War heute 15.30 bis 17.00 Uhr in der Boros Galerie im Bunker Reinhardtstrasse. Man muss sich vorher anmelden und wird dann, leicht eilig aber kompetent, durch das Gebäude geführt.
http://www.sammlung-boros.de/index.php?id=2810&L=0
Der Bunker: ich bin in den 60ern Reinhardtstrasse / Friedrichstrasse aufgewachsen, wie die meisten Ost-Berliner Kinder viel draußen, viel unterwegs, ein unserer Spielplätze direkt vor dem Deutschen Theater, daneben, riesig, dunkel, schwer – der Bunker. Wir waren nie drin, er war immer verriegelt und verrammelt, aber eben auch immer da. Nach der Wende war ich dann drin, zu irgendeinem theatralischen Event, aber ich habe mich nie wirklich für ihn interessiert, er war einfach nur da.
1941 entworfen, wurde er, wahrscheinlich unter Missbrauch unzähliger Kriegsgefangener, in kürzester Zeit, als „Reichsbahnbunker Friedrichstraße“ schon 1942 fertiggestellt. Der Architekt, Karl Bonatz, von seinem Chef Albert Speer liebevoll „Oberbunkerrat“ genannt, entwarf den Bunker, im Rahmen des „Führer-Sofortprogrammes“ für die Schaffung ziviler Luftschutzanlagen, mit Rustika Eingängen und Risaliten als „römische Wehrburg“ verkleidet, in Vorbedacht auf seine künftige Position in der architektonischen Gestaltung, der dann nicht mehr Berlin, sondern Germania, heißenden Hauptstadt des großdeutschen Reiches. Bonatz hat auch ein Obdachlosenasyl in Neu-Kölln in der Teupitzer Strasse gestaltet.
„Als extrem massive Stahlbetonkonstruktion wurde der Berliner Luftschutzbunker 1942 für die Reichsbahn errichtet, er sollte Passagieren und Reisenden vom nahegelegenen Bahnhof Friedrichstraße Schutz bieten.“
Und natürlich auch den Besuchern des Deutschen Theaters!
„Das heute denkmalgeschützte Gebäude ... war rein funktional strukturiert und verfügte über ca. 3.000 Sitzplätze auf fünf Etagen. Die innere Struktur ist achsensymmetrisch aufgebaut und von 1,80 m dicken Außenwänden und einer 3,00 m starken Stahlbetondecke umhüllt. ... Auf jeder der vier Seiten befinden sich zwei Zugänge, die wiederum mit dazugehörenden, ineinander geschachtelten vier Doppeltreppenanlagen ausgestattet wurden. Sie gewährleisteten die Erschließung des Bunkers für eine große Anzahl von Menschen in kürzester Zeit." (Baunetz Wissen Beton)
Diese Treppen sehen fabelhaft aus, ein Escherelement inmitten der massiven brutalen Ästhetik des Baus. "Eine doppelläufige Wendeltreppe ist eine zweiarmige Wendeltreppe, bei der die Antritte und Austritte der Treppenarme um 180° versetzt liegen. Die Treppenläufe sind teilweise übereinander angeordnet." (Wiki) Ursprünglich soll das Konzept von da Vinci entwickelt worden sein. Im Schloß Chambord in Frankreich gibt es ein Doppelwendeltreppe, die u.a. dafür sorgen sollte, dass der König seinen Subjekten nicht auf der Treppe begegnen musste.
Da Vinci zugeordnete Zeichnung |
"Beim Bau des Hochbunkers wurde so genannter „Blauer Beton“ verwendet. Dieser spezielle Beton war zur damaligen Zeit einer der widerstandsfähigsten Baustoffe und erst nach etwa 30 Jahren voll ausgehärtet.“
(Baunetz Wissen Beton)
Dass bedeutete für die Architekten des Berliner Büros Realarchitektur, die 2003 damit begannen, den Bunker für die Familie Boros und ihre Kunstsammlung, umzubauen, dass der nunmehr völlig erhärtete Beton mit Diamantsägen ausgeschnitten werden musste. 1500 Tonnen Beton wurden dann vor Ort zerkleinert und wegtransportiert, damit die nur 1,80m hohen Räume erhöht und erweitert werden konnten. Nach 4 Jahren Bauzeit wurde die Gallerie eröffnet.
Ein beunruhigender und beeindruckender Ort. Nach Kriegsende wurde der Bunker erst als Gefängnis von der Roten Armee benutzt, dann als Südfrüchtelager für den Obst-und Gemüsehandel der DDR (Und stand leer, wenn nicht Weihnachten war?), dann nach der Wende kamen die Raver und auch ein Sex-Club zog in die Räume, schön dunkel war es ja. Und Restzeichen einiger dieser Verwendungen wurden erhalten, außen Einschußlöcher, im Inneren Schriftzüge und Ventilationsanlagen aus der Nazizeit, Neonfarbkleckse, die der Orientierung während Stromsperren dienten und immer wieder Graffitireste der Partyära. Einige der Kunstwerke sind speziell für die Räume entwickelt worden und einige Räume wurden um Kunstwerke konstruiert. Die sichtbare Sammlung (Nächstes Jahr werden neue Exponate ausgestellt.) schien mir eine eklektische Mischung von Innovation und Dekor. Monika Sosnowska, Katja Strunz, Santiago Serra arbeiten mit dunklen Metall-und Holzteilen, die ihre jeweiligen Räume versperren, ankanten oder aufreissen. Das ist toll, weil man als Besucher sowieso in dem schweren Gemäuer angespannt ist und diese Objekte einen dann plötzlich, indem um eine Ecke biegt, anzugreifen scheinen. Oder eine eine grosse Kirchenglocke, die an der Decke von Magnetfeldern zum Schwingen gezwungen wird, nur fehlt ihr der Klöppel. Tonlos brüllend. Olafur Eliasson hatte letztes Jahr eine Grosse Ausstellung im Gropius Bau und er hat mich auch hier wieder sehr beeindruckt. Dazwischen einige Banalitäten und Disco-Art. Eigenartige Mischung.
Stencil an der Aussenseite des Bunkers
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Interview mit Christian Boros:
http://www.wz-newsline.de/lokales/wuppertal/christian-boros-ein-gewinner-der-krise-1.116564