Ach! Ach ja! Nun ja!
Ich probiere gerade Schillers "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua" und habe Spaß und
denke viel nach und arbeite halt, wie es sich gehört und manchmal auch etwas mehr.
Vorgeschichte:
Da kein Stadttheaterensemble die Darsteller für circa fünfundsechzig vorgegebene genuesische Italiener und Teutsche zur Verfügung stellen kann, fünf Stunden Schillertexte unsere verknappte Aufmerksamkeitsspanne mächtig überfordern würden, und überhaupt, zwei von drei Leuten, die das Stück zu lesen versuchten, frühestens nach Akt Eins aber spätestens Akt Zwei in erschöpfter Verwirrung das Handtuch warfen, habe ich eine knappe, strenge, zugespitzte Fassung verfertigt und reise in Erwartung von sieben produktiven Probenwochen nach Bayern. Probenbeginn: 10. Dezember.
Die Realität:
Zwei Darsteller stoßen erst am 2. Januar dazu, weil sie vorher noch in einer anderen Produktion beschäftigt sind. Und da ist noch ein viertägiges Gastspiel in Budapest vor Weihnachten und ein paar kleine Wiederaufnahmen und das Detail von einer Woche Urlaub für das ganze Theater, ach ja, und eine Nebenhöhlenvereiterung, ein schwerer Infekt, ein entzündeter Backenzahn, zwei Magen-Darm-Grippen und - nichts und, das war es - bis heute.
Gestern hat Fiesco die Dame, die er zu erführen plant, zärtlich gebeten ihm ihren DArm zu reichen.
Schematische und vergrößerte Darstellung eines Norovirus. Noroviren sind weltweit die häufigste Ursache von akuten
Gastroenteritis-Ausbrüchen. Impfstoffe oder antivirale Medikamente gegen
humane Noroviren stehen derzeit nicht zur Verfügung.
Das aller erstaunlichste an der meschuggenen Situation ist aber, dass niemand panisch ist. Nicht mal ich. Wir probieren, manchmal mit zwei, gelegentlich mit drei vorgestellten Partnern - unsere Souffleuse ist eine exzellente Einleserin, die Regieassisstentin agiert stumm - wir hüpfen zwischen den Akten und imaginieren die Verbindungsstücke. Wir arbeiten, als wäre dies alles normal. Aber, wenn wir uns dann mal vollständig versammeln, zweimal bisher, und auch noch auf der Bühne sind und nicht auf der gemütlichen, aber leicht rachitischen (schmal in der Brust) Probebühne, dann passt es. Fragt mich nicht warum.
Ich möchte damit keinerlei Vorbildwirkung behaupten, denn es ist ein Wunder und ein gefährdetes Wunder. Noch ein Norovirus, ein Sturz infolge von Glatteis (Bei 30 cm Schnee!), ein Husten, Schnupfen, Halsweh und es hat sich ausgewundert.
Es gibt so wunderweiße Nächte
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Diamantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke
Und dann wird wundersamerweise wieder das Wunder stattfinden: eine Premiere.
AntwortenLöschen(Für die jungen Leser dieses Blogs, die das wunderbare Büchlein über das Theaterwunder nicht kennen sollten: Karel Capek "Wie ein Theaterstück entsteht" )