Freitag, 3. Januar 2020

GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG - Co-Regie Jürgen Kruse

Zwei Stunden und eine halbe war viel Dunkel und trotzdem unentwegt was zu gucken. Ich habe nicht geschlafen, wurde nicht müde und bin doch irgendwie enttäuscht.

Widersprüchliches wirbelt in meinem Kopf.

Einerseits die hohe Sprachkunst einiger Schauspieler, andererseits ihr Abkippen in Maniriertheit.
Meine Lust an ihrer Handwerklichkeit und Distanz durch ihr stets sichtbare, hörbare Handwerk.
Gegen den Sinn-Betonen bringt Klarheit und kann mich extrem nerven.
Horvath klingt, vibriert und Horvath wird zerhäckselt und zersägt.
Horvaths herrliche Kunstsprache wird nochmals verkunstet. 
Kruse traut ihm nicht, obwohl er ihn liebt. 
Ein wenig Demut wäre angebracht gewesen.

Herzzerreißende Bilder zerfasern plötzlich, manchmal kommt das Spiel fast gänzlich zum Stillstand, was von wachmachender Wirkung sein kann, weil ich dann begreife, wie dünn der Theaterboden ist, aber nach einer Weile ist es einfach langweilig.

Das Bühnenbild ist ein Imaginarium, gefüllt mit Engeln, Litfaßsäulen, Tineff und Möbeln, ein Augenlabyrinth. Aber es wird mir kein Moment gegönnt, sie wirklich anzuschauen. Ist das gut? Weil das Mysterium bewahrt wird? Oder ist es nur Geheimniskrämerei und ungenaue Beleuchtung?

Die Kostüme sind wunderschön. Zu schön, bedenkend, dass hier Armut verhandelt wird? 

Linda Pöppel, die Hauptfigur reißt sich das Herz aus dem schmalen Leib und bringt mich doch nicht dazu, um sie zu weinen, weil sie so viel besser kann.

Manuel Harder, wie immer bühnenfüllend, aber ohne echtes Risiko, flüchtet ins Abseits und in eine Lautstärke knapp über der Hörbarkeit. Leerlaufende grandiose Nervosität.

Das Stück, wer Lukas Kristl ist, der Mitautor, den das Programmheft benennt, weiß ich nicht, das Stück von Ödön von Horvath, von dem Mann, der in Paris während eines Sturms von einem Baum erschlagen wurde, ist ganz und gar wahrhaftig und traurig und wunderbar.

Ich liebe diesen Dichter.
"Zur Schönen Aussicht", "Casimir und Caroline", "Don Juan kommt aus dem Krieg", "Geschichten aus dem Wienerwald", " Ein Kind unserer Zeit".

"Zur Schönen Aussicht" - vor Jahren in Bremen ohne Vorwissen gesehen und ich war tief bestürzt.
"Casimir und Caroline" von Marthaler inszeniert in Hamburg, mein Herz hat gebebt.
"Don Juan kommt aus dem Krieg" mit Michael Gruber am DT gearbeitet, eine absurde Probenzeit, aber ein feiner Abend.
"Geschichten aus dem Wienerwald" von Maximilian Schell im Kino gesehen, ich hatte üble Zahnschmerzen und habe sie vergessen.
"Ein Kind unserer Zeit" am Theater 89, die letzte Rolle meines Vaters und das erste Mal, dass ich in einer seiner Vorstellungen geweint habe. 
Ein alter Mann, ohne die Fähigkeit zur Gestik, um sein Leben betrogen, stirbt im Schnee auf einer Parkbank. 


Am Ende von "Glaube, Liebe, Hoffnung" stirbt eine junge Frau an Hunger und keiner nimmt davon Notiz.

Das Plakat zur Inszenierung des Theaters 89 von Volker Pfüller

Samstag, 21. Dezember 2019

ABSCHIEDSDINNER, eine französische Komödie für drei Schauspieler*innen

Plötzlich ist man um die Vierzig. 

Das Leben ist gut, aber nicht wirklich gut.
Die Ehe läuft, die Kinder wachsen, der Job zahlt.
Er zahlt sogar sehr gut, zu gut.

Aber es gab einmal wildere Träume und höhere Ziele.
Es gab Kühnheit und Übermut.

Jetzt herrscht unbestimmte Unzufriedenheit.
Der Ausweg?


DAS ABSCHIEDSDINNER.
 

Was ist das?
Freunde, die ausgedient haben, werden elegant abgestoßen.
Damit das Leben wieder aufregender, stromlinienförmiger, spannender wird, 

werden nervende Freunde eingeladen, umsorgt, verwöhnt, umschmeichelt und anschließend kalt aussortiert.
Gewachsene, gelebte, nachhaltige menschliche Beziehungen werden als Belastung, als Hindernis, als Spaßbremse empfunden und verurteilt.  

"Das Prinzip des Abschiedsdinners ist, dass du als einziger weißt, dass es ein Abschiedsdinner ist." 

Wie hält man solche Brutalität im Rahmen der behaupteten Komödie?
Ein Mann hackt sich ein Bein ab, damit er schneller laufen kann.
Dem anderen Mann wird das Herz gebrochen und er besteht auf Wiedergutmachung.
Eine Frau hofft, dass ihr Mann ihr nicht gänzlich verloren gegangen ist.

Es ist alles so sehr traurig und so sehr lächerlich.
Die Gelbwesten kommen nicht vor.
In "Den Tagen der Commune", meiner letzten Arbeit, 
fraß die Revolution ihre Kinder, 
hier wird die versprochene Suppe nie gegessen.
Die Seelen-Kannibalen fressen einander, um zu überleben. 
"Meine" Spieler sind großartige Nahkämpfer. Sie lassen nicht locker. 
Ich auch nicht.

Einander erkennen
Nähe aushalten, heißt ertragen, dass einer weiß, wie du wirklich bist. 
Adam und Eva erkennen ihre Nacktheit.
Woraufhin sie sich Kleidung aus Feigenblättern anfertigen.

Ein tolles Stück.
Ein schweres Stück.
So, wie es sein muß. 


Samstag, 14. Dezember 2019

Warum ich Proben liebe.


Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch ’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
b.b.
Der Rest des Liedes würde nicht passen, also habe ich es mir hier passgerecht beschnitten. 
Du liest ein Stück, einmal, zweimal, mehrmals, du informierst Dich, Du denkst nach, hörst die entsprechende Musik, googlest herum, liest, fragst rum, grübelst, phantasierst. 
Du "machst einen Plan". 
Du berätst Dich mit Bühnen- und Kostümbilner*innen, mit Dramaturg*innen, eine Bauprobe folgt, unzählige Kostümskizzen und Links zu interessanten Essays erreichen Dich. 
Der Plan wird klarer. Auf geht's.
Dann trifft Dein Plan auf drei gestresste Schauspieler in zusammengestoppelten Probenkostümen auf einer halbzugemüllten Probebühne. 
Es sind drei, zwei Männer, eine Frau. Ganz verschieden und eine perfekte Mischung. Eigen, eigenartig, fleissig, wagemutig, albern und wild entschlossen, dem Stück auf den Grund zu kommen.
Ups.
Nebenbei spielen sie noch ungefähr zweihunderdreiundsiebzig laufende Vorstellungen. Es ist Dezember und somit der Monat des Weihnachtsmärchens, der extra-angesetzten Kindervorstellungen als Vervollständigung des normalen Theaterwahnsinns.
In diesem Fall stellt sich auch noch, überraschenderweise, heraus, dass der Übersetzer selbstständig großzügig gestrichen, einige Regieanweisungen erfunden und auch noch anderes Eigenes eingefügt hatte. Wir hatten eine Fassung, nicht das Stück. 
Ups.
Mein Plan ist im Eimer. Großartig. Die Proben  können beginnen.
The proof of the pudding is in the eating. Der Pudding erweist seine Qualität beim Essen.

Ich befinde mich nun in einem Liebesverhältnis mit drei Schauspielern, die ich vor drei Wochen noch gar nicht kannte. Einem platonischen. Und einem mit der Souffleuse, die ein seltener Schatz ist.
Was will ich lieber, einen Plan oder das Risiko der Liebe?

Freitag, 6. Dezember 2019

Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit - Ein Zitat

It was the best of times, it was the worst of times, it was the age of wisdom, it was the age of foolishness, it was the epoch of belief, it was the epoch of incredulity, it was the season of Light, it was the season of Darkness, it was the spring of hope, it was the winter of despair, we had everything before us, we had nothing before us, we were all going direct to Heaven, we were all going direct the other way – in short, the period was so far like the present period, that some of its noisiest authorities insisted on its being received, for good or for evil, in the superlative degree of comparison only.
A Tale of Two Cities Charles Dickens

Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Dummheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Mißtrauens, es war die Jahreszeit des Lichts, es war die Jahreszeit der Dunkelheit, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alle Hoffnung, wir hatten keinerlei Hoffnung, wir alle würden geradewegs in den Himmel kommen, wir alle würden geradewegs in die Hölle kommen - kurzgesagt, die Zeit war so sehr wie die jetzige Zeit, dass einige ihrer lautesten Autoritäten darauf bestanden, sie sollte, um jeden Preis, nur im superlativen Grad des Vergleichs betrachtet werden.

Die Geschichte zweier Städte Charles Dickens 

Donnerstag, 21. November 2019

DRACHENHERZ IN DER NEUKOELLNER OPER

Gut gemachtes Musical ist toll. 
Und Peter Lund mit seinen Kollaborateuren ist ziemlich einzig und allein auf weiter Flur im Kampf für einen intelligenten, modernen, sozial interessierten Umgang mit diesem Genre. Er macht deutschsprachiges gesungenes und getanztes Theater.
Seit uns 33 so viele begabte Librettisten und Komponisten gen USA verlassen mussten, hat es die "leichte" Muse, die Unterhaltungskunst auf deutschen Bühnen schwer. Wir sehen die Kopien von großen Shows aus anderen Ländern und hin und wieder einen Versuch, selber sowas zu stemmen, aber irgendwie hängt da immer so ein Duft von Harmlosigkeit und Verachtung in der Luft.
Lund bleibt ein kostbares Unikum.
Diesesmal hat er sich zusätzlich zu Wolfgang Böhmer, dem Komponisten, noch Neva Howard als Choreographin und Mathias Noack als Schauspielregisseur dazugeholt. Und, verflixt, die 9 Spieler spielen gut, frech und wild und emotional wagemutig. Klar, dass sie auch singen und tanzen können.
Ulrike Reinhard hat eine karge, nützliche Bühne und coole Kostüme erfunden.
Sehr lose auf der Siegfriedgeschichte des Nibelungenliedes basierend, wird eine rührende und böse Alltagskonfrontation zwischen Jugendlichen in einer Hagenstadt genannten deutschen Klitsche erzählt. Das örtliche Werk ist geschlossen, jetzt steht auf dem Gelände ein Flüchtlingsheim.
Eine Clique von 4 Jungs - Hagen, Gunni, Baktus und Tropi (Trotz Pille), ein tunesisch-deutscher Mitschüler, der Anschluß sucht, zwei Mädchen Brüni und Jenny, Krimi hätte wohl zu blöd geklungen, zwei Neuankömmlinge, Fred (Siegfried), Sohn des Heimleiters und Voda, ein Asylbewerber aus Kamerun mit tiefer Liebe zum deutschen Liedgut.
Die Texte sind knapp und arbeiten schlau mit Klischees und deren Unterlaufung, die Tänze arbeiten klug mit kurzen Zitaten und der enormen Energie der jungen Truppe, die Lieder geben allen Figuren Raum für Vertiefung und Überraschung .
Das Ende ist nicht happy.
Besonders wenn ihr Verwandte zwischen 14 und 20 habt solltet ihr unbedingt hingehen. Die Lieblingsnichte und ihre Freundin waren hellauf begeistert, was bei zwei so coolen Schnecken, nicht so oft vorkommt.

©Nasser Hashemi

Dienstag, 19. November 2019

THE END OF THE F***ING WORLD

The End Of The F***ing World von CHANNEL 4 jetzt auf Netflix.

Die beiden Hauptdarsteller Alex Lawther und Jessica Barden sind unfassbar gut.

Charlie Covell hat das Script geschrieben, Jonathan Entwistle & Lucy Tcherniak haben es inszeniert,

Wenn du etwas über Entfremdung begreifen möchtest, solltest du dir diese Serie ansehen.

Zwei Teenager, ein Roadtrip, ein Mord und viele Erwachsene, die genauso gut Aliens sein könnten.

Größte Sparsamkeit in jeder Hinsicht, Kamera, Ausstattung, Kostüm, Dialog, Emotionalität.

Man ist 17. Unendliches Nichtverstandensein, unvergleichliche Einsamkeit, unfassbar große Liebe. 

Das ganze Leben ist eine einzige gigantische Fake News, weil alle zu lügen scheinen, oder lügen sie wirklich, wissen sie, dass sie lügen?

Und wer weiß, was die Wahrheit ist? Mit 17? Mit 60?

Zwei Kinder verstehen die Welt nicht und ich bin froh, weil ich sie auch nicht begreife.



Montag, 18. November 2019

Dystopische Ängste

Müssen wir wieder aufpassen, was wir heute sagen oder schreiben, weil es bald alles anders sein könnte?
Für mich ist es eh zu spät. Jüdin und links, wtf?
Ein ehemaliger Freund denunziert jemanden, weil der Verständnis für Hitlergrußzeigende verwirrte Jugendliche formuliert.
Sind wir wirklich wieder an dem Punkt, an dem wir uns gegenseitig melden, denunzieren? Der letzte Schuft im ganzen Land / ist und bleibt der Denunziant. Aber es scheint nicht dasselbe, weil in der BRD solch eine Meldung legal und ja jusitiabel ist.
In meinem nächsten Umfeld verwandeln sich mehr und mehr einzelne Freunde in scheinbar psychisch verstörte Menschen. Oder ist es der enorme äußere Druck von Politik, Gesellschaft und simplem Überleben, der sie so verändert?
Kein Zuhören - fast nirgendwo.
Behauptungen werden aufgestellt, Antworten nicht gehört, Selbstgerechtigkeit, Selbstgewißheit der eigenen Überlegenheit, wird unantastbar, Empathie, Interesse an der Situation, der Bemühung um Verständigung des Anderen wird zur vernachlässigbaren Qualität. Aggressive Vorwürfe werden ausgeteilt, aber nicht angenommen. Der Bereich unter der Gürtellinie wird zum gewöhnlichen Kampfschauplatz.
Ich verliere Menschen, die ich schätze, weil sie sich selbst und ihre Fähigkeit zum Diskurs vergessen.
S... argumentiert nur mehr mit sich selbst. Ihre hohe Intelligenz hat jeden Kontakt mit der Realität verloren.
M... mutierte zu dem Parteisekretär, den er nie kennenlernen mußte. Er weiß alles, beurteilt alles, verdammt alles.
Ich bin sehr unglücklich.
Was ist mit uns, den unter dem Begriff irgendwie "Linke" eigentlich Vereinten los? Wir sind so versessen darauf, allein Recht zu haben, im Besitz der wirklich wahren Wahrheit zu sein, dass wir einander brutal in die Fresse schlagen und glauben, wir kämpften den einzigen gerechten Kampf. Während die anderen, unsere wirklichen Feinde, Informationen sammeln und unangreifbar sind, weil sie, bewaffnet mit einer deutsch-nationalen-faschstoiden Ideologie simple Menschlichkeit leicht vernachlässigen können und an immerwährend an Gebiet gwinnen.
VERGESST NICHT:


https://www.n-tv.de/politik/Viele-Deutsche-wollten-Hitler-article10023856.html

Sonntag, 17. November 2019

Und der Zukunft zugewandt

Workuta, ein Ort im nördlichen Polarkreis, ein Konzentrationslager, hier wurde nicht industriell effizient getötet wie in den Lagern des Dritten Reiches, aber es wurden zehntausende Menschen durch Ausbeutung, Hunger und Folter gemordet für die Industrie der UdSSR.
Bei Minus Sechsundreissig Grad mußte nicht mehr im Freien gearbeitet werde - welch ein Hohn.

Am Beispiel dreier Frauen, deutscher Kommunistinnen, die sich aus verschiedenen Gründen 1938 in der UdSSR befanden, eine war mit ihrer linken Singegruppe auf Tournee, eine war emigriert auf der Flucht vor den Nazis, bei der dritten bin ich mir nicht sicher, erzählt der Film eine geradezu aberwitzige und doch wahre Geschichte.
Alle drei werden im Zuge einer der stalinistischen "Säuberungswellen" als Spione angeklagt und in fünfminütigen Prozessen für schuldig erklärt und nach Workuta verbannt. 10 Jahre, 10 Jahre später sieht man sie dann dort schuften unter unfassbaren Bedingungen, aber noch lebendig. Die eine hat ein Kind, der Vater wurde von Wachen erschossen, weil er sein Kind sehen wollte.
Nach einer Intervention durch den Sohn von Wilhelm Pieck werden sie freigelassen und nach Deutschland, genauer in die DDR verfrachtet.

Schon die Szene zwischen Wilhelm Pieck und seinem Sohn Arthur ist ein Zeitzeugnis der großen Art: Pieck hatte den stalinistischen willkürlichen Terror in Moskau überlebt. Hatte er Glück? Hat er selbst denunziert? Wie lebte man mit dem "Verschwinden" von so vielen Genossen? War er traumatisiert? War die DDR ein Produkt der Traumatisierung ihrer Gründer? 
Die einen mußten in den Konzentrationslagern unschuldig schuldig werden, um zu überleben, die anderen mußten, um der stalinistischen Paranoia zu entgehen, ihre Utopie bis zur Unkenntlichkeit verbiegen.
Welche Erklärungskonstruktionen baute sich Pieck? Zwischen Hitlerdeutschland und Stalins Russland gefangen - eine Schraubzwinge der unvorstellbaren Art. Und was treibt den Sohn, er war Soldat in der Roten Armee, hatte gegen die Deutschen gekämpft und ist nun ohne fachliche Qualifikation Chef der Deutschen Lufthansa Ost, später Interflug genannt.

Die drei davongekommenen Frauen werden liebevoll aufgenommen, nur dürfen sie, bei Strafandrohung, unter keinen Umständen über ihre Lagerzeit reden, sollen sagen
"Sie hätten an verschiedenen Orten in der UdSSR gearbeitet". Die Wahrheit muß warten, bis die sozialistische Zukunft gesichert ist, bis dahin ist "die Wahrheit, das was uns (den Kommunisten) nützt". Was folgt ist eine Analyse der ganz normalen Schizophrenie, ohne die ein Überleben, Leben nicht möglich war.

Wir alle litten an dieser Schizophrenie, wir alle. Wenn wir Glück hatten, oder Schutz, hielten sich die Symptome im Rahmen. Wenn wir dumpf waren, verlief die Krankheit unbemerkt. Wenn wir gewissenlos waren, hatte wir unseren Spaß damit. Krank waren wir alle. Und die Spätfolgen dieser Erkrankung spiegeln sich in den Wahlergebnissen und Diskussionen der Gegenwart.

Aber die, die wirklich glaubten und doch gestraft wurden, gestraft von einer Macht, die sie liebten, die hatten keinen Ausweg. Die haben gelitten und gehorcht. Und waren verloren und haben doch so viel Kraft und Güte gehabt. Welch eine Tragödie.



Tragödie: Wiki definiert sie so:
Kennzeichnend für die Tragödie ist der schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur. Ihre Situation verschlechtert sich ab dem Punkt, an dem die Katastrophe eintritt. In diesem Fall bedeutet das Wort Katastrophe nur die unausweichliche Verschlechterung für den tragischen Helden...
Das Scheitern des Helden ist in der Tragödie unausweichlich; die Ursache liegt in der Konstellation und dem Charakter der Figur. Der Keim der Tragödie ist, dass der Mensch der Hybris verfällt und dem ihm vorbestimmten Schicksal durch sein Handeln entgehen will. 

Dem Morgenrot entgegen,
Ihr Kampfgenossen all!
Bald siegt ihr allerwegen,
Bald weicht der Feinde Wall!
Mit Macht heran und haltet Schritt!
Arbeiterjugend? Will sie mit?
Wir sind die junge Garde

Des Proletariats! 

Ein Film über Schauspieler

DIE VERWANDLUNG

Die Verwandlung ist ein Dokumentarfilm von Michael Harder, der schon Filme über Boxer, Archäologen und einen über den Sänger Thomas Quasthoff geschaffen hat. 
Dieser ist über den Beruf des Schauspielers. 
Er hat jeden der Auskunft Gebenden in denselben Raum gesetzt, sie durften rauchen und trinken, nur keinen Alkohol, und dann hat er Fragen gestellt und ihnen zugehört, wenn sie antworteten, pausierten, abschweiften, rumstammelten, zur Wahrheit kamen. 
Michael Harder muß ein wahrer Meister des Zuhörens sein.
Vielleicht zwanzig höchst unterschiedliche Schauspieler zwischen 23 und Ende Siebzig, drei Frauen, der Rest Männer (Oh die Quote!)  versuchen sich, in ihren Erfahrungen mit ihrem Beruf zu erkären. Und es wirkt nur selten eitel. 
Michael Harder muß ein wahrer Meister des Zuhörens und des Fragenstellens sein.
Seltsamerweise sprechen meine Kollegen, die, wie ich auch, oft sehr gern reden, selten in ernsthafter, forschender Weise über ihren Beruf. 
Meckern tun wir fast alle gern, Witze machen auch, aber die individuellen Methoden, Schmerzen, Träume, Ängste, Glücksmomente, die unser verrückte, furchtbare, wundervolle Beruf mit sich bringt, werden selten mehr als nur nebenbei gestreift. Das ist ja auch extrem intim, sehr privat, und das Ergebnis wird dann öffentlich zur Schau gestellt.
Michael Harder muß ein wahrer Meister des Zuhörens, des Fragenstellens und des Auswählens sein.
Ulrike Krumbiegel hat es gut zusammengefasst: sie hätte beim Zuschauen zu ihrer Überraschung erfahren, wie ähnlich wir uns letztendlich dann doch sind.


Es waren sehr viele interessante Leute zu sehen, aber Alexander Scheer hat wirklich mehr Charme, als erlaubt sein sollte.
Er wird wohl noch einige Male im Kino gezeigt, aber wer das nicht schafft, kann in der Mediathek des NDR gucken:
https://www.ardmediathek.de/ndr/player/Y3JpZDovL25kci5kZS9lYjAxNzcwMC01ZjNmLTQ4YTUtODJhZi03MmFjMTFkNTdhODE/

Freitag, 15. November 2019

Filme über die Liebe

Ich liebe Liebesfilme. Filme über die Liebe. Und wie immer sind meine Lieblinge wild gemischt und ermangeln irgendeines kohärenten geschmacklichen Zusammenhangs.
Ich weiß auch nicht, was mein Hirn und mein Bauch/Herz sich dabei denken, wenn Denken überhaupt etwas damit zu tun hat.
Demokratien kommen und gehen, Diktaturen leider auch, was das Kommen betrifft, 
aber unter allen, auch den schrecklichsten Bedingungen wird geliebt.

Hier in völlig ungeordneter Reihenfolge:

An Affair to Remember (Die große Liebe meines Lebens) mit Deborah Kerr und Cary Grant 1957, die Entscheidung liegt immer zwischen ganz oder gar nicht.

Starman von John Carpenter mit Jeff Bridges 1984, ungelenk und absurd, aber fein.

His Girl Friday (Sein Mädchen für Besondere Fälle) 1940 von Howard Hawks auch mit Cary Grant, diesmal im Duell mit Rosalind Russell, schneller reden kann keiner, sich erotischer mit Worten beschießen auch niemand.

Pretty Woman 1990, ja ich weiß.

The Piano (Das Piano) 1993 von Jane Campion mit Harvey Keitel und Holly Hunter. Weil er das Loch in ihrem Strumpf so zärtlich berührt.

Brokeback Mountain 2005 von Ang Lee mit Heath Ledger und Jake Gyllenhaal. Oh, wenn Jake "sein" Hemd aus dem Schrank holt.

Meine Tage mit Pierre - Meine Nächte mit Jacqueline 1964 von André Cayatte, ich habe einiges begriffen über die Schwierigkeiten des Zusammenlebens.

Ein Mann und eine Frau - Ein anderer Mann und eine Frau 1966 & 1985 von Claude Lelouche, einfach nur so, weil  Lelouche an die Liebe glaubte.

Der letzte Schuß UdSSR 1956, melodramatisch und propagandistisch, aber geweint habe ich trotzdem.

The Notebook (Wie ein einziger Tag) 2004 von Nick Cassavetes mit Ryan Gosling und Amy Adams, weil er nicht sprechen kann, wenn er sie endlich wiedersieht.

Love Actually (Tatsächlich Liebe) 2003 - nicht alles, aber manches.

Notting Hill 1999, wegen Hugh Grant, er kann die besten stotternden Pausen setzen,

Maurice 1987, auch wegen Hugh Grant, aber nicht nur, denn wie sehr der Druck unserer Umwelt uns verunstalten kann, habe ich selten grausamer gesehen.

Florence Foster Jenkins 2016, aus demselben Grund, und auch wegen Meryl Streep.

Julia and Julia 2009, weil gutes Essen auch mit Liebe zu tun hat.

The Trap (Wie ein Schrei im Wind / Die Falle) 1966 mit Rita Tushingham, die irgendwann scheinbar aus der Filmwelt verschwand und mir doch unvergesslich beibt.

My Life Without Me 2003

Torch Song Trilogy (Das Kuckucksei) 1988, so nackt, so verstehbar, habe ich Liebe im Film selten erlebt. 

Gestern habe ich Heidi Klums Drag Show gesehen und war traurig. Wenn Konkurrenz die einzige Form des Aufeinanderreffens von unterdrückten Minderheiten ist, dann übergeben wir unsere Macht an an unsere Unterdrücker.

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.