Sonntag, 17. November 2019

Und der Zukunft zugewandt

Workuta, ein Ort im nördlichen Polarkreis, ein Konzentrationslager, hier wurde nicht industriell effizient getötet wie in den Lagern des Dritten Reiches, aber es wurden zehntausende Menschen durch Ausbeutung, Hunger und Folter gemordet für die Industrie der UdSSR.
Bei Minus Sechsundreissig Grad mußte nicht mehr im Freien gearbeitet werde - welch ein Hohn.

Am Beispiel dreier Frauen, deutscher Kommunistinnen, die sich aus verschiedenen Gründen 1938 in der UdSSR befanden, eine war mit ihrer linken Singegruppe auf Tournee, eine war emigriert auf der Flucht vor den Nazis, bei der dritten bin ich mir nicht sicher, erzählt der Film eine geradezu aberwitzige und doch wahre Geschichte.
Alle drei werden im Zuge einer der stalinistischen "Säuberungswellen" als Spione angeklagt und in fünfminütigen Prozessen für schuldig erklärt und nach Workuta verbannt. 10 Jahre, 10 Jahre später sieht man sie dann dort schuften unter unfassbaren Bedingungen, aber noch lebendig. Die eine hat ein Kind, der Vater wurde von Wachen erschossen, weil er sein Kind sehen wollte.
Nach einer Intervention durch den Sohn von Wilhelm Pieck werden sie freigelassen und nach Deutschland, genauer in die DDR verfrachtet.

Schon die Szene zwischen Wilhelm Pieck und seinem Sohn Arthur ist ein Zeitzeugnis der großen Art: Pieck hatte den stalinistischen willkürlichen Terror in Moskau überlebt. Hatte er Glück? Hat er selbst denunziert? Wie lebte man mit dem "Verschwinden" von so vielen Genossen? War er traumatisiert? War die DDR ein Produkt der Traumatisierung ihrer Gründer? 
Die einen mußten in den Konzentrationslagern unschuldig schuldig werden, um zu überleben, die anderen mußten, um der stalinistischen Paranoia zu entgehen, ihre Utopie bis zur Unkenntlichkeit verbiegen.
Welche Erklärungskonstruktionen baute sich Pieck? Zwischen Hitlerdeutschland und Stalins Russland gefangen - eine Schraubzwinge der unvorstellbaren Art. Und was treibt den Sohn, er war Soldat in der Roten Armee, hatte gegen die Deutschen gekämpft und ist nun ohne fachliche Qualifikation Chef der Deutschen Lufthansa Ost, später Interflug genannt.

Die drei davongekommenen Frauen werden liebevoll aufgenommen, nur dürfen sie, bei Strafandrohung, unter keinen Umständen über ihre Lagerzeit reden, sollen sagen
"Sie hätten an verschiedenen Orten in der UdSSR gearbeitet". Die Wahrheit muß warten, bis die sozialistische Zukunft gesichert ist, bis dahin ist "die Wahrheit, das was uns (den Kommunisten) nützt". Was folgt ist eine Analyse der ganz normalen Schizophrenie, ohne die ein Überleben, Leben nicht möglich war.

Wir alle litten an dieser Schizophrenie, wir alle. Wenn wir Glück hatten, oder Schutz, hielten sich die Symptome im Rahmen. Wenn wir dumpf waren, verlief die Krankheit unbemerkt. Wenn wir gewissenlos waren, hatte wir unseren Spaß damit. Krank waren wir alle. Und die Spätfolgen dieser Erkrankung spiegeln sich in den Wahlergebnissen und Diskussionen der Gegenwart.

Aber die, die wirklich glaubten und doch gestraft wurden, gestraft von einer Macht, die sie liebten, die hatten keinen Ausweg. Die haben gelitten und gehorcht. Und waren verloren und haben doch so viel Kraft und Güte gehabt. Welch eine Tragödie.



Tragödie: Wiki definiert sie so:
Kennzeichnend für die Tragödie ist der schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur. Ihre Situation verschlechtert sich ab dem Punkt, an dem die Katastrophe eintritt. In diesem Fall bedeutet das Wort Katastrophe nur die unausweichliche Verschlechterung für den tragischen Helden...
Das Scheitern des Helden ist in der Tragödie unausweichlich; die Ursache liegt in der Konstellation und dem Charakter der Figur. Der Keim der Tragödie ist, dass der Mensch der Hybris verfällt und dem ihm vorbestimmten Schicksal durch sein Handeln entgehen will. 

Dem Morgenrot entgegen,
Ihr Kampfgenossen all!
Bald siegt ihr allerwegen,
Bald weicht der Feinde Wall!
Mit Macht heran und haltet Schritt!
Arbeiterjugend? Will sie mit?
Wir sind die junge Garde

Des Proletariats! 

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