite kommen, aber sie sind noch sehr weit.« Und einen Augenblick später rief sie: »Gott sei gelobt, es sind die Brüder. Ich mache ihnen, soviel ich kann, Zeichen, daß sie sich beeilen.«
Blaubart schrie und rief jetzt so stark, daß das Haus zitterte. Das arme Weib stieg hinab, warf sich ihm zu Füßen, weinte und jammerte ganz fürchterlich und rang die Hände.
»Das führt zu nichts«, sagte Blaubart, »du mußt sterben!«
Dann griff er mit einer Hand in ihr Haar, mit der andern schwang er das große Messer, um ihr den Kopf abzuschneiden. Die arme Frau wandte sich zu ihm, sah ihn mit brechenden Augen an und bat noch um einen Augenblick, um sich zu sammeln.
»Nein! Nein! Empfiehl deine Seele Gott aufs beste!« rief er und hob den Arm ... In diesem Augenblick schlug man so gewaltig an die Tür, daß Blaubart stutzte. Man öffnete sogleich. Zwei Ritter mit gezückten Schwertern traten ein und stürzten sich geradenwegs auf Blaubart. Er erkannte die Brüder seiner Frau und wollte auf und davon gehen, aber die Brüder verfolgten ihn auf dem Fuß, erwischten ihn, bevor er aus dem Hause war, stießen ihm die Degen mitten durch den Leib und streckten ihn tot hin. Die arme Frau, die fast ebenso tot war wie ihr Gatte, hatte kaum Kraft genug, um sich zu erheben und ihre Brüder zu begrüßen. Blaubart hatte keine Anverwandten, und so fiel die ganze Erbschaft seiner Frau zu. Einen Teil ihres ungeheuren Vermögens gab sie ihrer Schwester Anna und verheiratete sie mit einem trefflichen jungen Mann, der sie seit langem liebte. Einen anderen Teil überließ sie ihren Brüdern, die als Soldaten das sehr wohl brauchen konnten, und den Rest brachte sie einem soliden Manne zu, an dessen Seite sie im Glücke die schweren Stunden ihrer kurzen Ehe mit Blaubart vergaß.

 Gustav Dore

Das Märchen vom Ritter Blaubart

(Ludwig Bechstein) 

Es war einmal ein gewaltiger Rittersmann, der hatte viel Geld und Gut und lebte auf seinem Schlosse herrlich und in Freuden. Er hatte einen blauen Bart, davon man ihn nur Ritter Blaubart nannte, obschon er eigentlich anders hieß, aber sein wahrer Name ist verloren gegangen. Dieser Ritter hatte sich schon mehr als einmal verheiratet, allein man hatte gehört, daß alle seine Frauen schnell nacheinander gestorben seien, ohne daß man eigentlich ihre Krankheit erfahren hatte. Nun ging Ritter Blaubart abermals auf Freiersfüßen, und da war eine Edeldame in seiner Nachbarschaft, die hatte zwei schöne Töchter und einige ritterliche Söhne, und diese Geschwister liebten einander sehr zärtlich. Als nun Ritter Blaubart die eine dieser Töchter heiraten wollte, hatte keine von beiden rechte Lust, denn sie fürchteten sich vor des Ritters blauem Bart und mochten sich auch nicht gern voneinander trennen. Aber der Ritter lud die Mutter, die Töchter und die Brüder samt und sonders auf sein großes schönes Schloß zu Gaste und verschaffte ihnen dort so viel angenehmen Zeitvertreib und so viel Vergnügen durch Jagden, Tafeln, Tänze, Spiele und sonstige Freudenfeste, daß sich endlich die jüngste der Schwestern ein Herz faßte und sich entschloß, Ritter Blaubarts Frau zu werden. Bald darauf wurde auch die Hochzeit mit vieler Pracht gefeiert.
Nach einer Zeit sagte der Ritter Blaubart zu seiner jungen Frau: »Ich muß verreisen und übergebe dir die Obhut über das ganze Schloß, Haus und Hof, mit allem, was dazu gehört. Hier sind auch die Schlüssel zu allen Zimmern und Gemächern, in alle diese kannst du zu jeder Zeit eintreten. Aber dieser kleine goldne Schlüssel schließt das hinterste Kabinett am Ende der großen Zimmerreihe. In dieses, meine Teure, muß ich dir verbieten zu gehen, so lieb dir meine Liebe und dein Leben sind. Würdest du dieses Kabinett öffnen, so erwartet dich die schrecklichste Strafe der Neugier. Ich müßte dir dann mit eigner Hand das Haupt vom Rumpfe trennen!« Die Frau wollte auf diese Rede den kleinen goldnen Schlüssel nicht annehmen, indes mußte sie dies tun, um ihn sicher aufzubewahren, und so schied sie von ihrem Mann mit dem Versprechen, daß es ihr nie einfallen werde, jenes Kabinett aufzuschließen und es zu betreten.
Als der Ritter fort war, erhielt die junge Frau Besuch von ihrer Schwester und ihren Brüdern, die gerne auf die Jagd gingen; und nun wurden mit Lust alle Tage die Herrlichkeiten in den vielen, vielen Zimmern des Schlosses durchmustert, und so kamen die Schwestern auch endlich an das Kabinett. Die Frau wollte, obschon sie selbst große Neugierde trug, durchaus nicht öffnen, aber die Schwester lachte ob ihrer Bedenklichkeit und meinte, daß Ritter Blaubart darin doch nur aus Eigensinn das Kostbarste und Wertvollste von seinen Schätzen verborgen halte. Und so wurde der Schlüssel mit einigem Zagen in das Schloß gesteckt, und da flog auch gleich mit dumpfem Geräusch die Türe auf, und in dem sparsam erhellten Zimmer zeigten sich – ein entsetzlicher Anblick! – die blutigen Häupter aller früheren Frauen Ritter Blaubarts, die ebensowenig wie die jetzige dem Drang der Neugier hatten widerstehen können und die der böse Mann alle mit eigner Hand enthauptet hatte. Vom Tod geschüttelt, wichen jetzt die Frau und ihre Schwester zurück; vor Schreck war der Frau der Schlüssel entfallen, und als sie ihn aufhob, waren Blutflecke daran, die sich nicht abreiben ließen, und ebensowenig gelang es, die Türe wieder zuzumachen, denn das Schloß war bezaubert, und indem verkündeten Hörner die Ankunft Berittner vor dem Tore der Burg. Die Frau atmete auf und glaubte, es seien ihre Brüder, die sie von der Jagd zurück erwartete, aber es war Ritter Blaubart selbst, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als nach seiner Frau zu fragen, und als diese ihm bleich, zitternd und bestürzt entgegentrat, so fragte er nach dem Schlüssel; sie wollte den Schlüssel holen, und er folgte ihr auf dem Fuße, und als er die Flecken am Schlüssel sah, so verwandelten sich alle seine Gebärden, und er schrie: »Weib, du mußt nun von meinen Händen sterben! Alle Gewalt habe ich dir gelassen! Alles war dein! Reich und schön war dein Leben! Und so gering war deine Liebe zu mir, du schlechte Magd, daß du meine einzige geringe Bitte, meinen ernsten Befehl nicht beachtet hast? Bereite dich zum Tode! Es ist aus mit dir!«