Sonntag, 16. Dezember 2012

Hugo Ball - Karawane - Dada



Das Wissen, wo es als höchstes Prinzip auftritt, tötet notwendig den Enthusiasmus, den Geist und jenen aus irrationalen Quellen fließenden menschlichen Instinkt, der für die Konflikte die einfachste Lösung findet.

H. B. Zur Kritik der deutschen Intelligenz


Hugo Ball Karawane 
Reprint der Zeitschrift "Dada" 1917



Hugo Ball


Hugo Ball


Eroeffnungs-Manifest

1. Dada-Abend

Zuerich, 14. Juli 1916

  Dada ist eine neue Kunstrichtung. Das kann man daran 
  erkennen, dass bisher niemand etwas davon wusste und morgen 
  ganz Zuerich davon reden wird. Dada stammt aus dem Lexikon. 
  Es ist furchtbar einfach. Im Franzoesischen bedeutets 
  Steckenpferd. Im Deutschen: Addio, steigt mir bitte den 
  Ruecken runter, auf Wiedersehen ein ander Mal! Im Rumaenischen: 
  'Ja wahrhaftig, Sie haben Recht, so ist es. Jawohl, 
  wirklich. Machen wir'. Und so weiter.
  Ein internationales Wort. Nur ein Wort und das Wort als Bewegung. 
  Es ist einfach furchtbar. Wenn man eine Kunstrichtung 
  daraus macht, muss das bedeuten, man will 
  Komplikationen wegnehmen. Dada Psychologie, Dada Literatur, 
  Dada Bourgeoisie und ihr, verehrteste Dichter, die ihr immer 
  mit Worten, nie aber das Wort selber gedichtet habt. 
  Dada Weltkrieg und kein Ende, Dada Revolution und kein 
  Anfang. Dada ihr Freunde und Auchdichter, allerwerteste
  Evangelisten. Dada Tzara, Dada Huelsenbeck, Dada m'dada, 
  Dada mhm' dada, Dada Hue, Dada Tza.
  Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt. 
  Wie wird man beruehmt? Indem man Dada sagt. Mit edlem Gestus 
  und mit feinem Anstand. Bis zum Irrsinn, bis 
  zur Bewusstlosigkeit.  Wie kann man alles Aalige und Journalige, 
  alles Nette und Adrette, alles Vermoralisierte, 
  Vertierte, Gezierte abtun? Indem man Dada sagt. 
  Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou, 
  Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt. 
  Dada Herr Rubiner, Dada Herr Korrodi, 
  Dada Herr Anastasius Lilienstein.
  Das heisst auf Deutsch: die Gastfreundschaft der Schweiz 
  ist ueber alles zu schaetzen, und im Aesthetischen kommt's 
  auf die Norm an.
  Ich lese Verse, die nichts weniger vorhaben als: auf die 
  Sprache  zu verzichten. Dada Johann Fuchsgang Goethe. 
  Dada Stendhal. Dada Buddha, Dalai Lama, Dada m'dada, 
  Dada m'dada, Dada mhm' dada. Auf die Verbindung kommt es an, 
  und dass sie vorher ein bisschen unterbrochen wird. 
  Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. 
  Alle Worte haben andere erfunden. Ich will meinen 
  eigenen Unfug, und Vokale und Konsonanten dazu, 
  die ihm entsprechen. Wenn eine Schwingung sieben Ellen 
  lang ist, will ich fueglich Worte dazu, die sieben Ellen 
  lang sind. Die Worte des Herrn Schulze haben nur 
  zwei ein halb Zentimeter.
  Da kann man nun so recht sehen, wie die artikulierte 
  Sprache entsteht. Ich lasse die Laute ganz einfach fallen. 
  Worte tauchen auf, Schultern von Worten; Beine, Arme, 
  Haende von Worten. Ay, oi, u. Man soll nicht zuviel 
  Worte aufkommen lasen. Ein Vers ist die Gelegenheit, 
  moeglichst ohne Worte und ohne die Sprache auszukommen. 
  Diese vermaledeite Sprache, an der Schmutz klebt 
  wie von Maklerhaenden, die die Muenzen abgegriffen haben. 
  Das Wort will ich haben, wo es aufhoert und wo es anfaengt.
  Jede Sache hat ihr Wort; da ist das Wort selber 
  zur Sache geworden. Warum kann der Baum nicht Pluplusch 
  heissen, und Pluplubasch, wenn es geregnet hat? 
  Und warum muss er ueberhaupt etwas heissen? 
  Muessen wir denn ueberall unseren Mund dran haengen? 
  Das Wort, das Wort, das Weh gerade an diesem Ort, 
  das Wort, meine Herren, ist eine oeffentliche Angelegenheit 
  ersten Ranges.

Samstag, 15. Dezember 2012

Der Erste Kaffee



     Irgendwo in Deutschland, zwischen sieben und acht Uhr Morgens, 
     verfalle ich in einen Zustand, der herkömmlicherweise wach genannt wird,
     in meinem Fall aber nur wenig mit der Munterkeit, Unternehmungslust 
     und Klarheit gemein hat, die andere Menschen mit diesem Wort verbinden. 
     Egal ob nach vier oder acht Stunden Schlaf, gesund oder angekränkelt, 
     glücklich oder eher nicht, in der Frühe bin ich maulfaul, grummelig, blöde, 
     schneckenlangsam, grantig, kurz ein Muffel.
     Ein Muffel beschreibt das Grimmsche Wörterbuch, nach dem Laute muff,  
     als Brummer, mürrischen Menschen oder auch als eine kurze Schnauze 
     und den Träger einer solchen; ein Geschöpf, am häufigsten ein Hund 
     mit dicken herabhangenden Lippen. Beides trifft auf mich in 
     erschreckendem Maße zu. Nicht einmal ich erkenne mich, geschweige
     denn das was sonst mein Gesicht genannt wird. Es gibt auch 
     Muffelschafe, die sehen allerdings ganz nett aus und verdienen 
     einen freundlicheren Namen.


     Glücklicherweise habe ich meist mit lieben Menschen zusammengelebt, 
     die bereit waren, diese jeden Morgen bei ihnen herumlungernde, 
     wildfremde Person, sorgsam und freundlich zu ignorieren und 
     meinem "normalen" heiteren Selbst auch weiterhin zu gestatten, die 
     gemeinsame Wohnung zu nutzen. 
     Das war das erste Geständnis, das zweite folgt: Ich bin Johanna 
     und ich bin kaffeesüchtig. Es ist heraus. 
     Wenn dann nämlich diese Frau Hyde den Wasserkocher gefüllt und 
     gestartet, ihre sehr große Tasse mit genau drei gehäuften 
     Teelöffeln Dallmayr Prodomo gefüllt, das kochende Wasser
     eingegossen, die entstehende Suppe verrührt und ihr circa ein 
     Schnapsglas Milch zugesetzt hat, entfaltet sich ein alltägliches Wunder.
     Pseudohanna sitzt, trinkt, (raucht) und verwandelt sich - in mich. 

     Ich nenne das Gesöff "polnischen Camping-Kaffee", denn man benötigt 
     keine speziellen Geräte, kann praktisch nichts falsch machen, was 
     sehr wichtig ist, bedenkt man den niedrigen Intelligenzquotienten 
     des Morgenmonsters, und es schmeckt wie Kaffee-Kaffee, so wie 
     polnische Klöße wie Klöße-Klöße schmecken. Nur bei der Wahl der 
     Kaffeesorte muß man genau sein, früher Rondo, heute halt die 
     bayrische Sorte.
     Espresso nach dem Essen ist ein Genuss, Latte Macchiato im Cafe eine
     schöne Begleitung für Cafe-Gespräche, auch Tee kann mal passen, aber
     dieser morgendliche Topf voll Kaffeepampe ist Nektar, Manna, bewusst-
     seinserweiternde Droge und Zaubertrank.

   

       CAFÉ BOMBÓM  


      Café cortado ist eine spanische Kaffeespezialität und bedeutet
     wörtlich übersetzt „geschnittener Kaffee“. Dies bezieht sich
     auf die verschiedenen Schichten, die bei der Zubereitung entstehen.
     Die Zubereitung des Café cortado ist regional unterschiedlich. 
     Auf Mallorca wird der Café cortado aus einem Espresso mit ein wenig
     heißer, aufgeschäumter Milch zubereitet. Auf der Kanareninsel La Palma
     wird noch gezuckerte Kondensmilch hinzugefügt, auch als Café 
     cortado leche y leche bekannt. Die Variante, bei der nur 
     gezuckerte Kondensmilch ohne aufgeschäumte Milch zugegeben wird,  
     wird als Café bombón bezeichnet.
     (Von der Seite Kaffee Tipp gestohlen.)

 Karen's Coffee Art

 

Der vergiftete Apple



Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen.  
Vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse aber, 
von dem darfst du nicht essen, 
denn sobald du davon isst, musst du sterben.
Genesis 2-16 Zürcher Bibel

Ein angebissener Apfel - das Apple Logo - Rob Janoff hat es 1977 zur Einführung des Apple II Computers entworfen, damals allerdings noch regenbogengestreift, bis dahin war auf dem Logo, Newton unter einem Apfelbaum, wohl über das Gesetz der Gravitation sinnierend, zu sehen. Ein Apfel soll Sir Isaac beim Nachdenken auf den Kopf gefallen sein und zur blitzartigen Vision der Gesetze der Schwerkraft geführt haben. 
Der Biss im neuen Logo sollte verhindern, dass man die Frucht für eine Kirsche mißverstehen könnte.
Gestern habe ich allerdings eine zwar wahrscheinlich nichtzutreffende, aber viel schönere und traurigere Geschichte über die Entstehung des berühmten Markenzeichens gehört.





Alan Turing 1912 in London auf die Welt gekommen, zeigte schon früh Zeichen mathematischer Hochbegabung. Ich bin leider unfähig die Ideen, mit denen er sich beschäftigte, auch nur ansatzweise zu verstehen, aber begreife zumindest, dass er ein erstaunlicher wissenschaftlicher Denker gewesen sein muß. Er hat am King's College, in Harvard und dann in Princeton studiert und während des Zweiten Weltkriegs in Bletchley Park, dem supergeheimen Dechiffrierungszentrum des Britischen Geheimdienstes, an der Entschlüsselung deutscher Funksprüche gearbeitet. Diese Zeit wird in dem Film "Enigma"
wirklich spannend erzählt. Er entwickelte Schachprogramme, den Turing-Test, mit dem die Intelligenz  von Computern getestet werden kann, (sicher eine sehr laienhafte Definition meinerseits,) und er beschäftigte sich mit dem Bau von Dechiffriermaschinen (Turing-Bombe), mit Logik und mit Chemie. Seine Erkenntnisse bilden bis heute einen wichtigen Teil der Grundlagen der Informatik. Soweit so gut. 
Aber. Was für ein schreckliches Aber - Turing war homosexuell und hatte 1952 ein kurzes Verhältnis mit einem jungen Mann, der diese Bekanntschaft dazu ausnutzte, einem Kumpel den Zugang zu Turings Haus zu ermöglichen, um es auszurauben. Turing erstattete Anzeige und, oder genauer, aber wurde daraufhin, auf der Basis der damals geltenden Gesetze zur Homosexualität, wegen "unsittlicher Handlungen" verurteilt. Er hatte die Wahl zwischen einer Gefängnisstrafe oder der verordneten Einnahme weiblicher Hormone. Er entschied sich zu Zweiterem. Die "Behandlung" führte zu körperlichen Veränderungen, Impotenz und, kaum anders vorstellbar, zu Depressionen. Man nennt das chemische Kastration.
Zwei Jahre später fand man Turing tot auf, neben ihm ein angebissener Apfel.
Obwohl es auch eine Unfalltheorie gibt, wird doch allgemein angenommen, dass er sich selbst getötet hat. Er soll in den Apfel Zyanid gespritzt haben. Schneewittchen von Walt Disney war, so habe ich gelesen, sein Lieblingsfilm.
Obwohl die britische Regierung sich mitlerweile posthum für die Verurteilung entschuldigt hat, sieht sie sich doch außer Stande ihn auch posthum zu begnadigen, da er ja "den damligen Gesetzen entsprechend rechtskräftig verurteilt worden sei".

Sehr schade, dass es sich bei der Geschichte von der Verbindung zwischen dem Apple-Zeichen und Allan Turing wohl nur um ein Gerücht handelt, einen großartigen Informatik-Wissenschaftler zu ehren, der in Folge homophober Gesetzsprechung viel zu früh und tragisch zu Tode kam, wäre doch ein wunderbarer Hintergrund für das allbekannte Apfelzeichen.


Donnerstag, 13. Dezember 2012

Hilde Domin - Über Mut





      Ich denke immer noch über Feigheit nach, wenn auch ohne neue
   Erkenntnisse, nur Eindrücke, Fetzen, Widersprüchlichkeiten.
   Ich sammle.
   



    "Ein Schriftsteller braucht drei Arten von Mut. Den er selber 
   zu sein. Den Mut, nichts umzulügen, die Dinge beim Namen zu 
   nennen. Und drittens den, an die Anrufbarkeit der anderen 
   zu glauben."


   Nur eine Rose als Stütze
   
   Ich richte mir ein Zimmer ein in der Luft
   unter den Akrobaten und Vögeln:
   mein Bett auf dem Trapez des Gefühls
   wie ein Nest im Wind 
   auf der äußersten Spitze des Zweigs.
   Ich kaufe mir eine Decke aus der zartesten Wolle
   der sanftgescheitelten Schafe die
   im Mondlicht
   wie schimmernde Wolken 
   über die feste Erde ziehen.
   Ich schließe die Augen und hülle mich ein
   in das Vlies der verläßlichen Tiere.
   Ich will den Sand unter den kleinen Hufen spüren
   und das Klicken des Riegels hören,
   der die Stalltür am Abend schließt. 
   Aber ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt.
   Mir schwindelt. Ich schlafe nicht ein.
   Meine Hand greift nach einem Halt und findet  
   nur eine Rose als Stütze.

 H. D. 1959 
 Foto: S. Fischer


Die schwersten Wege werden allein gegangen.


Die Enttäuschung, der Verlust,


das Opfer sind einsam.


Alle Vögel schweigen.


Man hört nur den eigenen Schritt,


den der Fuß noch nicht gegangen ist,


aber gehen wird.


Stehenbleiben und Umdrehen hilft nicht.


Es muss gegangen sein.




H. D. 
Foto: Walter Breitinger


Nicht müde werden,
 
sondern dem Wunder
 
leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten ...




Mittwoch, 12. Dezember 2012

Sandro Botticelli - Madonna mit singenden Engeln




Madonna mit acht Engeln 
1477




Alessandro di Mariano di Vanni Filipepi
besser bekannt als
Sandro Botticelli
1445 - 1510 








    Die Engel scheinen Sing- und Anbetungsdienst zu haben, aber ihre Begeisterung 
    hält sich in Grenzen. So viele hübsche Bengel und alle mit dem gleichen Friseur. 
    Auswendig singen können sie auch nicht. Die Madonna hat geweint oder sie hat
    Schnupfen und das Kind hat den Heiligenschein am Spitzenmützchen befestigt.
    Hinreissend.
 


Dienstag, 11. Dezember 2012

Feigheit - Eine etwas wirre Betrachtung


Feigling! - ein schweres Wort, mit hartem Gewicht fällt es in die Sprache. Eine Verurteilung. Eine Verächtlichmachung. Es klebt an einem, zieht einen hinunter. Haftet wie ein Kainsmal. Manchesmal unvermeidlich, weil die Angst, berechtigt, zu stark war, die Bedrohung zu groß. Oft mißbraucht, um Mangel an Blindheit, an Dummheit zu strafen, das heißt dann auch Feigheit vor dem Feind, auch wenn der gar nicht dein Feind ist, sondern zum Beispiel der deines selbsternannten "Vaterlandes". Aber atemraubend, schmerzhaft, verstörend, wenn es zutrifft, wenn man sich den eigenen schwächlichen, schon voraus-eilenden Gehorsam eingestehen muß, runterschlucken muß, dass man sich die Gefährdung großgeredet hat, um sich nicht verhalten zu müssen. Feigling, Memme, Duckmäuser, Hasenfuß, Angsthase, Drückeberger, Waschlappen und für Männer, die ultimate Kränkung: Schlappschwanz. Niedlich-herablassend oder harsch-verurteilend klingt die Wertung aus dem Munde des wirklich oder vermeintlich "Mutigen", seine Angst überwunden Habenden. 
Angst bezeichnet das Gefühl, überlebensnotwendig, in unseren Instinkten tief verankert; Feigheit ist eine Art, mit der Angst umzugehen. Wo hört Vernunft und/oder berechtigter Überlebenswille auf und es beginnt die Feigheit? Ein schmaler Grat, nicht wahr? Wieviel Schaden habe ich angerichtet durch bequemliche, unnötige Feigheit, wieviel eigenes Glück habe ich verhindert, weil ich zu feige war ein Risiko einzugehen? 
"Freedom's just another word for nothing left to loose" heißt es in Me and Bobby McGee gesungen von Janice Joplin - "Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass du nichts mehr zu verlieren hast", das klingt wunderbar und angsteinflößend. Aber für diesen Zustand bin ich zu feige!

Zeitungsphoto dreier Insassen des Londoner Zoos Juni 1955 

Die Drei Affen
Was wir Feigheit nennen, gilt anderswo als Tugend.

Was nicht dem Gesetz der Schönheit entspricht, darauf schaue nicht; 
was nicht dem Gesetz der Schönheit entspricht, darauf höre nicht; 
was nicht dem Gesetz der Schönheit entspricht, davon rede nicht; 
(was nicht dem Gesetz der Schönheit entspricht, das tue nicht.  
Das wäre ein vierter Affe mit den Händen verschränkt vor dem Geschlecht.)

Das japanische Sprichwort lautet: “ mi-zaru, kika-zaru, iwa zaru“, verdeutscht: "nichts sehen, nichts hören, nichts sagen" und meint, daß Diskretion, Zurückhaltung und Verschwiegenheit Tugenden sind.  Die buddhistische Deutung ist, dass man nicht Zeit mit dem Denken über Schlechtes oder dem Denken von schlechten Gedanken verbringen sollte.  
Für die Symbolik der drei Affen wurde das Wort zaru (=nicht) mit dem ähnlich klingenden Wort saru (= Affe) verbunden. 

Der Wandteppich "Zyklus der Apokalypse von Angers"
zwischen 1373 und 1382
 N° 35: Einem Weib werden Flügel gegeben (um dem Drachen zu entfliehen)

Feigheit, die Neigung, sein Handeln durch Furcht bestimmen zu lassen. Brockhaus

Feigheit, habitueller Zustand des Gemüts, in welchem sich der Mensch vor Gefahren oder Schmerzen in dem Grad scheut, dass dadurch einesteils seine Freiheit und Tatkraft gelähmt, andernteils sein Gefühl für Ehre und Schande abgestumpft wird.  
Meyers Konversations Lexikon

Feigheit ist zunächst die vorwerfbare Neigung, sein Handeln durch Angst oder Furcht bestimmen zu lassen. Sie sei ein seelischer Zustand, in dem sich jemand aus Furcht vor einer Gefahr, einem Verlust, Schmerz oder Tod nicht stellt und aus der Sicht Dritter als ehrlos erweist.
Wikipedia


Dass man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! dass man sie nicht hinterdrein im Stiche lässt! - Der Gewissensbiss ist unanständig.
Friedrich Nietzsche, Werke III - Götzen-Dämmerung

"Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben"
Adolf Hitler
Wiki sagt: Die NS-Militärjustiz fällte laut Hochrechnungen etwa 30.000 Todesurteile; davon wurden etwa 23.000 auch vollstreckt. Insgesamt sind etwa 350.000 bis 400.000 Soldaten desertiert. Das macht bei rund 18,2 Mio. Soldaten aller Bereiche eine Desertionsquote von rund 2 %.

So macht Gewissen Feige aus uns allen.
William Shakespeare, Hamlet

Jedes wahrhaft große Gefühl kann edel und fruchtbar sein, der Hass geradeso wie die Liebe, er muss nur frei sein von den unsauberen Elementen der Selbstsucht, des Neides, der Rachsucht und der Feigheit.
Arthur Schnitzler (1862-1931), Buch der Sprüche und Bedenken

Hass ist die Rache des Feiglings, wenn er eingeschüchtert wurde.
Hatred is the coward's revenge for being intimidated.
George Bernard Shaw



 © Keith Haring

Ein Gedicht

Ein Mensch, der an der Spritze steht,
bekämpft den Brand so gut es geht,
bis er zuletzt nur noch zur Not
entrinnt dem eignen Feuer-Tod.

Ein Unmensch, der am Stammtisch sitzt,
hätt´ weitaus tapferer gespritzt.
Er überzeugt nun, gar nicht schwer,
sogar den Menschen hinterher,
mit prahlerischen Redeflüssen,
dass er hätt besser spritzen müssen.

Und aus dem Menschen wird zuletzt
ein Feigling gar, der pflichtverletzt.
Und alle rühmen um die Wette
wie gut gespritzt der Unmensch hätte.

Eugen Roth

Etymologisches Wörterbuch nach Pfeiffer
feige Adj. ‘ängstlich, nicht mutig’, ahd. feigi ‘zum Tode bestimmt, dem Tode nahe, gottlos’ (8./9. Jh.), mhd. veige ‘zum Tode bestimmt, verwünscht, eingeschüchtert, furchtsam, biegsam, schlank’, asächs. fēgi, mnd. vēge, mnl. vēghe, veighe, nl. veeg, aengl. fǣge, anord. feigr, schwed. feg ( ‘mutlos’), germ. *feigja- ‘todgeweiht’ stehen in grammatischem Wechsel zu den unter Fehde (s. d.) behandelten Adjektiven der Bedeutung ‘feindlich, feindselig’. Der Feind ist in der Regel ‘zum Tode bestimmt’ (noch im 16. Jh. bezeugt), daher auch ‘verzagt’ und ‘ängstlich’. Diese Bedeutung (zuerst Ende 13. Jh.) wird durch Luthers Bibelübersetzung verbreitet, muß aber 1523 im Obd. noch durch verzagt, erschrocken erklärt werden. 
Feigheit f. ‘Ängstlichkeit, Mutlosigkeit’, mhd. veicheit ‘Zustand des Feigseins, Unheil’.  
Feigling m. ‘wer Angst hat’ (18. Jh.). 

Die Frucht Feige (mhd. "vige") kommt vom von der lateinischen Bezeichnung des Baumes "ficus", welche wiederum aus dem kleinasiatischen Raum stammt.
Das Wort feige (für ängstlich) entstand aus dem germanischen Wort "feigja" und und ist synonym mit dem Begriff "Fehde" zu sehen. Da unsere Vorfahren Angst und Tod gleichermaßen inhaltlich verbanden, (wer Angst hatte, war dem Tod geweiht, bwz. war feindlich - bei einer Fehde -, und musste fürchten, getötet zu werden) hängen die Begriffe eng zusammen. 

Montag, 10. Dezember 2012

Brot


    BROT


      Als Kind im Sommerurlaub auf dem Land der frühe Gang zum Bäcker,
      Brötchen (in Unkenntnis jeden Treibmittels) und warmes Brot. Wenn ich
      ein Loch in die Kruste pule, kann ich ein ganz kleines Bisschen vom leicht
      matschigen Innenleben kosten, und noch ein Bisschen und ...  
      noch ein Bißchen. Die völlig ausgehöhlte Kruste kommt zum Schluß, 
      noch vor dem Ärger zu Hause.
      Gebratenes Mischbrot zum Frühstück bei meiner Lieblingstante mit ihrem 
      selbsteingekochten Pflaumenmus und dem Nesquick-Kakaogetränk aus 
      dem Westen.
      Auf einem Gastspiel in Paris das erste echte Baguette, hauchzart, 
      knusprig und weg war es! Croissants! Butterwunder.
      Matze mit Gouda, ein restlos unkoscheres Vergnügen. 

      Fladen in Marokko, Graubrot in Moskau, Brot in Olivenöl gestippt in Italien,
      Bagel mit Creamcheese und Lox (Lachs) in einem jüdischen Diner in 
      New York. Ich esse mich um die Welt.   

     Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Name.
     Dein Reich komme.
     Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.
     Unser täglich Brot gib uns heute ...

    
      Frühere evangelische Fassung des Vaterunser
       Evangelisches Kirchengesangbuch 1950


     Lukas Cranach d. Ältere 1520/30 
Die Jungfrau mit Kind unter einem Apfelbaum
Das Baby ißt Apfel und - Brot.

     Der Mensch lebt nicht vom BROT allein; wer nie sein BROT mit Tränen 
     aß; bei nichts als Wasser und trocken BROT; ButterBROT; wes BROT 
     ich ess, des Lied ich sing; in der allergrößten Not schmeckt die Wurst 
     auch ohne BROT; Gott gab Zähne, Gott wird auch BROT geben. 
     Ist er tot, so ißt er nimmer BROT. 

 Paul Cezanne Brot und Wein

     Das hungrige Kind (Volksweise)
   
     "Mutter, ach Mutter! es hungert mich, Gib mir Brot, sonst sterbe ich." 
     "Warte nur, mein liebes Kind, Morgen wollen wir säen geschwind."
     Und als das Korn gesäet war, Rief das Kind noch immerdar: 
     "Mutter, ach    Mutter! es hungert mich, Gib mir Brot, sonst sterbe ich." 
     "Warte nur, mein liebes Kind, Morgen wollen wir ernten geschwind."
     Und als das Korn geerntet war, Rief das Kind noch immerdar: 
     "Mutter, ach Mutter! es hungert mich, Gib mir Brot, sonst sterbe ich." 
     "Warte nur, mein liebes Kind, Morgen wollen wir dreschen geschwind."
     Und als das Korn gedroschen war, Rief das Kind noch immerdar: 
     "Mutter, ach Mutter! es hungert mich, Gib mir Brot, sonst sterbe ich." 
     "Warte nur, mein liebes Kind, Morgen wollen wir mahlen geschwind."
     Und als das Korn gemahlen war, Rief das Kind noch immerdar: 
     "Mutter, ach Mutter! es hungert mich, Gib mir Brot, sonst sterbe ich." 
     "Warte nur, mein liebes Kind, Morgen wollen wir backen geschwind."
     Und als das Brot gebacken war, Lag das Kind auf der Totenbahr.


 Lotte schneidet Brot - Kupferstich, um 1870 
nach einem Gemälde des Münchner Malers Wilhelm von Kaulbach

     Johann Wolfgang von Goethe Aus "Die Leiden des jungen Werther":

     ... Ich gieng durch den Hof nach dem wohlgebauten Hause, und da ich 
     die vorliegenden Treppen hinaufgestiegen war und in die Thüre trat, fiel 
     mir das reizendste Schauspiel in die Augen, das ich jemals gesehen 
     habe.  In dem Vorsaale wimmelten sechs Kinder, von eilf zu zwey 
     Jahren, um ein Mädchen von schöner mittlerer Taille, die ein 
     simples weisses Kleid mit blaßrothen Schleifen an Arm und Brust 
     anhatte. Sie hielt ein schwarzes Brod und schnitt ihren Kleinen rings 
     herum jedem sein Stük nach Proportion ihres Alters und Appetites ab, 
     gabs jedem mit solcher Freundlichkeit, und jedes rufte so 
     ungekünstelt sein: Danke! indem es mit den kleinen Händchen lang in 
     die Höh gereicht hatte, eh es noch abgeschnitten war, und nun mit 
     seinem Abendbrode vergnügt entweder wegsprang, oder nach 
     seinem stillem Charakter gelassen davon nach dem Hofthore zugieng ...