Sonntag, 30. Oktober 2016

Schauspieler, die unbekannten Wesen

Schauspieler, zumindest die am Theater arbeitenden, verdienen schlecht, arbeiten äußerst hart und leben den unbequemsten vorstellbaren Alltag (Probe von 10 bis 14.00 Uhr und dann wieder ab 19.00 Uhr bis um 10 Uhr abends. Freie Tage sind nicht planbar.) und sie besitzen eine überaus zarte Elefantenhaut.
Schauspieler, Menschen. die aus Passion und für Geld spielen, während andere zuschauen.
Schauspieler haben aufgehört, zu rauchen, weil es zu teuer ist und schlecht für ihre ständig belasteten Stimmbänder. Sie trinken weniger als allgemein vermutet, weil sie es sich nicht leisten können, und am nächsten Morgen immer wieder Probe ist, und davor muß auch noch das Kind versorgt werden. 

Ich bin ausgebildete Schauspielerin mit Fachschulabschluß und nun arbeite ich schon seit vielen Jahren als unausgebildeter Regisseur mit Leuten, die den gleichen Beruf wie ich gelernt haben, die sich aber keineswegs ähneln. 
O, wie verschieden sie sind, und ich sicher auch! 

Einer braucht nur karge, praktische Hinweise, ein anderer Gespräche über Politik oder Parapsychologie. Einer mag abstruse Geschichten, eine andere verachtet meine Art anekdotisch auf die Welt und mein Sein in ihr zu blicken.
Eine erzählt mir in den Proben (jedenfalls scheinbar) ihre gesamte Biographie, bei einer anderen, könnte ich nicht einmal sagen, ob sie überhaupt eine Biographie hat. 
Ich mag das, ein Katalysator für so viele höchst unterschiedliche Persönlichkeiten zu sein, ihnen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie kreativ & aktiv werden können. Sie öffnen sich unmäßig, sie lassen sich gehen, und gehen dabei ein gewaltiges Risiko ein. Sie sind mutig, wenn sie ein lohnenswertes Ziel geboten bekommen.

Und dann sind da die kraftzehrenden, unproduktiven, erschöpfenden Ausnahmen, die zutiefst Faulen, Egozentrischen, die, die nicht denken wollen, nicht lachen, nicht versagen, die, die ihre privaten Neurosen als passiv aggressive Waffe gegen jederlei überraschende Lebendigkeit einsetzen. Ich nenne sie Vampire. Sie saugen Kraft und geben nichts lebendig Verwendbares zurück. Sie interessieren sich ganz und gar und ausschließlich für sich selbst und ihre augenblickliche Lebenssituation, und gehen dabei über jede denkbare Leiche, um in der unbeschadeten Gewissheit der eigenen emotionalen Unfehlbarkeit, Besonderheit ans unklar erahnte, meist zutiefst sentimentale Ziel zu gelangen. 
"Ich kann mir das nicht merken.", "Ich lerne nicht Text im voraus.", "Das würde meine Figur nicht tun." und derlei simple Ausreden, durchschaubares Zeug, und alles, damit sie nicht aus ihrer selbstgerechten Gemütlichkeit herausgeraten.

Menschen, also auch Bühnenfiguren, sind vielerlei, ambivalent und widersprüchlich. Ihre Falllhöhen sind immens. Wer jetzt noch so dachte, erlebt, fühlt nun das genaue Gegenteil. Fallhöhe, ein gutes, hartes Wort. Ich glaube eins und will doch das andere. Ich bin ein Bühnen-Mensch, keine gefällige, sentimentale Bühnenfigur. Ich bin von dialektischer, widersprüchlicher Einzigartigkeit.


Max Beckmann Ballettprobe 1950

Samstag, 29. Oktober 2016

Idole sterben

Heute erhielt ich die Nachricht vom Tod Manfred Krugs.

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts habe ich monatelang meine Familie mit einer Endlossschleife seiner Langspielplatten gequält. "Es war nur ein Moment" und "Ein Hauch von Frühling" dudelten pausenlos auf meinem Plattenspieler, auf Tempo 33. Krugs Stimme war nicht groß, eher zart und hell, vorsichtig, die Texte nachvollziehbar, leicht und hochmusikalisch.


Sergej Klang auf FB: Das was Manne Krug und Günther Fischer in den 70er Jahren gemacht haben, gehört zum Besten, was in der DDR auf Platte erschienen ist. Gerade weil es weder Ostrock, noch Schlager, noch Chanson, noch Jazz ist. Sondern sich gekonnt irgendwo zwischen all diesen Stilen bewegt. Angenehm unzeitgemäß, perfekt arrangiert, immer mit einer Prise Humor geerdet. Chansonesker Soul-Beat-Schlager...

Wenn du schläfst, mein Kind
Schau ich dir in die Träume
Und ich sehe, du träumst davon
Wie schön wir sind
Und ich hüt' mich, dass ich keinen Deut versäume...

ODER
Im wunderschönen Monat Mai
Als alle Knospen sprangen
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen!

Im wunderschönen Monat Mai
Als alle Vögel sangen
Da hab' ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen!

Wenn er und sein Musikerkollege Gerd Natschinski sich allerdings, wie bei "Greens", in den Jazz amerikanischer Prägung vorwagten, wurde ihre Musik dünn, harmlos und sehr ddrisch. Wenn man richtig deutsch klingendes Englisch hören möchte, hier bekommt man es zu hören. Er hat auch in "Porgy und Bess" Sporting Life gesungen, keine gute Idee, finde ich.
Dann doch lieber so:
https://www.youtube.com/watch?v=CP49yyQKpkk 

Als Schauspieler war Krug direkt, unverstellt, eher er selbst in Bestform, als eine verfremdete Figur. Der DEFA-Film "Spur der Steine" wurde durch Verbot zum ungesehenen Geheimtipp, ich hab bis heute nur Ausschnitte gesehen, die allerdings kräftig und nach DDR-Maßstab realistisch wirken.

Nun ist er tot. Und David Bowie ist es auch. Und Edward Albee. Und Bud Spencer. Und, oh Gott, Götz George. Und Muhammad Ali. Und Prince. Und Genscher und Westerwelle. Und Sinatra, unvorstellbar. Und Peter Lustig, Willemsen, Genscher und Alan Rickman, der Besitzer der schönsten vorstellbaren Stimme. Sie alle und viele mehr starben im Jahr 2016. 

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden häufig Personen, denen große oder übertriebene Bewunderung entgegengebracht wird, als Idole bezeichnet, sagt Wiki.

Um mich herum sterben Menschen, die an bestimmten Punkten meines Lebens für mich wichtig waren. Idole? Idol ist ein bedrückendes Wort, man lastet dem anderen ein zu großes Gewicht auf, also nenne ich es lieber hilfreiche Streckenbegleiter. Und sie sterben. Das heißt, ich bin alt geworden. 58 Jahre alt. Darum bemerke ich heute heftiger, wenn jemand stirbt, der mir auf meinem Weg begegnet ist. "Die Einschläge kommen näher", eine Platitüde, aber nicht unwahr. 
Wenn in der Umgebung meiner Magdeburger Oma jemand starb, berichtete sie davon immer mit einer gewissen Schadenfreude. Aber vielleicht war sie auch nur froh, dass der "Krug" noch einmal an ihr vorbei gegangen war?

Leider bin ich gänzlich unfähig, an jegliches Leben nach dem Tod zu glauben, aber trotzdem ist die Vorstellung von feuchtfröhlichen, mitternächtlichen Feiern auf gewissen Friedhöfen tröstlich. Mein Vater und Heiner Müller und Hegel und alle möglichen "Bewohner" des Dorotheenstädtischen Friedhofes mit Whiskey und Zigarre, meine Mutter auf der Suche nach einer Wärmflasche. Sie hätte heute ihren 86. Geburtstag gefeiert. Himbeerrolle, Apfelhaferflocken-Kuchen und Quarkkuchen mit Aprikosen hätte es gegeben. Und noch viele andere Kuchen und Torten. 
Und wenn man drei Stück Kuchen gegessen hatte, fragte sie besorgt, ob die anderen, einem vielleicht nicht geschmeckt hätten. Jüdische Mütter und ihre Obsession mit Esswaren. Ich hab meiner Mutter mal vorgeworfen, dass wir nie ein längeres Gespräch führen konnten, weil sie immer dafür sorgte, dass ich einen vollen Mund hatte. 

Everybody wants to go to heaven, but nobody wants to die.

 
FOCUS - ONLINE

Kein Fluch – sondern Statistik

Warum ist das so? Glaubt man dem bei der BBC für Nachrufe zuständigen Redakteur Nick Serpell, ist dafür kein Promi-Fluch verantwortlich – sondern bloße Statistik. Vor allem die Unterhaltungsbranche erlebte einen Boom in den 1960ern, das Fernsehen etablierte sich in den Haushalten und brachte zahlreiche neue Stars hervor. Auch das Musikgeschäft verankerte sich ab den späten 1950er Jahren endgültig in der Populärkultur und erzeugte Dutzende neuer Idole.
Ab den 1960ern gab es also viel mehr Stars als zuvor, und wir schreiten in eine Phase, in der die Promis aus den 1960ern und 1970ern langsam alt werden – und sterben. Hinzu kommen noch Berühmtheiten aus den späteren Jahrzehnten, die unerwartet früh von uns gehen - wie Prince. Auch von diesen existieren mehr als früher.

Folge des Bevölkerungswachstums

Die Expansion der Unterhaltungsindustrie hat auch mit einem generellen Bevölkerungswachstum zu tun. Ab 1946 explodierte die Geburtenzahl in den westlichen Industriestaaten. 1965 kamen in Deutschland 1,3 Millionen Babys auf die Welt – ein absoluter Höchstwert der Nachkriegszeit und der Zenit des Geburtentrends.
In den USA gehören 23 Prozent der Bevölkerung zur sogenannten „Baby Boomer“-Generation der zwischen 1946 und 1964 geborenen Menschen. Unter den Promis befindet sich daher ebenfalls eine überdurchschnittlich große Anzahl „Baby Boomer“ – die jetzt langsam in ein hohes Alter kommen. Damit steigt leider auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fans von einigen ihrer Stars verabschieden werden müssen.

Aufmerksamkeit durch Twitter und Co.

Zu guter Letzt kommt auch den sozialen Medien eine große Rolle zu: Denn das Internet senkte die Schwelle, die es braucht, um als prominent zu gelten. Todesfälle wie den der amerikanischen Wrestlerin und Porno-Darstellerin Cyna hätten in Deutschland vor zehn Jahren nur eingeweihte Zirkel mitbekommen. Heute verbreiten sich auch Todesfälle von Persönlichkeiten aus Randnischen in rasender Geschwindigkeit.
Die gute Nachricht ist also: Dass es mehr prominente Todesfälle zu geben scheint als früher, hat nichts mit einem "Schicksalsjahr" oder einem "Prominentenfluch" zu tun, sondern es gibt eine natürliche Erklärung. Die schlechte Nachricht allerdings: Der Trend wird sich in den kommenden Jahren eher noch verstärken. Die BBC hat bereits reagiert. Der traditionelle 30-minütige Jahresrückblick auf verstorbene Prominente wird in diesem Dezember erstmals auf eine ganze Stunde verlängert.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Kleist ist eine Überforderung

Donald Trump wird möglicherweise Präsident werden, Herr von Schirach in einer anderen, nicht undenkbaren, Dimension Justizminister. Syrien brennt heute. Niemand von uns weiß wirklich, was Putin denkt. Menschen flüchten allerorten. Wer verläßt seine Heimat ohne guten/schlimmen Grund?
Deutschland  ist prozentual zufriedener, Afrika hungert immer noch, Israel und Palästina beissen sich die Kehlen blutig.

Ich bin immer noch nur ein Theaterregisseur.

Das Private ist immer auch politisch, Politik begründet sich selbstgewiß im privaten Gefühl. Gefühl, Gefühligkeit, Empfindung, Empfindlichkeit. Was unterscheidet den Wutbürger von wirklicher Wut? Den Gutmenschen vom konkreten hilfreich sein im entscheidenenen Augenblick? Ich fühle mich, in bester Absicht, aber in ständiger Überforderung durch mein kleines tägliches Leben.

Es gibt Tage, da macht die Welt fast keinen Sinn. 

Unsere erste Hauptprobe lief gut, trotz Erkrankungen aller Arten - Kotzvirus, Fieber, Magenkrämpfe, Zahnschmerzen etcetera. 
Kleist nervt. Kleist überanstrengt. Kleist ist eine Unverschämtheit.
Kein Kompromiss nirgendwo.
Alles oder nichts. Ganz oder gar nicht. Keine erwartbare Hoffnung.

ABER! Aber, wenn ich Abstand hätte, würde ich sagen, dass heute sechs Menschen auf einer Bühne miteinander eine Geschichte verhandelt haben. Noch ungelenk, noch mit Angst, aber miteinander in diesen Ängsten.

Kritik im Anschluß: Laßt mich ein, schließt mich ein! Wie kriegen wir den willigen aber erschöpften Chemnitzer dazu, nach acht Stunden entfremdeter Tätigkeit, sich für unsere maßlose Geschichte zu interessieren? Zu akzeptieren, dass es seine Geschichte ist. Auch wenn er niemals niemanden auffrißt.

Sonntag, 16. Oktober 2016

Bob Dylan - Nobelpreisträger

Die DDR geht zugrunde und Bob Dylan gibt ein Konzert. 

Akte mit der Bezeichnung: Robert Zimmerman, No. HA XX 17578 
 „Unter heutiger Sicht hat er bei den gegenwärtig sich im jugendlichen Alter befindlichen Jahrgängen keine außergewöhnliche Resonanz", eher unter „älteren Jugendlichen und Menschen mittleren Alters ... Es ist davon auszugehen, dass Bob Dylan bei seinem Auftreten sich gegenüber dem Publikum und dem Veranstalter diszipliniert verhalten wird und bei seinem Auftritt keine negativen Emotionen zu erwarten sind."
Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) als Veranstalter hatte keine Mühe, in kurzer Zeit 81.000 Karten für das Konzert zu verkaufen.


Ich, allein, in einer Menschenmenge auf einer feuchten dunklen Wiese in Treptow, die Vorband spielt, es wird dunkel, Platzangst ergreift mich, noch bevor der mythische Dylan, der von mir verehrte, die Bühne betritt, gehe ich, flüchte ich. In meiner Wohung in Lichtenberg lausche ich einer Vinyl-Aufnahme seiner Stimme auf meinem Plattenspieler

Für die Jüngeren unter euch, ein Plattenspieler tastet übergroße schwarze CDs mit Hilfe einer Nadel einer Rille folgend ab, und die zu hörende Musik hat Neben-, Tiefen-, Schattengeräusche, die die Älteren unter uns bei digitaler Musik manchmal vermissen.

Jahre später in Japan, als Gast eines Filmfestivals werde ich panisches Opfer eines der dort üblichen Karaokeabende, die Gastgeber singen mit vibrierendem Sopran Schubertlieder in gebrochenem Deutsch. Wir verbeugen uns voreinander bis zum Abwinken. Ich werde mittels übergroßer Höflichkeit gezwungen, mich zu revanchieren, und grummle, um drei Uhr früh, unter dem Einfluß einer großen Menge Sake, "Sag mir wo die Blumen sind" und war sicher, ich sänge die deutsche Version eines Dylan Liedes, ein Irrtum. Pete Seeger schrieb den Ohrwurm und Dylan (und Marlene Dietrich) haben ihn uns eingeprägt. 

Ich bin was Musik betrifft ein idiotischer Freak, maßlos, eklektisch bis geschmacklos und leidenschaftlich, aber irgendwann zwischen dem 14. und 20. Lebensjahr fand es meine Grundprägung statt, The Beatles, Bob Dylan, Ian Anderson, Manfred Krug, Marvin Gaye und Barockmusik. Seitdem ist, dem Himmel sei Dank, Vielfältiges dazugekommen. Aber wenn mich jemand mitternächtlich weckte und mit vorgehaltener Pistole erinnerte Liedtexte von mir verlangte, bekäme er die Zeilen, denen ich in pubertären Einsamkeiten hundertemale gelauscht habe. Texte, die mich meinten, nur mich. 

Ich hatte einen Freund, der kein Englisch sprach, aber alle Beatles-Lieder lautmalerisch auswendig hersagen konnte.

Und stellt euch eine Gruppe junger Leute vor, in einem Land aus dem man nicht rauskam: Wenn wir Rentner sind, werden wir wie Kerouac durch die USA trampen. "When I'm Sixtyfour" werde ich "Like a Rolling Stone" sein. 

Wir waren acht. Arrogant, hoffnungsvoll und voll von Zukunft. Einer säuft, einer ist in der Klapper oder tot, eine arbeitet als Lehrerin in Neukoelln, in Usbekistan und anderswo, eine ist Chirurgin in Hamburg, einer lebt in Los Angeles und hat sich sein gutes Leben hart erarbeitet, einer war IM und ist jetzt Urologe in Hamburg, einer liebt die deutsche Literatur von Rheinsberg aus.

Später konnte ich genauer hinhören. Verheddert in Traurigkeit.


Tangled Up In Blue


Early one mornin’ the sun was shinin’
I was layin’ in bed
Wond’rin’ if she’d changed at all
If her hair was still red
Her folks they said our lives together
Sure was gonna be rough
They never did like Mama’s homemade dress
Papa’s bankbook wasn’t big enough


And I was standin’ on the side of the road
Rain fallin’ on my shoes
Heading out for the East Coast
Lord knows I’ve paid some dues 

gettin’ through
Tangled up in blue


She was married when we first met
Soon to be divorced
I helped her out of a jam, I guess
But I used a little too much force
We drove that car as far as we could
Abandoned it out West
Split up on a dark sad night
Both agreeing it was best


She turned around to look at me
As I was walkin’ away
I heard her say over my shoulder
“We’ll meet again someday

on the avenue”
Tangled up in blue


I had a job in the great north woods
Working as a cook for a spell
But I never did like it all that much
And one day the ax just fell
So I drifted down to New Orleans
Where I happened to be employed
Workin’ for a while on a fishin’ boat
Right outside of Delacroix


But all the while I was alone
The past was close behind
I seen a lot of women
But she never escaped my mind, 

and I just grew
Tangled up in blue


She was workin’ in a topless place
And I stopped in for a beer
I just kept lookin’ at the side of her face
In the spotlight so clear
And later on as the crowd thinned out
I’s just about to do the same
She was standing there in back of my chair
Said to me, “Don’t I know your name?”


I muttered somethin’ underneath my breath
She studied the lines on my face
I must admit I felt a little uneasy
When she bent down to tie the laces 

of my shoe
Tangled up in blue


She lit a burner on the stove
And offered me a pipe
“I thought you’d never say hello,” she said
“You look like the silent type”
Then she opened up a book of poems
And handed it to me
Written by an Italian poet
From the thirteenth century


And every one of them words rang true
And glowed like burnin’ coal
Pourin’ off of every page
Like it was written in my soul 

from me to you
Tangled up in blue


I lived with them on Montague Street
In a basement down the stairs
There was music in the cafés at night
And revolution in the air
Then he started into dealing with slaves
And something inside of him died
She had to sell everything she owned
And froze up inside


And when finally the bottom fell out
I became withdrawn
The only thing I knew how to do
Was to keep on keepin’ on 

like a bird that flew
Tangled up in blue


So now I’m goin’ back again
I got to get to her somehow
All the people we used to know
They’re an illusion to me now
Some are mathematicians
Some are carpenters’ wives
Don’t know how it all got started
I don’t know what they’re doin’ with their lives


But me, I’m still on the road
Headin’ for another joint
We always did feel the same
We just saw it from a different point 

of view
Tangled up in blue
Written by: Bob Dylan

Dienstag, 11. Oktober 2016

Ein gutes Gefühl

Eine scheue, kleine, feine Verliebtheit ist ein schönes Ding. Sie macht wacher, offener, gutgelaunter. Nichts Welterschütterndes vielleicht, aber ein zarter Glanz über dem Tag. So ein Gefühl ist absichtslos, ohne Erwartung, Genuß in sich, an und für sich.

Wiki bietet folgende Definition: Glanz ist eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise spiegelnd zu reflektieren. ... Genau wie Farbe ist der Glanz eine Eigenschaft, die zum visuellen Erscheinungsbild einer Oberfläche beiträgt. Glanz ist ein Sinneseindruck und daher vom Betrachter abhängig.

© Michael Dressel
Ich möchte ein Glanz sein. Wollen Sie wissen, was ein Glanz ist? Ein Glanz ist - also es gibt Mädchen, die sind ganz eklig hässlich und können doch ein Glanz werden. Aber besser ist es schon, wenn man nicht wie ein totes Skelett aussieht. ... Und ich werde ein Glanz. Weil nämlich ein Glanz sein ist das Großartigste, was es gibt.
Aus: Das Kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun

Vielleicht brächte ich es so weit, in Glanz zu leben, aber ich hätte dann alles andere nicht, meine absolute Freiheit und mein Leben für mich. 
Franziska zu Reventlow, Tagebücher

Samstag, 8. Oktober 2016

Tim Burton - Miss Peregrine's Home for Peculiar Children - Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder ist der neue Film von Tim Burton, nach einem Drehbuch von Jane Goldman, basierend auf dem Roman von Ransom Riggs. 
Um wiedereinmal kurz mein Steckenpferd zu reiten, wäre Fräulein Peregrines Heim für sonderbare Kinder ein schlechterer Titel gewesen? Besonders ist qualitativ wertend, sonderbar ist bemerkenswert. WTF?

Beetlejuice, Batman, Edward mit den Scherenhänden, Ed Wood, Mars Attacks, Corpse Bride - Mister Burton hat einige sehr gute Filme erdacht und Schauspieler zu wunderbaren Figuren-Erfindungen animiert. Aber dann, so ab 2007 mit Sweeney Todd und später auch mit Dark Shadows und der mir allzu niedlich erscheinenden Verfilmung von Alice im Wunderland, geriet er in das betrübliche, doch scheinbar unvermeidbare Sumpfgebiet der selbstverliebten Musterwiederholung. Auch sein Remake von Charlie und die Schokoladenfabrik reichte in keinster Weise, trotz der gut dazuerfundenen freudschen Vorgeschichte von Willie Wonka, an Mel Stuarts Original mit dem vor Kurzem verstorbenen Gene Wilder heran.  
Nun heute Abend im Neuköllner Rollbergkino, fast versteckt in einem ätzend unpersönlichen Einkaufszentrum, aber immerhin auf einer Leinwand, vor der ein herrlich glitzender, roter Vorhang hängt, die OV - Originalversion seines zur Zeit letzten Filmes.

Ein Großvater erzählt seinem Enkel Gutenachtgeschichten von Kindern mit besonderen Fähigkeiten, die sich verstecken müssen, da sie von Monstern verfolgt werden. Er, der Großvater, hat, wie wir später erfahren werden, auch ein außergewöhnliches Talent, er kann die, für alle anderen unsichtbaren, Monster sehen. Geboren wurde er 1930 in Polen als Kind jüdischer Eltern. Seiner Familie gelang die Flucht nach Amerika.
Viele Jahre später: der Enkelsohn findet den alten Mann, augenlos & sterbend, im Wald hinter seinem Haus und die letzten gestammelten Worte des Sterbenden, senden ihn auf seine Schicksalsreise.

Das Grundmuster war mir bekannt: unschuldiger herzensguter Held, der sich selbst  für einen Verlierer hält, trifft auf verängstigte Opfer, die durch sein überrraschendes Vorbild, erlernen ihr eigenes Potential zu nutzen. Aber, wie die Ereignisse sich entwickeln würden, wußte ich nie. Gut. Burton achtet auf jedes Detail, er befriedigt meine Neugier, aber er läßt mich auf die Befriedigung warten. Gut. Er hat eine dramaturgische Metaebene in der Hinterhand, aber wartet bis zum Abspann, mit den vorbeirollenden verblaßten Photographien von den begabten Kindern, um sie mir mitzuteilen. Gut. Er hat hervorragend besetzt. Gut.   

Mein neuester Kandidat für den superbesten Bösewicht: Samuel L. Jackson. Wie der, mit weißer Perücke und dentalem Horrorersatz, während starker Sturm seine Wangen flattern läßt, es schafft, cool zu erscheinen, ist schauspielerisches Genie.

Manche Kitiker verurteilen den Film für seine verwirrende Geschichte und fehlende emotionale Griffigkeit. Genau diese Eigenschaften waren es, die mir den Film liebenswert machten.

Ein absurdes Märchen. Die Einen sind gut, die Anderen schlecht. Schwarz ist schwarz und 
weiß ist weiß. Grau ist die Angst.

Florence & the Machine singen den Song überm Abspann.


Die sonderbaren Kinder im klassischen Portraitphoto





Kinderkreuzzug 1939
  
In Polen, im Jahr Neununddreißig
War eine blutige Schlacht
Die hat viele Städte und Dörfer
Zu einer Wildnis gemacht.

Die Schwester verlor den Bruder
Die Frau den Mann im Heer
Zwischen Feuer und Trümmerstätte
Fand das Kind die Eltern nicht mehr.

Aus Polen ist nichts mehr gekommen
Nicht Brief noch Zeitungsbericht
Doch in den östlichen Ländern
Läuft eine seltsame Geschicht.

Schnee fiel, als man sich’s erzählte
In einer östlichen Stadt
Von einem Kinderkreuzzug
Der in Polen begonnen hat.

Da trippelten Kinder hungernd
In Trüpplein hinab die Chausseen
Und nahmen mit sich andere, die
In zerschossenen Dörfern stehn.

Sie wollten entrinnen den Schlachten
Dem ganzen Nachtmahr
Und eines Tages kommen
In ein Land, wo Frieden war.

Da war ein kleiner Führer
Der hat sie aufgericht’.
Er hatte eine große Sorge:
Den Weg, den wusste er nicht.

Eine Elfjährige schleppte
Einen Jungen von vier Jahr
Hatte alles für eine Mutter
Nur nicht ein Land, wo Frieden war.

Ein kleiner Jude marschierte im Trupp
Mit einem samtenen Kragen
Der war das weißeste Brot gewohnt
Und hat sich gut geschlagen.

Und zwei Brüder kamen mit
Die waren große Strategen
Stürmten eine leere Bauernhütt
Und räumten sie nur vor dem Regen.

Es ging ein dünner Grauer mit
Hielt sich abseits in der Landschaft
Und trug an einer schrecklichen Schuld:
Er kam aus einer Nazigesandtschaft.

Da war unter ihnen ein Musiker
Der fand eine Trommel in einem zerschossenen Dorfladen
Und durfte sie nicht schlagen
Das hätt sie verraten.

Und da war ein Hund
Gefangen zum Schlachten
mitgenommen als Esser
Weil sie’s nicht übers Herz brachten.

Da war auch eine Schule
Und ein kleiner Lehrer für Kalligraphie
Und ein Schüler an einer zerschossenen Tankwand
Lernte schreiben bis zu FRIE…

Da war auch ein Konzert:
An einem lauten Winterbach
Durfte einer die Trommel schlagen
Da wurd er nicht vernommen, ach.

Da war auch eine Liebe.
Sie war zwölf, er war fünfzehn Jahr.
In einem zerschossenen Hofe
Kämmte sie ihm sein Haar.

Die Liebe konnt nicht bestehen
Es kam zu große Kält:
Wie sollen die Bäumchen blühen
Wenn so viel Schnee drauf fällt?

Da war auch ein Krieg
Denn es gab noch eine andre Kinderschar
Und der Krieg ging nur zu Ende
Weil es sinnlos war.

Doch als der Krieg noch raste
Um ein zerschossenes Bahnwärterhaus
Da ging, wie es heißt, der einen Partei
Plötzlich das Essen aus.

Und als die andere Partei das erfuhr
Da schickte sie aus einen Mann
Mit einem Sack Kartoffeln, weil
Man ohne Essen nicht kämpfen kann.

Da war auch ein Gericht
Und brannten zwei Kerzenlichter
Und war ein peinliches Verhör.
Verurteilt wurde der Richter.

Da war auch eine Hilfe
(Hilfe hat nie geschadet)
Eine Dienstmagd hat ihnen gezeigt
Wie man ein Kleines badet

Sie hatte leider nur zwei Stunden
Ihnen beizubringen
Mußte  ihrer Herrschaft
Die Betten nachbringen.

Da war auch ein Begräbnis
Eines Jungen mit samtenem Kragen
Der wurde von zwei Deutschen
Und zwei Polen zu Grabe getragen.

Protestant, Katholik und Nazi war da
Ihn der Erde einzuhändigen
Und zum Schluß sprach ein kleiner Sozialist
Von der Zukunft der Lebendigen

So gab es Glaube und Hoffnung
Nur nicht Fleisch und Brot
Und keiner schelt sie mir, wenn sie was stahln
Der ihnen nicht Essen bot.

Und keiner schelt mir den armen Mann
Der sie nicht zu Tische lud:
Gleich ein halbes Hundert, da handelt es sich
Um Mehl, nicht um Opfermut.

Findet man zwei oder sogar drei
Tut man gern was dafür
Aber wenn es so viele sind
Schließt man seine Tür.

In einem zerschossenen Bauernhof
Haben sie Mehl gefunden.
Eine Elfjährige band sich die Schürze um
Und backte sieben Stunden.

Der Teig war gut gerühret
Das Feuerholz gut gehackt
Das Brot ist nicht aufgegangen
Sie wussten nicht, wie man Brot backt.

Sie zogen vornehmlich nach Süden.
Süden ist, wo die Sonn
Mittags um zwölf Uhr steht
Gradaus davon.

Sie fanden zwar einen Soldaten
Verwundet im Tannengries.
Sie pflegten ihn sieben Tage
Damit er den Weg ihnen wies.

Er sagte ihnen: Nach Bilgoray!
Muß stark gefiebert haben
Und starb ihnen weg am achten Tag.
Sie haben ihn auch begraben.

Und da gab es ja Wegweiser
Wenn auch vom Schnee verweht
Nur zeigten sie nicht mehr die Richtung an
Sondern waren umgedreht.

Das war nicht etwa ein grausamer Spaß
Sondern aus militärischen Gründen
Und als sie suchten Bilgoray
Konnten sie es nicht finden.

Sie standen um ihren Führer
Der sah in die Schneeluft hinein
Und deutete mit der kleinen Hand
Und sagte: es muß dort sein.

Einmal, nachts. sahen sie ein Feuer
Da gingen sie nicht hin.
Einmal rollten drei Tanks vorbei
Da waren Menschen drin.

Einmal kamen sie an eine Stadt
Da machten sie einen Bogen
Bis sie daran vorüber waren
Sind sie nur nachts weitergezogen.

Wo einst das südöstliche Polen war
Bei starkem Schneewehn
Hat man die fünfundfünfzig
Zuletzt gesehn.

Wenn ich die Augen schließe
Seh ich sie wandern
Von einem zerschossenen Bauerngehöft
Zu einem zerschossenen andern.

Über ihnen, in den Wolken oben
Seh ich andre Züge, neue, große!
Mühsam wandernd gegen kalte Winde
Heimatlose, Richtunglose.

Suchend nach dem Land mit Frieden
Ohne Donner, ohne Feuer
Nicht wie das, aus dem sie kommen
Und der Zug wird ungeheuer.

Und er scheint mir durch den Dämmer
Bald schon gar nicht mehr derselbe:
Andere Gesichtlein seh ich
Spanische, französische, gelbe!

In Polen, in jenem Januar
Wurde ein Hund gefangen
Der hatte um seinen mageren Hals
Eine Tafel aus Pappe hangen.

Darauf stand: BITTE  UM HILFE!
WIR WISSEN DEN WEG NICHT MEHR.
WIR SIND FÜNFUNDFÜNFZIG
DER HUND FÜHRT EUCH HER.

WENN IHR NICHT KOMMEN KÖNNT
JAGT IHN WEG!
SCHIESST NICHT AUF IHN
NUR ER WEISS DEN FLECK.

Die Schrift war eine Kinderhand.
Bauern haben sie gelesen.
Seitdem sind eineinhalb Jahre um.
Der Hund ist verhungert gewesen.

b.b.