Samstag, 16. Mai 2015
Ich bin ein Alien - Hi, Hitler im BKA
Hi, Hitler
Lucie Pohl wurde mit einem Schnurrbart geboren. Ein zarter weicher brauner Flaum auf einer deutschen Babyoberlippe. Im zarten Alter von vier Jahren wollte sie als Hitler zum Kinderfasching gehen und wurde von ihrer jüdischen Mutter erschrocken, doch zartfühlend dazu überredet, es doch lieber als lebende Colaflasche zu versuchen.
Lucie Pohl ist ein erstklassiger, bilingualer und ziemlich unerschrockener Clown.
Heute und morgen gastiert sie im BKA, vom 19. bis 23. Mai in Recklinghausen und am 25. & 26. Mai in Hamburg. Sie hat schon ungefähr 50 dieser Shows gespielt, in New York, in London & Edinburgh. Sie, ein Stuhl und ein paar Musikeinspielungen. Sie ist schnell, genau, grob und rabiat.
Ein Abend über den Pohl-Zirkus, ihre Familie, Versprengte und Heimatsuchende, Schwankende und Verschworene. Wo ist Heimat? Wo fühle ich mich zu Hause? Warum bin ich anders, als ...
Sie heult gern vor dem Spiegel, sie imitiert präzise die unterschiedlichsten Typen, sei es die chinesische Vermieterin in Soho, die zartbeschwingte Schwester oder die betrunkene Regisseurin in Berlin. Sie möchte, oh sie möchte sein, wie all die anderen, die Normalen. Die vermutlich auch heimlich das Gefühl haben, sie wären anders, als ...
Die Aliens sind wir selber
Eine Einfrau-Show in Englisch, in Deutsch, in mensch.
Der Alien ist uns allen geläufig, als Bezeichnung für grünhäutige Besucher aus dem All, die die unsere Erde aus uns unbekannten Gründen mit Hilfe ihrer UFOs besuchen. Meine Eltern haben vor Jahren einen solchen Besuch vorbereitet, als sie über dem ländlichen Brandenburg ein ovales Lichtgebilde am Himmel sichteten, sie haben eine Viertelstunden lang ernst und schwerwiegend überlegt, wie dieser "Erste Kontakt" zu gestalten sei, und waren dann schwer enttäuscht, als sich herausstellte, dass es sich nur um einen russischen Militärhubschrauber handelte.
Ich habe in jugendlicher Faszination, die Bücher von Erich von Däniken verschlungen, und auch den Film "Erinnerungen an die Zukunft", der in den Siebzigern in der DDR im Kino lief, wie es dazu kam, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben, habe ich glaubenwollend und unkritisch in mich aufgesogen. Die Hoffnung auf etwas Fremdes, das besser wäre, als das, was ich kannte, ließ mich mein kritisches Urteilsvermögen leichtfertig übergehen.
Erinnerungen an die Zukunft ist ein deutscher Dokumentarfilm von Harald Reinl aus dem Jahr 1969 und basiert auf dem gleichnamigen Buch von Erich von Däniken. Der Film war 1971 für den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm nominiert. Die Erstaufführung war am 26. April 1970 in Deutschland und am 20. April 1973 in der DDR. Im Jahr 1986 erfolgte die Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung, mit neuen Kommentaren. (Wiki)
Alien, der Fremde, der Ausländer, der Außerirdische.
Lucie findet ihre Sicherheit endlich, als die USA ihr den Status eines "Aliens of extraordinary ability", eines Fremden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zugesteht. Sie ist immer noch ein Fremder, aber einer, der gewollt wird. Kann sie zaubern? Kann sie unheilbare Krankheiten heilen? Nein. Sie kann Menschen zum Lachen bringen. Hi! Hitler!
Alien of extraordinary ability is an alien classification by United States Citizenship and Immigration Services. The United States may grant a priority visa to an alien who is able to demonstrate “extraordinary ability in the sciences, arts, education, business, or athletics”, or through some other extraordinary career achievements.
It is known colloquially as a “genius visa” or "artists' visa" (many of the recipients are artists). It can be granted on non-immigrant or immigrant basis.
http://www.luciepohl.com/#!solo-show/c1u87
Dienstag, 12. Mai 2015
A Life Backward - Wer war Stuart Shorter?
Stuart Shorter, geboren als Stuart Clive Turner, am 19. of September 1968 in Cambridge, starb am 6. Juli 2002 in Waterbeach, Cambridgeshire, wahrscheinlich durch Selbstmord.
Ein Film, auf einer realen Lebensgeschichte basierend, über einen heroinsüchtigen, obdachlosen, zur heftigen Gewalttätigkeit neigenden Obdachlosen, der mich zum Heulen gebracht hat.
Verfluchter Dreck, habe ich ein gesegnetes Leben.
Ich weiß nicht, wie gut die Synchronisation ist, der schlechte deutsche Titel läßt nichts Gutes ahnen, aber das Gucken lohnt sich auf jeden Fall.
Warum können Briten sozial glaubhafte, nicht moralisierende und erschreckende Geschichten erzählen und wir nicht? Jeder Obdachlose in einem deutschen Film, scheint lautlos die Größe seines Talents, die ihm diese Darstellung ermöglicht, mitzuerzählen. Die Zähne sind weiß, das Kostüm sorgfältig verschmutzt, die Sprache leicht dialektgefärbt, aber gut verständlich. Sabber, Pisse und böser Witz kommen nicht vor.
Tom Hardy lallt zu Zeiten bis zur Unverständlichkeit, die Bomberjacke, die er trägt, gleicht derjenigen, die der Obdachlose vor meinem REWE auch hat. Er ist schlau und ekelig, unverfroren und er weiß genau, was wir von ihm denken.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Alexander Masters.
Masters zeigt sich darin weniger als ein außergewöhnlich guter Schriftsteller denn als ein außergewöhnlich mutiger Chronist, der aus seiner eigenen Hilflosigkeit nie einen Hehl macht. Es ist dieselbe Hilflosigkeit, die im gesellschaftlichen Umgang mit Obdachlosen ansonsten nur allzugern verschwiegen wird.
FAZ
A Life Backward - Wer war Stuart Shorter?
Drama, GB 2007
"Ich war wirklich überrascht, als ich dich getroffen habe, Alexander.
Ich dachte immer, mit Leuten aus der Mittelschicht ist irgendwas nicht
in Ordnung. Aber die sind ganz normal. Das hat mich echt geschockt."
"Das kurze Leben des Stuart Shorter" ist die
Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem
Schriftsteller und Illustrator ("ein Mittelschichts-Arschloch, wenn man
ehrlich ist, Alexander") und einem chaotischen Obdachlosen, den er bei
einer Kampagne kennen lernt, die zwei Sozialarbeiter aus dem Gefängnis
befreien soll. Damit verwoben ist Stuarts Bekenntnis: die
Geschichte seines Lebens, ganz unten. Mit Witz und Mitgefühl arbeitet
sich Masters durch Postüberfälle und Gefängniskrawalle zurück bis zu dem
Tag, an dem Stuart die Gewalt für sich entdeckt - um zu begreifen,
warum sich ein fröhlicher kleiner Junge in eine drogen- und
alkoholsüchtige Dr.Jekyll-und-Mr.Hyde-Persönlichkeit verwandelt hat.
Alexander Masters ist ein ungewöhnliches Buch gelungen, eine Biografie,
die die Besonderheit eines Lebens erzählt und einen Einblick in
Verhältnisse gewährt, die für immer mehr Menschen Realität sind.
Eine Mischung aus mehreren Rezensionen
Rezension des zugrundeliegenden Buches, Unbedingt leseswert!
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/wer-war-stuart-shorter-1386395.html
Montag, 11. Mai 2015
Petrichor - Der Geruch des Regens auf trockener Erde
Es gibt Worte, die sagen, was nicht zu sagen ist.
Petrichor
Ruhe. Trockenheit. Süße. Hitze. Erde. Dichte. Unbeweglichkeit. Durst
trifft auf
Leichtigkeit. Eile. Helligkeit. Auflösung, Geruchlosigkeit. Sättigung. Feuchtigkeit.
Festigkeit auf Tropfen.
Fläche auf kleinste Teile.
Schoß auf Sättigung.
Erwartung auf Erfüllung.
Petrichor
Wiki schreibt:
Der Begriff Petrichor bezeichnet den Geruch von Regen auf trockener Erde. Das Wort leitet sich aus dem Griechischen ab. Das Wort petros bedeutet Stein und ist kombiniert mit Ichor, der Flüssigkeit, die, nach der griechischen Mythologie, in den Adern der griechischen Götter fließt.
Der Begriff wurde 1964 von zwei australischen Forschern, I.J. Bear und R.G. Thomas, in einem Artikel für die Fachzeitschrift Nature geprägt. Im Artikel beschreiben die Autoren, wie der Geruch durch ein Öl entsteht, das bestimmte Pflanzen während Trockenperioden absondern, welches wiederum von Tonböden und Gesteinen adsorbiert wird. Während des Regens wird das Öl, zusammen mit einer anderen Verbindung namens Geosmin, in die Luft freigesetzt. Durch die Verbindung entsteht der markante Geruch. In einem Folgebericht zeigten Bear und Thomas 1965, dass das Öl die Keimung von Samen und das frühe Pflanzenwachstum verzögert.
http://www.zeit.de/2015/05/geruch-regen-stimmts
Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin
Vorrede auf dem Theater:
Estragon:
Wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi?
Wladimir:
Ja, ja. Wir sind Zauberer.
Samuel Beckett "Warten auf Godot"
Arnold Schönberg
Moses und Aron
Oper in drei Akten
1923 – 1937
Vorausgeschickt: obwohl ich wenig von moderner klassischer Musik verstehe, ihr sogar eher ängstlich begegne, habe ich heute in der Komischen Oper fast zwei Stunden fasziniert zugehört und -gesehen. Das hatte ich nicht erwartet und macht mich ziemlich froh. Es war anstrengend, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Textmitlesen und dem Bühnengeschehen zu folgen, hin und her springen mußte. Aber es war aufregend. Nicht, dass ich mit allen assoziativen Bildern glücklich war, aber ich hatte immerzu interessante Reibungspunkte.
Mit mir waren fünf Studenten, vier Kanadier und eine Türkin, und wir haben im Anschluß fast zwei Stunden gestritten und haben dabei sogar unsere sehr unterschiedlichen Eindrücke einander verständlich mache können. Selten und großartig.
Und der Chor ist unglaublich! Einhundert Sänger die, während sie diese komplizierte Musik singen, in jedem Augenblick die Spannung halten und offensichtlich immer genau wissen, was sie gerade denken, welche Haltung sie warum einnehmen. Intelligent choreographiert und intensiv gespielt. Bis zur ersten Stückprobe hatten sie bereits 100 musikalische Proben! 100!
Der Riß zwischen der Idee und ihrer Realisation, der Einbruch der Propaganda in die Utopie, der unüberbrückbare Graben zwischen dem Gedanken und seiner Wirklichwerdung - die Geschichte des letzten Jahrhunderts, und des jetzigen, als Fundus des Schreckens.
Die Tödlichkeit der Ismusse. Faschismus, Stalinismus, Fundamentalismus - ein Reigen des Tötens.
MOSES
Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!
Die letzten Worte die Moses in der Aufführung singspricht.
Schönberg hat die Oper in Berlin geschrieben. Es ist ein Berlinstück, obwohl er ein jüdischer Österreicher durch und durch war. Er hat den letzten Takt von "Moses und Aron" in Berlin komponiert, kurz danach ging er 1933 ins Exil. Er hat die Oper im hereinbrechenden Schatten des Dritten Reichs geschrieben.
Barrie Kosky
Schönberg am 20. April 1923 in einem Brief an Kandinsky:
Was ich im letzten Jahr zu lernen erzwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert, und werde es nicht wieder vergessen. Dass ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin (wenigsten ziehen die Europäer die schlechtesten ihrer Rasse mir vor), sondern, dass ich Jude bin. Ich habe gehört, dass auch ein Kandinsky in den Handlungen der Juden nur Schlechtes und in ihren schlechten Handlungen nur das Jüdische sieht, und da gebe ich die Hoffnung auf Verständigung auf. Es war ein Traum. Wir sind zweierlei Menschen. Definitiv!" Zwei Wochen später schrieb er abermals an Kandinsky:
"Und da tun Sie mit und lehnen mich als Juden ab. Habe ich mich Ihnen denn angetragen ... Wie kann ein Kandinsky ... es unterlassen eine Weltanschauung zu bekämpfen, deren Ziel Bartholomäusnächte sind!"
http://www.zeit.de/1964/44/die-erde-ist-kein-vergnuegungslokal
Kurze Zusammenfassung der in der Oper zitierten biblischen Moses & Aaron Geschichte:
Nachdem Mose von Gott am brennenden Dornbusch zum Führer und Befreier Israels berufen worden war, kehrt er nach Ägypten zurück und trifft dort auf seinen Bruder. Gott macht Aaron zu Moses Sprecher und gemeinsam treten die Brüder vor den Pharao, um von ihm die Freiheit der Hebräer zu fordern. Anfangs wirkt er durch seinen Stab einige Wunder : Als er den Stab zu Boden wirft, wird dieser zur Schlange und verschlingt die Stab-Schlangen der ägyptischen Magier, er macht durch den Stab das Wasser des Nils zu Blut und läst die Frosch- und Stechmückenplage aus. Später ist nur noch berichtet, dass Moses so einen Stab hat, mit dem er Wunder vollbringt. Verglichen mit seinem dynamischen Bruder ist Aaron keine Führerpersönlichkeit. Nur an einer Stelle wird sein Name zuerst genannt, obwohl er der ältere Sohn ist, und nur zweimal spricht Gott direkt zu ihm. Zwar handelt Aaron zweimal auch unabhängig von Mose - doch beide Male geht es gründlich schief: Als Mose sehr lange auf dem Berg Sinai bleibt, wo er die 10 Gebote erhält, gibt Aaron dem Drängen des Volkes nach und errichtet ein goldenes Stierbild, das von den Hebräern als Götze angebetet wird. Von seinem Bruder zur Rede gestellt, schiebt Aaron alle Schuld dem Volk zu ....
Aus: In 18 Monaten durch die Bibel
http://www.its-gospel-time.de/index.php?option=com_glossary&func=view&Itemid=433&catid=124&term=Aaron
Interview mit dem Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky.
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky
Moses und Aron Chorprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=cFYvIYkDECE
Sonntag, 10. Mai 2015
e.e. cummings - falls es himmel geben sollte wird meine mutter - if there are any heavens my mother
falls es himmel geben sollte wird meine mutter
Rebecca Haswell Clarke Cummings
---------------------
falls es himmel geben sollte wird meine mutter(ganz für sich)
---------------------
falls es himmel geben sollte wird meine mutter(ganz für sich)
einen haben. Es wird
kein stiefmütterchenhimmel auch
kein zerbrechlicher himmel
voller maiglöckchen sondern
es wird ein schwarzroter
rosenhimmel sein.
mein vater wird(tief
wie eine rose
hoch wie eine
rose)sein
stehend nah meiner
(wiegend über ihr
still)
mit augen die
wirklich blumenblätter sind und sehen
nichts mit dem
gesicht eines dichters wirklich das
eine blume ist und
nicht ein gesicht mit
händen
die wispern
dies ist mein
geliebte meine
(plötzlich im
sonnenlicht
wird er sich
verneigen,
& und der ganze
garten wird sich verneigen.
Black Baccara Rose
if there are any
heavens my mother will(all by herself)have
one. It will not be a pansy heaven nor
a fragile heaven of lilies-of-the-valley but
it will be a heaven of blackred roses
my father will be(deep like a rose
tall like a rose)
standing near my
(swaying over her
silent)
with eyes which are really petals and see
nothing with the face of a poet really which
is a flower and not a face with
hands
which whisper
This is my beloved my
(suddenly in sunlight
he will bow,
& the whole garden will bow)
one. It will not be a pansy heaven nor
a fragile heaven of lilies-of-the-valley but
it will be a heaven of blackred roses
my father will be(deep like a rose
tall like a rose)
standing near my
(swaying over her
silent)
with eyes which are really petals and see
nothing with the face of a poet really which
is a flower and not a face with
hands
which whisper
This is my beloved my
(suddenly in sunlight
he will bow,
& the whole garden will bow)
e.e. cummings
Samstag, 9. Mai 2015
Theater hat auch Wirkung (auf mich)
Ich bin Mitte 50 (Wie ist das passiert?) und gehe immer noch oft und oft gern ins Theater. Ein Junkie, süchtig, nicht belehrbar.
Im Lauf der Jahre haben sich Grundmuster für Theaterabende herausgeschält, die, verallgemeinernd, aber doch recht präzise, beschreiben, wie ich einem Theaterabend begegne und was er mit mir anstellt. (Ausnahmen sind erwünscht!)
1. Ich habe Spaß, lächle oder lache und weiß, wenige Stunden später, nicht mehr ganz genau was ich eigentlich gesehen habe. Pointen, Arrangements, Gesten bleiben hängen, der Zusammenhang löst sich schnell ins angenehm Vage auf. Habe ich ein schlechtes Gedächtnis? Sind zwei Stunden Vergnügen ein schätzenswerter Zeitraum? Oder vergeude ich hier Lebenszeit für Oberflächliches? Ist Lachen an sich ein Wert? Zwei Stunden waren meine Mundwinkel gravitationsgeschützt. Ist das genug? Muß es genug sein? Ist Amüsement ein Wert an sich? Manchmal - ja. Ja.
In der zweiten Vorstellung "Der Spanischen Fliege" in der Volksbühne war der Spaß am Bühnenirrwitz beinah genauso groß, wie die Lust daran, den um mich herum sitzenden Berliner Intellektuellen, bei der Entscheidung zwischen Lachkrampf und vergeistigter Zurückhaltung zuzusehen.
2. Ich bin ein zu prüfender Student in einer Prüfung, von der ich nicht weiß, welches Fach angesetzt ist. Bin ich sensibel/schlau/offen/tief genug, zu verstehen, was verlangt wird? Der Prüfungsdruck ist erheblich. Kafka hätte seine Freude. Oft falle ich durch. Bin ich zu blöd/alt/verbohrt oder ist der Theaterabend nicht genügend? Will mich der Regisseur auf die Probe stellen? Will ich geprüft werden? Beweise ich mein Lebensrecht als Mensch/Kunstkonsument durch die bestandende Prüfung? Oder kann mich das arrogante Arschloch von Regisseur einfach mal am mir eigenen Arsch lecken? Ich bin gekommen, habe meine Karte bezahlt und muß mich erniedrigen/verachten lassen? Oder bin ich einfach denkfaul? Man will doch so gern dazugehören, zu denen die "IN" sind, trendy, up to date sind. Wie schütze ich mich vor der eigenen Harmoniesucht?
Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst hieße es Wunst.
Aber, andererseits, die Gefährdung bequem, selbstgerecht und öde zu werden, ist nicht zu unterschätzen.
Bob Wilson leicht und sicher abgelegt unter Design, veränderte sich unter der Erfahrung der Rekonstruktion seiner ersten großen Operninszenierung von "Einstein on the Beach". Auch wenn ich noch immer denke, dass er zu viel und zu selbstsicher und selbstzitierend arbeitet.
3. Ich weiß eine halbe Stunde, im schlimmsten Fall zwei Stunden vorher, was stattfinden wird,
und die Mühe meine Augenlider davon abzuhalten, sich zu senken, bzw. die Anstrengung meinen unabwendbaren Schlaf als intensives Nachdenken zu tarnen, erschöpfen mich vollständig.
Die Beispiele sind zahllos. Ich bin wohl ein arrogantes Arschloch oder habe einfach zuviel Theater gesehen.
4. Ich bin einverstanden. Nicht gut. Nicht schlimm. Nichts weiter. Manchmal ist es dann ein einzelner Spieler, eine Szene, die mich packt, weckt und tragisch verloren im Gesamtramsch ersäuft.
5. Ich bin ahnungslos, fassungslos, urteilslos und atemlos. Froh. Jahre später springen unerwartet Bilder, Szenen auf und erklären mir Welt oder zumindest mein eigenes wirres Verhalten. Menschen spielen, es wurde neu gedacht. "Das Trunkene Schiff" & "Othello" von Castorf, Armin Petras "Das Käthchen von Heilbronn", "Minna von Barnhelm" und und und. ... "Ödipus Stadt" am DT, "Onkel Wanja" in Ingolstadt, "Struwelpeter" von den Tiger Lillies, Vieles, sehr vieles als ich jung, naiv und ahnungslos war. Gott sei Dank gibt es das immer wieder, erhofft & ungeahnt.
Das ist geblieben: Das Zentrum der Theaterkunst ist der Spieler oder pc: die SpielerIn. Die postdramatische Situation ist eine von Dramaturgen erdachte, wir leben weiter dramatisch. Authentizität auf der Bühne ist eine pornographische Phantasie. Wir müssen selber leben. Auf der Bühne kann nur aus voller Seele lügend nach der Wahrheit gehascht werden. Ein Zipfel Wahrheit wird gepackt, ein Zipfel, gebt mir den Zipfel!
Gebt mir Fragen, Schönheit, Erkennbarkeit & Solidarität mit meiner Not. Gebt mir den Zipfel.
Ich sehe überall Konzepttheater. Zugunsten von Konzepten hat man den Schauspielern ihre ganze Wildheit, Kühnheit und Brillanz ausgetrieben! Herbert Fritsch
Alle Photographien © Eolo Perfido
P.S.
6. Ein unbenennbares Gefühl betrogen zu werden, läßt mich nicht los. Ist das Kunst oder Mist?
Donnerstag, 7. Mai 2015
Genesis & Ödipus - Sebastião Salgado & Romeo Castellucci
Zweimal Kunst an diesem Tag.
Einmal wurde in mir beim Gang durch die kühlen Räume der neuen C/O Galerie im Amerikahaus, ein Staunen über die Heiligkeit, das Verehrungswürdige, das Wunder der Welt geweckt, Ehrfurcht benennt es vielleicht am besten.
Und später in der Schaubühne, ein Abend exerziert wie ein langes religiöses mystisches Ritual, der mich ein bisschen amüsiert und ziemlich erstaunt hinterließ. Erstaunt, weil das alte Märchen vom Kaiser der nackt ist, in meinem Kopf auftauchte, nur dass da kein Kind war, das am Ende "Aber er hat ja gar nichts an!" gerufen hat.
Afrika: Mursi Frauen im südwestlichen Äthiopien mit Lippentellern
So oft habe ich Geschichten photographiert, die die Degradierung des Planeten zeigen.
Ich hatte die Idee, dass ich die Fabriken die verschmutzen photographieren sollte, und all die Müllhalden sehen müsste. Aber, letztendlich, dachte ich, die einzige Art uns anzuspornen, uns Hoffnung zu geben, ist Bilder des unverdorbenen Planeten zu zeigen - die Unschuld zu sehen.
So many times I've photographed stories that show the degradation of the
planet. I had one idea to go and photograph the factories that were
polluting, and to see all the deposits of garbage. But, in the end, I
thought the only way to give us an incentive, to bring hope, is to show
the pictures of the pristine planet - to see the innocence.
Sebastião Salgado
Ödipus der Tyrann von Sophokles, übertragen von Friedrich Hölderlin.
Euch, Kinder, wenn ihr schon die Sinne hättet,
Möcht ich noch vieles mahnen. Jetzt gelobt mir,
Was immer leben muß, und daß ihr leichter
Wollt leben als der euch gezeugt, der Vater.
Die erste halbe Stunde schaue ich Karmeliterinnen bei ihren alltäglichen Verrichtungen zu,
zauberartige Umbauten, so dass ich fast dachte, einen Film zu sehen. Halbschatten,
glasklare Gesänge, keine Worte, voyeuristische Schnipsel. Bis auf einen kurzen Moment des Zweifels,
ob ich möglicherweise im falschen Saal gelandet sein könnte - Ödipus! - lasse ich mich
in die Bilder fallen. Die Bühne öffnet sich, jetzt strahlendweiß, und die Nonnen beginnen
Ödipus zu spielen. Alle Figuren sind Frauen, außer Teresias, der ist eine männliche Nonne.
Tja, und da wurde es problematisch. Wenn nun Ödipus Schuld, seinen Vater zu töten
und mit seiner Mutter zu schlafen, nun zu unser aller Erbschuld gemacht wird, leben wir
in einer ganz und gar männlichen Welt. Und so sind denn auch die beiden einzigen
Darsteller, die in die Heftigkeit, die Intensität gehen dürfen, Männer. Teresias, der auch
den stärksten Moment des Abends hat - er benennt den ungeheuren Tabubruch und er, die
Bühne, der Raum gerät ins Vibrieren, ins Zittern, ins Schwanken. Von jetzt ab ist ein Riss
in der Welt. Der zweite Mann ist der Regisseur selbst, der per Video in Großaufnahmen circa 20 Minuten zeigt, wie er nachdem er mit Tränengas besprüht wurde - geblendet - versucht sich
das Zeug aus den Augen zu reiben, unterstützt von einem vorsorglich bereitgestellten
DRK-Helfer. Er will, im Gegensatz zu Ödipus nicht erblinden und zeigt seinen Mut, solch ein
Experiment zu unternehmen. 20 Frauen, unter ihnen Angela Winkler, Jule Böwe,
Rosabel Huguet & Ursina Lardi bereiten den Boden für dieses Video. Der katholische Mann,
der in Stärke & Qual erleidet und wohl deshalb von vielen Frauen gepflegt werden muß.
Der Kaiser ist nicht nur nackt, sondern auch katholisch.
Am Ende ist die Bühne leer bis auf drei überdimensionale pulsierende Furzkissen und die - furzen,
was sonst.
Eine Rentierkarawane des Volkes der Nenzen im nördlichen Sibirien
Alle Photos © Sebastião Salgado
Mittwoch, 6. Mai 2015
Tornado in Mecklenburg-Vorpommern
DER FLIEGENDE ROBERT
Wenn der Regen niederbraust,
Wenn der Sturm das Feld durchsaust,
Bleiben Mädchen oder Buben
Hübsch daheim in Ihren Stuben. -
Robert aber dachte: Nein!
Das muss draußen herrlich sein! -
Und im Felde patschet er
Mit dem Regenschirm umher.
Wenn der Sturm das Feld durchsaust,
Bleiben Mädchen oder Buben
Hübsch daheim in Ihren Stuben. -
Robert aber dachte: Nein!
Das muss draußen herrlich sein! -
Und im Felde patschet er
Mit dem Regenschirm umher.
Hui wie pfeift der Sturm und keucht,
Dass der Baum sich niederbeugt!
Dass der Baum sich niederbeugt!
Seht! Den Schirm erfasst der Wind,
Und der Robert fliegt geschwind
Durch die Luft so hoch, so weit;
Niemand hört ihn, wenn er schreit.
An die Wolken stößt er schon,
Und der Hut fliegt auch davon.
Und der Robert fliegt geschwind
Durch die Luft so hoch, so weit;
Niemand hört ihn, wenn er schreit.
An die Wolken stößt er schon,
Und der Hut fliegt auch davon.
Schirm und Robert fliegen dort
Durch die Wolken immer fort.
Und der Hut fliegt weit voran,
Stößt zuletzt am Himmel an.
Wo der Wind sie hingetragen,
Ja, das weiß kein Mensch zu sagen.
Durch die Wolken immer fort.
Und der Hut fliegt weit voran,
Stößt zuletzt am Himmel an.
Wo der Wind sie hingetragen,
Ja, das weiß kein Mensch zu sagen.
Heinrich Hoffmann (1809-1894)
Die Tiger Lillies Singen "Flying Robert"
György Sándor Ligeti
Nonsense Madrigals IV. Flying Robert
Montag, 4. Mai 2015
Don Giovanni an der Komischen Oper
Morgen hingehen, Karten vorbestellen, (unbedingt darauf achten, dass Papendell singt!) hinsetzen, verzaubert sein.
Günter Papendell als Don Giovanni - ein glückliches Ereignis!
Mannoman ist der großartig! Ein zarter Mann, bei dem man sich fragt, wo er überhaupt diese Riesenstimme herholt, ein Clown, ein Sprachkomiker, ein Tänzer, ein wildes Kind.
Giovanni ähnelt hier ein wenig dem Joker von Heath Ledger, vibrierend, auf der Suche nach dem nächsten Kick, er weiß was er tut, kann nicht anders, lädt uns ein, sein Vergnügen mitzugenießen und für eine kurze Zeit unsere biederen moralischen Einwände beiseite zu lassen. Ihr wollt es doch auch, oder? Keine Zeit. Keine Zeit. Genuß muß gefunden & genommen werden, selbst der Tod ist dafür am Ende kein zu hoher Preis. Er tut was wir alle wünschen und nicht wagen, weil er mehr riskiert, mehr giert, mehr Spaß hat, mehr Lust, mehr, einfach mehr. Und dies auf fast kindliche Art. Eingestreut und perfekt gesetzt - Sprachwitze der albernsten Art - die Namen der Mitspieler bieten sich ja auch wirklich an.
Während der Champagnerarie spielt er Pferd & Reiter, die Füße hüpfen während die Stimme leicht und weich klingt. Das ist sowohl kunstvoll und witzig aber auch technisch beeindruckend. Frag mal einen Sänger, ob er eine Arie lang hüpfen würde!
Auf denn zum Feste,
Froh soll es werden,
Bis meine Gäste
Glühen von Wein!
Siehst du ein Mädchen
Nahen dem Garten,
Lass' sie nicht warten,
Führ' sie herein.
Tanzen lass' alle sie
Wirr durcheinander;
Hier Menuette,
Da rasche Walzer,
Dort Allemanden
Spiel' ihnen auf.
Ich aber leise,
Nach meiner Weise,
Führe das Liebchen
Ins Kämmerlein.
Drum ohne Sorgen
Deinem Register
Schreibst du schon morgen
Zehne noch ein.
Froh soll es werden,
Bis meine Gäste
Glühen von Wein!
Siehst du ein Mädchen
Nahen dem Garten,
Lass' sie nicht warten,
Führ' sie herein.
Tanzen lass' alle sie
Wirr durcheinander;
Hier Menuette,
Da rasche Walzer,
Dort Allemanden
Spiel' ihnen auf.
Ich aber leise,
Nach meiner Weise,
Führe das Liebchen
Ins Kämmerlein.
Drum ohne Sorgen
Deinem Register
Schreibst du schon morgen
Zehne noch ein.
Finale des ersten Teiles:
Mutlos soll mich niemand sehen.
Mag die Welt in Trümmer gehen,
Niemand soll mich zagen sehn
Nein, ich bleib' fest und trotz' dem All.
Mag die Welt in Trümmer gehen,
Niemand soll mich zagen sehn
Nein, ich bleib' fest und trotz' dem All.
Günter Papendell, Bariton
"Es ist eine sehr spezielle, sehr körperliche Dauerspannungsspielweise, die auf Dauer wahnsinnig anstrengend ist und wo man gucken muss, wie man das in den Körper reinkriegt, ohne nach zehn Minuten schon total ausgepowert zu sein."
"Es ist eine sehr spezielle, sehr körperliche Dauerspannungsspielweise, die auf Dauer wahnsinnig anstrengend ist und wo man gucken muss, wie man das in den Körper reinkriegt, ohne nach zehn Minuten schon total ausgepowert zu sein."
Giovanni singt ein Mädchen an, er singt eine lyrische Kanzonette mit den Bewegungszitaten des Gitarristen einer zweitklassigen Rockband - genial.
Horch auf den Klang der Zither,
Mach auf das Gitter,
O lindre meine Pein
Und lass mich glücklich sein!
Lässt du mich trostlos flehn,
So macht ein rascher Tod,
Du Falsche, sollst es sehn,
Ein Ende meiner Not.
Mir lacht dein süßes Mündchen
Voller Wonne,
Und dein liebliches Auge strahlt
Wie die Sonne;
Magst du auch grausam sein,
Was gilt's, du hast mich lieb:
Lasse mich nicht allein,
du loser Herzensdieb.
Mach auf das Gitter,
O lindre meine Pein
Und lass mich glücklich sein!
Lässt du mich trostlos flehn,
So macht ein rascher Tod,
Du Falsche, sollst es sehn,
Ein Ende meiner Not.
Mir lacht dein süßes Mündchen
Voller Wonne,
Und dein liebliches Auge strahlt
Wie die Sonne;
Magst du auch grausam sein,
Was gilt's, du hast mich lieb:
Lasse mich nicht allein,
du loser Herzensdieb.
Die Inszenierung ist von Herbert Fritsch und dementsprechend lustvoll, auch wenn sich der zweite Teil ein wenig gegen die Methodik sträubt. Die Dramaturgie des Librettos häuft hier eine Menge großer Arien an und letztendlich stehen dann da doch Sänger und Sängerinnen und singen einfach. Papendell nicht, er spielt, er verweigert das Genre, die Tradition und spielt somit auch an gegen die Erstarrung und das Zufriedengeben. Ich kenne den Mann nicht und würde ihm trotzdem heute Abend gern meine Liebe erklären.
Alle Photos © Monika Rittershaus
Samstag, 2. Mai 2015
SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL LA GRANDE JATTE
GEORGES SEURAT
SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL
LA GRANDE JATTE
Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte
1884-1886 Art Institute of Chicago
Des kleinen Mannes höllisches Utopia
Der Kunstkritiker Jules Christophe schrieb 1890 in der Seurat gewidmeten Nummer 368 der Zeitschrift Les Hommes d'aujourd'hui
(Die Menschen von heute) in einem von Seurat persönlich mitgestalteten Artikel:
„An einem Nachmittag unter flimmerndem Sommerhimmel sehen wir die
glitzernde Seine, elegante Villen am gegenüberliegenden Ufer, kleine,
auf dem Fluß dahingleitende Dampfschiffe, Segelboote und ein Ruderboot.
Unter den Bäumen, ganz in unserer Nähe, gehen Leute spazieren, andere
sitzen
oder liegen faul im bläulichen Gras. Einige angeln. Wir sehen
junge Mädchen, ein Kinderfräulein, eine alte Großmutter unter einem
Sonnenschirm, die aussieht
wie Dante, einen Bootsmann, der faul
hingestreckt seine Pfeife raucht und dessen Hosenbeine von der hellen
Sonne regelrecht verschlungen werden.
Ein dunkelvioletter Hund
schnuppert am Gras, ein roter Schmetterling fliegt umher,
eine junge
Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter spazieren, die ganz in
Weiß
gekleidet ist und eine lachsfarbene Schärpe trägt. Nahe dem Wasser
stehen zwei Kadetten der Militärschule Saint-Cyr. Ein junges Mädchen
bindet
einen Strauß; ein Kind mit rotem Haar und blauem Kleid sitzt im
Gras.
Wir sehen ein Ehepaar mit seinem Baby und ganz rechts das
hieratische, aufsehenerregende Paar, einen jungen Geck mit seiner
eleganten Begleiterin
am Arm, die einen purpur-ultramarinfarbenen Affen
an der Leine führt.“
Ernst Bloch in "Das Prizip Hoffnung":
Dieses Bild ist ein einziges Mosaik der Langeweile, eine meisterhafte Darstellung
der enttäuschten Hoffnung des süßen faulen Lebens ...
Das Gemälde zeigt einen Mittelstands-Sonntag-Morgen auf einer Insel
in der Seine bei Paris ... der, trotz der Erholung, die hier stattfindet,
eher zum Hades gehört als zu einem Sonntag ...
Das Ergebnis ist endlose Langeweile, des kleinen Mannes höllisches Utopia,
den Sabbath zu umgehen und doch an ihm festzuhalten;
sein Sonntag wird zu einem lästigen Muss, statt einer kurzen Kostprobe des Paradieses.
This picture is one single mosaic of boredom, a masterful rendering of the disappointed longing
and the incongruities of a dolce far niente ... The painting depicts a middle-class Sunday morning
on an island in the
Seine near Paris…despite the recreation going on there, seems to belong
more to
Hades than to a Sunday…The result is endless boredom, the
little man's hellish utopia of skirting
the Sabbath and holding onto it
too; his Sunday succeeds only as a bothersome must, not as a
brief taste
of the Promised Land.
Sonntag im Park mit George
(Sunday in the Park with George)
Sunday, by the blue purple yellow red water
On the green purple yellow red grass
Let us pass through our perfect park
Pausing on a Sunday
By the cool blue triangular water
On the soft green elliptical grass
As we pass through arrangements of shadow
Toward the verticals of trees
Forever
By the blue purple yellow red water
On the green orange violet mass of the grass
In our perfect park
Made of flecks of light
And dark
And parasols
Bum bum bum bum bum bum
Bum bum bum
People strolling through the trees
Of a small suburban park
On an island in the river
On and ordinary Sunday
Sunday
Sunday
On the green purple yellow red grass
Let us pass through our perfect park
Pausing on a Sunday
By the cool blue triangular water
On the soft green elliptical grass
As we pass through arrangements of shadow
Toward the verticals of trees
Forever
By the blue purple yellow red water
On the green orange violet mass of the grass
In our perfect park
Made of flecks of light
And dark
And parasols
Bum bum bum bum bum bum
Bum bum bum
People strolling through the trees
Of a small suburban park
On an island in the river
On and ordinary Sunday
Sunday
Sunday
Stephen Sondheim
Das Buch stammt von James Lapine
Anderes Lied aus demselben Musical, es singt Bernadette Peters!
Im Paradies der Kleinbürger sind alle Menschen Fremde
Als "Mosaik von Langeweile" beschrieb der Philosoph Ernst Bloch das Bild. Der 1977 gestorbene Marxist sah nur "Sonntagselend" und "Landschaft des gemalten Selbstmordes" auf dem Gemälde "Grande Jatte" von Georges Seurat ( 1859 bis 1891 ).
Für den Kunstkriker Felix Feneon dagegen, einen Zeitgenossen des Malers, war es ein heiteres Werk: "Eine sonntägliche zusammengewürfelte Menge", erblickte er auf der Leinwand, "die sich im Freien vergnügt, unter einem hochsommerlichen Himmel." Feneon bewunderte die zwischen 1884 und 1886 gemalte "Grande Jatte"; in seinen Artikeln warb er für Seurat und seinen "neuen Weg, die Wirklichkeit zu entschlüsseln" _ aufgerastert nämlich in unzählige, winzige Lichtpunkte; Das Bild dokumentiert die Erfindung des Pointillismus. Das Publikum folgte dem Kritiker nicht, das Bild blieb im Besitz des Malers bis zu dessen frühem Tod 1891 " "So gerne", notierte der Maler Paul Signac in seinem Tagebuch, hätte Seurats Mutter "die großen Werke ihres Sohnes den Museen vermacht, doch welches Museum wäre heute bereit, sie anzunehmen?" Neun Jahre nach Seurats Tod veranstalteten Signac und seine Freunde im Auftrag der Familie eine Verkaufsschau. Ungerahmt kosteten Seurats Zeichnungen zehn Franc, mit Rahmen 100. Die "Grande Jatte" ging tür 800 Franc an einen Pariser Großbürger. 1911 weigerte sich der Vorstand des Metropolitan Museum in New York, den Ankauf zu bewilligen; mehr Kunstsinn und Mut bewies 1924 der reiche Frederic Clay Bartlett aus Chicago: In Paris erstand er das Gemälde für 20000 Dollar. Kurz danach stiftete er es dem Art Institute of Chicago, wo es als Schlüsselwerk der europäischen Moderne gehütet wird. 1931 bot ein französisches Konsortium 400000 Dollar, um es zurückzukaufen. Vergeblich. Die Leinwand mißt 207 mal 308 Zentimeter und paßte nur knapp in das Atelier des 25 Jahre alten Malers. Ein Kollege beschrieb ihn als "unendlich hartnäckig", er sei "von einer Energie, die nicht minder extrem ist als seine Schüchternheit". Künstlerische Experimente konnte sich der 1859 geborene Seurat leisten; Sein Vater, ein durch Grundstücksspekulation reich gewordener Gerichtsbeamter, unterstützte ihn großzügig. Die Kunstakademie hatte er schon mit 21 verlassen, er wollte keines der üblichen Historienbilder malen, auch keine Nixen und Nymphen _ er verzichtete auf eine der üblichen Künstlerkarrieren. Bei der vierten Impressionisten-Ausstellung 1879 habe er einen "tiefen, unerwarteten Schock" erlitten, schreibt der Ausstellungsmacher Robert L. Herbert im Katalog der Seurat-Retrospektive 1991 im Pariser Grand Palais. Danach arbeitete der Künstler allein, zeichnete mit dem fetten, schwarzen Conte-Stift Porträts und Figuren von einfachen Leuten, malte kleinformatige Landschaften und ging, wie die Impressionisten, ins Freie, besonders gern ans Wasser. Das Licht einzufangen wurde Seurat wichtig, und nirgends sprach es ihn so an wie an der Seine in Asnieres, einem Vorort im Nordwesten von Paris. "Die Badenden, Asnieres" heißt sein erstes großformatiges Gemälde, das 1884 vom offiziellen Salon zurückgewiesen wurde, dafür aber bei der Ausstellung der "Unabhängigen Künstler" auffiel. Es zeigt badende Männer und )ungen am Ufer der Seine, sie blicken hinüber zu einer nahen Insel im Fluß: Es ist die Grande Jatte, der Schauplatz seines nächsten Werkes. Die Impressionisten, bestrebt, den Augenblick einzufangen, malten meist spontan in der Matur. Seurat dagegen bereitete sein Gemälde sorgfältig vor. An Ort und Stelle fixierte er aufvielen Holztäfelchen das Ufer, Rasen und Bäume, teilweise ohne Menschen. Die zeichnete er parallel dazu in unterschiedlichen Positionen als Studien in Schwarzweiß, Im Atelier fügte er beides zusammen. Etwa 40 Figuren, so beschreibt Feneon die Menschen auf dem Bild, "steif dasitzend, horizontal ausgestreckt, kerzengerade aufgerichtet". Zeitgenossen sprachen gar von einer "pharaonischen Prozession", und Seurat selbst bezeichnet den Tempelfries des griechischen Bildhauers Phidias als Vorbild: "Die Panathenäen des Phidias bildeten eine Prozession. Ich möchte moderne Menschen darstellen, die sich wie aufdiesem Fries ergehen, in ihrem Wesentlichen erfaßt." Als modernes Arkadien zeigt Seurat die Insel in der Vorstadt: Weder Flaschen noch Picknickkörbe sind auf dem gepflegten Rasen zu sehen. Unsichtbar bleiben auch die Restaurants, Cafes, Bootswerften und Wohnhäuser, die Anfang der achtziger Jahre bereits zwei Drittel der Inselfläche bedeckten. Die Besucher, Seurats "moderne Menschen", ergehen sich gesittet oder lagern im Schatten. Keiner badet, niemand hat sich seiner Kleidung entledigt. Feneon nennt sie eine "zusammengewürfelte" Gesellschaft, und wirklich trafen sich damals auf der schmalen Landzunge in der Seine Angehörige verschiedener sozialer Schichten - für den heutigen Betrachter ist jedoch schwer zu erkennen, ob der hingestreckte Mann mit Mütze und Pfeife ein Arbeiter aus dem nahen Industrie-Vorort Clichy ist oder ein Wassersportler aus Paris im zünftigen Outfit. Für die Bürger der Hauptstadt war Asnieres, von wo eine Fähre zur Grande Jatte übersetzte, dank der neuen Eisenbahnlinie bequem und schnell zu erreichen. Doch Technik und Fortschritt ver-änderten die idyllischen Erholungszentren, überzogen sie mit Fabriken und Billigquartieren für Arbeitskräfte _ sie wurden zum Eldorado für Spekulanten wie Seurats Vater. Auch das ländliche Asnieres hatte in den letzten Jahren seine Bevölkerung verdoppelt und sich zur Schlafstadt für Kleinbürger entwickelt _ jene aufstrebende Schicht, die von der Regierung der Dritten Republik als sozialer Stabilitätsfaktor gefördert wurde. So dürfte denn die Grande Jatte am Sonntag vorwiegend von kleinen Kaufleuten, Verkäuferinnen, Angestellten und Beamten samt ihren Familien besucht worden sein. Im Hintergrund des Bildes sind zwei Soldaten zu erkennen und - am weißen Umhang und an der Haube mit den langen Bändern - eine Krankenschwester in Rückenansicht, neben der alten Frau unter dem Schirm. Alle anderen haben ihre Berufskleidung mit dem Sonntagsstaat vertauscht. Die Frauen auf dem Bild sind ins enge Korsett geschnürt, die meisten tragen den modischen, die weiblichen Formen betonenden "cul de Paris" unter dem weiten Rock und den Hut, ohne den _ und ohne männliche Begleitung _ sich keine ehrbare Frau in der Öffentlichkeit zeigte. Vielen hat das Bild Rätsel aufgegeben: Sollten die zwei Mädchen zu Füßen des Trompeters leichte Beute für die herannahenden Soldaten darstellen? Sollte die Anglerin nach einem Mann fischen? Immerhin klingen die französischen Wörter für "fischen" (pecher) und "sündigen" (pecher) fast gleich. Und signalisieren Hund und Affe, von der Dame im Vordergrund an der Leine geführt, nur modische Extravaganz oder (nach traditioneller Symbolik) niedere Wollust? Der Begleiter dieser Dame trägt Zylinder, Stock und Monokel, typische Attribute des Großbürgers, der für gewöhnlich im Bois de Boulogne promenierte, einem Ort, der im Unterschied zur Grande Jatte nicht als gemischt, sondern als exklusiv galt. Dorthin gehörte der "wohlbekannte Pariser Herr aus den besten Kreisen", dessen Gattin - so berichtet das Journal "Autour de Paris" 1887 - einen Skandal machte, als sie herausfand, daß er mit ihrem Kammermädchen den Sonntag auf der Grande Jatte verbracht hatte. Doch Seurat erzählt keine Anekdoten, seine Protagonisten haben weder Gesicht noch Körpersprache, weder eigene Geschichte noch Individualität. Die "modernen Menschen", die er "in ihrem Wesentlichen erfassen" wollte, hat er auf typische Attribute wie Zylinderhut, Stöckchen oder Korsett reduziert - sie sind Zeichen in seinem Fries. Der Schlüssel zur Moral der Arbeiterklasse liegt in einem sonntäglichen Ruhetag", lautete 1874 das Fazit eines von der Academie des Sciences Morales et Politiques preisgekrönten Textes. Statt unter sich zu bleiben wie die Männer auf Seurats "Die Badenden, Asnieres", sollten die Arbeiter den Sonntag mit ihren Familien verbringen. So empfahl es auch die Regierung der Dritten Republik: Proletarier sollten Kneipen und Protestversammlungen meiden und durch bürgerliche Verhaltensweisen Ordnung und Stabilität sichern. Zwar war ein arbeitsfreier Tag in der Woche üblich, aber nicht durch Gesetze garantiert - die gab es erst 1892 für Frauen und Kinder und 1906 für Männer. Besonders in den achtziger Jahren wurde leidenschaftlich darüber debattiert: Seurats Thema war aktuell. Ob die Arbeiter oder Kleinbürger mit dem ihnen verordneten "bürgerlichen Familiensonntag" viel anfangen konnten, ist fraglich; es gibt wenig Männer auf Seurats Grande Jatte. "Lauter glückloses Nichtstun" sieht Ernst Bloch darauf, "Puppen, intensiv mit starrem Lustwandel beschäftigt". In den Augen des Marxisten kündet Seurats Bild vor allem von der Malaise der Arbeiter und Kleinbürger, von der Entfremdung in der industriellen Gesellschaft.
Auszug eines Artikels in art, das Kunstmagazin:
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