Widersprüchliches wirbelt in meinem Kopf.
Einerseits die hohe Sprachkunst einiger Schauspieler, andererseits ihr Abkippen in Maniriertheit.
Meine Lust an ihrer Handwerklichkeit und Distanz durch ihr stets sichtbare, hörbare Handwerk.
Gegen den Sinn-Betonen bringt Klarheit und kann mich extrem nerven.
Horvath klingt, vibriert und Horvath wird zerhäckselt und zersägt.
Horvaths herrliche Kunstsprache wird nochmals verkunstet.
Kruse traut ihm nicht, obwohl er ihn liebt.
Ein wenig Demut wäre angebracht gewesen.
Herzzerreißende Bilder zerfasern plötzlich, manchmal kommt das Spiel fast gänzlich zum Stillstand, was von wachmachender Wirkung sein kann, weil ich dann begreife, wie dünn der Theaterboden ist, aber nach einer Weile ist es einfach langweilig.
Das Bühnenbild ist ein Imaginarium, gefüllt mit Engeln, Litfaßsäulen, Tineff und Möbeln, ein Augenlabyrinth. Aber es wird mir kein Moment gegönnt, sie wirklich anzuschauen. Ist das gut? Weil das Mysterium bewahrt wird? Oder ist es nur Geheimniskrämerei und ungenaue Beleuchtung?
Die Kostüme sind wunderschön. Zu schön, bedenkend, dass hier Armut verhandelt wird?
Linda Pöppel, die Hauptfigur reißt sich das Herz aus dem schmalen Leib und bringt mich doch nicht dazu, um sie zu weinen, weil sie so viel besser kann.
Manuel Harder, wie immer bühnenfüllend, aber ohne echtes Risiko, flüchtet ins Abseits und in eine Lautstärke knapp über der Hörbarkeit. Leerlaufende grandiose Nervosität.
Das Stück, wer Lukas Kristl ist, der Mitautor, den das Programmheft benennt, weiß ich nicht, das Stück von Ödön von Horvath, von dem Mann, der in Paris während eines Sturms von einem Baum erschlagen wurde, ist ganz und gar wahrhaftig und traurig und wunderbar.
Ich liebe diesen Dichter.
"Zur Schönen Aussicht", "Casimir und Caroline", "Don Juan kommt aus dem Krieg", "Geschichten aus dem Wienerwald", " Ein Kind unserer Zeit".
"Zur Schönen Aussicht" - vor Jahren in Bremen ohne Vorwissen gesehen und ich war tief bestürzt.
"Casimir und Caroline" von Marthaler inszeniert in Hamburg, mein Herz hat gebebt.
"Don Juan kommt aus dem Krieg" mit Michael Gruber am DT gearbeitet, eine absurde Probenzeit, aber ein feiner Abend.
"Geschichten aus dem Wienerwald" von Maximilian Schell im Kino gesehen, ich hatte üble Zahnschmerzen und habe sie vergessen.
"Ein Kind unserer Zeit" am Theater 89, die letzte Rolle meines Vaters und das erste Mal, dass ich in einer seiner Vorstellungen geweint habe.
Ein alter Mann, ohne die Fähigkeit zur Gestik, um sein Leben betrogen, stirbt im Schnee auf einer Parkbank.
Am Ende von "Glaube, Liebe, Hoffnung" stirbt eine junge Frau an Hunger und keiner nimmt davon Notiz.
Das Plakat zur Inszenierung des Theaters 89 von Volker Pfüller |