Donnerstag, 14. September 2017

Kulturelle Wochenübersicht September in Berlin - Bisky, Milo Rau & Pierre Sanoussi-Bliss

ARS ELECTRONICA im Volkswagen Group Forum in der Friedrichstrasse. Nach außen merkwürdiger Weise als Financial Art beworben, in der Tat aber eine faszinierende Sammlung von elektronischer Kunst. Hingehen und gucken, und dann die herumstehenden Männer im Anzug nach Erklärung fragen. Die Verknüpfung von neuester digitaler und elektronischer Forschung und Kunstwollen erschafft sehr überraschende Werke.

500 Minipinguine, die sich nach einem komplizierten Computerprogramm einander zu- und voneinander abwenden, einzeln und in Gruppen, choreographierte Soziologie. Und wenn man einem bestimmten Punkt davorsteht, bilden die weißen Bäuche der Pinguine plötzlich die eigene Silhouette. 
Dreidimensionale Tanzbewegungen durch einen Lichtstrahl auf ein scheinbar willkürlich geformtes Gewebe von Glasfaserdrähten projeziert. 

Hingehen und gucken.

http://www.drive-volkswagen-group.com/ausstellungen/

TRILEMMA - NORBERT BISKYs Bilder in der ehemalig katholischen Kirche St. Agnes, heute Galerie König - 
die Buntheit irritiert mich und es gibt zu viele athletische nackte Männerkörper, die mich (unfreiwillig) den Olympiafilm von Leni Riefenstahl assoziieren lassen, aber die Verletztheit aller Figuren, der verzweifelte Versuch der Zerstörung der eigenen malerischen Perfektion sind irgendwie beeindruckend und vielleicht braucht es bei solchem Schmerz heutzutage der poppigen Farben. 
Und die kahlen Räume der ehemaligen Sankt Agnes Kirche sind toll, Brutalismus vom Feinsten.



https://www.morgenpost.de/kultur/article211861633/Angriff-mit-Farbe.html

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Agnes_(Berlin) 

WEIBER - SCHWESTERN TEILEN. ALLES. von Pierre Sanoussi-Bliss im Babylon -Ein Film mit einem vollständig von Pascal von Wroblewsky gesungenen Soundtrack, geil.

Drei tolle Weiber: Winnie Böwe, Floriane Daniel, Astrid Ann Marie Pollmann und, ja und Margit Bendokat. Ich könnte Hymnen auf sie singen, mach ich aber nicht, weil sie das doof fände. Ein paar gute Männer spielen natürlich auch mit! Viel gelacht hab ich, und würde gerne erklärt bekommen, warum gerade dieser Film keinen Verleih findet. Nur weil er nicht mit öffentlicher Filmförderung produziert wurde? Dafür hat der Drehbuchautor und Regisseur so sehr an seine Geschichte geglaubt, dass er Freunde und Bekannte und völlig Fremde um Finanzierungshilfe gebeten hat und sicher auch einiges an eigenem Geld hineingesteckt hat. Er ist ein Risiko eingegangen, das ist großartig! Noch am 15., 16. und 20. September im Babylon zu sehen!



Der Trailer:
https://www.youtube.com/watch?v=aPagLIas1pc 

MITLEID - DIE GESCHICHTE DES MASCHINENGEWEHRS von Milo Rau in der Schaubühne

Ich bin verwirrt. Lange dachte ich, ich in bin Zuschauer bei einem dieser Volkshochschul-Reisebericht - Vorträge, mit Diashow und Soundtrack, nur das die Reise eine erfundene ist. Aber dann ist was passiert, eine Verdrehung, Verschärfung, Verkantung. Und ich hab angefangen, zu denken.
Ursina Lardi im adretten himmelblauen Kleid, so blond, wenn auch gefärbt, so schön, so nordeuropäisch - ihre eigenen Worte - und Consolate Sipérius, so klein, so schön, so sehr dunkel, mit einem Wunderhintern, reden, spielen mit der Vortäuschung von Authentizität. Und sie kriegen mich. Ich hätte das vollgemüllte Bühnenbild nicht gebraucht, Symbol tut wohl, nur ihre Worte, ihre Mimik, ihre Gesten videovergrößert, Töne, Beethoven und meinen Kopf.
Wo liegt die Grenze zwischen Mitleid und schlechtem Gewissen. Was richtet Mitleid an, das etwas ganz anderes als Mitgefühl ist? Ich habe in letzter Zeit viel über "white privilege", das Privileg ein Weißer/eine Weiße zu sein, gelesen, und heute Abend habe ich ein wenig verstanden, was damit gemeint sein könnte.
Das Fazit: "Ich bin auch nur ein Arschloch." Und weil der Abend allen Farben menschlicher Haut diese Grundwahrheit zugesteht, ist er viel klüger, als ich zuerst vermutet habe.


http://www.schaubuehne.de/de/produktionen/mitleid-die-geschichte-des-maschinengewehrs.html/ID_Vorstellung=2545

Nun morgen noch ROMA ARMEE von Yael Ronnen im Maxim Gorki Theater und Samstag im ehemaligen Schokoladen Alien - a body modification und dann gehe ich selber wieder ans Probieren. Ich bin gut dran.

3 Kommentare:

  1. Ich habe die Pinguine nachgesehen... und das gefunden:
    https://vimeo.com/129674054
    Das ist total faszinierend, ich würd' da ewig vor stehen.
    Aber weißt Du woran es mich spontan erinnert hat... wahrscheinlich wegen der Struktur, dem Raster und der Interaktion und den Regeln, denen es folgen muss... John Conways "Game of life" ... seine Idee, zu komplexesten Strukturen, die aus einem simplen Set von Regeln entstehen... allein durch Interaktion gemäß diesen den Regeln folgenden Strukturen...
    https://www.youtube.com/watch?v=CgOcEZinQ2I

    Kann man übrigens selbst ausprobieren... hier...
    https://bitstorm.org/gameoflife/



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  2. Finde ich auch. Unsere DNS ist für mich ein Wunder, der irrste Datenspeicher, den ich kenne... mit den magischsten Konsequenzen, die ich kenne. Aber letzlich besteht sie aus einer überschaubaren Anzahl von Komponenten und klaren Regeln, wie diese Puzzlesteine zusammensetzbar sind.
    Die schiere Masse dieser Komponenten schreibt Konstruktionen wie uns... oder... mit 1,2% Unterschied... einem Gorilla. Klingt so wenig Unterschied, ist aber viel... weil ein absolut simpel gehaltenes System durch schiere Masse komplexe Vielfalt erschafft.
    John Conways Idee ist für die astrobiologische Frage nach der Entstehung von Lebens ein absoluter Hoffnungsträger.
    Weil sie beweist - ich brauche wenig, davon viel und dann sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt.
    Ich liebe unbegrenzte Möglichkeiten! :)
    Wenn, und man muss sagen, mal wieder Aminosäuren im Weltall gefunden werden, z.B. auf Rosettas Kometen, dann sind die meisten Menschen immer so unterwegs "Da fliegt also organisches Material herum, ja, gaaaanz toll.". Und Astronomen sind dann eher so: "Yeaaaaah, wir haben Aminosäuren... Paaaaaarty!!!". :)
    Weil... es braucht eben nicht viel und das komplexeste kann aus dem einfachsten entstehen.
    Gestern ist die Raumsonde Cassini nach 20 Jahren Mission in den Planeten gelenkt worden, den sie beobachtet hat. Sie ist in Saturns Atmosphäre verglüht und so Teil von "ihrem" Planeten geworden. Als sie losflog wussten man wenig darüber wie gut die Voraussetzungen für Leben auf den Saturnmonden Titan oder Enceladus sind.
    Ihre eigene Mission hat es herausgefunden und als jetzt der Treibstoff zur Neige ging und die Sonde nicht mehr zu steuern gewesen wäre, hätte sie mit den Monden kollidieren und sie mit Mikroorganismen der Erde kontaminieren können.
    Natürlich werde ich ihre Bilder vermissen, von dem Planeten, der so schön ist, dass ich ihn immer nur "den Poser" nenne.
    Aber ist das nicht eigentlich auch schön? Dass wir sagen können, sagen müssen - auf den Monden könnte Leben entstanden sein, wir gehen da mal lieber auf Nummer sicher und riskieren keinen Eingriff.
    Weil eben... es braucht gar nicht so viel um nahezu alles denkbare und undenkbare möglich zu machen - selbst bei uns "um die Ecke", im eigenen Sonnensystem.
    Eben... the game of life... einfache Regeln - irres Ergebnis... ;)


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