Montag, 14. Februar 2011
Sonntag, 13. Februar 2011
Ridley Scott
"Träumen Androiden von elektrischen Schafen?", nach dieser Erzählung von Philipp K. Dick drehte Ridley Scott 1982 den Film "Blade Runner". Der kam zunächst in einer vom Studio geforderten Fassung mit erklärender Erzählerstimme und unpassenden Happy-end heraus. Erst 1992 erschien dann der "Director's cut. 116 Minuten, fast zwei Stunden Düsternis, Nässe und Harrison Ford.
Um es klar zu sagen, ich habe diesen Film bisher mindestens 15 Mal gesehen und langweile mich immer noch nicht. Genauer, wenn ich einen Lieblingsfilm habe, dann ist dieser es. Jetzt ist es heraus, mein liebster Film ist ein Science Fiction movie aus Hollywood. Ade alle Ansprüche auf höhere Kunstweihen.
So viele Details in meinem Kopf, die leuchtenden Schirmstiele der Menschen im Dauerregen der Metropole, (Metropolis war ganz sicher eine der Inspirationsquellen für Scott.) die allüberall flackernden Neonreklamen, einer der traurigsten Filmtode überhaupt, wenn Rutger Hauer einfach aufhört. (Ein anderer großartiger Filmtod ist der des kleinen Jungen in "Es war einmal in Amerika")
Eine Liste der schönsten Filmtode wäre auch mal lustig.
Exzellente Darsteller, eine, zur Erscheinungszeit, bis dahin ungesehehene Visualisierung einer futuristischen und doch erkennbaren Welt und eine melancholische, sogar morbide und doch humanistische, komplizierte Geschichte über eine mögliche Zukunft oder eine noch nicht so gesehene Gegenwart. (Humanistisch klingt furchtbar, auch wenn es so etwas Gutes meint, nicht?)
Auf der Berlinale läuft jetzt ein neuer Film von Ridley Scott, der aus tausenden Privat - Videos zusammengeschnitten wurde. Youtube hatte aufgerufen, am 24. Juli 2010 den eigenen Alltag zu drehen, und die entstandenen Filme dann zur Verfügung zu stellen. 80 000 Menschen von überall auf dem Erdball machten mit. In Deutschland fand an dem Tag die Love Parade in Duisburg statt und auch deren katastrophales Ende ist Teil des Filmes geworden. 4500 Stunden Material! "Life in a day" ist ein Versuch die Bilderflut der Schnipsel und Stückchen, die täglich das Netz überfluten zur Beschreibung der modernen Welt zu nutzen. Ganz verschiedene Sozialitäten und Kulturen zusammengeworfen, verbunden durch den Ablauf eines Tages. Ich habe bisher nur Ausschnitte sehen können, aber die fand ich hochspannend.
Theater geht an die Nerven
Ich war heute Abend in einer Impro-Show, kurz, lustig und riskant. Riskant, weil Improvisation immer auch schief gehen kann. Es gibt dafür das (in diesem Zusammenhang) sehr passende Wort "verrecken".
Oder - es klappt, zündet, flirrt, packt. Aber nix ist sicher.
Jeder Schauspieler kennt und erzählt unzählige Anekdoten, selbsterlebte und nahezu mythologisch gewordene, über Bühnenkatastrophen, vom einfachen "Hänger", bis zu Fehlfunktionen hochkomplizierter Bühnenkonstruktionen.
Die Vorstellung, in der sich das Haarteil der Diva während ihres tragischen Schlußmonologes selbstständig machte und in wildem Flug vom ihrem vom Weinkrampf geschüttelten Haupt flog, vergisst keiner der Beteiligten. Ebenso, die, in der ein Schauspieler nicht erschien und wir alle offenen Mundes und bebenden Herzens miterlebten, wie ein anderer, eine grosse dialogische Auseinandersetzung in einem Geniestreich alleine durchkämpfte, sich selbst die Fragen stellend, die es dann zu beantworten galt.
Grundsätzlicher gilt für jede Premiere - nie ist sicher, wie und ob der Abend gelingt. Und wäre es anders, wäre es schrecklich. Ohne die Möglichkeit der Niederlage, gäbe es auch nicht die Momente des Fliegens, da wo alles stimmt.
Und Lampenfieber ist doch die Lust am möglichen Versagen oder Triumphieren, oder? Und Fieber ist ansteckend, es überträgt sich auf die Zuschauer. Auch sie gehen das Risiko mit ein. Werden sie mitgerissen, vergnügt, beteiligt? Oder werden es, wie so oft Pflichtstunden, Qualzeit.
Und eben dieses Risiko für beide Seiten ist es, was Theater, von den vorproduzierten medialen Kunstformen unterscheidet. Es ist live. Wie Sport. Man kann mitfiebern. Oder mitverrecken. Aber man ist beteiligt. Und möglicherweise liegt auch hier die Ursache für die starken Reaktionen, die ich auf Theater fühle.
Langeweile ist wie gedehntes, unerträgliches Zuschauen beim Hinsiechen von Energie, Lust, Kreativität, Lebenszeit. Es ist kein Risiko eingegangen worden und alle, Macher wie Zuschauer, werden bestraft.
Freitag, 11. Februar 2011
Gestern wäre Bertolt Brecht 113 geworden
Ich möchte vor'n Taler nicht
Dass mir der Kopf ab wär.
Da spräng ich mit dem Rumpf herum
Und wüßt nicht, wer ich wär.
Die Leute schrien all und blieben stehn
Ei guck einmal den! Ei guck eimal den
Der Giftbaum von William Blake zum Thema Streit
A Poison Tree
I was angry with my friend:
I told my wrath, my wrath did end.
I was angry with my foe:
I told it not, my wrath did grow.
I told my wrath, my wrath did end.
I was angry with my foe:
I told it not, my wrath did grow.
And I water'd it in fears,
Night & morning with my tears;
And I sunned it with my smiles
And with soft deceitful wiles.
Night & morning with my tears;
And I sunned it with my smiles
And with soft deceitful wiles.
And it grew both day and night,
Till it bore an apple bright;
And my foe beheld it shine,
And he knew that it was mine,
Till it bore an apple bright;
And my foe beheld it shine,
And he knew that it was mine,
And into my garden stole
When the night had veil'd the pole:
In the morning, glad, I see
My foe outstretch'd beneath the tree.
When the night had veil'd the pole:
In the morning, glad, I see
My foe outstretch'd beneath the tree.
Der Giftbaum
Ich war zornig auf den Freund;
sagt' es ihm: mein Zorn verblich.
Ich war zornig auf den Feind;
schwieg: mein Zorn vermehrte sich.
sagt' es ihm: mein Zorn verblich.
Ich war zornig auf den Feind;
schwieg: mein Zorn vermehrte sich.
Nächtens, Morgens, furchtverseucht,
hielt ich ihn mit Tränen feucht,
sonnte ihn im Lächeln mein
und mischt' List und Trug darein.
hielt ich ihn mit Tränen feucht,
sonnte ihn im Lächeln mein
und mischt' List und Trug darein.
Und er wuchs bei Tag und Nacht,
hat den Apfel mir erbracht,
bis mein Feind, verlockt vom Glanz
(wissend, er gehört mir ganz)
hat den Apfel mir erbracht,
bis mein Feind, verlockt vom Glanz
(wissend, er gehört mir ganz)
sich in meinen Garten stahl,
als verhüllt der Sterne Strahl:
Morgens seh ich, mit Vergnügen,
meinen Feind am Giftbaum liegen.
als verhüllt der Sterne Strahl:
Morgens seh ich, mit Vergnügen,
meinen Feind am Giftbaum liegen.
Ein Giftbaum
Ich war wütend auf den Freund:
schalt ihn und der Zorn verschwand.
Ich war wütend auf den Feind,
schwieg, der Zorn wuchs kurzerhand.
Träufte Nachts viel Furcht darauf,
morgens Tränen noch zuhauf,
wärmte ihn mit Lächeln fein,
gab ihm sanfte Lügen ein.
So wuchs er bei Tag und Nacht,
wuchs zum Apfelbaum voll Pracht.
Und mein Feind sah seinen Glanz,
wusste er gehört mir ganz,
hat nach ihm sich still gereckt,
als die Nacht den Nordstern deckt.
Morgens sah ich mit Vergnügen
den Feind dann unterm Giftbaum liegen.
Ich war wütend auf den Freund:
schalt ihn und der Zorn verschwand.
Ich war wütend auf den Feind,
schwieg, der Zorn wuchs kurzerhand.
Träufte Nachts viel Furcht darauf,
morgens Tränen noch zuhauf,
wärmte ihn mit Lächeln fein,
gab ihm sanfte Lügen ein.
So wuchs er bei Tag und Nacht,
wuchs zum Apfelbaum voll Pracht.
Und mein Feind sah seinen Glanz,
wusste er gehört mir ganz,
hat nach ihm sich still gereckt,
als die Nacht den Nordstern deckt.
Morgens sah ich mit Vergnügen
den Feind dann unterm Giftbaum liegen.
Das obige Bild heisst Nebukadnezar, dass ist der mit dem Menetekel.
Mittwoch, 9. Februar 2011
Streiten als Fortbewegungsmittel
Gläubige jüdische Männer (Frauen tuen es sicher auch, aber "natürlich" nicht offiziell.) verbringen einen Grossteil ihres Lebens damit, die Thora auszulegen, über jedes Komma, jeden Nebensatz wird gestritten, um zu klarerer Auslegung, genauerem Verständnis zu gelangen. Auslegung in dieser Form wäre für mich ein mögliches Synonym für Streit.
Wir definieren "streiten" fast immer als Gegenüberstellung von Unvereinbarkeiten, Kampf um Schuld- oder Rechtzuweisung oder, im schlimmsten Fall, als Methode den "Gegner" zu besiegen, zu zerstören. Aber wenn wir angstfrei streiten, mit Interesse am Irrtum, mit Offenheit für Zweifel und der Akzeptanz, dass Einigkeit nicht das einzige mögliche Ziel seien kann, dann gibt es doch nichts Schöneres, oder?
Gefangen in unseren eigenen Köpfen, Herzen, Därmen ist der Andere immer letztendlich ein Mysterium und deshalb, je nach Situation, bedrohlich oder faszinierend oder beides gleichzeitig. (Natürlich oft auch einfach uninteressant.) Wenn wir Nähe wollen... (Ich bin mir bewusst, dass das ein geschundenes, leicht abgenutztes Wort ist, aber ich weiss kein besseres.) Wenn wir Nähe wollen, müssen wir also streiten, kommunizieren, einander auslegen.
Kommunikation = Mitteilung, Unterredung (seit 16. Jh.); Verständigung, Informationsaustausch (20. Jh.); abgeleitet aus lat. communicatio = Mitteilung. Als liturgischer Begriff der katholischen Kirche bedeutet Kommunikation = „die Kommunion empfangen“. Im 15. Jh. erhält das Verb communicare die Bedeutung etwas gemeinsam, gemeinschaftlich machen, teilnehmen lassen, sich besprechen, teilhaben, Anteil nehmen, zu Rate gehen; treffen, vgl. communis = gemeinschaftlich, öffentlich, gemeinsam, allgemein, gewöhnlich.
Kommunikation in dieser ursprünglichen Bedeutung ist eine Sozialhandlung, in die mehrere Menschen einbezogen sind. Wesentliche Aspekte dieser Sozialhandlung sind zum einen Anregung und Vollzug von Zeichenprozessen und zum anderen Teilhabe, in der etwas als etwas Gemeinsames entsteht . Kommunikation wird häufig als „Austausch“ oder „Übertragung“ von Informationen beschrieben. „Information“ ist in diesem Zusammenhang eine zusammenfassende Bezeichnung für Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung. Kommunikation als Sozialhandlung dient der Problemlösung: Durch Kommunikation werden Hindernisse überwunden, die sich allein nicht bewältigen lassen.
Wir definieren "streiten" fast immer als Gegenüberstellung von Unvereinbarkeiten, Kampf um Schuld- oder Rechtzuweisung oder, im schlimmsten Fall, als Methode den "Gegner" zu besiegen, zu zerstören. Aber wenn wir angstfrei streiten, mit Interesse am Irrtum, mit Offenheit für Zweifel und der Akzeptanz, dass Einigkeit nicht das einzige mögliche Ziel seien kann, dann gibt es doch nichts Schöneres, oder?
Gefangen in unseren eigenen Köpfen, Herzen, Därmen ist der Andere immer letztendlich ein Mysterium und deshalb, je nach Situation, bedrohlich oder faszinierend oder beides gleichzeitig. (Natürlich oft auch einfach uninteressant.) Wenn wir Nähe wollen... (Ich bin mir bewusst, dass das ein geschundenes, leicht abgenutztes Wort ist, aber ich weiss kein besseres.) Wenn wir Nähe wollen, müssen wir also streiten, kommunizieren, einander auslegen.
Francisco de Goya Die streitenden Brüder
Kommunikation = Mitteilung, Unterredung (seit 16. Jh.); Verständigung, Informationsaustausch (20. Jh.); abgeleitet aus lat. communicatio = Mitteilung. Als liturgischer Begriff der katholischen Kirche bedeutet Kommunikation = „die Kommunion empfangen“. Im 15. Jh. erhält das Verb communicare die Bedeutung etwas gemeinsam, gemeinschaftlich machen, teilnehmen lassen, sich besprechen, teilhaben, Anteil nehmen, zu Rate gehen; treffen, vgl. communis = gemeinschaftlich, öffentlich, gemeinsam, allgemein, gewöhnlich.
Kommunikation in dieser ursprünglichen Bedeutung ist eine Sozialhandlung, in die mehrere Menschen einbezogen sind. Wesentliche Aspekte dieser Sozialhandlung sind zum einen Anregung und Vollzug von Zeichenprozessen und zum anderen Teilhabe, in der etwas als etwas Gemeinsames entsteht . Kommunikation wird häufig als „Austausch“ oder „Übertragung“ von Informationen beschrieben. „Information“ ist in diesem Zusammenhang eine zusammenfassende Bezeichnung für Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung. Kommunikation als Sozialhandlung dient der Problemlösung: Durch Kommunikation werden Hindernisse überwunden, die sich allein nicht bewältigen lassen.
Dienstag, 8. Februar 2011
Kommentar Zu: Gibt es Gott?
Ötti schrieb: und doch gibt es Grenzen, worüber sinnvoll gestritten werden kann. Wenn Erfahrungen zu einer Sicht, zu einem Urteil geführt haben, sind Verständigungsversuche mit jemandem, der andere Erfahrungen gemacht hat, aussichtslos. Versetzungsvermögen ist nicht nur an den Intellekt, sondern auch an das ganz persönliche Leben gebunden. Ich staune immer noch und immer wieder, in wievielen unterschiedlichen Ländern wir in der DDR gelebt haben. Der Satz, der dann oft kommt: ich muss es doch wissen, ich war doch dabei. Ja, wobei.
Ich schrieb: Aber das Endziel eines Streites muss doch nicht Einstimmigkeit sein, sondern könnte doch auch die wirkliche Zukenntnisnahme der Haltung des anderen und vielleicht sogar die Bestärkung der eigenen. Aushalten, dass jemand, aus seiner Erfahrung Dinge anders sieht, schließt doch ein, dass man seine Erfahrung als möglicherweise sehr begrenzt oder fremd versteht, oder?
Ötti schrieb: ja stimmt schon. Eigentlich. Aber es gibt es gibt auch potentielle Auseinandersetzungen, die wegen zu erwartender Sinnlosigkeit abgebrochen werden können. Ausnahme: Es liegt mir sehr viel an einem Menschen. Dann kann es richtig sein, sich vorzutasten. Aber mit dem Risiko, sich am falschen Platz auszuziehen.
Ich schrieb: Aber das Endziel eines Streites muss doch nicht Einstimmigkeit sein, sondern könnte doch auch die wirkliche Zukenntnisnahme der Haltung des anderen und vielleicht sogar die Bestärkung der eigenen. Aushalten, dass jemand, aus seiner Erfahrung Dinge anders sieht, schließt doch ein, dass man seine Erfahrung als möglicherweise sehr begrenzt oder fremd versteht, oder?
Ötti schrieb: ja stimmt schon. Eigentlich. Aber es gibt es gibt auch potentielle Auseinandersetzungen, die wegen zu erwartender Sinnlosigkeit abgebrochen werden können. Ausnahme: Es liegt mir sehr viel an einem Menschen. Dann kann es richtig sein, sich vorzutasten. Aber mit dem Risiko, sich am falschen Platz auszuziehen.
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