Sonntag, 19. Januar 2014

Kim Jong-Il & Kim Jong-Un - Monster bevor sie Monster wurden


NORDKOREA UND SEINE "FÜHRER"-FAMILIE
Eine Horrorgeschichte


DER GROSSVATER - KIM IL-SUNG

Kim Il-Sung
"Führer" Nord-Koreas von 1948 bis 1994

DER VATER - KIM JONG-IL

 Kim Jong-Il mit seinen Eltern Kim Jong-suk & Kim Il-sung
(undatiert) 

ebenso

Kim Jong-Il als Schüler
(undatiert)


 Kim Jong-Il 
(Zweiter von rechts, undatiert)

DER ENKEL - KIM JONG-UN

Kim Jong-Il mit seiner Familie
Kim Jong-Un rechts vorne, in der hinteren Reihe seine vierte Frau Kim Ok, die Schwester seiner früheren Frau Sung Hye Rang and her children Lee Nam Ok and Lee Il Nam
(1981)

  Kim Jong-Un (undatiert)



Samstag, 18. Januar 2014

Verschmitzt - ein feines Eigenschaftswort


VERSCHMITZT

verschmitzt, verschmitzter, am verschmitztesten

DWDS
verschmitzt Part.adj. "in freundlich-lustiger Weise klug, pfiffig, gerissen" (Mitte 16. Jh.), zu frühnhd. verschmitzen "mit Ruten schlagen, beleidigen" (16. Jh.), demnach "durch Schläge klug geworden, gewitzt" (s. auch gerieben). Zugrunde liegt mhd. smitzen "mit Ruten hauen, geißeln, züchtigen, schlagen, beschmieren, beschimpfen, beschädigen", nhd. schmitzen (bis 18. Jh.), das wohl am besten als Intensivum zu mhd. smīʒen "streichen, schmieren, schlagen" aufzufassen ist.

Verschmitzt und verschlagen haben offensichtlich eine ähnliche Wurzel, aber heute einen völlig unterschiedlichen Bedeutungsklang, wo das Erstere Charme und Einverständnis einschließt, wissen wir beim Zweiteren, dass wir übervorteilt, hintergangen und übervorteilt werden sollen. Wie passiert das? Zwei Worte entstehen und irgendwo, irgendwann trennen sich ihre Wege und eines Tages stehen sie sich fremd gegenüber? Spannend. 

 © Frank Vogelskamp 1998
"Nein, ich habe diese Fensterscheibe nicht kaputt gemacht."

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm
aus dem Verb hat sich das part. prät. erhalten. die andern Formen sind ungebräuchlich geworden, aber verschmitzt ist ein beliebtes Adjectiv.

Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart 
1. Schmitzen, verb. reg. act. welches das intensive Diminutivum von schmeißen, schlagen, ist, und mit einem dünnen biegsamen Körper schlagen oder hauen bedeutet, von dem ähnlichen damit verbundenen Schalle. Es kommt nur hin und wieder vor. Im Oberdeutschen sagt man auch hinschmitzen, für hinschmeißen, hinfallen. In dem zusammen gesetzten verschmitzt herrscht eben dieselbe Figur, welche in verschlagen Statt findet, nur daß schmitzen und schlagen hier nicht percutere bedeuten, sondern, wie ähnliche Wörter dieser Art, eigentlich den Begriff der Schlankheit und Schmeidigkeit haben, des Vermögens sich in allen Fällen zu drehen und zu winden, da denn schmitzen in diesem Falle zu dem folgenden gehören würde.
Band 3. Leipzig 1798, S. 1578

Pierer's Universal-Lexikon
Schmitzen, 1) mit einem dünnen u. biegsamen Körper schlagen; 2) abfärben, Schmutz fahren lassen; 3) mit einem dicklich flüssigen Körper bestreichen; 4) so v.w. Färben, bes. Schwarz färben; 5) beim Druck von einer Stelle schmutzig od. gleichsam halb doppelt herauskommen.
Band 15. Altenburg 1862, S. 331   


SYNONYME:
listig, lustig, schelmisch, schlau, spitzbübisch, ausgekocht, raffiniert, pfiffig, ausgefuchst, bauernschlau, clever, gewieft, gewitzt, listig, taktisch, durchtrieben, fintenreich, gerissen, geschickt, hinterlistig, listenreich, raffiniert 


EMOTICON
;-< = verschmitzt lächeln
oder


SCHMITZ KATZE hat übrigens eine ganz andere Wurzel: Dieser Name entwickelte sich mit der Zeit aus dem Beruf des Schmieds. Mitglieder dieser Arbeiterzunft hatten früher häufig eine oder mehrere Katzen in ihren Werkstätten, um Mäuse und andere ungebetene Gäste zu verjagen. Wenn der Mäusejäger bei der Jagd einmal in die Nähe des Ambosses kam und das Herrchen just in diesem Moment mit voller Kraft auf sein Schmiedegut schlug – dann suchte die erschrockene Katze urplötzlich das Weite. Man könnte auch sagen: Sie geht ab wie des Schmieds Katze – oder eben Schmitz Katze.

http://www.einfachtierisch.de/katzen/das-geht-ab-wie-schmitz-katze-was-steckt-dahinter-id35235/ 

Alfred Stieglitz photographiert Georgia O'Keeffe



“Photography is my passion, the search for truth, my obsession.”

"Photographie ist meine Leidenschaft, die Wahrheitssuche meine Besessenheit." Allfred Stieglitz

Und Georgia meine Liebe. So würde ich den Satz vervollständigen, wenn ich diese Photographien anschaue. 
Die beiden lebten und kämpften eine sehr lange, sehr intensive Beziehung, inclusive außerehelicher Affairen, Trennungen geographischer Art, und auch emotionaler, voll Arbeit und voll von gegenseitiger tiefster Zuneigung. Sie schrieben sich tausende Briefe. Er photographierte sie oft und oft. Sie respektierten einander als Künstler.

1. Juni 1917: 
"wie ich dich photographieren wollte - die hände - den mund - & augen - & den in schwarz gehüllten körper - den flecken weiß - & die kehle - aber ich wollte nicht in deine zeit eindringen -"
"How I wanted to photograph you — the hands — the mouth — & eyes — & the enveloped in black body — the touch of white — & the throat — but I didn't want to break into your time — " 
Alfred Stieglitz

"Ich glaube, mir ist es wichtiger, dass Stieglitz etwas - alles was ich gemacht habe - mag, als irgendjemand sonst, den ich kenne."
" I believe I would rather have Stieglitz like something - anything I had done - than anyone else I know"
Georgia O'Keeffe

1920
© Georgia O’Keeffe Museum

1918 
© J. Paul Getty Trust

 1932
© Gift to the Metropolitan Museum of Art
through the generosity of The Georgia O'Keeffe Foundation
and Jennifer and Joseph Duke

1918
J. Paul Getty Museum, Los Angeles
© Estate of Georgia O’Keeffe

1918
© Estate of Georgia O’Keeffe

 1918/19
© Gift to the Metropolitan Museum of Art
through the generosity of The Georgia O'Keeffe Foundation
and Jennifer and Joseph Duke

1932
© Georgia O’Keeffe Museum

-------------

PORTUGIESISCHE SONETTE
VI.
Geh fort von mir. So werd ich fürderhin
in deinem Schatten stehn. Und niemals mehr
die Schwelle alles dessen, was ich bin,
allein betreten. Niemals wie vorher

verfügen meine Seele. Und die Hand
nicht so wie früher in Gelassenheit
aufheben in das Licht der Sonne, seit
die deine drinnen fehlt. Mag Land um Land

anwachsen zwischen uns, so muß doch dein
Herz in dem meinen bleiben, doppelt schlagend.
Und was ich tu und träume, schließt dich ein:

so sind die Trauben überall im Wein.
Und ruf ich Gott zu mir: Er kommt zu zwein
und sieht mein Auge zweier Tränen tragend.


Elisabeth Barrett-Browning
übersetzt von R.M. Rilke

Georgia O'Keeffe Hände und Fingerhut 1919
© The Collection of Henry Buhl 
"...den Spitzenplatz hält seit Herbst 1993 Alfred Stieglitz mit dem Foto "Georgia O'Keeffe: A Portrait - Hands and Thimble", welches rund 640 000 Mark brachte. (Spiegel Special 12/96)

Dienstag, 14. Januar 2014

Wir fahren mit der Eisenbahn



Eine Kleine Anthologie
für Ö.
Eisenbahnfahren, ein Abenteuer.
 
Ich habe mehrere sagen hören, daß durch die Eisenbahnen alle Reisepoesie verschwunden sei und man an dem Schönen und Interessanten vorbeijage. Was letzteres betrifft, so steht es ja jedem frei, auf jeder beliebigen Station zu bleiben und sich da umzusehen, bis der nächste Wagenzug anlangt; und in betreff der Behauptung, daß alle Reisepoesie verschwindet, bin ich völlig entgegengesetzter Meinung. Gerade in den engen, vollgepackten Reisewagen ist es, wo die Poesie verschwindet, man wird hier träge. In der besten Jahreszeit wird man von Staub und Hitze geplagt und im Winter durch schlechte Wege; die Natur selbst erhält man nicht in größeren Portionen, aber wohl in längeren Zügen als im Dampfwagen. Oh, welches große Werk des Geistes ist doch diese Erfindung! Man fühlt sich ja mächtig wie ein Zauberer der Vorzeit! Wir spannen unser magisches Pferd vor den Wagen und der Raum verschwindet; wir fliegen wie die Wolken im Sturm, wie der Zugvogel fliegt; unser wildes Pferd wiehert und schnaubt, der Dampf entsteigt seinen Nüstern. Schneller konnte Mephistopheles nicht mit Faust auf seinem Käppchen fliegen! Wir sind durch natürliche Mittel in unserer Zeit ebenso stark, als man im Mittelalter nur durch die Hilfe des Teufels sein konnte! Wir sind ihm durch unseren Verstand an die Seite gekommen, und ehe er es selber weiß, sind wir an ihm vorbei.

Hans Christian Andersen


Jetzt pfeift der Dampf und läßt im Sturm uns reisen;
Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.
Emanuel Geibel



Wir fahren mit der Eisenbahn,
und wer fährt mit, und wer fährt mit?
Wir fahren mit der Eisenbahn,
und du fährst mit.


Scherl: Der Lehrter Bahnhof nach seiner Renovierung Berlin 1929

----------------------------------------------------

Wenn einer fortgeht

Wenn einer fortgeht, gibt man sich die Hände,
Am Bahnhof lächelt man, so gut es geht.
Wie oft sind unsrer Sehnsucht Außenstände
Mit einem D-Zug schon davon geweht...

Wenn einer fortfährt, steht man zwischen Zügen,
Und drin sitzt der, um den sich alles dreht.
Man könnte dieses "alles" anders fügen.
Durch einen Blick, ein Wort vielleicht. – Zu spät.

Wenn einer fortfährt geht das Herz auf Reisen
Und treibt sich irgendwo allein herum
Es ist schon manchmal schwer, nicht zu entgleisen.
Die klügste Art zu reden bleibt doch: stumm.

Wenn einer fortgeht, kann man nichts vergessen.
Und jeder Tag ist ein Erinnerungsblatt.
Wenn einer fortgeht, braucht man nichts zu essen.
Man wird so leicht vom Tränenschlucken satt.

Wenn einer fort ist, gibt es Ansichtskarten
Und ab und zu mal einen dicken Brief.
Ein schweres Verbum ist das Wörtchen "warten"
Und "lebe wohl" ein Schluss – Imperativ...

Mascha Kaleko

Der Hauptbahnhof Berlin die Südseite

Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht

Der Schnellzug tastet sich und stößt die Dunkelheit entlang.
Kein Stern will vor. Die ganze Welt ist nur ein enger, nachtumschienter Minengang,
Darein zuweilen Förderstellen blauen Lichtes jähe Horizonte reißen: Feuerkreis
Von Kugellampen, Dächern, Schloten, dampfend, strömend ... nur sekundenweis
Und wieder alles schwarz. Als führen wir ins Eingeweid der
Nacht zur Schicht.
Nun taumeln Lichter her.. verirrt, trostlos vereinsamt..
mehr .. und sammeln sich.. und werden dicht.
Gerippe grauer Häuserfronten liegen bloß, im Zwielicht
bleichend, tot - etwas muß kommen.. o, ich fühl es
schwer
Im Hirn. Eine Beklemmung singt im Blut. Dann dröhnt der
Boden plötzlich wie ein Meer:
Wir fliegen, aufgehoben, königlich durch nachtentrissne
Luft, hoch übern Strom. O Biegung der Millionen
Lichter, stumme Wacht,
Vor deren blitzender Parade schwer die Wasser abwärts
rollen. Endloses Spalier, zum Gruß gestellt bei Nacht!
Wie Fackeln stürmend! Freudiges! Salut von Schiffen über
blauer See! Bestirntes Fest!
Wimmelnd, mit hellen Augen hingedrängt! Bis wo die Stadt
mit letzten Häusern ihren Gast entläßt.
Und dann die langen Einsamkeiten. Nackte Ufer. Stille.
Nacht. Besinnung. Einkehr. Kommunion. Und Glut
und Drang
Zum Letzten, Segnenden. Zum Zeugungsfest. Zur Wollust.
Zum Gebet. Zum Meer. Zum Untergang.

Ernst Stadler

 Anders Reisen
--------------------------------------

D-Zug

Braun wie Kognak. Braun wie Laub. Rotbraun.
Malaiengelb.
D-Zug Berlin-Trelleborg und die Ostseebäder.

Fleisch, das nackt ging.
Bis in den Mund gebräunt vom Meer.

Reif gesenkt, zu griechischem Glück.
In Sichel-Sehnsucht: wie weit der Sommer ist!
Vorletzter Tag des neunten Monats schon!

Stoppel und letzte Mandel lechzt in uns.
Entfaltungen, das Blut, die Müdigkeiten,
die Georginennähe macht uns wirr.

Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun:
Eine Frau ist etwas für eine Nacht.
Und wenn es schön war, noch für die nächste!
Oh! Und dann wieder dies Bei-sich-selbst-Sein!
Diese Stummheiten! Dies Getriebenwerden!

Eine Frau ist etwas mit Geruch.
Unsägliches! Stirb hin! Resede.
Darin ist Süden, Hirt und Meer.
An jedem Abhang lehnt ein Glück.

Frauenhellbraun taumelt an Männerdunkelbraun:

Halte mich! Du, ich falle!
Ich bin im Nacken so müde.
Oh, dieser fiebernde süße
letzte Geruch aus den Gärten.

Gottfried Benn 
 
Das Eisenbahngleichnis

Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
 Und keiner weiß, wie weit.

Ein Nachbar schläft, ein anderer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.

Wir packen aus. Wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.

Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.

Ein Kind steigt aus. Die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und niemand weiß, warum.

Die 1. Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.

Wir reisen alle im gleichen Zug
zu Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.

Erich Kästner

-----------------------------------------------

Für den Fall eines Streiks: 

 

 Ein Eisenbahner
 
Ich kann Eisenbahn-Zugführer werden;
nein, Lokomotivführer lieber!
Dann bin ich kleiner Menschenknirps
der größten Maschine über,
die tausend Pferdekraft stark ist.

Und tausend andre Menschen
regiert Ein Griff meiner Hand,
tagein tagaus, bei Nacht, bei Nebel,
im Sturm von Land zu Land;
Bahn frei! schreit meine Maschine.

Bahn frei - was schreit da wider?
im Dunkeln welch Gestampf?
Woher, wohin? Vorwärts, zurück?
Halt! bremsen! Gegendampf!
jetzt gilt's, Mensch: Einer für Alle!

Und fliegt der Kopf vom Kragen,
so stirbt sich's ohne Grämen;
dann braucht man sich doch wenigstens
des Lebens nicht zu schämen!
So denkt ein kleiner Held.
 
Richard Dehmel

Sonntag, 12. Januar 2014

Das Berliner "j"

 
     Eine kleine Jöre is junget Jemüse, jebongt? 
     Die Jaststätte is jerammelt voll, det muß dir nich jucken, da mach ma keen Jewese, sonst 
     kriegste iberhaupt keen Jetränk und denn fühlste dir janz und jar jelackmeiat. Also, sei 
     keen Jammerlappen und jreine nich. Tschuldjung. 

     Es jrünt so jrün wenn Spaniens Blüten blühen. (My Fair Lady)

   j.w.d.
      
      janz (ganz) weit draußen

     Ich habe dazu auf der SWR Webseite einen Kommentar von Rolf-Bernhard Essig 
     gefunden: 
     Das kann ich leicht erklären, denn mein Vater ist in Berlin groß geworden. Dort gab es 
     in alten Zeiten Zustellbezirke. Die wurden erst eingeführt, als Berlin immer größer 
     wurde. Dann gab es zum Beispiel den Zusatz “s. w.” Das war dann einfach der 
     Südwesten. Und in dieser Art sagte man dann irgendwann “janz weit draußen”. Und 
     hiervon hat man die Abkürzung ähnlich wie diese Postzustellungsbezirke genannt, 
     nämlich “j. w. d.”

 © Welcome to Germany.info

    jewieft

     gewieft Part.adj. ‘schlau, durchtrieben’ stammt aus mundartlichem Sprachgebrauch.  
     Wohl Part. Prät. einer Nebenform des Verbs mhd. wīfen ‘winden, schwingen’ 
     (etymologisch zu Wipfel, s. d.). Lautform und Bedeutung sind wahrscheinlich von 
     gewiegt (s. d.) beeinflußt (19. Jh.).
     Etymologisches Wörterbuch nach Pfeifer
 
  Jroßer Stern

    Joldelse

      Wiki sagt: Anlass zur Erbauung einer Siegessäule war der Sieg Preußens im Deutsch-
       Dänischen Krieg 1864. Innerhalb weniger Jahre kamen zwei weitere siegreiche 
       Kriege hinzu, der Deutsche Krieg 1866 gegen Österreich sowie der Deutsch-
       Französische Krieg 1870/1871. An diese drei Siege wurde durch ihre ursprünglich drei
       Segment und die krönende Bronzeskulptur der Viktoria erinnert.
       Die Victoria wird im Volksmund Goldelse genannt.
       Mein Opa hat gesagt, wenn die Deutschen entsprechend der Höhe der Siegessäule, für 
       jede ihre Niederlagen ein Loch in die Erde gegraben hätten, wären sie in Australien 
       rausgekommen.

     rumjurken

        herumfahren, Quelle unklar

        "Rumgurken" kann man sowohl auf dem Rad, auf dem Roller oder mit dem Auto als 
        auch zu Fuß. Es steht ganz allgemein für eine planlose Fortbewegung in irgendeiner 
        Form, die eine gewisse Orientierungslosigkeit oder auch Unentschlossenheit zum 
        Ausdruck bringt.
        http://www.sprachnudel.de/woerterbuch/rumgurken
  

O Fallada



"O du Falada, da du hangest"
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen."



Karl Blechen "Karrengaul" 1825/1828


O Fallada, die du hangest! 
Ein Pferd klagt an

Ich zog meine Fuhre trotz meiner Schwäche
Ich kam bis zur Frankfurter Allee.
Dort denke ich noch: O je!
Diese Schwäche! Wenn ich mich gehenlasse
Kann 's mir passieren, daß ich zusammenbreche.
Zehn Minuten später lagen nur noch meine Knochen auf der Straße.

Kaum war ich da nämlich zusammengebrochen
(Der Kutscher lief zum Telefon)
Da stürzten aus den Häusern schon
Hungrige Menschen, um ein Pfund Fleisch zu erben
Rissen mit Messern mir das Fleisch von den Knochen
Und ich lebte überhaupt noch und war gar nicht fertig
mit dem Sterben.

Aber die kannt' ich doch von früher, die Leute!
Die brachten mir Säcke gegen die Fliegen doch
Schenkten mir altes Brot und ermahnten
Meinen Kutscher, sanft mit mir umzugehen.
Einst mir so freundlich und mir so feindlich heute!
Plötzlich waren sie wie ausgewechselt! Ach, was war
mit ihnen geschehen?

Da fragte ich mich: Was für eine Kälte
Muß über die Leute gekommen sein!
Wer schlägt da so auf sie ein
Daß sie jetzt so durch und durch erkaltet?
So helft ihnen doch! Und tut das in Bälde!
Sonst passiert euch etwas, was ihr nicht für möglich haltet!


Die Gänsemagd.
1815 Erstausgabe
 
Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben und sie hatte eine schöne Tochter, wie die erwuchs, wurde sie weit über Feld auch an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel köstliches Geräth und Geschmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem königlichen Brautschatz gehörte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Hände des Bräutigams überliefern sollte und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten; darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: „liebes Kind verwahr sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.“
Also nahmen beide von einander betrübten Abschied, das Läppchen steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Bräutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und rief ihrer Kammerjungfer: steig ab und schöpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich möchte gern einmal trinken. „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte sich über das Wässerlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.“ Aber die Königsbraut war gar demüthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmüthiger: „wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Königstochter hernieder vor großem Durst und legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum: „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerfrau hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht über die Braut bekäme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau: „auf Falada gehör’ ich und auf meinen Gaul gehörst du“ und das mußte sie sich gefallen lassen, außerdem hieß sie die Kammerfrau auch noch die königlichen Kleider ausziehen und ihre schlechten anlegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwören, daß sie am königlichen Hof keinem Menschen nichts davon sprechen wollte, und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt hätte, wäre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahm’s wohl in Acht.
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem königlichen Schloß eintrafen, da war große Freude über ihre Ankunft, und der Königssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie wäre seine Gemahlin und sie wurde die Treppe hinaufgeführt, die wahre Königstochter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte König am Fenster und sah sie im Hofe halten, nun war sie fein und zart und sehr schön, ging hin ins königliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich hätte und da unten im Hofe stände, und wer sie wäre? „ei, die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht müßig steht.“ Aber der alte König hatte keine Arbeit für sie und wußte nichts, als daß er sagte: „da hab’ ich so einen kleinen Jungen, der hütet die Gänse, dem mag sie helfen!“ Der Junge hieß Kürdchen, (Conrädchen) dem mußte die wahre Braut helfen Gänse hüten.
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen König: „liebster Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen!“ Er antwortete: „das will ich gerne thun.“ „Nun so laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geärgert hat;“ eigentlich aber fürchtete sie sich, daß das Pferd sprechen möchte, wie sie mit der Königstochter umgegangen wäre. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Königstochter zu Ohr und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes, finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gänsen durch mußte, „unter das finstere Thor möchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihn doch noch als einmal sehen könnte.“ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Thor fest.
Des Morgens früh, als sie und Kürdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vorbeigehen:
o du Falada, da du hangest,
da antwortete der Kopf:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz thät ihr zerspringen!
da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie trieben die Gänse auf’s Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kürdchen sah sie und freute sich, wie sie glänzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da sprach sie:

weh’! weh’! Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen wegwehte über alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr, und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend wurde, dann fuhren sie nach Haus.
Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau:
o du Falada, da du hangest,
es antwortete:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen!
und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte darnach greifen, da sprach sie schnell:
weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kürdchen sein Hütchen

und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie längst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie hüteten die Gänse bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kürdchen vor den alten König und sagte: „mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten.“ Warum denn? sprach der alte König. „Ei, das ärgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte König, zu erzählen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kürdchen: „des Morgens wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:
Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf:
o du Königsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen!“
und so erzählte Kürdchen weiter was auf der Ganswiese geschähe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen müßte.
Der alte König befahl ihm aber, den nächsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich hinter das finstere Thor und hörte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen, wie die Gänsemagd und der Gänsejung die Heerde getrieben brachten und nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder:
weh’! weh’! Windchen,
Faß Kürdchen sein Hütchen
und laß’n sich mit jagen,
bis daß ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
da kam ein Windstoß und fuhr mit Kürdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kämmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte König alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zurück und als Abends die Gänsemagd heim kam, rief er sie bei Seite und fragte: warum sie dem allem so thäte? „das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen, denn so hab’ ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich sonst um mein Leben wäre gekommen.“ Er aber drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, „willst du mir’s nicht erzählen,“ sagte der alte König endlich, „so darfst du’s doch dem Kachelofen erzählen.“ „Ja, das will ich wohl“ antwortete sie. Damit mußte sie in den Ofen kriechen und schüttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie sie von der bösen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte König zu und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Königskleider wurden ihr alsbald angethan und es schien ein Wunder, wie sie so schön war; der alte König rief seinen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche Braut hätte, die wäre ein bloßes Kammermädchen, die wahre aber stände hier, als die gewesene Gänsemagd. Der junge König aber war herzensfroh, als er ihre Schönheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan saß der Bräutigam, die Königstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und erkannte jene nicht mehr in dem glänzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte König der Kammerfrau ein Räthsel auf: was eine solche werth wäre, die den Herrn so und so betrogen hätte, erzählte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches Urtheils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: „die ist nichts bessers werth, als splinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor gespannt müssen sie Gaß auf Gaß ab zu Tode schleifen!“ „Das bist du, sprach der alte König, und dein eigen Urtheil hast du gefunden und darnach soll die widerfahren,“ welches auch vollzogen wurde; der junge König vermählte sich aber mit seiner rechten Gemahlin und beide regirten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.

Aus Brüder Grimm Kinder- und Haus-Märchen Band 2, Große Ausgabe.

Freitag, 10. Januar 2014

Heiner Müller war einmal sehr jung und gestern wäre er 85 geworden




Möchten Sie noch mal jung sein? 
Ich neige nicht zu überflüssigen Betrachtungen.

 
Gespräche zwischen Alexander Kluge und Heiner Müller

Heut nacht durchschritt ich einen Wald im Traum 
Er war voll Grauen nach dem Alphabet 
Mit leeren Augen die kein Blick versteht 
Standen die Tiere zwischen Baum und Baum 

Vom Frost in Stein gehaun aus dem Spalier 
Der Fichten mir entgegen durch den Schnee 
Trat klirrend träum ich seh ich was ich seh 
Ein Kind in Rüstung Harnisch und Visier 

Im Arm die Lanze deren Spitze blinkt 
Im Fichtendunkel das die Sonne trinkt 
Die letzte Tagesspur ein goldner Strich 
Hinter dem Traumwald der zum Sterben winkt

Und in dem Lidschlag zwischen Stoß und Stich 
Sah mein Gesicht mich an: das Kind war ich.

 
Alexander Kluge

Erinnert an Parsifal.
Heiner Müller
Ja, ich wußte das nicht, als ich es geschrieben habe. Das habe ich wirklich im Krankenhaus geschrieben.
Alexander Kluge
So was machst du ja nicht oft, das reimt sich ja alles doppelt. Das ist ja ein ganz strenges Gedicht.
Heiner Müller
Das ist ein Sonett. Ich habe das im Krankenhaus entdeckt, darüber haben wir, glaube ich, gesprochen. Nur strenge Formen helfen gegen Schmerzen, reimlose Gedichte reichen da nicht aus. 
 
Transkript: Der Tod des Seneca
 
...
 

Alexander Kluge
Der André Gide schreibt, daß der Montaigne so gierig war beim Essen, ähnlich wie Henri IV, daß er sich dauernd in den Finger biß - die aßen ja nicht mit Messer und Gabel - oder sich auf die Zunge biß vor lauter Appetit.


Heiner Müller 1968, Photo Roger Melis

Heiner Müller
Nicht Appetit, es ist ein Unterschied, glaube ich... Ich war jetzt in Paris, zum weiß nicht wievielten Mal, weil ich Brigitte zeigen wollte in dieser permanenten Ausstellung im "Pompidou", die Moderne. Es war so furchtbar für mich, das zum dritten Mal zu sehen. Es ist so langweilig, so tot, diese ganze Moderne... Matisse ... Tapetenmuster, und überhaupt, völlig langweilig. Dann kommst du plötzlich in einen Raum. Das ist der Raum von Giacometti. Und plötzlich bist du in einem Tempel. Ich meine das gar nicht "heilig," aber das ist dann plötzlich Kunst. Alles andere kannst du wegwerfen. Da merkt man so deutlich den eigentlichen Schnitt. Picasso war der letzte universelle Künstler, oder der letzte Renaissance-Künstler, wenn du willst. Und der hatte noch Hunger. Danach hatte jeder nur seinen speziellen Appetit. Also der Unterschied zwischen Hunger und Appetit sehr wichtig. Und je schwerer es wird, die Weltbevölkerung zu ernähren, desto mehr nimmt der Hunger in der Kunst ab. Kunst ohne Hunger geht überhaupt nicht. Also Kunst ohne den Anspruch, alles fressen und haben zu wollen, geht gar nicht.


Alexander Kluge
Und wie würdest du Gier formulieren? Was ist Gier?

Heiner Müller 
Gier ist was ganz Positives in der Kunst und eine Voraussetzung für Kunst.
...

http://www.zeit.de/2009/03/L-Mueller