Was ist Sünde?
Da fragt mich ein
alter, geliebter Freund tief in der Nacht:
Was ist das für
Dich, Sünde?
Sünde?
Ein gewaltiges
Wort, dass ich meist nur verniedlicht verwende. Ich sündige, wenn ich einen
riesigen Eisbecher esse, zu viel trinke oder rauche. Petitessen.
Sünde?
Ich übersetze es mir mit 'Schaden zufügen', aber Wiki sagt: Der griechische
Ausdruck ἁμαρτία (hamartia) des Neuen Testaments und das
hebräische Wort chata’a oder chat'at (חַטָּאָה/חַטָּ֣את) des Tanach bedeuten Verfehlen eines Ziels
– konkret und im übertragenen Sinn, also Verfehlung – und werden in deutschen
Bibelübersetzungen mit Sünde wiedergegeben.
Es wird also, per
definitionem, vorausgesetzt, wir wollen sündenfrei & rein sein und
verfehlen unser Ziel, machen uns mancher Verfehlung schuldig. Wir verfehlen das
Ziel um Haaresbreite, oder um Kilometer.
Nach der Auslegung
des Tanach werden drei Formen der Sünde unterschieden:
Pesha oder Mered: Absichtlich begangene Sünde, in bewusster Auflehnung gegen
Gott.
Avon: Emotional begangene Sünde, bewusst, aber nicht in Auflehnung gegen Gott.
Chet: Unbeabsichtigte Sünde
Boah! Ist das eine
komplizierte Frage, besonders da ich als radikalisierter Atheist keinen
gesicherten theologischen Rahmen für eine Antwort habe. Immer muß ich selber
denken.
Ach, wär ich doch
ein Huhn. Nee.
Die zehn Gebote
helfen mir wenig. Eins bis drei, interessieren mich, da ungläubig, gar nicht. Die
Sabbathruhe ist für mich eher eine gewerkschaftliche Frage. Ehre Deinen Vater
und eine Mutter kommt auf die jeweiligen Personen an, meine waren ehrenwert. Du
sollst nicht morden. Wenn jemand mein Stief-Kind verletzen würde, oder die
Lieblingsnichte, fände ich es durchaus rechtens den Schuldigen mittels Gewalt
zu strafen. Ehebrechen? Kompliziert. Das eine Mal wo es mir ernst war, habe ich
nicht ehebrechen wollen. Nicht stehlen. Wenn die Not groß genug wäre, würde ich
alles mitgehen lassen, was nicht niet und nagelfest wäre. Nicht falsch gegen
meinen Nächsten aussagen, lügen? Manchmal notwendig, selten entschuldbar. Du
sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der
Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem
Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört. Eigentumsfragen
sind ein sehr kapitalistisches Problem, oder?
Der Mensch ist gar
nicht gut
Drum hau ihn auf den Hut.
Hast du ihm auf dem Hut gehaun
Dann wird er vielleicht gut.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht gut genug
Darum haut ihm eben
Ruhig auf den Hut!
b.b.
Sünde?
Ist das ein für
mich relevantes Wort?
Ja.
Ich sündige, wenn
ich unnötig hinter meinen eigenen grundsätzlichen Erwartungen zurückbleibe,
weniger tue, als ich könnte, anderen gegenüber unachtsam bin oder mich vor
notwendigen Auseinandersetzungen drücke. Wenn ich nicht einschreite, wenn es
nötig ist, wenn mir meine Ruhe wichtiger ist, als eine nötige Reaktion, nur
weil sie mir unangenehme, für mich unvorteilhafte Folgen hätte.
Was ist das für
Dich, Sünde?
Das, was ich tue,
von dem ich weiß, dass es falsch ist, dass es nicht dem entspricht, was
anständig, nützlich, erforderlich wäre, dass ich tue, weil ich zu feig, zu
schwach, zu faul, zu uninteressiert, zu gierig bin, um es zu unterlassen.
Ich weiß, was das
Richtige ist, aber tue das Andere.
Meine Ausreden
klingen vielleicht überzeugend, sind aber nur Ausreden, Täuschungen, manchmal
Selbsttäuschungen.
Wie leicht ich es
mir in der Sünde gemütlich machen kann.
Auch etwas zu
unterlassen, kann Sünde sein. Die Gründe siehe oben.
Was ist das für
Dich, Sünde?
Den Anderen nicht
mitbedenken? Ihn mißachten?
Ohne Not,
wissentlich jemandem, auch mir selbst, Schaden zufügen?
Freundlichkeit,
Verständnis, Hilfe unterlassen?
Nicht zuzuhören,
wenn Zuhören Hilfe wäre?
Meine Mama hat mir,
Gott sei Dank, wenige weise Sprüche mitgegeben. Aber einen entscheidenden: Was
immer zwei, drei oder mehr Menschen miteinander tun, bei dem alle Beteiligten
wissend & einverstanden sind, kann nicht Sünde sein.
Ergo:
Einverständnis nicht erfragen.
Wenn Mißbrauch,
Folter, Psychose oder Dummheit nicht unsere Sinne abgestumpft haben, ist Sünde
oft mit einem diffusen Gefühl von Scham verbunden.
Todsünde ist alles
Böse, Schädliche das wir Kindern antun. Und Hochmut ist auch Todsünde.
Anmaßung. „Wer zu Grunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt
vor dem Fall.“ (Spr 16,18 EU). Freiheit von Zweifel führt manchesmal zum
Hochmut.
Mich selbst lieben,
wie meinen Nächsten. Harte Arbeit.