Mittwoch, 8. Juni 2011

Robert Frank 1


"Ich bin immer draußen, versuchend nach drinnen zu schauen, versuchend etwas zu sagen, dass wahr ist. Aber vielleicht ist nichts wirklich wahr. Außer, dem was existiert. Und das was existiert ändert sich ständig."

“I am always on the outside, trying to look inside, trying to say something that is true. But maybe nothing is really true. Except what’s out there. And what’s out there is constantly changing.” –Robert Frank



Indianapolis
Chattanooga, Tennessee


Robert Frank geboren am 9. November 1924 in Zürich ist ein schweizerisch-amerikanischer Photograph, Kameramann und Filmregisseur.

Candycigarette - Bonbon-Zigarette
"Die Amerikaner" -  "The Americans" ist ein Buch mit Photographien Robert Franks, es hat die Photographie Nachkriegs-Amerikas sehr stark beeinflusst. Es wurde 1958 zuerst in Frankreich herausgegeben und dann 1959 in den USA. 

Parade
Jack Kerouak ist der Autor von "unterwegs" - "On the Road", einem harschen, kargen und tiefsehnsuchtsvollen fiktionalen Reisebericht, der in verzweifelter Liebe das Land Amerika und die Zerrüttung seines großen Traumes beschreibt. Er schrieb das Vorwort zu den "Amerikanern".

"Nachdem du diese Bilder angesehen hast, weisst du am Ende nicht mehr, ob eine Jukebox nicht trauriger ist als ein Sarg." 
"Das ist wie wir im wirklichen Leben sind, und wenn es dir nicht gefällt, dann weiss ich darüber nichts, weil ich mein eigenes Leben auf meine Art lebe und mag Gott uns alle segnen, vielleicht,  ... wenn wir es verdienen." 

Funeral – St Helena, South Carolina, 1955
Ranch Market-Hollywood
U.S. 90; en route to Del Rio, Texas
Rodeo - New York City 1954
???

???
Elevator, Miami Beach, 1955, Robert Frank
 

Dienstag, 7. Juni 2011

Ein Theater hat auch einen Ankleider oder eine Garderobiere


Der Garderobengang eines Theaters, ist nicht der Gang, wo die Zuschauer Mäntel, Anoraks oder schweres Marschgepäck abgeben und wo, noch vor nicht all zu langer Zeit, die Damen aus den bequemen Strassenschuhen in die, meist in bunten Einkaufsbeuteln aus Nylon transportierten, "feinen" Schuhe wechselten. Ein jugendlicher Erinnerungs-Schnappschuss: In der Oper kurz vor Beginn: Frauen frisch frisiert in ihren alltäglichen Mänteln, an deren unterem Rand barock gemusterte Brokatabendkleider hervorlugen. Das nennt man zwar die Garderobe, aber Garderobieren arbeiten nicht dort, sondern in den Garderoben der Schauspieler. Und wenn diese gerade nix zu tun haben, sitzen sie auf dem Garderobengang davor, aufgereiht auf Stühlen, wie freundliche Hühner auf unsichtbarer Stange und aus nicht ganz einsehbaren Gründen, oft weißbekittelt. Möglicherweise soll das Weiß der Kittel Assoziationen von helfenden, beruhigenden Krankenschwestern hervorrufen, immer bereit zarte, leicht erregbare Schauspielergemüter zu beruhigen. Es sind meist Frauen, möglicherweise bezeichnet man männliche Vertreter dieses Berufsstandes als Garderobierer oder Garderober? Ankleider.

Das KoordinationsCentrum für Ausbildung in den Medienberufen gibt folgende Berufsbeschreibung:
"Garderobieren kümmern sich um die Bereitstellung der Kostüme während der Dreharbeiten eines Films, bei Vorstellungen am Theater oder der Oper, bei Fernseh-Shows, usw.. Dabei sorgen sie dafür, daß jeweils das gesamte Kostüm in einwandfreiem Zustand zur Verfügung steht und helfen den Darstellerinnen gegebenenfalls beim Ankleiden. Garderobieren überwachen die Reinigung der Kostüme, führen kleinere Reparaturen oder Änderungen aus. Wieviel Psychologie zur Arbeit einer Garderobiere gehören, schildert der Film The Dresser. (1983, dt: Ein ungleiches Paar): Der Dresser verwaltet nicht nur die Kostüme, sondern ist auch Motivationskünstler, Freund und Souffleur. Die Garderobe ist nicht eine pure Umkleidekabine. In der Garderobe bereiten sich die Darsteller auf ihren Auftritt vor, mit allen Hochstimmungen und Tiefpunkten. Mit anderen Worten: Garderobieren brauchen, neben ihrem Fachwissen, viel Einfühlungsvermögen, gute Nerven, Flexibilität und Menschenkenntnis."

Stimmt. Es ist ein merkwürdiger Beruf, irgendwo im Niemandsland zwischen Nicht-ganz- Schneiderin, Fast-Vertraute, im Notfall-für-alles-Zuständige und, bei superschnellen Umzügen, Artistin.

In früheren Tagen, damals, es war einmal, vor dem Krieg, waren manche von ihnen Hüter der Diven beiderlei Geschlechts mit persönlichstem Aufgabenbereich: Verehrer elegant abzuwimmeln oder vertraulich einzulassen, unzählige Blumengebinde zu arrangieren, DEN TEE zuzubereiten, ohne den die oder der jeweilige Künstler den Strapazen des Abends nicht gewachsen gewesen wäre. Der kannte keine Türen, diese öffneten und schlossen sich wunderbarerweise für ihn, Schuhe schlüpften an seine Füße, Haken klickten in Ösen, die Krampen von Reißverschlüssen griffen wie von selbst ineinander.

Eine Kollegin, nennen wir sie X, erhielt, während der Briefbombenpanik Mitte der Neunziger, einen dicken Umschlag ohne Absender und gab ihn der ihn überreichenden Garderobiere mit den Worten: " Mach du auf, ich hab Angst." zurück. Es war dann nur ein Packen Zeitungsartikel, aber die Vorstellung der explodierenden Garderobiere, die ihr Leben als Märtyrerin für die Kunst mit einem letzten seligen Lächeln aushaucht, verdient es, erwähnt zu werden.

Heute ist auch dieser Beruf, wie so viele Dinge am Theater, pragmatischer geworden und wird oft nur als Durchgangsstation für andere, größere Karrieren genutzt. Aber eine gute Garderobiere, die, wenn man vor Premierenangst schlotternd in panischer Erwartung des kommenden Unheils vor dem Schminkspiegel sitzt, einem durch Kamillentee, Fenchelbonbon oder ein nebensächliches Kompliment, einen Moment der Entspannung gibt, ist auch ein kleines Theaterwunder.

Der im zitierten Artikel erwähnte Film "The Dresser" ("Der Ankleider" oder in die wiedermal idiotischendeutschen Version "Ein ungleiches Paar", immer ein bisschen dramaturgische Hilfestellung!) ist ein fast vergessener Edelstein von einem Film. 1983 gedreht, mit Albert Finney und Tom Courtenay und von Peter Yates inszeniert.




Es ist der Ankleider, aber eigentlich blicken so nur Königsmörder.

Sonntag, 5. Juni 2011

Gott ist tot


"Gott ist tot" ein Roman von Ron Currie, jr. , erschienen 2007

Gott begibt sich in den Körper einer jungen Frau, die sich, auf der Suche nach ihrem, vor 15 Jahren von 'Rebellen', verschleppten Bruder durch den Sudan schleppt. Er stirbt mit ihr, wilde Hunde fressen Teile des Leichnams, der säuerlich schmeckt und beginnen am nächsten Morgen mit Zungen zu reden. Die Nachricht von Gottes Tod verbreitet sich auf Erden. Wie lebt es sich nun ohne Gott? 

Nur die wenigsten von uns halten es ohne Gott oder einen Ersatz für ihn aus und in diesem Buch gibt es, allein durch die Prämisse, auch gar keine Diskussion, ob es ihn nun gibt oder nicht. Die Frage, die Currie durchkostet, ist: brauchen wir Gott?
Und ich meine "durchkosten", er probiert mögliche Varianten nur aus, beginnt sie in der Mitte und endet vor dem Schluss, unentschieden, oder ist es unentscheidbar, ob es sich um Satire oder Tragödie handelt.
Ein zartes Buch, ein dünnes Buch, ein fast heiter hoffnungsloses Buch.

What if God was one of us?
Just a slob like one of us
Just a stranger on the bus
Trying to make his way home.

Was, wenn Gott wie wir wäre?,
Nur ein Tölpel wie wir wäre
Nur ein Fremder im Bus
Der den Weg nach Hause sucht.


Michelangelo; Gott erschafft die Sonne
„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, – ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“
Friedrich Nietzsche

Michelangelo; Adams Hand und Gottes Hand
"Gott ist tot" Nietzsche
"Nietzsche ist tot." Gott

Eine biblische Geschichte mit lauter Happy-Endings

Nebukadnezar sprach: So sei nun dies mein Gebot: Welcher unter allen Völkern, Leuten und Zungen dem Gott Sadrachs, Mesachs und Abed-Negos lästert, der soll in Stücke zerhauen und sein Haus schändlich verstört werden. Denn es ist kein andrer Gott, der also erretten kann, als dieser.  (...because there is no other God that can deliver after this sort.)

Eine Bibelgeschichte, die für alle Beteiligten gut ausgeht! Mal was anderes. Einen schönen Sonntag noch!
Michelangelo Buonarotti, The Prophet Daniel, Detail Sixtinische Kapelle 1511
Der Prophet Daniel lebte nach der Vertreibung der Juden aus Jerusalem im Babylon des Königs Nebukadnezar.
Als erstes setzt er durch, dass die Juden koscher essen dürfen, indem er beweist, dass sie nur Gemüse und Wasser zu sich nehmend, immer noch besser aussehen, als der durchschnittliche Babylonier. Sie sind auch viel gebildeter natürlich! (Wie schön, wenn man "auserwählt" ist!) Dann macht er sich unersetzlich, als er einen Traum Nebukadnezars deutet, der diesen sehr beunruhigt.

Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen, geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist und über alle Länder herrschen wird. Und das vierte wird hart sein wie Eisen; denn wie Eisen alles zermalmt und zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch alles zermalmen und zerbrechen. Dass du aber die Füße und Zehen teils von Ton und teils von Eisen gesehen hast, bedeutet: Das wird ein zerteiltes Königreich sein; doch wird etwas von des Eisens Härte darin bleiben, wie du ja gesehen hast Eisen mit Ton vermengt. Und dass die Zehen an seinen Füßen teils von Eisen und teils von Ton sind, bedeutet: Zum Teil wird's ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein. Und dass du gesehen hast Eisen mit Ton vermengt, bedeutet: Sie werden sich zwar durch Heiraten miteinander vermischen, aber sie werden doch nicht aneinander festhalten, so wie sich Eisen mit Ton nicht mengen lässt.
Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben...
Die drei Männer im Feuerofen, Inkunabel 1486
Daniel steigt in immer höhere Staatsämter auf und erregt Neid. Was Wunder! Schließlich werden seine drei besten Freunde denunziert und in einen Feuerofen geworfen und später er selbst in eine Löwengrube - und - dies ist eines der wenigen Male, wo Gott sich kümmert - keinem passiert was. Die drei Männer im Feuerofen (The three men in the fiery furnace) ist eine Nebengeschichte aus dem Buch Daniel.
3. Jahrhundert. Die drei Jünglinge im Feuerofen. Fresko. Rom, Katakomben der Priscilla
Da ward Nebukadnezar voll Grimms, und befahl, man sollte den Ofen siebenmal heißer machen, denn man sonst zu tun pflegte. Und befahl den besten Kriegsleuten, daß sie Sadrach, Mesach und Abed-Nego bänden, und in den glühenden Ofen würfen. Und man schürte das Feuer in dem Ofen so sehr, daß die Männer, so den Sadrach, Mesach und Abed-Nego hinaufbrachten, verdarben von des Feuers Flammen. Aber die drei Männer fielen hinab in den glühenden Ofen, wie sie gebunden waren. Da entsetzte sich der König, und sprach: Haben wir nicht drei Männer gebunden in das Feuer werfen lassen? Sehe ich doch vier Männer los im Feuer gehen, und sind unversehrt; und der vierte ist gleich, als wäre er ein Sohn der Götter. Und Nebukadnezar trat hinzu vor das Loch des glühenden Ofens und sprach: Ihr Knechte Gottes, des Höchsten, gehet heraus, und kommt her! Da gingen Sadrach, Mesach und Abed-Nego heraus aus dem Feuer.
Künstler unbekannt
Es gibt recht wenig Kunst zu dieser Geschichte, wahrscheinlich, weil keiner gelitten hat und sich Märtyrium besser gestaltet. Daniel wurde uralt und war hochangesehen, ja, Nebukadnezar wies sogar an, dass sein Gott in Babylon verehrt werden sollte. Happy End in der Bibel? Geht gar nicht.
Peter Paul Rubens Daniel in der Löwengrube
Nebukadnezar hatte etwas mehr Pech, erst erscheint seinem Sohn Belšazar das Berüchtigte Menetekel und dieser stirbt daraufhin in derselben Nacht und dann wird N. irrsinnig und lebt sieben Jahre wie ein Tier in der Wildnis.
William Blake Nebukadnezar
ABER, ihm wird verziehen, er gesundet, hat Einsicht und kann von nun an in Ruhe weiter regieren.

Holzschnitt ital. um 1520: Nebukadnezars Feuerofen

BYZANTINE MOSAIC 11. Jahrhundert
Shadrach, Meshach and Abednego, the Three Youths in the Fiery Furnace of Nebuchadenosor.
Der Feuerofen (Wandgemälde von Franz Joseph Hermann, 1771) Detail
Jacob Willemsz. de Wet - Drei Männer im Feuerofen

Shadrach, Meshach and Abednego in the Fiery Furnace by Simeon Solomon

Nochmal Robert Frost - Feuer und Eis


Die Welt vergeht im Feuer, brennend.
Oder sie erstarrt in Eis.
Die Hitze der Begierde kennend,
Seh’ ich ihr Ende eher brennend.
Jedoch beim nächsten Mal, wer weiß,
Da wir über so viel Hass verfügen,
Mag’s sein, dass zur Vernichtung Eis
Wird allemal genügen
Und es wär leis.

oder:
Der sagt, die Welt am End verbrennt,
Der sagt, sie stirbt im Eis.
Ich sage, wer Begierde kennt,
Muss glauben, dass sie einst verbrennt.

Festgefroren liegt das Pony im Kuhzer See in Brandenbur

Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I've tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say that for destruction ice
Is also great
And would suffice.  

1946, Washington, Feier zum Abschluss der Atombombentestreihe "Operation Crossroads"

Freitag, 3. Juni 2011

"Birken" von Robert Frost




Birken

Ich seh oft Birken, krumm nach links und rechts
quer zu den Linien grader, dunkler Bäume,
dann denk ich gern, ein Junge hat sie geschaukelt.
Doch Schaukeln biegt sie nicht bis an den Boden.
Ein Eissturm schafft's. Du hast sie schon gesehen,
mit Eis bepackt an sonnigen Wintermorgen
nach einem Regen. Sie knacken aneinander
bei frischem Wind und werden vielfarbig,
wenn die Glasur durch die Bewegung bricht.
Die Sonne wärmt, sie werfen ihr Kristall
wie in Kaskaden auf den Schnee hinab -
ein großer Haufen Scherben, dass man meint,
des Himmels Innenkuppel sei gestürzt.
Die Last zieht sie herab auf alten Farn,
sie brechen nicht; doch wenn so lang gebückt,
dann richten sie sich nie mehr auf:
Du siehst noch jahrelang im Wald die Stämme
gebogen, mit den Blättern auf dem Boden
wie Mädchen, die auf Händen und auf Knien
ihr Haar zum Sonnentrocknen vor sich werfen.
Doch wollt ich sagen, als die Wahrheit sich
zum Thema Eissturm nüchtern eingemischt hat:
Mir war es lieber, dass ein Bub sie bog,
als er die Kühe draußen holen ging.
Ein Bub, weit weg vom Baseball in der Stadt,
der nur zum Spielen hatte, was er fand,
das ganze Jahr beim Spiel sich selbst genug.
Des Vaters Bäume unterwarf er alle,
zwang rittlings einen nach dem ändern nieder,
bis ihre Starrheit ausgetrieben war;
und alle hingen schlaff, nicht einer blieb
noch zu erobern. Alles lernte er,
was es zu lernen gab: Sich nicht zu bald
hinauszuwerfen, da der Baum dann nicht
zum Boden reichte. Stets hielt er Balance,
wenn er bis zu den höchsten Ästen stieg,
behutsam, wie man eine Tasse füllt,
bis an den Rand und dann sogar noch drüber.
Dann schwang er sich zur Seite, Füße vor,
und strampelt' durch die Luft zum Boden runter.
Auch ich war einmal so ein Birkenschaukler.
Ich träum davon, die Zeit zurückzudrehn,
meist wenn ich müde bin vom Grübeln und
das Leben wie ein wegeloser Wald ist,
wo das Gesicht von Spinnennetzen juckt,
die es zerriss, und wo ein Auge tränt
von einem Zweig, der ungeschützt es traf.
Ich wollt der Erde gern einmal entrinnen
und dann zu neuem Anfang wiederkehren.
Das Schicksal möge mich nicht missverstehn,
nur halb erhören und für immer schnappen.
Die Erde ist der Liebe wahrer Ort:
Ich wüsste nicht, wo man es besser fände.
Ich ginge gern von hier, nach oben kletternd
auf schwarzen Ästen am schneeweißen Stamm
gen Himmel, bis der Baum mich nicht mehr trägt,
den Wipfel neigt und mich zu Boden setzt.
Wie gut: Zu gehen und zurückzukehren.
Man könnte Schlimmeres sein als Birkenschaukler.

Übersetzung Lars Vollert





Birken



Sehe ich Birken sich vor den Konturen
Dunklerer Bäume nach rechts und links biegen
Dann denke ich gern, dass ein Junge sie schwingt;
Doch Schwingen hält sie nicht so lang unten
Wie Schneestürme es tun. Du musst sie oft gesehen haben,
An sonnigen Wintermorgen nach einem Regen,
Die Äste beladen mit Eis. Klirrend gegen sich selbst,
Wenn Wind aufkommt, und vielfarbig leuchtend.
Das Rütteln macht, das ihre Glasur reisst und splittert
In der Sonne verschütten sie kristallenes Perlmutt
Das auf der Schneekruste zerspringt und sich zu Haufen
Von zerbrochenen Glassscherben sammelt,
Man könnte denken, die Himmelskuppel sei eingestürzt.
Die Last drückt sie hinunter ins Farnkraut;
Scheinbar zerbrechen sie nicht, doch
Einmal gekrümmt werden nie wieder richtig gerade,
In den Wäldern berühren Ihre gebogenen Stämme
Noch Jahre danach mit den Blättern den Boden,
Wie Mädchen auf Händen und Knien, die ihre Haare
vornüber werfen, um sie in der Sonne zu trocknen.
Doch bevor mich die Wahrheit mit all ihren Fakten
Über Schneestürme unterbrach, wollte ich sagen,
dass ich sie mir lieber von einem Jungen gebogen dächte,
Der vorbeiging, auf seinem Weg zu den Kühen.
Irgendein Junge zu weit von der Stadt für Baseball,
Der nur mit dem, was er fand, Sommers und Winters
Spielte, und der allein spielen konnte.
Einen nach dem anderen unterwürfe er des Vaters Bäume
Sie wieder und wieder zu Boden reitend,
bis er ihnen ihre Steifheit genommen und nicht einer
der durchhinge, nicht einer der noch
Zu erobern gewesen wäre. Er lernte alles
Was zu lernen war. Nicht zu früh abzuspringen,
Dass der Baum nicht brach und zu Boden fiel
Immer hielt er sein Gleichgewicht
bis in den Wipfel und kletterte mit Sorgfalt
mit der Vorsicht, mit der man ein Glas
bis an den Rand füllt und noch darüber hinaus.
Erst dann sprang er, die Füße zuerst, mit einem Satz
und fand seinen Weg bis zum Boden

So war ich selber einst ein Birkenschwinger;
so träume ich, wieder einer zu sein.
Wenn ich aller Bedenken müde bin,
Wenn das Leben einem weglosen Wald gleicht
Und das Gesicht von Spinnenweben juckt
und brennt und das Auge weint,
Von einem Zweig der dagegen schnellte.
Ich möchte gern eine Weile fort von der Erde
Und dann zurückkehren und neu beginnen.
Möge das Schicksal mich nicht böswillig falsch verstehen
Und mir nur den halben Wunsch erfüllen und mich wegschnappen,
Mich nicht zurückkehren lassen.
Die Erde ist der richtige Ort zum Lieben.


Ich weiss nicht, wo es besser gehen könnte.
Ich ginge gern (fort) eine Birke erkletternd,
Schwarze Äste aufwärts an einem schneeweissen Stamm
Richtung Himmel, bis mich der Baum nicht mehr tragen kann,
Und seine Spitze neigt und mich wieder absetzt.
Das wäre gut, gehen und wiederkommen.
Man könnte Schlimmeres als ein Birkenschwinger sein. 


Übersetzung unbekannt
 
Hier liest der Dichter selbst:


http://www.youtube.com/watch?v=aBw-OaOWddY


Birches

When I see birches bend to left and right
Across the lines of straighter darker trees,
I like to think some boy's been swinging them.
But swinging doesn't bend them down to stay 
As ice-storms do. Often you must have seen them
Loaded with ice a sunny winter morning
After a rain. They click upon themselves
As the breeze rises, and turn many-colored
As the stir cracks and crazes their enamel.
Soon the sun's warmth makes them shed crystal shells
Shattering and avalanching on the snow-crust--
Such heaps of broken glass to sweep away
You'd think the inner dome of heaven had fallen.
They are dragged to the withered bracken by the load,
And they seem not to break; though once they are bowed
So low for long, they never right themselves:
You may see their trunks arching in the woods
Years afterwards, trailing their leaves on the ground
Like girls on hands and knees that throw their hair
Before them over their heads to dry in the sun.
But I was going to say when Truth broke in
With all her matter-of-fact about the ice-storm
I should prefer to have some boy bend them
As he went out and in to fetch the cows--
Some boy too far from town to learn baseball,
Whose only play was what he found himself,
Summer or winter, and could play alone.
One by one he subdued his father's trees
By riding them down over and over again
Until he took the stiffness out of them,
And not one but hung limp, not one was left
For him to conquer.  He learned all there was
To learn about not launching out too soon
And so not carrying the tree away
Clear to the ground.  He always kept his poise
To the top branches, climbing carefully
With the same pains you use to fill a cup
Up to the brim, and even above the brim.
Then he flung outward, feet first, with a swish,
Kicking his way down through the air to the ground.
So was I once myself a swinger of birches.
And so I dream of going back to be.
It's when I'm weary of considerations,
And life is too much like a pathless wood
Where your face burns and tickles with the cobwebs
Broken across it, and one eye is weeping
From a twig's having lashed across it open.
I'd like to get away from earth awhile
And then come back to it and begin over.
May no fate willfully misunderstand me
And half grant what I wish and snatch me away
Not to return. Earth's the right place for love:
I don't know where it's likely to go better.
I'd like to go by climbing a birch tree,
And climb black branches up a snow-white trunk
Toward heaven, till the tree could bear no more,
But dipped its top and set me down again.
That would be good both going and coming back.
One could do worse than be a swinger of birches.


Donnerstag, 2. Juni 2011

Vatertag ist genauso blöd wie Muttertag


Warum gibt es so viele blödsinnige Feiertage?
Ich bin unbedingt für viel arbeitsfreie Zeit für alle, aber könnten wir uns nicht ein paar intelligentere Ausreden dafür einfallen lassen? 
Heute ehren wir Dich, weil Du eine Frau - ein Mann - eine Mutter - ein Kind bist? Was für ein Quatsch!
5 Männer, die mit Bollerwagen und Birkenzweigen dem Alkoholkoma entgegenstolpern, lösen, zumindest bei mr nur wenig feierliche Gefühle aus. Und der Muttertag, ursprünglich gedacht, als ein Tag des Protestes gegen den Krieg, dem die Söhne von Müttern zum Opfer fallen, wurde zum allgemeinen Liebesmütterchenehrentag, der übrigens in Deutschland vom Verband "Deutscher Blumengeschäftsinhaber" 1922/23 heftig propagiert wurde, von der gebärträchtigen Belastung dieses Tages in der NS Zeit gar nicht zu reden.

Hitzefrei war toll, es kam überraschend und wie ein herrliches Geschenk. 

Ein Tag, an dem man sich nicht waschen muss. Oder einer, an dem kein Fernsehsender sendet. Oder einer, an dem jeder selbst entscheidet, was er feiern möchte.
Oder wie bei der Lotterie, es wird ein Thema gezogen und wir müssen uns überlegen, was wir nun wie feiern. Keiner kann vorher einkaufen, als gäbe es niemals wieder die Gelegenheit. Geschenke müssen improvisiert werden. Und weil es eine Überraschung ist, kann vielleicht wirklich Feierlaune aufkommen.

Der Tag der lustigsten Frisur!
Der Tag, an dem wir mindestens mit 7 fremden Menschen 5 Minuten reden müssen.
Der Tag, an dem sich die Bundesbahn für Misswirtschaft und generelle Unfähigkeit entschuldigt und in den Zügen Kaffee und Kuchen von lächelnden Angestellten ausschenken lässt.
Ein türkischer Tag in Deutschland und entsprechend ein deutscher Tag in der Türkei, 
In den USA hätten sie dann einen mexikanischen Tag und vice versa.
Für Sylvia, einen Tag an dem alle eine halbe Stunde in den Himmel gucken.
Für Ötti, den Tag des Kinderreimes, jeder erinnert sich an seinen liebsten und trägt ihn einem Kind vor.
Nur her mit den Vorschlägen!

Und zur Feier des heutigen Unfeiertages ein bisschen Werbung aus der guten alten Zeit, als wir noch nicht wussten, was politisch korrekt ist:

Männer sind besser als Frauen!

Es ist schön ein Mädchen im Haus zu haben.

Zeig ihr das es eine Männerwelt ist

Mittwoch, 1. Juni 2011

Dienstag, 31. Mai 2011

Theater hat auch Kinder

Theaterkind. 

"Warum hat der Mann grüne Farbe im Gesicht?" 
"Der ist geschminkt, der soll tot sein."
"Waaaaas?"

"Sei ruhig, Papa hat Vorstellung." 

"Nein, wir können im Winter nicht wegfahren, Theaterferien sind im Sommer." 

"Na klar, Papa rezitiert bei meiner Jugendweihe, man ist das peinlich!"

Vater übt: "Hammer oder Amboss sein!", Kind läuft vorbei: "Ich werde Krankenschwester!"

Immerhin haben meine Eltern mich nicht Porzia genannt oder Ophelia, da kann ich doch von Glück reden. Aber mit 12 musste ich "Den Handschuh"  im Deutschunterricht vortragen, und tat es genauso gräßlich wie fast alle Kinder. Tja, die Anderen haben nicht ihre gesamte Familienchronik vorgehalten bekommen und eine vier. Und ihnen wurde auch nicht vom HNO-Arzt die Spuckschüssel bei der Entfernung der Polypen, mit den Worten: "Nun zeig mal ein bisschen Courage! Hat doch Deine Oma immerhin gespielt!", überreicht. Man habe ich den vollgespuckt. Und wehe, jemand hat es gewagt mit mildem Lächeln über meine gewisse Zukunft auf den Brettern zu säuseln, das war, damals wirklich das Letzte, was ich wollte, und hätte ich es gewollt, hätte ich es trotzdem abgestritten.

Vorstellungen: Ein Kind allein zu Haus, mit einem Ohr an der Wohnungstür und einem Auge auf dem heimlich laufenden Fernseher, Donnerstag Abend nach 10 im 3. Programm (mehr gab es damals noch nicht) "Menschen, Monster, Mutationen!", Horrorfilme der alten Art, erwischt wurde ich immer, die Temperatur der Glühbirnen war der Test.
Oder X., die aus Sorge, vor den in der dunklen Wohnung marodierenden Räuberbanden, lieber hinterm Bett schlief oder hochdramatisch im dünnen Hemdchen, nach Anruf im Theater, auf dem verschneiten Balkon die Heimkehr der elterlichen Gaukler erwartete. 
Oder in der Garderoben abgestellt, von Maskenbildnern und Gardrobieren verwöhnt, immer müde.

Theater ist georaphisch verlegtes Wohnzimmer. Manche Texte kann man auswendig, auch wenn man sie nicht versteht. Und egal, ob man selber Insasse wird oder sich lebenslänglich vehement verweigert, es ist eine Infektion, die, latent oder manifest, unheilbar ist.

Ich war 8 oder 9 und kann heute noch die Geschichte erzählen, bis zur Hälfte, dann kamen meine Eltern nach Hause.