Sonntag, 12. Februar 2012

Wedernoch - Samuel Beckett


WEDER

hin und her im Schatten von innerem zu äusserem Schatten
von undurchdringbarem Selbst zum undurchdringbaren Nichtselbst
über weder noch
wie zwischen zwei hellen Zufluchten, deren Türen einmal
angenähert sachte schließen, einmal weggedreht
sachte wieder öffnen
gelockt zurück und vor und weg gedreht
den Weg nicht achtend, zielend auf den einen Schimmer
oder den anderen
ungehörte Schritte einziger Ton
bis endlich anhalten für immer, abwesend für immer
vom Selbst und anderem
dann kein Ton
dann sachte nichtlöschendes Licht auf das nicht beachtete
noch weder
unsägliche Heim

Übersetzung vom künstlerischen Leitungsteam "Neither" und mir


NEITHER

to and fro in shadow from inner to outer shadow
from impenetrable self to impenetrable unself
by way of neither
as between two lit refuges whose doors once
neared gently close, once away turned from
gently part again
beckoned back and forth and turned away
heedless of the way, intent on the one gleam
or the other
unheard footfalls only sound
till at last halt for good, absent for good
from self and other
then no sound
then gently light unfading on that unheeded
neither
unspeakable home

Samuel Beckett

Somebody That I Used To Know


Fünf Musiker - eine Gitarre - ein Lied!


Ursprünglich geschrieben von Gotye, hier gecovert von Walk off The Earth.    



Samuel Beckett - Ein Gesicht


'Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues.' 
Samuel Beckett geboren 1906


© Richard Avedon 1979

© Richard Avedon 1979

'Wo würde ich hingehen, wenn ich gehen könnte, wer wäre ich, wenn ich sein könnte, was würde ich sagen, wenn ich eine Stimme hätte, wer sagt dies, sagt ich bin's? Antworte einfach, jemand antworte einfach.'

'Where would I go, if I could go, who would I be, if I could be, what would I say, if I had a voice, who says this, saying it's me? Answer simply, someone answer simply.'
Samuel Beckett, Texts for Nothing
Eine seltene Videoaufnahme - die Stimme ist interessant.
© Jane Bown London 1976

© Henry Cartier-Bresson 1964


Estragon: Ich kann nicht mehr so weitermachen.
Wladimir: Das sagt man so.
Estragon: Sollen wir auseinandergehen? Es wäre vielleicht besser.
Wladimir: Morgen hängen wir uns auf. Es sei denn, dass Godot käme.
Estragon: Und wenn er kommt?
Wladimir: Sind wir gerettet.


© Dmitri Kasterine 1965

1965 mit Buster Keaton

"Der Film" 
Buch: Samuel Beckett
Darsteller: Buster Keaton


unbekannt

Samstag, 11. Februar 2012

Theater hat auch eine erste Probenwoche


Oh ja, ich bin vorbereitet. Ich stehe im Stoff. Ich habe einen Plan.

Nach wochenlanger Vorbereitung, vielem Lesen, Denken, Grübeln, Sicher- und Sicherer- Werden und einer Konzeptionsprobe mit stundenlangem Reden, Zitieren, Phantasieren stehen da 5 oder 10 oder 2 Schauspieler auf einer staubigen, vollgerümpelten Probebühne mit annähernd aufgebautem Bühnenbild und stammeln, murmeln, kauen Sätze.

Schauen sich an. Lachen wie erwischte Kinder über Mißverständnisse und plötzlich, wenn ausgesprochen, zweideutig klingende Texte. Preschen vor und tändeln zimperlich mit neu gelernten Wörtern, schämen sich und stürzen sich kopfüber in ungekannte Situationen. Sie zippeln am Rock, krampfen sich an Textbüchern fest, schreien mehr oder weniger unmotiviert in die Runde der Mitspieler oder ziehen sich erstmal aufs sichere Standbein-Spielbein-frontal-zur-Rampe-Sonor-Sprechen zurück. Der eine haucht, der andere dröhnt oder knödelt, die dritte überbietet den Weltrekord im Schnellsprechen, ohne sich seines sportlichen Triumphs überhaupt bewußt zu werden. Einer deutet an, ein anderer übertreibt so unmäßig, dass das Wort Dezenz sich mit schockiertem Lächeln von der Probe verabschiedet. Es ist herrlich. Chaos, Krampf und Anarchie.

"Ja, mach nur einen Plan..."

Und plötzlich ist alles anders. Gänzlich anders. Neu. Komplizierter und einfacher zugleich.

Und manchmal, für Sekunden, erahnt man Unerwartetes, riecht man Wahrheit, lüpft die Wahrheit die Maske.

I love Schauspieler.

Einer, 50, Bassstimme, gutaussehend, groß und cool - die Szene - ein Mann soll ein Baby in der Wildnis aussetzen, er wird diesen Befehl ausführen, er pariert, schon im Abgang begriffen, kommt ein BÄR, der schaut in genüßlicher Vorfreude auf das schmackhafte Häppchen. Der Mann bemerkt es, er begreift, er lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, er wird vom Bären gefressen werden. Das Baby überlebt.
Schneewittchen in der Art von Shakespeare.
Es ist 11 Uhr morgens in Ingolstadt in Bayern. Noch gibt es weder Baby noch Bären. Später wird eine Windmaschine wehen, der Ton spielt Sturmgeräusche ein. Heute morgen nichts davon, nur eine olle Treppe und ein einzelner Spieler.

I love Spieler.

Freitag, 10. Februar 2012

Edward Hopper - Automat


Die amerikanische Variante der "Ausgezeichneten", mondäner, jünger, aber ebenso einsam. Nur hier sind es die Beine nicht die Füße, die das meiste Licht bekommen. Selbst der Hut ist traurig.

1927


 Der Maler selbst

Der 114. Geburtstag von Bertolt Brecht


Ich mag alle Farben, hauptsache sie sind grau. b.b. (angeblich)


Dauerten wir unendlich
So wandelte sich alles
Da wir aber endlich sind
Bleibt vieles beim alten.
 
Der abgerissene Strick kann wieder geknotet werden 
Er hält wieder, aber 
Er ist zerrissen. 
Vielleicht begegnen wir uns wieder, aber da 
Wo du mich verlassen hast 
Triffst du mich nicht wieder.


Kleines Lied

Es war einmal ein Mann 
Der fing das Trinken an 
Mit achtzehn Jahren und - 
Daran ging er zugrund. 
Er starb mit achtzig Jahr 
Woran, ist sonnenklar.
 

Es war einmal ein Kind 
Das starb viel zu geschwind 
Mit einem Jahr und - 
Daran ging es zugrund. 
Nie trank es: das ist klar 
Und starb mit einem Jahr.
 

Daraus erkennt ihr wohl 
Wie harmlos Alkohol... 


Donnerstag, 9. Februar 2012

Die Ausgezeichnete



Wolfgang Mattheuer, Die Ausgezeichnete (1973)

Ich mag die einsamen, altmodischen beschuhten Füße.

Barbara Thalheim & Streichorchester
http://www.youtube.com/watch?v=qrK99VDtdkw


Rainer Maria Rilke - Über den Dritten


Aus: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

. . . Und als ich mein Drama schrieb, wie irrte ich da. War ich ein Nachahmer und Narr, dass ich eines Dritten bedurfte, um von dem Schicksal zweier Menschen zu erzählen, die es einander schwer machten? Wie leicht ich in die Falle fiel. Und ich hätte doch wissen müssen, dass dieser Dritte, der durch alle Leben und Literaturen geht, dieses Gespenst eines Dritten, der nie gewesen ist, keine Bedeutung hat, dass man ihn leugnen muss. Er gehört zu den Vorwänden der Natur, welche immer bemüht ist, von ihren tiefsten Geheimnissen die Aufmerksamkeit der Menschen abzulenken. Er ist der Wandschirm, hinter dem ein Drama sich abspielt. Er ist der Lärm am Eingang zu der stimmlosen Stille eines wirklichen Konfliktes. Man möchte meinen, es wäre allen bisher zu schwer gewesen, von den Zweien zu reden, um die es sich handelt; der Dritte, gerade weil er so unwirklich ist, ist das Leichte der Aufgabe, ihn konnten sie alle. Gleich am Anfang ihrer Dramen merkt man die Ungeduld, zu dem Dritten zu kommen, sie können ihn kaum erwarten. Sowie er da ist, ist alles gut. Aber wie langweilig, wenn er sich verspätet, es kann rein nichts geschehen ohne ihn, alles steht, stockt, wartet. Ja und wie, wenn es bei diesem Stauen und Anstehen bliebe? Wie, Herr Dramatiker, und du, Publikum, welches das Leben kennt, wie, wenn er verschollen wäre, dieser beliebte Lebemann oder dieser anmaßende junge Mensch, der in allen Ehen schließt wie ein Nachschlüssel? Wie, wenn ihn, zum Beispiel, der Teufel geholt hätte? Nehmen wir’s an. Man merkt auf einmal die künstliche Leere der Theater, sie werden vermauert wie gefährliche Löcher, nur die Motten aus den Logenrändern taumeln durch den haltlosen Hohlraum. Die Dramatiker genießen nicht mehr ihre Villenviertel. Alle öffentlichen Aufpassereien suchen für sie in entlegenen Weltteilen nach dem Unersetzlichen, der die Handlung selbst war.
Und dabei leben sie unter den Menschen, nicht diese »Dritten«, aber die Zwei, von denen so unglaublich viel zu sagen wäre, von denen noch nie etwas gesagt worden ist, obwohl sie leiden und handeln und sich nicht zu helfen wissen . . .

R.M. Rilke gemalt von Helmut Westhoff

Mittwoch, 8. Februar 2012

e.e. cummings - one winter afternoon


eines winters nachmittag

eines winters nachmittag
(in der magischen stunde
wenn ist zu ob wird)
gab ein funkelnder clown
stehend an der achten strasse
mir eine blume,
Niemand, da bin ich
sicher, beobachtete ihn außer
mir;und warum?weil
ohne zweifel war er
wasimmer(zuerst und-letzt)
diemeisten am meisten fürchten:
ein geheimnis für das ich
kein wort habe außer lebendig
-das heißt,völlig wach
und wundersam ganz;
mit nicht nur geist und herz
sondern fraglos seele-
keineswegs traurig ausgelassen
(oder sonstwie demokratisch)
aber grundlegend poetisch
oder himmlisch ernst:
ein zarter kein grober clown
(kein pöbel sondern eine person)
und dabei nie ein wort sagend
obwohl nichts weniger als stumm;
weil seine stille
selbst wie ein vogel sang.
die meisten kann man hören
wie sie nach internationalen
maßnahmen schreien: macht die hölle vernünftig
-ich danke dem himmel, dass jemand verrückt
genug ist mir eine gänseblume zu geben

one winter afternoon

One winter afternoon
(at the magical hour
when is becomes if)
a bespangled clown
standing on eighth street
handed me a flower.
Nobody,it’s safe
to say,observed him but
myself;and why?because
without any doubt he was
whatever(first and last)
mostpeople fear most:
a mystery for which i’ve
no word except alive
—that is,completely alert
and miraculously whole;
with not merely a mind and a heart
but unquestionably a soul-
by no means funereally hilarious
(or otherwise democratic)
but essentially poetic
or ethereally serious:
a fine not a coarse clown
(no mob, but a person)
and while never saying a word
who was anything but dumb;
since the silence of him
self sang like a bird.
Most people have been heard
screaming for international
measures that render hell rational
—i thank heaven somebody’s crazy
enough to give me a daisy 

e.e. cummings


Groucho Marx und seine Brüder


Je suis Marxiste – tendance Groucho - Ich bin ein Marxist à la Groucho
Spruch eines anonymen Sprayers während der Pariser Mai-Revolte im Jahr 1968.


Was immer es ist – ich bin dagegen.
Whatever it is – I’m against it.

Humor ist, wenn die Vernunft den Verstand verliert.
Humor is reason gone mad.
 
Ja, Kunst ist Kunst, nicht wahr? Aber andererseits ist Wasser, Wasser! Und Osten ist Osten und Westen ist Westen und wenn du Moosbeeren nimmst und sie einkochst wie Apfelmus, dann schmecken sie viel mehr nach Pflaumen als Rhabarbar. Nun, hm...nun sag mir was Du denkst.
Well, art is art, isn't it? Still, on the other hand, water is water! And east is east and west is west and if you take cranberries and stew them like applesauce they taste much more like prunes than rhubarb does. Now, uh... now you tell me what you know.

Alter ist kein besonders interessantes Thema. Jeder kann alt werden. Er muss nur lange genug leben.
Age is not a particularly interesting subject. Anyone can get old. All you have to do is live long enough.

Eines Morgens habe ich einen Elephanten in meinem Pyjama erschossen, wie er in mein Pyjama gekommen ist, werde ich nie erfahren.
One morning I shot an elephant in my pajamas. How he got in my pajamas I'll never know.

Groucho, Zeppo, Chico und Harpo Marx - Die oder "The Marx Brothers"
Groucho ist der mit Bart und Zigarre, Harpo - der Harfinist, der mit der blonden Perrücke, Chico der mit dem Hut und der, der dann übrig bleibt, Zeppo, der hübsche und unbeliebte.


Ich beabsichtige ewig zu leben oder bei dem Versuch zu sterben.
I intend to live forever, or die trying.

Das Leben ist eine Laune mehrerer Milliarden Zellen, für eine Weile Du zu sein.
Life is a whim of several billion cells to be you for a while.

 Groucho - Der Nörgler 
Ursprünglich eine Gruppe von fünf, später vier Brüdern aus einer New Yorker jüdischen Familie, in der nahezu jeder im Variete arbeitete. Sie haben den Begriff Humor neu definiert. Anarchischer Humor, Witz ohne Anerkennung von bestehenden Regeln. Becket, Ionesco und Artaud haben sich immer wieder auf sie bezogen. Es gibt einen höchst überraschenden Briefwechsel zwischen Groucho und dem ihn sehr bewundernden T.S. Eliot, der auch überzeugter Antisemit war!
Die Karriere der Brüder startete zu Anfang des letzten Jahrhunderts in Vaudeville-Shows. Auch die Mutter und ihre Tante standen zeitweise zusammen mit ihren Söhnen auf der Bühne. Die diversen Rollen als Musiker und Komiker kristallisierten sich früh heraus. Während Chico das Stereotyp des ständig den Chicks nachstellenden Frauenhelden mit italienischem Akzent entwickelte, legte Groucho seinen Akzent als Deutscher während des ersten Weltkriegs mangels Popularität ab, ebenso wie Harpo später seinen Namen Adolph durch Arthur ersetzte. Harpo war auf der Bühne immer stumm. (Quelle: Wiki)

Ich bin frei von Vorurteilen. Ich hasse alle unterschiedslos.
I am free of all prejudices. I hate every one equally.

Entweder ist dieser Mann tot oder meine Uhr ist stehen geblieben.
Either this man is dead or my watch has stopped.

Wenn eine schwarze Katze Deinen Weg kreuzt, bedeutet das, dass das Tier irgendwohin unterwegs ist.
If a black cat crosses your path, it signifies that the animal is going somewhere. 

(Alle Sprüche: Groucho Marx)