After the first death, there is no other.
Nach dem ersten Tod gibt es keinen anderen.
Dylan Thomas
Die Heldin dieses Buchs stirbt viele Tode.
Ist es eine fiktive Biographie? Die Lebensgeschichte einer Frau, die bei der
Geburt stirbt und als Kleinkind ertrinkt und einen Psychpathen heiratet, der sie
tot prügelt, und die bei einem Bombenangriff auf ihr Londoner Haus verschüttet
wird und ein Kind bekommt und kein Kind bekommt und Hitler in München
erschießt und dafür erschossen wird und gemächlich alt wird, aber ihren
Lieblingsbruder verliert und...? Ist es ein Buch darüber, wie ein Buch entsteht,
wie eine Geschichte sich in eine Richtung entwickelt und dann eine Kurve fährt
und noch eine und plötzlich wird eine ganz andere Geschichte daraus? Ist es
also ein Buch über das Schreiben? Ist es ein Kriminalroman? Denn was ist
wirklich in diesem Leben passiert und was ist Ahnung, Traum, Instinkt, Wunsch,
unbewusste Selbstkorrektur? Ein Leben als ständiges Déjà-vu mit der
Möglichkeit Ereignisse beim zweiten, dritten, vierten Mal zu korrigieren.
Varianten von Lebensläufen zu leben, die "beste" zu suchen und sie nicht zu
finden. Welche Folgen haben Entscheidungen, die wir treffen? Wo hat etwas
begonnen, schief zu laufen? Wäre es anders besser gewesen? Was ist
"besser"?
Atkinson hat ein großartiges Gefühl für Rhythmus. Und sie hat Humor, einen
schwärzlichen und schrammt so immer an der Sentimentalität vorbei, manchmal
haarscharf, aber doch vorbei.
Leider noch nicht ins Deutsche übersetzt, wird aber ganz sicher bald passieren.
Was für ein schlauer und wunderbarer literarischer Zugriff auf das komplizierte Leben!
AntwortenLöschenHoffentlich ist das Buch bald übersetzt im Laden.
Hoffentlich ist es so gut, wie Du es beschreibst.
Gabriele Bigott-Kleinert schrieb:
AntwortenLöschenVor kurzem habe ich "Aller Tage Abend" von Jenny Erpenbeck gelesen, ein ähnlicher literarischer Zugriff.
Klappentext: Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht? Lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir "Schicksal" nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem "in seiner eisernen Stube und rechnet".