Montag, 16. Oktober 2017

Mann, bin ich müde. Ich.

Ein verrückter Ego-Trip.

Seit September letzten Jahres bin ich nur im März für längere Zeit zuhause gewesen, und da habe ich am nächsten Projekt geschrieben und circa zwei laufende Meter theologischer Texte zu verstehen versucht. Hier scheint mir ein durchaus ernstgemeintes Dankeschön an meinen persönlichen theologischen Berater angebracht. Die Bibliothek der theologischen Fakultät wäre mir, ohne Dich, nur ein undurchsichtiges Labyrinth geblieben. Widerspruch tut gut. Ja.

Was für eine wilde Sause - Penthesilea & Fassbinder, ein Bibel-Projekt und eine scheinbar harmlose französische Komödie. Kontraste, Kontraste und vielerlei Erstaunliches zwischendurch. 

Hey, wer hat mit fast Sechzig noch ein so abwechslungsreiches Leben?

Ich mußte die unangenehmste, dümmste, verdorbenste Schauspielerin meines bisherigen und, hoffentlich, auch künftigen Theaterlebens kennenlernen, traf aber auch auf viele ungewöhnlich spielfreudige, lustige, ernsthafte, fleißige und begeisterbare Mit-Arbeiter. 
Meine großartige Compagnonin und ich haben uns durch das Alte Testament gewühlt und dabei viel über unsere Welt und uns selbst begriffen. Sie ist immer noch freundlicher als ich und mich hat die Arbeit zur radikalisierten Atheistin geformt. Solch eine intensive Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft hatte ich selten. Probieren und über den Sinn des Lebens sprechen können, was für ein Luxus.
Mpundu Mjumira aus Malawi hat meine Geduld auf die Probe gestellt und mein Herz berührt. Nicole hat den nötige Abstand ermöglicht und Betty hat sich weit mehr eingelassen, als man erwarten kann.
http://www.theaterkonstanz.de/tkn/veranstaltung/07948/index.html 
In Toronto durfte ich in Donald Trump Maske Shakespeare Text sprechen und in Rostock habe ich französische Musik gehört. Und Susanne hat mir den Rücken frei gehalten.
Jetzt, Mitte Oktober, bin ich froh und müde. Müde. Froh. Und traurig. 
Ach, Horst. Du fehlst mir noch weit mehr als ich erwartet hätte. Aber die Rostocker Gewerke sind für Dich über sich hinaus gewachsen.

Ferien. Freie Zeit. Frei von Pflichten. Zeit. Verrückt. Toll. Wunderbar. Wenn man weiß, dass es irgendwann wieder anders sein wird. Kochen. Theater gucken. Kino. Bücher ohne Absicht lesen. Freunde wieder neu kennenlernen, verreisen. Verlangsamen und absichtliches verblöden.

Faulsein mein höchstpersönliches Projekt.

Meine Oma hat mich die Genüsse des Faulseins gelehrt und dafür danke ich ihr. Sie war die Woche über eine äußerst effiziente Intendantin und Schauspielerin und verwandelte sich schlagartig am Samstag in eine herrlich schlamperte Ökotante. "Laid back" beschreibt es, locker ist keine gute Übersetzung. Schwimmen, essen, Pilze sammeln, quatschen.

Jetzt werde ich Fenster putzen lassen und meine Küche renovieren,  blutdrünstige Krimis lesen und Theater sehen, das andere Menschen erdacht haben, Kunst angucken und viel guten Kaffee trinken.



Mittwoch, 11. Oktober 2017

BLADERUNNER

Unter vielem anderem, der schönste, aufwühlendste Filmtod aller meiner Zeiten.

Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkel, nahe dem Thannhäuser-Tor. All diese Momente werden verloren sein... in der Zeit, so wie... Tränen im Regen. Zeit zu sterben.

Was für ein herrlicher, herzzerreißender, aufwühlender Film! 
Ich habe alle Schnittversionen gesehen, die mit dem kruden Happy-End, die mittlere gemäßigte und die wirklich gute, ich habe alle geliebt. 
Eine Zukunft, die ich fürchte und begreife, Leute, Menschen und Androiden, die ich verstehe. Bilder, die mich geprägt haben. Nicht nur mich, sondern nahezu alle Sci-Fi Filmer nach ihm, nach Ridley Scott. 

Wir wußten nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt. Aber egal, wer tut das schon.

Wenige Worte, schwärzliche, gräuliche Bilder, die in mein Langzeitgedächtnis einegespeichert sind. Dauerregen, Schirme mit beleuchteten Stielen, großflächige digitale Werbung allüberall, tausende Händler für jedes erdenkliche Bedürfnis, alles ist möglich, nichts ist freundlich, ein Mann stirbt im Regen. Weint er, oder sind es doch nur Wassertropfen? Eine Taube kommentiert flatternd seinen Tod. Das Gesicht von Harrison Ford, außerordentlich gewöhnlich, und sich dadurch jeder Interpretation hingebend. Ein wahrer Jedermann durchlebt eine große Tragödie. Und Daryl Hannah, Sean Young, Edward James Olmos, William Sanderson. 
Ein Einhorn, geträumt und als Origami. Traum und/oder Wahrheit. Hoffnung oder keine?

 
Rutger Hauer, ein durchschnittlicher holländischer Spieler, überschreitet, überspringt seine Möglichkeiten, gelangt durch glücklichste Umstände in die Liga der Erinnerbaren, derer, die wir von nun an für immer kennen werden.
Eine beachtliche Erfahrung, wenn man in Furcht leben muss... so ist es wenn man ein Sklave ist! 


Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt eben nur halb so lang. 

Samstag, 7. Oktober 2017

ES

I would there were no age between sixteen and
three-and-twenty, or that youth would sleep out the
rest; for there is nothing in the between but
getting wenches with child, wronging the ancientry,
stealing, fighting...


Ich wollte, es gäbe kein Alter zwischen sechzehn und 
dreiundzwanzig und die jungen Leute verschliefen 
den Rest; denn dazwischen ist nichts, als 
Mädchen Kinder machen, die Alten ärgern, 
stehlen und kämpfen...
 
Ein Wintermärchen, W. Shakespeare


ES

Ich hatte den Roman nie gelesen und kannte auch die Fernsehverfilmung von 1990 mit dem von mir verehrten Tim Curry (aka Dr. Frank N Furter) nicht.

Ich mag Horrorfilme eigentlich nicht und bin doch ihr einfachstes Opfer. Ich zucke. Ich quieke. Ich greife panisch nach dem nächsten erreichbaren Arm, ob der nun zu einer mir bekannten Person gehört oder nicht. Meine Mutter war genauso, was beim Weißen Hai zu zwei fetten Stirnbeulen führte, nachdem unsere sich schreckhaft einander zuwendenden Köpfe ungeplant zusammenprallten, während meine Schwester entspannt grinsend daneben saß.

Weil ein alter Bekannter gehen wollte, war ich am Tag der Einheit aber trotzdem im Kino.
ES.  
Gott sei Dank saß ich, links und rechts, sicher eingehüllt zwischen zwei Freunden, die allerdings viel Vergnügen an meiner idiotischen, kindlichen, sehr körperlichen Ängstlichkeit hatten.                                           
It, Es Oder Id? 
Mein Übersetzungsprogramm übersetzt Id aus dem Lateinischen mit Es. Was in Englisch wiederum It wäre.

Wiki sagt: Dem Freudschen Modell der Psyche zufolge, umfaßt das Id/Es/It unser unkoordiniertes instinktives Begehren; das Super-Ego/Über-Ich spielt den kritischen und moralisierenden Part; und das Ego/Ich ist der organisierte, realistische Teil, der zwischen den beiden anderen vermittelt.

Das Id ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
Sigmund Freud, Neue Folge der Vorlesungen

It, das Monster, der Clown Pennywise jagt pubertäre Kinder, ernährt sich von ihren Ängsten, verschlingt sie und erweckt gleichzeitig neue widerständige Kräfte in seinen erwählten Opfern.
 
Pubertät 


Pubertät. Meine Erinnerungen sind vage. Emotionale Achterbahnfahrten, abrupte Wechsel zwischen unangreifbarem Selbstbewußtsein und angstschlotternder Unsicherheit. Nie wieder war ich meiner Meinungen so sicher und wußte so wenig über mich. Und die existentiellen Verwirrungen meines sexuellen Ichs lasse ich hier mal beiseite.

ES. Ein kluger Horrorfilm. Wow! Mit hochbegabten Kinderschauspielern. Nicht den robotisierten, dressierten Niedlichkeitsmaschinen deutscher Filmproduktionen, sondern glaubhaften, leicht zugespitzte, wiedererkennbare 12-jährige Menschen.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Horst, mein Freund, ist tot.

HORST VOGELGESANG - MEIN NACHRUF

Horst hat mir viele, viele Jahre lang die Sicht offen und den Rücken frei gehalten. Seit 1996, seit mehr als 20 Jahren. Damals waren wir beide jung.
Wir. Dieses wir sind, Horst, der Bühnenbildner, Jenny, meine Schwester und Kostümbildnerin und ich, haben sehr gute Abende hingelegt und sind heftigst gescheitert. Und immer gemeinsam.
Horst wurde mir als wortkarg angekündigt und hat auf unserer ersten gemeinsamen Fahrt nach Leipzig geredet wie ein Wasserfall. 
Hunderte Autofahrstunden, unzählige Abende in Theaterwohnungen, Nudeln in unerwarteten Variationen, gräßlicher Kantinenfraß und lange, sehr lange, augenlichtverwirrende Beleuchtungsproben, 50 Premieren und noch mehr absurde Stadttheaterverwicklungen haben wir zusammen erlebt und überlebt, und nun hat ihn, der sehr alt werden wollte, der harte wahllose Tod geholt. 
Warum? Weil er es konnte.
Alles was ich über Beleuchtung weiß, habe ich von Horst gelernt.
Und viel über seinen schrägen Humor. Ja, Sachsen haben Humor!  
Horst hat mit über 60 nochmal studiert, um ein Brandenburger Theater-Festival buchhalterisch zu unterstützen. Horst konnte Sushi rollen und Brot backen. Horst war Dresdener mit Herz und Seele, und nie waren wir einem Streit näher, als an dem Tag, als ich die Dresdener Schweigeminute in Erinnerung der Bombardierung in Frage stellte. Horst hat viel Zeitung gelesen und mehr gearbeitet, als irgendjemand den ich kenne. Horst war ein eleganter Tänzer. Und ein cooler Klamottenträger. Keine Sportschuhe niemals!
Manchmal war er mißgelaunt und meckerig, und viel öfter sanft und hilfreich.
Horst und ich sind durch Deutschland gejockelt. Von Nord nach Süd und hin und her. Detmold, Esslingen, Leipzig, Greifswald, Senftenberg, Rostock, Magdeburg, Ingolstadt, Heilbronn, Konstanz, Berlin. Groß und nicht ganz so groß, es war egal. Alles war im Angebot. Alkoholabhängige Chefbeleuchter, Bühnenmeister kurz vor der Rente, oft zu wenig Geld, Schauspieler mit Talent und welche ohne jegliches, das falsche Rot und das genau richtige, hilflose Requisiteure und gewiefte Bastler. Theater halt.
Horst hat seine Krankheit als Aufgabe begriffen, die es anzugehen galt. Kein leichtes Nachgeben, kein depressives Unterordnen, ein Widerstandsplan wurde entwickelt. Ich weiß nicht, ob ich diese Stärke hätte. Er hatte sie.

Jetzt bin ich hier in Rostock und beleuchte, ohne ihn, ein Bühnenbild, dass er entworfen und auf den Weg gebracht hat. Die Gewerke arbeiten mit großer Zärtlichkeit. Sie mögen ihn. Er war ein Künstler und ein Handwerker, ein Kollege.

WHAT THE FUCK?

Er sollte jetzt hier sein und ist es nicht. Der Mistkerl. Es ist nicht seine Schuld. Ich werde ihn vermissen. Eine lange Zeit.


MENSCHENFEIND VON MOLIERE IN KARLSRUHE, eine frühe Zusammenarbeit.

Freitag, 29. September 2017

Sterben ist für nix gut

Der Tod ist der brutalste Demokrat. Wahllos, unvermeidbar, endgültig, unvermeidbar. Jeder stirbt. Und keiner weiß wann. 
Wir umgeben den Tod mit hoffnungsvoller Bedeutung. Aber das nützt uns nix.
Er ist das Ende unserer aktiven Teilnahme am Leben. Unsere Genüsse und unsere Interessen werden uns entrissen. Vielleicht, hoffentlich, bleibt unsere Liebe.



Ein guter Freund liegt im Sterben. 
Er liebt das Leben. Er kocht gern. Seine Nudelgerichte sind phänomenal. Er ist anständig. Er ist Sachse. Er ist lustig. Er ist ein pragmatischer Künstler. So, wie viele von uns, die im deutschen Stadttheatersystem ihrer Leidenschaft nachgehen. Er hat nicht aufgehört, Neues zu lernen. Seine sächsische Trockenheit ist herzerwärmend verläßlich. Er hat versucht uns seine Krankheit leicht zu machen. Solange er noch Witze machen konnte, mussten wir uns nicht zu sehr sorgen. Er wollte 100 Jahre alt werden und ließ sich, nach seiner Krebsdiagnose auf 80 Jahre runterhandeln.
Da ist der Haken. "There's the rub." 
Arschlöcher, Lebensfaule, Bösewichte werden alt. Gute Leute sterben vor ihrer Zeit.
Es macht keinen Sinn.
Es macht keinen Sinn.
 

Sonntag, 24. September 2017

Wir werden sie jagen. Unsere Wahl 2017

Ich kann nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte. 
Max Liebermann spricht zu mir aus den Tiefen meiner Seele. Ich mag mein Land grad nicht, aber ich bin deutsch und hab nix anderes. Der Jude in mir weint, aber auf deutsch.
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Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit dem durchschnittlichen Wähler.

Demokratie ist die schlimmste Regierungsform, nur dass alle anderen schlimmer sind.

Beide Zitate werden Winston Churchill zugeschrieben.
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Vor zwei Jahren hatten meine Mutter und ich ein ungewöhnliches Gespräch. Ich wohnte bei ihr und war spät noch am Arbeiten, als sie klopfte, in mein Zimmer kam und unvermittelt sagte: "Gut, dass wir die Flüchtlinge alle reinlassen." Ich habe, überrascht, wohl mit "Warum?" geantwortet. "Na, ich wäre tot, wenn uns damals niemand aufgenommen hätte."
Klar. Einfach. Einleuchtend.
Wer in Not ist, dem muß geholfen werden, wenn es uns nur irgendwie möglich ist. Ich vermisse meine Mutter sehr und bin froh, dass sie die Zahlen dieser Wahl, nicht mehr miterleben mußte.

Letztendlich ist Politik eine höchst persönliche Erfahrung, gelenkt und übertüncht von Indoktrination, Manipulation und dem uns imanenten Streben nach Anpassung, erschwert durch zweifelndes, verzweifeltes, anstrengtes Suchen nach der Wahrheit.
Mein bisheriges Leben macht es mir, zum Beispiel, unmöglich die LINKE zu wählen.
Denkfaulheit, Prügelknabensuche, Sehnsucht nach einfachen Lösungen komplizierter Probleme und die verführerische Hoffnung auf einen, der es richten wird, tun das Ihrige. 
Und nun stehen wir da, die Hosen sind runter, unser Hintern hängt im kalten Wind und wir grinsen beschämt.

Ich habe eine gute Stunde vor meinem Briefwahlzettel gesessen und versucht, mich zwischen den möglichen Varianten von pragmatischen Kreuzen zu entscheiden. Dreissig Jahre Zone ohne Wahl und nun nur die Wahl zwischen verschiedenenen Übeln?

Seit 2015 ist der Riss in unserem Land tiefer und scharfkantiger geworden.

Horror video - Angelika Merkel in Heidenau - ein politischer Diskurs der dritten Art

Wir sitzen alle in einem Boot. 
Das Boot ist voll.
Boote kentern im Mittelmeer und anderswo.

Heute haben wir gewählt. Heute haben wir gewählt. 
Schuld an allem ist das Kapital. Aber wer ist das? Das sind auch Leute, will sagen Menschen. Das Geld selbst hat keine Interessen. Warum tuen wir uns das an?

Alexander Gauland über die künftige Bundesregierung:
Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.

Alexander Gauland zur Flüchtlingspolitik:
Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.

Man Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Man Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Man Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Alexander Gauland zur nationalsozialistischen Epoche:
Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen...
Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill sind, haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.


CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt nach der Wahl:
Wir haben verstanden, dass wir die rechte Flanke schließen müssen.

Sonntag, 17. September 2017

Auf eure Gesundheit!

In Erwägung, dass mein lieber Freund gerade eine verdammt harte Zeit durchlebt und irgendwie auch meines mich selbst verblüffenden Alters  - gesund sein ist großartig. 

Lebendig sein ist ok und tot sein ist, (vermute ich,) auch ok, aber ein Leben in Krankheit ist Dreck. Wozu soll das gut sein? Kommt mir bloß nicht mit "Leiden macht stark". Macht es nicht. Wie sollte es? Leben ist schwierig genug, wenn man es kerngesund durchläuft, man benötigt jedes Quentchen Kraft dass man zur Verfügung hat, um manchesmal nicht klein beizugeben. Wer braucht da noch Krebs und AIDS und MS und all diese anderen Scheußlichkeiten?

Gott sei Dank glaube ich nicht an Gott, sonst würde ich ihn einen humorlosen Sadisten nennen.

Mein Freund und ich hatten während einer langen Autofahrt beschlossen, einhundert Jahre alt zu werden. Mein Herz hat gestottert, als er nach seiner Diagnose sagte, er würde sich jetzt auf achtzig Jahre runterhandeln lassen.

MENSCHEN GETROFFEN

Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben −
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Babendererde“ −
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen −
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.
Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.

Gottfried Benn

Samstag, 16. September 2017

Oscar Wilde - Die Seele des Menschen im Sozialismus

AUSZUG AUS 
DIE SEELE DES MENSCHEN IM SOZIALISMUS von OSCAR WILDE

...


Die meisten Menschen vergeuden ihr Leben durch einen ungesunden und übertriebenen Altruismus, ja, sind sogar genötigt, es zu vergeuden. Sie finden sich umgeben von scheußlicher Armut, von scheußlicher Hässlichkeit, von scheußlichem Hunger. Es ist unvermeidlich, dass ihr Gefühlsleben davon erschüttert wird. Die Empfindungen des Menschen werden rascher erregt als sein Verstand; und es ist, ... sehr viel leichter, Mitgefühl für das Leiden zu hegen als Sympathie für das Denken. Daher tritt man mit bewundernswerten, jedoch irregeleiteten Absichten sehr ernsthaft und sehr sentimental an die Aufgabe heran, die sichtbaren Übel zu heilen. Aber diese Heilmittel heilen die Krankheit nicht: sie verlängern sie bloß. In der Tat sind sie ein Teil der Krankheit selbst.
Man versucht zum Beispiel das Problem der Armut zu lösen, indem man die Armen am Leben erhält; oder, wie es eine sehr fortgeschrittene Schule vorschlägt, indem man sie amüsiert.

Aber das ist keine Lösung; es verschlimmert die Schwierigkeit. Das wahre Ziel heißt, die Gesellschaft auf einer Grundlage neu zu errichten, die die Armut ausschließt. Und die altruistischen Tugenden haben wirklich die Erreichung dieses Zieles verhindert. Gerade wie die ärgsten Sklavenhalter diejenigen waren, die ihre Sklaven wohlwollend behandelten und dadurch verhindert haben, dass die Greuel des Systems von denen, die darunter litten, erkannt und von denen, die darüber nachdachten, verstanden wurden, so richten beim gegenwärtigen Stand der Dinge in England jene den größten Schaden an, die versuchen, Gutes zu tun; ... Aus der Barmherzigkeit entstehen viele Sünden.

Es ist auch noch folgendes zu sagen. Es ist amoralisch, Privateigentum zur Milderung der schrecklichen Übelstände zu verwenden, die aus der Einrichtung des Privateigentums entspringen. Es ist nicht nur amoralisch, sondern auch unehrlich.

Unter dem Sozialismus wird sich das alles selbstverständlich ändern. Es wird keine Menschen mehr geben, die in stinkenden Höhlen mit stinkenden Fetzen bekleidet wohnen und kränkliche, durch den Hunger verkümmerte Kinder inmitten einer unmöglichen, widerwärtigen Umgebung großziehn. Die Sicherheit der Gesellschaft wird nicht mehr, wie es jetzt der Fall ist, vom Stande des Wetters abhängen. Wenn Frost kommt, werden nicht mehr hunderttausend Männer ihre Arbeit verlieren und im Zustand abscheulichen Elends durch die Straßen irren oder ihre Nachbarn um ein Almosen anbetteln oder sich vor den Toren der ekelhaften Asyle drängen, um sich ein Stück Brot oder ein verwahrlostes Obdach für die Nacht zu sichern. jedes Mitglied der Gesellschaft wird an dem allgemeinen Wohlstand und Glück teilhaben, und wenn Frost hereinbricht, so wird er niemandem Schaden zufügen.

Auf der anderen Seite wird der Sozialismus einfach deshalb von Wert sein, weil er zum Individualismus führt.

Der Sozialismus, Kommunismus oder wie immer man ihn benennen will, wird durch die Umwandlung des Privateigentums in allgemeinen Wohlstand und indem er anstelle des Wettbewerbs die Kooperation setzt, der Gesellschaft den ihr angemessenen Zustand eines gesunden Organismus wiedergeben und das materielle Wohl eines jeden Mitgliedes der Gemeinschaft sichern. In der Tat wird er dem Leben seine richtige Grundlage und seine richtige Umgebung verschaffen. Um aber das Leben zu seiner höchsten Vollendung zu bringen, bedarf es noch eines anderen. Es bedarf des Individualismus. Wenn der Sozialismus autoritär ist, wenn Regierungen mit ökonomischer Macht ausgestattet werden, so wie sie jetzt mit politischer Macht ausgestattet sind, wenn wir mit einem Wort eine Industrietyrannis bekommen sollten, dann wäre der neue Status des Menschen schlimmer als der bisherige. 
...

Man mag die Tugenden der Armen bereitwillig anerkennen, und doch muss man sie sehr bedauern. Wir bekommen oft zu hören, die Armen seien für Wohltaten dankbar. Einige von ihnen sind es ohne Zweifel, aber die besten unter den Armen sind niemals dankbar. Sie sind undankbar, unzufrieden, ungehorsam und rebellisch. Sie sind es mit vollem Recht. Die Mildtätigkeit empfinden sie als lächerlich unzulängliches Mittel einer Teilrückerstattung oder als sentimentale Almosen, gewöhnlich mit dem unverschämten Versuch des sentimentalen Spenders verbunden, über ihr Privatleben zu herrschen. Warum sollten sie dankbar sein für die Krumen, die vom Tisch des Reichen fallen? Sie selbst sollten beim Mahle sitzen, das beginnen sie jetzt zu begreifen. Was die Unzufriedenheit anbelangt, wer mit einer solchen Umgebung und einer so dürftigen Lebensführung nicht unzufrieden ist, müsste vollkommen abgestumpft sein. Wer die Geschichte gelesen hat, weiß, dass Ungehorsam die ursprüngliche Tugend des Menschen ist. Durch Ungehorsam ist der Fortschritt geweckt worden, durch Ungehorsam und durch Rebellion. 
...
Was die tugendsamen Armen betrifft, so kann man sie natürlich bedauern, aber keinesfalls bewundern. Sie haben mit dem Feinde gemeinsame Sache gemacht und haben ihr Erstgeburtsrecht für eine sehr schlechte Suppe verkauft. Sie müssen außerdem äußerst dumm sein. Ich begreife wohl, dass ein Mann Gesetze annimmt, die das Privateigentum schützen und seine Anhäufung gestatten, solange er unter diesen Bedingungen seinem Leben eine gewisse Schönheit und Geistigkeit zu geben vermag. Doch ist es mir beinahe unverständlich, wie jemand, dessen Leben durch diese Gesetze zerstört und verunstaltet wird, ihren Fortbestand ruhig mit ansehen kann.

...

Es ist also klar, dass der autoritäre Sozialismus zu nichts führt. Denn während unter dem gegenwärtigen System eine sehr große Zahl von Menschen ihrem Leben eine gewisse Fülle von Freiheit und Ausdruck und Glück zu verleihen vermag, würde unter einem industriellen Kasernensystem oder einem System der ökonomischen Tyrannei niemandem mehr eine solche Freiheit verbleiben. Es ist bedauerlich, dass ein Teil unserer Gemeinschaft tatsächlich in einem Zustand der Sklaverei dahinlebt, aber es wäre kindisch, das Problem dadurch lösen zu wollen, dass man die gesamte Gemeinschaft versklavt. 
...
Doch ich gestehe, dass viele sozialistische Anschauungen, denen ich begegnet bin, mir mit Vorstellungen von Autorität oder gar unmittelbarem Zwang vergiftet scheinen. Autorität und Zwang kommen selbstverständlich nicht in Betracht. jeder Zusammenschluss muss völlig freiwillig vor sich gehen. Nur wenn er sich freiwillig zusammenschließt, bewahrt der Mensch seine Würde.
...
Die moderne Welt hat Pläne. Sie schlägt vor, die Armut und das daraus erwachsende Leiden zu beseitigen. Sie will sich vom Schmerz und den daraus fließenden Qualen befreien. Sie vertraut dem Sozialismus und der Wissenschaft als ihren Methoden. Ihr Ziel ist ein Individualismus, der sich durch Freude ausdrückt. Dieser Individualismus wird weiter, reicher, herrlicher als jede bisherige Form des Individualismus sein. Der Schmerz ist nicht die letzte Stufe der Vollendung. Er ist bloß ein vorläufiger Zustand und ein Protest. Er steht im Zusammenhang mit falschen, ungesunden, ungerechten Verhältnissen. Wenn die Schlechtigkeit, die Krankheit und die Ungerechtigkeit aus der Welt verschwunden sind, dann wird er keinen Platz mehr haben. Er hat ein großes Werk vollbracht, aber es ist fast beendet. Sein Wirkungskreis wird von Tag zu Tag geringer. Auch wird ihn niemand entbehren. Denn was der Mensch erstrebt hat, das ist in der Tat weder Schmerz noch Vergnügen, sondern einfach Leben. Der Mensch verlangt danach, intensiv, ganz und vollkommen zu leben. Wenn er das vermag, ohne auf andere Zwang auszuüben oder selbst Zwang zu erleiden und wenn ihn alle seine Arbeiten befriedigen, dann wird er geistig gesünder, stärker, zivilisierter und mehr er selbst sein. In der Freude drückt sich die Natur aus, ihr stimmt sie zu. Wenn der Mensch glücklich ist, lebt er im Einklang mit sich und seiner Umgebung. Der neue Individualismus, in dessen Diensten der Sozialismus wirkt, ob er es wahrhaben will oder nicht, wird vollkommene Harmonie sein. Er wird die Erfüllung dessen sein, wonach sich die Griechen sehnten und was sie nur in Gedanken vollkommen zu verwirklichen vermochten, weil sie sich Sklaven hielten und sie ernährten; er wird die Erfüllung dessen sein, wonach sich die Renaissance sehnte, aber nur in der Kunst wahrhaft verwirklichen konnte, weil sie sich Sklaven hielt und sie verhungern ließ. Er wird vollkommen sein, und durch ihn wird jeder Mensch zu seiner Vollkommenheit gelangen. Der neue Individualismus ist der neue Hellenismus. 


The Soul of Man under Socialism, 1891 in The Fortnightly Review erschienen. 
Diese Übersetzung stammt wohl von Gustav Landauer.

Mit Dank von "Besuche Oscar Wilde" kopiert.

Freitag, 15. September 2017

Was Neues, was Anderes. ROMA ARMEE im Maxim-Gorki-Theater

Aufgewachsen bin ich mit BE, DT, MGT und Volksbühne in den 70er und 80ern und ich hätte es wahrlich schlimmer treffen können. Wenn die Spielweien und dramaturgischen Betonungen sich auch voneinander unterschieden, würde ich behaupten, dass die zugrunde liegende Theatersprache eine gemeinsame war, geprägt von Stanislawski, Brecht, unserer unrühmlichen deutschen Geschichte und den Illusionen, Lügen und Schwierigkeiten des real existierenden Sozialismus.

Alex Lang mit seinen hochformalisierten intelligenten Exerzitien wurde mein Lehrer. Ich lernte viel von ihm, Handwerk, bedachte Distanz und emotionales Einlassen, gedankliche Strenge.

Dann geschah mir Frank Castorf, der nahm, was ich kannte, drehte es durch den Wolf, kochte es zusammen, formte es um und schmiß es mir hart in den Magen. Es folgten ihm unzählige Nachahmer, aber mein Urerlebnis blieb stark und ließ mich klarer hinschauen, mehr erwarten, mißtrauischer sein gegenüber ideologischer Verschwiemeltheit.

Jahre später hatte ich ein ähnliches Zusammenprallen voll tiefer Überraschung mit Armin Petras. Diesesmal war ich schon Teil der älteren Generation, noch jung, aber um einiges älter als die Spieler und der Regisseur. Armin war verspielter als Frank, weniger abgründig, weniger böse, aber seine Fähigkeit Verbindungen zu (er)finden, wo ich nur Zusammenhangslosigkeit sah, hat mich umgehauen. Er wurde mein bevorzugter Sänger des Unterganges der DDR.

Ich habe in vielen Jahren tolles Theater gesehen, viel mehr mittelmäßiges und eine erstaunliche Menge Schrott, aber hier will ich nur über Epiphanien reden, über Abende, an denen ich wußte, das ist wichtig, anders, neu. Da nimmt sich jemand Freiheiten, die ich vorher nicht gesehen habe. Da haut wer sicher gewähnte Regeln zu Bruch und baut aus den Trümmerstücken etwas Eigenes.

So ging es mir gestern bei Milo Rau, heute bei Yael Ronen. Bei Rau hochartfiziell gebaute Schein-Authentizität, bei Ronen Trash und Agit-Pop/Prop in innigster Umarmung. Und diesmal bin ich alt. Ronen ist Jahrgang 76, Rau 77, im Jahr ihrer Geburt war ich schon erwachsen. 

 
Gott sei Dank fehlt mir die Begabung zum Epigonen, ich kann nur, wie ich kann. Sonst wäre mein Regieego jetzt krisengeschüttelt. Aber trotzdem: Alles Neue ist besser als alles Alte! (Hat Brecht gesagt und ich stimme ihm zu.)

Jetzt kommt der absurde Dreh. Gestern und heute saß ich in prall gefüllten Zuschauerräumen mit anderen weißen Menschen, wie ich, Angehörigen der bürgerlichen Mittelschicht. Theater ist kein Ort der Aufwiegelung, der Störung mehr, es ist ein Ort der Zustimmung, des Einverstandenseins. Kein bedrohter Afrikaner (Rau) und kein verachteter Roma (Ronen) schert sich einen Scheiß um unser Theater. Und doch ist es gut, dass es da ist. Erklärt mir das!

Donnerstag, 14. September 2017

Kulturelle Wochenübersicht September in Berlin - Bisky, Milo Rau & Pierre Sanoussi-Bliss

ARS ELECTRONICA im Volkswagen Group Forum in der Friedrichstrasse. Nach außen merkwürdiger Weise als Financial Art beworben, in der Tat aber eine faszinierende Sammlung von elektronischer Kunst. Hingehen und gucken, und dann die herumstehenden Männer im Anzug nach Erklärung fragen. Die Verknüpfung von neuester digitaler und elektronischer Forschung und Kunstwollen erschafft sehr überraschende Werke.

500 Minipinguine, die sich nach einem komplizierten Computerprogramm einander zu- und voneinander abwenden, einzeln und in Gruppen, choreographierte Soziologie. Und wenn man einem bestimmten Punkt davorsteht, bilden die weißen Bäuche der Pinguine plötzlich die eigene Silhouette. 
Dreidimensionale Tanzbewegungen durch einen Lichtstrahl auf ein scheinbar willkürlich geformtes Gewebe von Glasfaserdrähten projeziert. 

Hingehen und gucken.

http://www.drive-volkswagen-group.com/ausstellungen/

TRILEMMA - NORBERT BISKYs Bilder in der ehemalig katholischen Kirche St. Agnes, heute Galerie König - 
die Buntheit irritiert mich und es gibt zu viele athletische nackte Männerkörper, die mich (unfreiwillig) den Olympiafilm von Leni Riefenstahl assoziieren lassen, aber die Verletztheit aller Figuren, der verzweifelte Versuch der Zerstörung der eigenen malerischen Perfektion sind irgendwie beeindruckend und vielleicht braucht es bei solchem Schmerz heutzutage der poppigen Farben. 
Und die kahlen Räume der ehemaligen Sankt Agnes Kirche sind toll, Brutalismus vom Feinsten.



https://www.morgenpost.de/kultur/article211861633/Angriff-mit-Farbe.html

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Agnes_(Berlin) 

WEIBER - SCHWESTERN TEILEN. ALLES. von Pierre Sanoussi-Bliss im Babylon -Ein Film mit einem vollständig von Pascal von Wroblewsky gesungenen Soundtrack, geil.

Drei tolle Weiber: Winnie Böwe, Floriane Daniel, Astrid Ann Marie Pollmann und, ja und Margit Bendokat. Ich könnte Hymnen auf sie singen, mach ich aber nicht, weil sie das doof fände. Ein paar gute Männer spielen natürlich auch mit! Viel gelacht hab ich, und würde gerne erklärt bekommen, warum gerade dieser Film keinen Verleih findet. Nur weil er nicht mit öffentlicher Filmförderung produziert wurde? Dafür hat der Drehbuchautor und Regisseur so sehr an seine Geschichte geglaubt, dass er Freunde und Bekannte und völlig Fremde um Finanzierungshilfe gebeten hat und sicher auch einiges an eigenem Geld hineingesteckt hat. Er ist ein Risiko eingegangen, das ist großartig! Noch am 15., 16. und 20. September im Babylon zu sehen!



Der Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=aPagLIas1pc 

MITLEID - DIE GESCHICHTE DES MASCHINENGEWEHRS von Milo Rau in der Schaubühne

Ich bin verwirrt. Lange dachte ich, ich in bin Zuschauer bei einem dieser Volkshochschul-Reisebericht - Vorträge, mit Diashow und Soundtrack, nur das die Reise eine erfundene ist. Aber dann ist was passiert, eine Verdrehung, Verschärfung, Verkantung. Und ich hab angefangen, zu denken.
Ursina Lardi im adretten himmelblauen Kleid, so blond, wenn auch gefärbt, so schön, so nordeuropäisch - ihre eigenen Worte - und Consolate Sipérius, so klein, so schön, so sehr dunkel, mit einem Wunderhintern, reden, spielen mit der Vortäuschung von Authentizität. Und sie kriegen mich. Ich hätte das vollgemüllte Bühnenbild nicht gebraucht, Symbol tut wohl, nur ihre Worte, ihre Mimik, ihre Gesten videovergrößert, Töne, Beethoven und meinen Kopf.
Wo liegt die Grenze zwischen Mitleid und schlechtem Gewissen. Was richtet Mitleid an, das etwas ganz anderes als Mitgefühl ist? Ich habe in letzter Zeit viel über "white privilege", das Privileg ein Weißer/eine Weiße zu sein, gelesen, und heute Abend habe ich ein wenig verstanden, was damit gemeint sein könnte.
Das Fazit: "Ich bin auch nur ein Arschloch." Und weil der Abend allen Farben menschlicher Haut diese Grundwahrheit zugesteht, ist er viel klüger, als ich zuerst vermutet habe.


http://www.schaubuehne.de/de/produktionen/mitleid-die-geschichte-des-maschinengewehrs.html/ID_Vorstellung=2545

Nun morgen noch ROMA ARMEE von Yael Ronnen im Maxim Gorki Theater und Samstag im ehemaligen Schokoladen Alien - a body modification und dann gehe ich selber wieder ans Probieren. Ich bin gut dran.