Freitag, 14. Februar 2020

Im Rausch

Der Nibelungen Wut - Furor Teutonicus

Etwas Neues. Bisher eine Menge Strichfassungen, einige Adaptionen, ein Stück nach Bibeltexten und nun unser erstes ganz und gar eigenes. 
Was für ein Abenteuer.
Ohne Grit wäre das alles gar nicht möglich.
Und - die Edda, das Nibelungenlied, ein Meter Sekundärliteratur, alle Filme, die ich je gesehen, Bücher, die ich gelesen, Musik, die ich gehört habe, der gesamte Wildwuchs im Hirn, Gespräche, Nachrichten, Zufälligkeiten - alles fließt ein, fliegt raus, wird integriert.
Ich danke meinem Vater, der mir während gemeinsamer Frühstücke und Abendessen mit Duden und Meyers Lexikon, die Liebe zur deutschen Sprache eingefüttert hat. Meiner Mutter weil sie mich alles durcheinander lesen ließ, und meine faule Neigung zum Kitsch gebändigt hat. Meinen Freunden, weil sie mich herausgeforden, weiter zu denken, als ich es allein könnte oder vielleicht wollte. 

Was für ein wahnwitziges Abenteuer.
Langsam beginnen die Figuren ihre persönliche Sprache zu sprechen, widersprüchliche Meinungen zu haben, ihre eigenen Witze zu machen.

Die Nibelungen - Kriemhild, Brunhild und Hagen sitzen, verbannt in die untere Hölle, bei Hel, der Jenseitsgöttin und giften sich seit hunderten von Jahren an. Treue, Verrat, Rache, Mord, Hort, Blut, Gut, Gold - ein endloser mißtönender Gesang - eine deutsche Horrorstory - ein Mord hinterrücks wird zur Dolchstoßlegende und ein blutiges Massenschlachten zum Symbol der Nibelungentreue. Im Zentrum, wenn auch nicht anwesend, der Held - SIEGFRIED. 
Das soll ein Held sein?
Aber auch das Jenseits braucht Digitalisierung der Archivbestände, eine junge Frau wird angeheuert. Sie sieht Möglichkeiten der Vermarktung und mit dem Hort als Anschubfinanzierung wäre Einiges möglich. Wird Hagen ihr die Lage des Verstecks verraten?


Politische Bewegungen verschiedenster Art haben sich diese Geschichte unter den Nagel gerissen, für ihre Zwecke gebraucht, mißbraucht. Die Blut & Boden Rethorik der Neuen Rechten und die unserer "gemäßigten" Faschisten mit ihrer Beschwörung der tausendjährigen europäischen Kulturgeschichte bedienen sich hier, wie bei der heißen Schlacht am kalten Buffet.
Mein momentaner Browserverlauf ist ein Mix aus deutscher Geschichte, Mittelalter, Mythologie und jeder Menge rechter Propagandaseiten. 

Sonntag, 2. Februar 2020

Die Wütenden – Les Misérables

Die Wütenden – Les Misérables

Ins Kino gehen, Karte kaufen, zuschauen. 

Ladj Ly ist ein junger französischer Filmregisseur, der in Montfermeil, einem Vorort von Paris, aufgewachsen ist. Sein erster Spielfilm ist für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert und das, denke ich, zu Recht.

Montfermeil ist einer der Vororte, die unter der Bezeichnung Banlieues in unsern Wortschatz geraten sind. 

Wiki sagt: Der französische Ausdruck Banlieue, von lateinisch bannum leucae, wörtlich: „Bannmeile“ bezeichnet die verstädterten Bereiche außerhalb eines Stadtzentrums bzw. die Randzone einer Großstadt, die sich im 19. Jahrhundert im Zuge von Industrialisierung wie Urbanisierung herausbildeten.

https://www.bpb.de/internationales/europa/frankreich/152511/problemgebiet-banlieue 

Ly erzählt über Dinge, die er kennt, er erzählt sie mit Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Wut und unter Mitwirkung von Schauspielern und vieler Einwohner von Montfermeil.

2018, ganz Frankreih bejubelt den Sieg der französischen Mannschaft in der Fußball-Weltmeisterschaft. Ganz Frankreich, ganz Paris, die jugendlichen Bewohner der Vorstädte sind ins Zentrum gefahren, um mitzujubeln. Sie sind Franzosen, hier geboren und aufgewachsen. 

Dann gehen sie zurück nach Montfermeil, ins Abseits.

Ein Löwenbaby wird aus einem Zigeuner-Zirkus gestohlen. Eine Harmlosigkeit hat schreckliche Folgen, scheint gelöst und eskaliert ins Entsetzliche. Auch gute Absichten erweisen sich als hilflos, verständliche Verhärtungen verhindern Verständigung. Der Umgangston ist roh. Niemand ist wirklich böse, Unschuld ist ein Risikofaktor.

Der Film findet das perfekte Ende. Er entläßt mich in verzweifelte Hoffnung oder ins resignierende Aufgeben, je nach Gemütslage. Ich habe geweint und hoffe.

Ich lebe ein sehr privilegiertes Leben. Die meisten von uns tun es. Das sollten wir bedenken. Nicht wegen des trendigen "white privilege" Labels, sondern, weil wir oft wirklich keine Ahnung haben, wie andere Menschen leben und um wieviel härter ihre Ausgangsposition, um wieviel geringer ihre Chancen und um wieviel größer die Hürden sind, die sie zu überwinden haben.

Merkt Euch, Freunde! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner. Victor Hugo in Les Misérables

Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. 


Ladj Ly

Samstag, 25. Januar 2020

4.48 Psychose

At 4:48, my happy hour
When clarity visits
Warm darkness
Which soaks my eyes


Ulrich Rasche, 4.48 Psychose, Deutsches Theater.
Drei Stunden ohne Pause. 
Ich bin weg.
Mein rechtes Ohr tut mir weh von der Musik. 
Mein Herz tut mir auch weh.

Was für ein wunderbarer Text.
Ich mag nicht über den Abend sprechen.


Ich hatte Glück, sie 1997 ganz kurz, anläßlich einer Lesung ihres Stückes "Phädra" in der Baracke des Deutschen Theaters, kennenzulernen. Eine zarte Version von Lady Diana, die unbedingt mit dem Rauchen aufhören wollte und mit leiser Stimme das feinste britische Englisch sprach. 
Beim Lesen von "Blasted", an der Stelle als als der Soldat das Zimmer betritt,  hatte ich damals vor Schreck das Buch fallen gelassen. Krieg bei mir, bei uns, hier, jetzt.
Und ich erinnere mich, wie ein Freund "Cleansed" ("Gesäubert"), das gerade herausgekommen war, mitbrachte, wie wir es gemeinsam lasen und bis fünf Uhr früh heiß und beseelt darüber stritten.
Wie sehr bedauerlich für mich, dass ich sicher bin, ihren Texten nicht gerecht werden zu können. Mir fehlen die Bilder, derer sie bedürfen.
 
Was für ein wunderbarer Text.
Ich mag nicht über den Abend sprechen.

Wiki sagt: Der Ausdruck Demut kommt von althochdeutsch diomuoti 'dienstwillig', also eigentlich 'Gesinnung eines Dienenden'. 

Ein ganz und gar konservativer Gedanke: wäre gelegentlich in unserem Beruf, dem des Theater'machers', nicht etwas wie Demut angebracht gegenüber den Ideen, Gedanken, Absichten des Autoren? Ich meine nicht Unterwürfigkeit, aber Anerkennung von großem Talent und Interesse an dessen Absichten? Manche Regisseure, wie z.B. Castorf oder Milo Rau, schreiben ihre eigenen Stücke, da erübrigt sich diese Frage, aber für uns andere ist sie doch möglicherweise interessant. Wie verfahren wir mit Texten anderer? Eigenwillig und liebevoll oder...?
Und noch ein erschreckend altmodischer Gedanke: Ist der Zuschauer unser Freund? Mögen wir ihn? Verachten wir ihn? Wollen wir ihn verführen oder terrorisieren? Ihn interessieren oder belehren?
Als Jan Fabre 24 Stunden "Mount Olympus" präsentierte, erlaubte er mir großzügig ein- und auszusteigen. 
(Immer noch mein größtes Theatererlebnis der letzten Jahre.)
Heute abend: Drei Stunden ohne Pause. 
Ich bin vorher weg.
Mein rechtes Ohr tut mir weh von der Musik. 
Mein Herz tut mir auch weh.

Was für ein wunderbarer Text.
Ich mag nicht über den Abend sprechen.   
Tindersticks 4.48 Psychosis
https://www.youtube.com/watch?v=EenINe14Cp4

But you have friends
What do you offer your friends
To make them so supportive?
What do you offer?

100, 91, 84, 81, 72, 69, 58
44, 37, 38, 42, 21, 28, 12, 7

And hatch opens, stark light
The television talks full of eyes
The spirits of sight
And now I am so afraid

I'm seeing things, I'm hearing things
I don't know who I am
Tongue out, thought stalled
The piecemeal crumple of my mind

Where do I start? Where do I stop?
How do I start? How do I stop?
How do I stop? How do I stop?

At 4:48 when sanity visits
For one hour and twelve minutes
I am in my right mind
When it has passed I shall be gone again

Remember the light
And believe the light
Nothing matters more

Hatch opens, stark light
A table, two chairs and no window
Here am I and there is my body
Dancing on glass

In accident time
Where there are no accidents
You have no choice
The choice comes after

Cut out my tongue
Tear out my hair
Cut off my limbs
But leave my love

I would rather have lost my legs
Pulled out my teeth
Gouged down my eyes
Than lost my love

At 4:48 I shall sleep
What do you offer?

Hatch opens, stark light
And nothing, nothing
See nothing

Still black water as deep as forever
As cold as the sky, as still as my heart
When your voice is gone
I shall freeze in hell

At 4:48, my happy hour
When clarity visits
Warm darkness
Which soaks my eyes

Samstag, 11. Januar 2020

KNIVES OUT im Kino

KNIVES OUT – Mord ist Familiensache
Messer raus? Nein, da nehmen wir doch lieber den Vorschlag des Erklärbären, damit unser deutsches, leicht zu verunsicherndes Publikum gut vorbereitet ist.

KNIVES OUT ist ein nicht wirklich guter Fernsehfilm, der zum Kinofilm aufgeblasen wurde, und dem überraschenderweise auch die beeindruckende Besetzungsliste nicht hilft, das große Format zu rechtfertigen.

KNIVES OUT - Benoit Blanc, der Privatdetektiv. Ihn spielt Daniel Craig, den habe ich, lassen wir James Bond mal außen vor, als großartigen Schauspieler in merkwürdigen, eigentümlichen Filmen gesehen. "Layer Cake" und "Love Is The Devil" über Francis Bacon sind nur zwei Beispiele. Hier zelebriert er einen breiten Südstaaten-Akzent und gefällt sich selbst etwas zu sehr.

Jamie Lee Curtis ist immer gut, Christopher Plummer verläßlich, Chris Evans als !!!!SPOILER!!!! Mörder sollte unbedingt funktionieren. Aber nichts klappt, wie es sollte. 

Miss Marple und Poirot habe ich schon in guten Kinoversionen gesehen und, vor allem die älteren Versionen, sehr gemocht. "Tod auf dem Nil" mit Peter Ustinov und "Mord im Orient Express" mit Albert Finney als Poirot.

Joan Hickson, Angela Lansbury und Margaret Rutherfordhaben Miss Marple gespielt. "Sleuth" oder "Mord mit kleinen Fehlern" ist ein wunderbares Kammer-Krimispiel auf der großen Leinwand, mit Michael Caine & Laurence Olivier als einander austricksendes Traumpaar.

Menschen in einem Haus, die ein Problem haben, "August: Osage County", "Der Große Frust" ("The Big Chill"), "The Breakfast Club", "Misery", "Das Fest", "Fenster Zum Hof", etc., etc.. Kammerspiele können Vorlagen für gute Filme sein.

KNIVES OUT bietet weder faszinierendes Psychodrama, noch einfallsreiche Bebilderung eines beschränkten Motivs und es gab nicht einmal Wendungen in der Aufklärung des Mordes, die mich wirklich überrascht haben.

LANGWEILIG!

Ich habe keine Ahnung warum der Film so großartige Kritiken bekommen hat.

https://giphy.com/gifs/bbcamerica-bbc-america-killing-eve-polastri-U7Uxq9Lyz02oStvUIE



Sonntag, 5. Januar 2020

Spaghetti - Avocado - Lachs

Im Netz bei goodfood-bbc gefunden, ausprobiert und für sehr gut befunden! Einfach, schnell, schmackhaft und gesund!

SPAGHETTI MIT AVOCADOCREME UND RÄUCHERLACHS
Für 2 Personen

Was man eh in der Küche hat:                                  Was man kaufen muß:
Spaghetti                                                                200 g Räucherlachs 
Olivenöl                                                                  2 Avocados
Knoblauch                                                               1 Zitrone
Salz, Pfeffer &                                                          Petersilie
nach Belieben Kapern und Parmesan

Bild von der BBC-Seite geliehen
- Spaghetti al dente kochen.
- 2 El Öl mit dem Fleisch der beiden Avocados, 1 bis 5 Knoblauchzehen nach Wunsch, Zitronensaft  und einem halben Bund Petersilie mit dem Rührstab zu einer dicklichen Creme verarbeiten.
Guacamole könnte man es auch nennen.
- auf den Tellern Sauce und Lachsstücke anrichten, heiße Spaghetti drauf, vermischen, die restliche Petersilie & Parmesan drüber, Guten Appetit!

Freitag, 3. Januar 2020

GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG - Co-Regie Jürgen Kruse

Zwei Stunden und eine halbe war viel Dunkel und trotzdem unentwegt was zu gucken. Ich habe nicht geschlafen, wurde nicht müde und bin doch irgendwie enttäuscht.

Widersprüchliches wirbelt in meinem Kopf.

Einerseits die hohe Sprachkunst einiger Schauspieler, andererseits ihr Abkippen in Maniriertheit.
Meine Lust an ihrer Handwerklichkeit und Distanz durch ihr stets sichtbare, hörbare Handwerk.
Gegen den Sinn-Betonen bringt Klarheit und kann mich extrem nerven.
Horvath klingt, vibriert und Horvath wird zerhäckselt und zersägt.
Horvaths herrliche Kunstsprache wird nochmals verkunstet. 
Kruse traut ihm nicht, obwohl er ihn liebt. 
Ein wenig Demut wäre angebracht gewesen.

Herzzerreißende Bilder zerfasern plötzlich, manchmal kommt das Spiel fast gänzlich zum Stillstand, was von wachmachender Wirkung sein kann, weil ich dann begreife, wie dünn der Theaterboden ist, aber nach einer Weile ist es einfach langweilig.

Das Bühnenbild ist ein Imaginarium, gefüllt mit Engeln, Litfaßsäulen, Tineff und Möbeln, ein Augenlabyrinth. Aber es wird mir kein Moment gegönnt, sie wirklich anzuschauen. Ist das gut? Weil das Mysterium bewahrt wird? Oder ist es nur Geheimniskrämerei und ungenaue Beleuchtung?

Die Kostüme sind wunderschön. Zu schön, bedenkend, dass hier Armut verhandelt wird? 

Linda Pöppel, die Hauptfigur reißt sich das Herz aus dem schmalen Leib und bringt mich doch nicht dazu, um sie zu weinen, weil sie so viel besser kann.

Manuel Harder, wie immer bühnenfüllend, aber ohne echtes Risiko, flüchtet ins Abseits und in eine Lautstärke knapp über der Hörbarkeit. Leerlaufende grandiose Nervosität.

Das Stück, wer Lukas Kristl ist, der Mitautor, den das Programmheft benennt, weiß ich nicht, das Stück von Ödön von Horvath, von dem Mann, der in Paris während eines Sturms von einem Baum erschlagen wurde, ist ganz und gar wahrhaftig und traurig und wunderbar.

Ich liebe diesen Dichter.
"Zur Schönen Aussicht", "Casimir und Caroline", "Don Juan kommt aus dem Krieg", "Geschichten aus dem Wienerwald", " Ein Kind unserer Zeit".

"Zur Schönen Aussicht" - vor Jahren in Bremen ohne Vorwissen gesehen und ich war tief bestürzt.
"Casimir und Caroline" von Marthaler inszeniert in Hamburg, mein Herz hat gebebt.
"Don Juan kommt aus dem Krieg" mit Michael Gruber am DT gearbeitet, eine absurde Probenzeit, aber ein feiner Abend.
"Geschichten aus dem Wienerwald" von Maximilian Schell im Kino gesehen, ich hatte üble Zahnschmerzen und habe sie vergessen.
"Ein Kind unserer Zeit" am Theater 89, die letzte Rolle meines Vaters und das erste Mal, dass ich in einer seiner Vorstellungen geweint habe. 
Ein alter Mann, ohne die Fähigkeit zur Gestik, um sein Leben betrogen, stirbt im Schnee auf einer Parkbank. 


Am Ende von "Glaube, Liebe, Hoffnung" stirbt eine junge Frau an Hunger und keiner nimmt davon Notiz.

Das Plakat zur Inszenierung des Theaters 89 von Volker Pfüller

Samstag, 21. Dezember 2019

ABSCHIEDSDINNER, eine französische Komödie für drei Schauspieler*innen

Plötzlich ist man um die Vierzig. 

Das Leben ist gut, aber nicht wirklich gut.
Die Ehe läuft, die Kinder wachsen, der Job zahlt.
Er zahlt sogar sehr gut, zu gut.

Aber es gab einmal wildere Träume und höhere Ziele.
Es gab Kühnheit und Übermut.

Jetzt herrscht unbestimmte Unzufriedenheit.
Der Ausweg?


DAS ABSCHIEDSDINNER.
 

Was ist das?
Freunde, die ausgedient haben, werden elegant abgestoßen.
Damit das Leben wieder aufregender, stromlinienförmiger, spannender wird, 

werden nervende Freunde eingeladen, umsorgt, verwöhnt, umschmeichelt und anschließend kalt aussortiert.
Gewachsene, gelebte, nachhaltige menschliche Beziehungen werden als Belastung, als Hindernis, als Spaßbremse empfunden und verurteilt.  

"Das Prinzip des Abschiedsdinners ist, dass du als einziger weißt, dass es ein Abschiedsdinner ist." 

Wie hält man solche Brutalität im Rahmen der behaupteten Komödie?
Ein Mann hackt sich ein Bein ab, damit er schneller laufen kann.
Dem anderen Mann wird das Herz gebrochen und er besteht auf Wiedergutmachung.
Eine Frau hofft, dass ihr Mann ihr nicht gänzlich verloren gegangen ist.

Es ist alles so sehr traurig und so sehr lächerlich.
Die Gelbwesten kommen nicht vor.
In "Den Tagen der Commune", meiner letzten Arbeit, 
fraß die Revolution ihre Kinder, 
hier wird die versprochene Suppe nie gegessen.
Die Seelen-Kannibalen fressen einander, um zu überleben. 
"Meine" Spieler sind großartige Nahkämpfer. Sie lassen nicht locker. 
Ich auch nicht.

Einander erkennen
Nähe aushalten, heißt ertragen, dass einer weiß, wie du wirklich bist. 
Adam und Eva erkennen ihre Nacktheit.
Woraufhin sie sich Kleidung aus Feigenblättern anfertigen.

Ein tolles Stück.
Ein schweres Stück.
So, wie es sein muß. 


Samstag, 14. Dezember 2019

Warum ich Proben liebe.


Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch ’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
b.b.
Der Rest des Liedes würde nicht passen, also habe ich es mir hier passgerecht beschnitten. 
Du liest ein Stück, einmal, zweimal, mehrmals, du informierst Dich, Du denkst nach, hörst die entsprechende Musik, googlest herum, liest, fragst rum, grübelst, phantasierst. 
Du "machst einen Plan". 
Du berätst Dich mit Bühnen- und Kostümbilner*innen, mit Dramaturg*innen, eine Bauprobe folgt, unzählige Kostümskizzen und Links zu interessanten Essays erreichen Dich. 
Der Plan wird klarer. Auf geht's.
Dann trifft Dein Plan auf drei gestresste Schauspieler in zusammengestoppelten Probenkostümen auf einer halbzugemüllten Probebühne. 
Es sind drei, zwei Männer, eine Frau. Ganz verschieden und eine perfekte Mischung. Eigen, eigenartig, fleissig, wagemutig, albern und wild entschlossen, dem Stück auf den Grund zu kommen.
Ups.
Nebenbei spielen sie noch ungefähr zweihunderdreiundsiebzig laufende Vorstellungen. Es ist Dezember und somit der Monat des Weihnachtsmärchens, der extra-angesetzten Kindervorstellungen als Vervollständigung des normalen Theaterwahnsinns.
In diesem Fall stellt sich auch noch, überraschenderweise, heraus, dass der Übersetzer selbstständig großzügig gestrichen, einige Regieanweisungen erfunden und auch noch anderes Eigenes eingefügt hatte. Wir hatten eine Fassung, nicht das Stück. 
Ups.
Mein Plan ist im Eimer. Großartig. Die Proben  können beginnen.
The proof of the pudding is in the eating. Der Pudding erweist seine Qualität beim Essen.

Ich befinde mich nun in einem Liebesverhältnis mit drei Schauspielern, die ich vor drei Wochen noch gar nicht kannte. Einem platonischen. Und einem mit der Souffleuse, die ein seltener Schatz ist.
Was will ich lieber, einen Plan oder das Risiko der Liebe?

Freitag, 6. Dezember 2019

Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit - Ein Zitat

It was the best of times, it was the worst of times, it was the age of wisdom, it was the age of foolishness, it was the epoch of belief, it was the epoch of incredulity, it was the season of Light, it was the season of Darkness, it was the spring of hope, it was the winter of despair, we had everything before us, we had nothing before us, we were all going direct to Heaven, we were all going direct the other way – in short, the period was so far like the present period, that some of its noisiest authorities insisted on its being received, for good or for evil, in the superlative degree of comparison only.
A Tale of Two Cities Charles Dickens

Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Dummheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Mißtrauens, es war die Jahreszeit des Lichts, es war die Jahreszeit der Dunkelheit, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alle Hoffnung, wir hatten keinerlei Hoffnung, wir alle würden geradewegs in den Himmel kommen, wir alle würden geradewegs in die Hölle kommen - kurzgesagt, die Zeit war so sehr wie die jetzige Zeit, dass einige ihrer lautesten Autoritäten darauf bestanden, sie sollte, um jeden Preis, nur im superlativen Grad des Vergleichs betrachtet werden.

Die Geschichte zweier Städte Charles Dickens 

Donnerstag, 21. November 2019

DRACHENHERZ IN DER NEUKOELLNER OPER

Gut gemachtes Musical ist toll. 
Und Peter Lund mit seinen Kollaborateuren ist ziemlich einzig und allein auf weiter Flur im Kampf für einen intelligenten, modernen, sozial interessierten Umgang mit diesem Genre. Er macht deutschsprachiges gesungenes und getanztes Theater.
Seit uns 33 so viele begabte Librettisten und Komponisten gen USA verlassen mussten, hat es die "leichte" Muse, die Unterhaltungskunst auf deutschen Bühnen schwer. Wir sehen die Kopien von großen Shows aus anderen Ländern und hin und wieder einen Versuch, selber sowas zu stemmen, aber irgendwie hängt da immer so ein Duft von Harmlosigkeit und Verachtung in der Luft.
Lund bleibt ein kostbares Unikum.
Diesesmal hat er sich zusätzlich zu Wolfgang Böhmer, dem Komponisten, noch Neva Howard als Choreographin und Mathias Noack als Schauspielregisseur dazugeholt. Und, verflixt, die 9 Spieler spielen gut, frech und wild und emotional wagemutig. Klar, dass sie auch singen und tanzen können.
Ulrike Reinhard hat eine karge, nützliche Bühne und coole Kostüme erfunden.
Sehr lose auf der Siegfriedgeschichte des Nibelungenliedes basierend, wird eine rührende und böse Alltagskonfrontation zwischen Jugendlichen in einer Hagenstadt genannten deutschen Klitsche erzählt. Das örtliche Werk ist geschlossen, jetzt steht auf dem Gelände ein Flüchtlingsheim.
Eine Clique von 4 Jungs - Hagen, Gunni, Baktus und Tropi (Trotz Pille), ein tunesisch-deutscher Mitschüler, der Anschluß sucht, zwei Mädchen Brüni und Jenny, Krimi hätte wohl zu blöd geklungen, zwei Neuankömmlinge, Fred (Siegfried), Sohn des Heimleiters und Voda, ein Asylbewerber aus Kamerun mit tiefer Liebe zum deutschen Liedgut.
Die Texte sind knapp und arbeiten schlau mit Klischees und deren Unterlaufung, die Tänze arbeiten klug mit kurzen Zitaten und der enormen Energie der jungen Truppe, die Lieder geben allen Figuren Raum für Vertiefung und Überraschung .
Das Ende ist nicht happy.
Besonders wenn ihr Verwandte zwischen 14 und 20 habt solltet ihr unbedingt hingehen. Die Lieblingsnichte und ihre Freundin waren hellauf begeistert, was bei zwei so coolen Schnecken, nicht so oft vorkommt.

©Nasser Hashemi