Vor Jahren, in einer öffentlichen Diskussionsrunde,
oder trendiger, auf einem Panel, gemeinsam mit anderen
Regisseuren während der Berliner Festtage, über irgendein
theaterbezogenes Thema gelang es dem, zugegebenermaßen,
erfolgreichsten unter uns mit blitzschnellem Charme und
nahezu unbemerkbarer Frechheit immer wieder die Höhepunkte
seiner Karriere in das Gespräch einzuflechten. Großartig.
Beim Mittagessen mit einem nur flüchtig bekannten älteren
Kollegen werden mir die genauen Premieren-Applausminuten jeder
seiner mir unbekannten Produktionen serviert. Nicht wirklich
appetitanregend.
Ich werde zur Premiere eines Bekannten eingeladen und drücke
bedauernd den Absagen-Button, weil ich wieder mal keine Zeit
habe oder in einer anderen Stadt hocke. Schade.
Eine fremde Dame postet auf Facebook fast täglich Aufrufe, ihre
acting Kurse zu besuchen, die sich an einer mir unbekannten
acting-Technik orientieren und die mir helfen sollen relaxter zu
acten. Und auch mal abgesehen davon, dass ich innerhalb
Deutschlands eh zu nix gehen würde, was sich acting-irgendwas
nennt, nervt sie mir die Seite voll. Sie wird entfreundet, aber
schnell.
Facebook und all die anderen sozialen Netzwerke sind voll von
Vorankündigungen, Privatrezensionen, Crowdfunding-Aufrufen,
Inszenierungsphotos, letzten und allerletzten Terminen, Website-
Links, Projekt-Einladungen und dringlichen Bitten um
Unterstützung, Besuch und Weiterverbreitung.
Wir alle befahren eine unsichere, verunsichernde Strasse
zwischen notwendiger und interessanter Werbung, auch wenn es
Eigenwerbung ist und Anbiederung mit verzweifelten Untertönen,
Glatteis allüberall, oder?
Die einen verkaufen Homestories, Hochzeitsphotos, Diättipps und
oder ergreifende Berichte über weltwichtige Aufenthalte bei
hungernden Kindern, an der Front oder im Entzug. Von
Selbstvermarktung durch Werbeauftritte will ich gar nicht erst
anfangen.
© Mike Köppel
Andere versuchen so entspannt wie möglich über ihre Arbeit zu
sprechen, Interesse zu erwecken. Und manche haben fast gar keine
Chancen sich überhaupt vorzustellen.
Klinken putzen, klappern, das zum Handwerk gehört, sich anbieten
wie Sauerbier* und was der abfälligen Formulierungen mehr sind
für den einfachen Fakt, dass nur die wenigsten unter uns
"gefragt" genug sind, um nie nach Arbeit Ausschau halten zu
müssen. Es ist verflixt. Ohne Veröffentlichung geht es nicht,
aber wie macht man's ohne Peinlichkeit? Humor hilft.
Selbstvertrauen auch. Wenn das, was wir machen Qualität hat, dann
sollen es die Leute auch wissen. Sie müssen ja nicht zuhören.
Aber vielleicht verpassen sie dann etwas Schönes und/oder
Wichtiges.
"Du kannst ein erfolgreicher Künstler sein"
*In früheren Zeiten kam es bei der Bierproduktion häufiger zu
Misserfolgen, so dass anstelle des gewünschten Produkts "saures"
Bier entstand. Um den Schaden zu begrenzen, wurde dieses
minderwertige Produkt mit marktschreierischen Methoden (meist
erfolglos) angepriesen. Die Redensart kommt schon bei Hans Sachs
und bei Grimmelshausen vor.