Durch ein Zusammentreffen nicht erklärbarer Umstände lese ich zeitgleich drei Bücher von jüdischen Autorinnen. "Untergetaucht" von Marie Jalowicz Simon, "Unorthodox" von Deborah Feldman und, gerade fertig gelesen, "Die Gabe" von Naomi Aderman. Jeder Text auf seine Art heftig und konsequent.
"Untergetaucht" von Marie Jalowicz Simon
Eine junge bürgerliche zwanzigjährige Jüdin in Berlin im Jahr 1942: der Vater stirbt, ihre Bekannten und Verwandten erhalten ihre Deportationsbefehle, sie taucht unter, drei lange Jahre wird sie alles tun, um nicht gefangen zu werden. Alles, das liest sich leicht und lebt sich schwer. Ihr Überlebenswille ist bewunderungswürdig und, aus der sicheren Position des Nichtbedrohten, erschütternd fragwürdig. Nach der Befreiung bekommt sie eine Wohnung zugewiesen, schleppt ihre wenigen Habseligkeiten in einem Leiterwagen durch Berlin und schläft, das erste Mal in Jahren, erschöpft und in Sicherheit auf den Boden ihrer Küche ein.
"Unorthodox" von Deborah Feldman
Deborah wächst in einer ultraorthodoxen Satmar-Gemeinde in Williamsburg in New York auf. Ihr Rabbi sagt, dass der Holocaust Gottes Strafe für den nachlässigen Umgang der Gemeinde mit den jüdischen Lebensregeln war. Nur ein gottzugewandtes, die moderne Welt verneinende Leben böte Rettung, selbst Englisch zu sprechen, oder in Deborahs Fall, zu lesen, erzürnt Gott. Deborah tut ihr Bestes und kann doch nicht genügen.
Amazon sagt: Deborah Feldman führt uns bis an die Grenzen des Erträglichen,
wenn sie von der strikten Unterwerfung unter die strengen Lebensgesetze
erzählt, von Ausgrenzung, Armut, von der Unterdrückung der Frau, von
ihrer Zwangsehe. Sie erzählt, wie sie den beispiellosen Mut und
die ungeheure Kraft zum Verlassen der Gemeinde findet – um ihrem Sohn
ein Leben in Freiheit zu ermöglichen.
Die eine erträgt Unfassbares, um zu überleben und die andere bezahlt für dieses Überleben einen hohen Preis. Schuld auf sich laden, Schuld abtragen, die eigentlich Schuldigen, kommen nur am Rande vor.
Und dann:
"Die Gabe" von Naomi Aderman
Bei Amazon heißt es: Es sind scheinbar gewöhnliche Alltagsszenen: ein nigerianisches Mädchen
am Pool. Die Tochter einer Londoner Gangsterfamilie. Eine
US-amerikanische Politikerin. Sie alle verbindet ein Geheimnis: Von
heute auf morgen haben Frauen weltweit die Gabe (Macht) – sie können mit ihren
Händen elektrische Stromstöße aussenden. Ein Ereignis, das die
Machtverhältnisse und das Zusammenleben aller Menschen unaufhaltsam,
unwiederbringlich und auf schmerzvolle Weise verändern wird.
Ein
englischer Frauen-Sci-Fi-Roman der ungewöhnlichen Art. Im Original
heißt er "Die Macht", im Deutschen "Die Gabe", Gott gebe mir Geduld mit
hilfreichen Übersetzungen.
Fünfzehnjährige Mädchen können plötzlich durch das Erwachen eines stillgelegten Organs elektrische Stromstöße aussenden, sie sind von einem Tag auf den anderen unerhörterweise physisch stärker als Männer. Durch innigen körperlichen Kontakt können sie diese Fähigkeit auch in ihren Müttern erwecken. Die grundsätzliche Konstellation von starkem und schwachem Geschlecht gerät ins Wanken. Der englische Titel "Die Macht" trifft es viel genauer. Was passiert nun? Ein Briefwechsel, 5000 Jahre später diskutiert die Möglichkeit einer friedlicheren Gesellschaft, wenn Männer ihren friedvolleren, sanfteren Einfluss geltend machen könnten.
Opfer und Täter Profile werden durcheinandergeschüttelt. Wütende Frauen vergewaltigen Männer mit Hilfe von elektrischen Stößen erzeugter Willigkeit. Ist es nur Macht, die uns, egal welchen Geschlechts, korrumpiert? Wir schauen gern auf uns, die Frauen, als das 'schwächere', aber eben auch bessere Geschlecht. Was geschähe, wenn wir 'stärker' wären?
Freitag, 2. Februar 2018
Samstag, 27. Januar 2018
Die erwünschte und verfickte Kommentarfunktion
Ich habe Meinungen.
Eine große Menge von Meinungen.
Manche sind gut begründet.
Manche entstehen nur aus meinem Bauchgefühl heraus.
Mit manchen liege ich völlig daneben.
Die gesellschaftliche Explosionskraft der #metoo-Debatte habe ich mächtig unterschätzt. Solche Nachlässigkeit ist mir schon mit anderen sozialen Eiterherden unterlaufen. Ich selbst hatte Glück, blieb verschont, und habe darum nicht genau genug hingeschaut und aufmerksam genug zugehört.
ABER. Aber ich bin lernfähig.
Meistens.
Freunde mit geduldigen Zungen und klugen Köpfen reden mit mir, und selbst auf facebook hat mich, hin und wieder, eine Kommentatorin, ein Kommentator mit einer mir unbekannten, von mir vernachlässigten Sicht auf ein Problem dazu gebracht, eine meiner zahlreichen Meinungen zu überprüfen und zu verändern.
Aber. Aber was mich erzürnt, ankotzt, hilflos wütend macht, ist der selbstgerechte Alleinherrschaftsanspruch mancher Zeitgenossen auf die einzig wahre Wahrheit. In meinem Blog passiert das selten, auf Facebook des öfteren. Manchmal, ich gestehe es, poste ich dort eine Meinung, nur weil ich weiß, dass dann ein Wortschlachtfest beginnt. Shitstorm wird das im Neudeutschen benannt. Früher sagte man: "Now the shit has really hit the fan." = "Jetzt hat die Scheiße wirklich den Ventilator getroffen." Ein viel schöneres, weil bildlich nachvollziehbareres Bild.
Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.
Der Psychologe Abraham Maslow 1966
Der Spruch ist geklaut von einem fb -Freund.
Und bin ich nicht willig, so brauchen sie Gewalt. Wortgewalt. Ideologie. Mir wird unterstellt blind, blöd, blasiert oder bloß unfähig zu sein, objektiv zu urteilen. Der Ton ist wohlwollend überlegen, mitfühlend herablassend oder fassungslos empört. Die Möglichkeit des "sowohl als auch" oder des "ja, aber" wird grundsätzlich ausgeschlossen.
Dieses entweder/oder hatte ich schon mal in der DDR, das akzeptiere ich nie wieder.
Es gibt Widersprüche. Es gibt Graubereiche. Nichts ist simpel, sicher und eingetütet.
Ich soll widerspruchslos glauben, dass Frauen nie lügen und Männer a priori nur Mißbrauch im Sinn haben? Nein, das glaube ich nicht.
Auch wenn ich weiß, dass in unserer Welt Frauen, die es wagen, die Wahrheit zu sagen, einen harten Stand haben. Und auch, dass es Männer gibt, die sich in der Gewißheit ihrer Machtfülle erdreisten, mit Hilfe von körperlicher und sozialer Überlegenheit, gewalttätigen Zwang auf verschreckte Opfer auszuüben.
Aber. Aber?
Ist es wahr, dass ich als weiße europäische Jüdin die Brutalität des Rassismus nicht verstehen kann, als verblendete, verwöhnte Frau die grundsätzliche Verächtlichkeit männlicher Sicht nicht erkennen kann, als fast 60-jährige nicht verstehen kann, wie schwer es junge Menschen heutzutage haben?
Woher nehmt ihr eure eherne Gewißheit, zu wissen was richtig und rechtens ist? Wir könnt ihr eure Ohren, Hirne so exakt ausrichten, dass nur noch Bestätigung und keinerlei Zweifel euch mehr erreicht? Der Hashtag "metoo" ist eine wahrhafte Erschütterung eingespielter Machtmuster. Aber würdigen wir die Opfer solchen Mißbrauchs, indem wir nun selber brutal und flächenabdeckend auf vermutete Meinungsabweichler in den eigenen Reihen einhacken?
Catherine Deneuve und ihre Mitunterzeichnerinnen schlagen gewisse Bedenken vor bezüglich des intergeschlechtlichen Umgangs und werden als Dolch-in-den-Rücken-der-Bewegung-Stoßende verhöhnt.
Jemand erwähnt den gerichtlichen Freispruch von Woody Allen und wird als Apologet sämtlicher pädophilen Mistkerle aller Zeiten gebrandmarkt.
NEIN. Nein, es ist nicht alles und jedes das Gleiche. Vergewaltigung ist ein zu bestrafendes Verbrechen. Nötigung durch Mißbrauch von sozialer Macht sollte es sein.
ABER.
Durch Machtmißbrauch sind Körper und Seelen zerstört oder schwer verletzt worden. Fakt. Und deshalb soll ich jetzt mild lächelnd zustimmen, wenn dumme Frauen, ja, die gibt es auch, die Gelegenheit nutzen, um ihre elitäre Denkfaulheit in Politik zu verwandeln? Kunst soll nun ein Ort der objektiv ausgewogenen, von keiner Leidenschaft berührten, erotikfreien Betätigung sein. Kunst?
Wer von uns könnte/wollte das? Jeden Tag, den wir leben, begehren wir, mißachten wir. Wir sind Menschen. Mann, Frau, Transgender, Homo, Lesbe, und was es der erotischen und gelebten Möglichkeiten noch geben mag, geben wird, wir irren während wir schaffen, wir erschaffen, selbst im besten Falle, keine gegen jeden ideologischen Einwand verteidigbaren Werke. Schuld ist ein elementarer Teil von Kunst und ein Teil ihrer Wahrheit.
Und, nebenbei, ein Künstler und sein Werk sind nicht deckungsgleich.
meinen
Vb. ‘eine bestimmte Ansicht haben, annehmen, denken’, ahd. meinen (8. Jh.), mhd. meinen ‘sinnen, (nach)denken, seine Gedanken auf etw. richten, (feindlich oder freundlich) gesinnt sein, einem etw. angenehm machen’, asächs. mēnian, mnd. mēnen, mnl. mēnen, mienen, meinen, nl. menen, aengl. mǣnan, auch ‘klagen’, engl. to mean (germ. *mainjan) sind verwandt mit air. mīan ‘Wunsch, Verlangen’, aslaw. měniti ‘meinen, glauben, erwähnen, halten für’, poln. mienić ‘meinen, glauben’. Erschließbar ist ie. *mein-, *moin- ‘Meinung, Absicht, meinen’. Die Bedeutung ‘seine Gedanken auf etw. richten, (freundlich) gesinnt sein’ entwickelt sich im Mhd. weiter zu ‘lieben’, die in Prosatexten bis ins 17. Jh., in der gereimten Dichtung bis ins 19. Jh. (Freiheit, die ich meine, Schenkendorf) bewahrt wird. Meinung f. ‘Ansicht, Gesinnung’, ahd. meinunga (um 1000), mhd. meinunge ‘Sinn, Bedeutung, Gedanke, Gesinnung, Absicht, freundliche Gesinnung, Liebe’. vermeinen Vb. ‘(fälschlich) annehmen’, ahd. firmeinen ‘darlegen, beweisen’ (9. Jh.), mhd. vermeinen ‘denken, wollen, hoffen, zudenken, zurückweisen’. vermeintlich Adj. ‘(irrtümlich) angenommen, angeblich’ (16. Jh.)
DWDS
Dienstag, 23. Januar 2018
Ein poetischer Vorgang? - Ein Beitrag in wilkürlichen Zitaten.
"Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale
Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind,
die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem
unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt
sind."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
*Das Gender-Sternchen kann gebraucht werden wie das Gender Gap. Das Sternchen wird im Computerbereich schon lange als Platzhalter
genutzt und zeigt also an, dass dort noch andere Zeichen hinkönnen. Wenn wir es hinter
die Worte "Frau", "Mann", usw. schreiben, soll es vor allem anzeigen, dass es sich um soziale Konstruktionen handelt (nicht um unveränderliche "biologische" Wahrheiten).
Im heftigen Streit um das Gedicht von Eugen Gomringer an der Fassade der
Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Berlin-Hellersdorf ist eine
Entscheidung gefallen. Der Akademische Senat der Hochschule beschloss
auf seiner Sitzung am Dienstag, dass auf der Fassade im Zuge der sowieso
anstehenden Sanierung im Herbst 2018 ein Gedicht der Lyrikerin Barbara Köhler
angebracht wird. Köhler wurde im vergangenen Jahr mit dem Alice Salomon
Poetikpreis ausgezeichnet. Alle fünf Jahre soll auf der Fassade dann
ein Werk eines anderen Salomon-Preisträgers gezeigt werden.
Tagesspiegel 23.1.2018
Alleen
Alleen und Blumen
Alleen und Blumen
Blumen
Blumen und Frauen
Blumen und Frauen
Alleen
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer.
Eugen Gomringer
Der Akademische Senat der Alice-Salomon-Hochschule hatte sich im Sommer 2016 für eine Neugestaltung der Fassade ausgesprochen, nachdem der Asta das Gedicht an diesem Platz in Frage gestellt hatte. Es reproduziere "nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind"
Tagesspiegel 23.1.2018
http://www.tlz.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Vom-Vers-zur-Konstellation-und-zurueck-1376958631
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/gromringer-gedicht--die-alice-salomon-hochschule-entscheidet-gegen-die-kunst-29546600
"Die U-Bahn-Station Hellersdorf und der Alice-Salomon-Platz sind vor allem zu späterer Stunde sehr männlich dominierte Orte, an denen Frauen* sich nicht immer wohl fühlen können. Dieses Gedicht dabei anzuschauen wirkt wie eine Farce und eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können."
...
"Unsere Forderungen stellen wir nicht nur als Frauen*, sondern vor allem auch als Studierende einer „Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch[, die] dem gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verpflichtet" (zit. nach: http://www.ash-berlin.eu/profil/leitbild/) ist."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer.
Eugen Gomringer
Der Akademische Senat der Alice-Salomon-Hochschule hatte sich im Sommer 2016 für eine Neugestaltung der Fassade ausgesprochen, nachdem der Asta das Gedicht an diesem Platz in Frage gestellt hatte. Es reproduziere "nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind"
Tagesspiegel 23.1.2018
http://www.tlz.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Vom-Vers-zur-Konstellation-und-zurueck-1376958631
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/gromringer-gedicht--die-alice-salomon-hochschule-entscheidet-gegen-die-kunst-29546600
"Die U-Bahn-Station Hellersdorf und der Alice-Salomon-Platz sind vor allem zu späterer Stunde sehr männlich dominierte Orte, an denen Frauen* sich nicht immer wohl fühlen können. Dieses Gedicht dabei anzuschauen wirkt wie eine Farce und eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können."
...
"Unsere Forderungen stellen wir nicht nur als Frauen*, sondern vor allem auch als Studierende einer „Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch[, die] dem gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verpflichtet" (zit. nach: http://www.ash-berlin.eu/profil/leitbild/) ist."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
Alice Salomon bei der Eröffnungsfeier im
Pestalozzi-Fröbelhaus am 15. Oktober 1908
"In unsichtbaren Lettern steht für mich über der Tür unserer Schule, die sich heut zum ersten Mal so vielen geöffnet hat, denen sie fortan Mittelpunkt des Lebens werden soll, das Wort Carlyles: „Gesegnet, wer seine Arbeit gefunden hat!“ Das Wort enthält im Grunde alles, was ich in dieser feierlichen Stunde unseren Schülerinnen sagen kann: Zweck und Ziel unserer Schule, und all die guten Wünsche, die wir für ihre Entwicklung hegen. Zweck und Ziel der Schule. Denn diese ist entstanden und soll der Aufgabe dienen, den Mädchen und Frauen unserer Stadt, unseres Volkes Arbeit zu geben. Arbeit, das heißt nicht Beschäftigung, nicht Zeitvertreib, sondern eine Tätigkeit, die nicht nur ihre Zeit – sondern auch ihre Gedanken, ihr Interesse in Anspruch nimmt; die zunächst für einige Jahre den Inhalt ihres Lebens ausmachen soll, um den herum alles andere, was das Leben ihnen an Freuden, Genüssen, Anregungen bietet, sich nur – gleichsam wie eine schmückende Arabeske – als Beiwerk gruppiert. Arbeit, die sie nicht nur erfüllt, solange sie als Schülerinnen in diesem Hause ein- und ausgehen; sondern Arbeit, die sie mit hinausnehmen, wenn sie die Schule verlassen, als einen Teil ihres Lebens, der nicht zugrunde gehen kann, der zu ihnen gehört, der ihre Lebensauffassung und ihr
"In unsichtbaren Lettern steht für mich über der Tür unserer Schule, die sich heut zum ersten Mal so vielen geöffnet hat, denen sie fortan Mittelpunkt des Lebens werden soll, das Wort Carlyles: „Gesegnet, wer seine Arbeit gefunden hat!“ Das Wort enthält im Grunde alles, was ich in dieser feierlichen Stunde unseren Schülerinnen sagen kann: Zweck und Ziel unserer Schule, und all die guten Wünsche, die wir für ihre Entwicklung hegen. Zweck und Ziel der Schule. Denn diese ist entstanden und soll der Aufgabe dienen, den Mädchen und Frauen unserer Stadt, unseres Volkes Arbeit zu geben. Arbeit, das heißt nicht Beschäftigung, nicht Zeitvertreib, sondern eine Tätigkeit, die nicht nur ihre Zeit – sondern auch ihre Gedanken, ihr Interesse in Anspruch nimmt; die zunächst für einige Jahre den Inhalt ihres Lebens ausmachen soll, um den herum alles andere, was das Leben ihnen an Freuden, Genüssen, Anregungen bietet, sich nur – gleichsam wie eine schmückende Arabeske – als Beiwerk gruppiert. Arbeit, die sie nicht nur erfüllt, solange sie als Schülerinnen in diesem Hause ein- und ausgehen; sondern Arbeit, die sie mit hinausnehmen, wenn sie die Schule verlassen, als einen Teil ihres Lebens, der nicht zugrunde gehen kann, der zu ihnen gehört, der ihre Lebensauffassung und ihr
Montag, 22. Januar 2018
"Dickicht" nach Brecht am Maxim-Gorki-Theater
Ich habe die Tiere beobachtet. Die Liebe, Wärme aus Körpernähe, ist unsere einzige Gnade in der Finsternis! Aber die Vereinigung der Organe ist die einzige, sie überbrückt nicht die Entzweiung der Sprache. Dennoch vereinigen sie sich, Wesen zu erzeugen, die ihnen in ihrer trostlosen Vereinzelung beistehen möchten. Und die Generationen blicken sich kalt in die Augen.
...
Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit.
---------------------------------------------------------
Heute abend Sebastian Baumgartens "Dickicht" nach Brecht im Maxim-Gorki-Theater: in den ersten dreissig Minuten war ich beglückt und hellwach, über die folgenden anderthalb Stunden verging das. Die Grundkonstellation von stummfilmartigen Filmszenen, die live von sitzenden Spielern gesprochen werden und expressionistisch zitierten Spielszenen von den einheitlich in Schwarz gekleideten Spielern ist toll, macht den Kopf aufmerksam und erfreut die Augen, aber das Halbdunkel ermüdet über die Zeit. Das tückische an großen Einfällen ist oft, dass sie zum Zwangskorsett werden. Sie erzwingen Wiederholungen, können das Beabsichtigte, das was erzählt werden soll, unter ihrer Ästhetik-Walze erdrücken. Und dann ist da noch ein Phänomen, dem ich schon des öfteren, auch in eigenen Arbeiten begegnet bin, der Sprechton der Spieler gleicht sich an, ich nenne es den monotonen Heiner-Müller-Rufgestus, der sich gerade bei gut gearbeiteten Ensemble Stücken wie eine Infektion einschleichen kann. Jeder nimmt von jedem ab und dann klingen alle irgendwie gleich.
Manno sind die Spieler von unterschiedlicher Qualität! Ein S-Fehler hier, Krampfhände da, ein bisschen Genuschel, eine Kinski-Doublette und einiges, das großartig war.
---------------------------------------------------------
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Es gibt Stücke, die erwischen einen wie Liebe, oft plötzlich, manchmal dauerhaft. Diese Verliebtheit sieht das wahre Stück, nicht das mit Fehlern, Längen, dramaturgischen Schwächen behaftete, das andere sehen mögen.
"Im Dickicht" ist einer meiner älteren Liebhaber. 1971 hat Ruth Berghaus die zweite, geordnete, gekürzte Fassung von 1927 "Im Dickicht der Städte" am BE inszeniert. Karg, genau, sezierend. Ich war gebannt. Las viele Jahre später die Urfassung, verstand nix und verfiel ihr doch. Ein Wust. Eine Wucht. Ein gigantomanischer Zwergriese. Zwischen 1920 und 24 geschrieben, was heißt der Dichter war jung. Ein Augsburger Bürgersohn liest Upton Sinclairs "Dschungel", der Roman wird auch die "Johanna der Schlachthöfe" füttern, er sieht die Welt um sich herum und sie gefällt ihm nicht, er kotzt Sprache. Manche Sätze sind wunderbar und machen keinen Sinn, es gibt sie, weil sie schön sind. Brecht ist hier noch nicht der Hegel/Marx geschulte Epiker späterer Jahre, Expressionismus und Boxkampf, Amerikasehnsüchte und Männerliebe dampfen aus ihm und natürlich großes Talent.
Es ist eine Liebesgeschichte. Eine verzweifelte, eine tiefe.
Eine meiner geliebtesten Arbeiten und gleichzeitig größten Mißerfolge war eben dieses "Dickicht" in einem magischen Bühnenbild von Philip Stoelzl.
"In diesem Stück wird um bürgerliches Erbe mit teilweise unbürgerlichen Mitteln ein äußerster, wildester, zerreißender Kampf geführt. Es war die Wildheit, die mich an diesem Kampf interessierte, und da in diesen Jahren (nach 1920) der Sport, besonders der Boxsport mir Spaß bereitete, als eine der ›großen mythischen Vergnügungen der Riesenstädte von jenseits des großen Teiches‹, sollte in meinem neuen Stück ein ›Kampf an sich‹, ein Kampf ohne andere Ursache als den Spaß am Kampf, mit keinem anderen Ziel als der Festlegung des ›besseren Mannes‹ ausgefochten werden." b.b.
bb
...
Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit.
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Heute abend Sebastian Baumgartens "Dickicht" nach Brecht im Maxim-Gorki-Theater: in den ersten dreissig Minuten war ich beglückt und hellwach, über die folgenden anderthalb Stunden verging das. Die Grundkonstellation von stummfilmartigen Filmszenen, die live von sitzenden Spielern gesprochen werden und expressionistisch zitierten Spielszenen von den einheitlich in Schwarz gekleideten Spielern ist toll, macht den Kopf aufmerksam und erfreut die Augen, aber das Halbdunkel ermüdet über die Zeit. Das tückische an großen Einfällen ist oft, dass sie zum Zwangskorsett werden. Sie erzwingen Wiederholungen, können das Beabsichtigte, das was erzählt werden soll, unter ihrer Ästhetik-Walze erdrücken. Und dann ist da noch ein Phänomen, dem ich schon des öfteren, auch in eigenen Arbeiten begegnet bin, der Sprechton der Spieler gleicht sich an, ich nenne es den monotonen Heiner-Müller-Rufgestus, der sich gerade bei gut gearbeiteten Ensemble Stücken wie eine Infektion einschleichen kann. Jeder nimmt von jedem ab und dann klingen alle irgendwie gleich.
Manno sind die Spieler von unterschiedlicher Qualität! Ein S-Fehler hier, Krampfhände da, ein bisschen Genuschel, eine Kinski-Doublette und einiges, das großartig war.
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Es gibt Stücke, die erwischen einen wie Liebe, oft plötzlich, manchmal dauerhaft. Diese Verliebtheit sieht das wahre Stück, nicht das mit Fehlern, Längen, dramaturgischen Schwächen behaftete, das andere sehen mögen.
"Im Dickicht" ist einer meiner älteren Liebhaber. 1971 hat Ruth Berghaus die zweite, geordnete, gekürzte Fassung von 1927 "Im Dickicht der Städte" am BE inszeniert. Karg, genau, sezierend. Ich war gebannt. Las viele Jahre später die Urfassung, verstand nix und verfiel ihr doch. Ein Wust. Eine Wucht. Ein gigantomanischer Zwergriese. Zwischen 1920 und 24 geschrieben, was heißt der Dichter war jung. Ein Augsburger Bürgersohn liest Upton Sinclairs "Dschungel", der Roman wird auch die "Johanna der Schlachthöfe" füttern, er sieht die Welt um sich herum und sie gefällt ihm nicht, er kotzt Sprache. Manche Sätze sind wunderbar und machen keinen Sinn, es gibt sie, weil sie schön sind. Brecht ist hier noch nicht der Hegel/Marx geschulte Epiker späterer Jahre, Expressionismus und Boxkampf, Amerikasehnsüchte und Männerliebe dampfen aus ihm und natürlich großes Talent.
Es ist eine Liebesgeschichte. Eine verzweifelte, eine tiefe.
Eine meiner geliebtesten Arbeiten und gleichzeitig größten Mißerfolge war eben dieses "Dickicht" in einem magischen Bühnenbild von Philip Stoelzl.
"In diesem Stück wird um bürgerliches Erbe mit teilweise unbürgerlichen Mitteln ein äußerster, wildester, zerreißender Kampf geführt. Es war die Wildheit, die mich an diesem Kampf interessierte, und da in diesen Jahren (nach 1920) der Sport, besonders der Boxsport mir Spaß bereitete, als eine der ›großen mythischen Vergnügungen der Riesenstädte von jenseits des großen Teiches‹, sollte in meinem neuen Stück ein ›Kampf an sich‹, ein Kampf ohne andere Ursache als den Spaß am Kampf, mit keinem anderen Ziel als der Festlegung des ›besseren Mannes‹ ausgefochten werden." b.b.
bb
Donnerstag, 18. Januar 2018
Max Beckmann findet Unterschlupf in Amsterdam
MAX BECKMANN. WELTTHEATER
Eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen und des Museums Barberini, Potsdam. In Potsdam ist die Ausstellung vom 24. Februar bis 10. Juni 2018 zu sehen.
1884 -1950
Er war 30, als der Erste und 49, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. "Meine Kunst kriegt hier zu fressen", sagte er 1919. Er erlebte das Grauen als Ambulanzfahrer und feuerte nie einen Schuß ab. 1937 nach der Rundfunkübertragung von Hitlers Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München, die auch seine Arbeiten zu entarteter Kunst erklärte, verließ er Deutschland für immer und "unterschlüpfte" in Amsterdam. Nach New York ließ man ihn erst 1947 reisen.
Meine Familie fuhr zurück, er fuhr westwärts.
Diese Kriege haben ihn Kraft gekostet, er starb an einem Herzinfarkt auf der Straße, genauer Central Park West, 61st Street. Gemalt, gezeichnet, geschaffen hat er immer, auch wenn er rein gar nichts verkaufen durfte und konnte.
DWDS: schlüpfen = 'sich gleitend (durch enge Öffnungen) fortbewegen, sich schnell und geschmeidig bewegen', ahd. intsluphen 'entkommen, entschwinden'.
Felix Oestreicher
Naderhand - Nachher - Afterward
WIKI sagt: Als
der Verlorene Zug wird der letzte von drei Zügen bezeichnet, mit denen
während der Zeit des Nationalsozialismus in der Endphase des Zweiten
Weltkrieges Häftlinge vom Konzentrationslager Bergen-Belsen
abtransportiert wurden, als sich die britischen Truppen dem Lager
näherten...
Der letzte dieser drei Züge fuhr am 13. April 1945 ab und hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die Häftlinge aus den Waggons. Etwa 200 von ihnen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 Menschen an den Nachwirkungen des Todestransports durch eine Epidemie.
Eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen und des Museums Barberini, Potsdam. In Potsdam ist die Ausstellung vom 24. Februar bis 10. Juni 2018 zu sehen.
1884 -1950
Er war 30, als der Erste und 49, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. "Meine Kunst kriegt hier zu fressen", sagte er 1919. Er erlebte das Grauen als Ambulanzfahrer und feuerte nie einen Schuß ab. 1937 nach der Rundfunkübertragung von Hitlers Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München, die auch seine Arbeiten zu entarteter Kunst erklärte, verließ er Deutschland für immer und "unterschlüpfte" in Amsterdam. Nach New York ließ man ihn erst 1947 reisen.
Meine Familie fuhr zurück, er fuhr westwärts.
Diese Kriege haben ihn Kraft gekostet, er starb an einem Herzinfarkt auf der Straße, genauer Central Park West, 61st Street. Gemalt, gezeichnet, geschaffen hat er immer, auch wenn er rein gar nichts verkaufen durfte und konnte.
DWDS: schlüpfen = 'sich gleitend (durch enge Öffnungen) fortbewegen, sich schnell und geschmeidig bewegen', ahd. intsluphen 'entkommen, entschwinden'.
Les Artistes mit Gemüse
1943
Da
sitzen sie, schauen ernst und frieren, als Gastgeschenk Lebensmittel in
den Händen, nur Beckmann selbst hält einen Spiegel, der aber spiegelt nicht
ihn, sondern etwas Fremdes, Bedrohliches. Ihre Kleider sind einmal
elegant gewesen, bis auf die rote Wollmütze des Mannes mit dem Fisch. Im
Bild hinten an der Wand brennt es.
Wie
unvorstellbar. Dein Land schließt dich aus, verneint dich, macht dich
verächtlich. Du, ein Deutscher, bist nun ein Ungewollter, ein Fremder.
Du gehst, rennst, fliehst. Und schaust aus der Fremde zu, wie dein Land
die Welt mit Krieg überzieht. Und du malst, zeichnest, holzschneidest.
Keiner kauft deine Bilder. Keiner wagt es.
Totentanz
Ich frag mich oft, bin das denn ich,
Dem dieses alles widerfährt.
Nur Schatten sind wir unser selbst,
[...] Schatten gehen viel,
Ganz langsam, schlürfend Schritt für Schritt,
Gesenkten Kopfes schleichen wir.
Doch viele liegen stumpf im Bett,
Zum Lesen fehlt uns das Buch,
Zum Denken fehlt uns die Kraft.
Die trüben Augen sehen nicht,
Die Ohren hören nur ein Wort.
Gamellen kommen, Essenszeit:
Dann kommt Bewegung in den Leib,
Die keiner Kapo Schlag erzwingt.
Doch vielen fehlt auch jetzt die Kraft,
Die meisten holt Durchfall und Laus,
Und täglich schafft man sieben weg
Mit Karre und Wagen im offnen Sarg.
Ein Trüppchen Frauen hinterdrein,
Ein kurz Gebet, das ist der Schluß.
Ich frag mich oft, bin das denn ich,
Dem dieses alles widerfährt.
Nur Schatten sind wir unser selbst,
[...] Schatten gehen viel,
Ganz langsam, schlürfend Schritt für Schritt,
Gesenkten Kopfes schleichen wir.
Doch viele liegen stumpf im Bett,
Zum Lesen fehlt uns das Buch,
Zum Denken fehlt uns die Kraft.
Die trüben Augen sehen nicht,
Die Ohren hören nur ein Wort.
Gamellen kommen, Essenszeit:
Dann kommt Bewegung in den Leib,
Die keiner Kapo Schlag erzwingt.
Doch vielen fehlt auch jetzt die Kraft,
Die meisten holt Durchfall und Laus,
Und täglich schafft man sieben weg
Mit Karre und Wagen im offnen Sarg.
Ein Trüppchen Frauen hinterdrein,
Ein kurz Gebet, das ist der Schluß.
Felix Oestreicher
Naderhand - Nachher - Afterward
Im Jahr 1937 beginnt Felix Östreicher mit dem Schreiben seiner
„Drillingsberichte“; Briefe, die seine Familie über die Entwicklung seiner
Töchter auf dem Laufenden halten. In diesen unsicheren Zeiten zieht die Familie
von Karlsbad in die Niederlande. Der Versuch, eine Auswanderung über die
Grenzen Europas hinweg zu regeln, scheitert. Im November 1943 wird die Familie
verhaftet und gemeinsam mit Felix´ Mutter, jedoch ohne seine Tochter Helli,
nach Westerbork und später nach Bergen-Belsen deportiert. Felix beginnt in
Westerbork mit einem Tagebuch, das auch selbstverfasste Gedichte enthält.
Später wurden das Tagebuch und die Gedichte in Buchform veröffentlicht. Kurz
vor der Befreiung aus Bergen-Belsen wird die Familie zusammen mit vielen
anderen Juden aus Bergen-Belsen in einen Transport Richtung Osten gesetzt. Der
Zug strandet in Tröbitz und wird Ende April 1945 von den Russen befreit. Felix,
Gerda, Maria und Beate leben dort für einige Zeit in Freiheit. Geschwächt durch
das Konzentrationslager stirbt Gerda jedoch am 31. Mai an Fleckfieber. Ihr Mann
Felix folgt ihr einige Tage später, am 9. Juni 1945 und stirbt ebenfalls an
Fleckfieber.
Der letzte dieser drei Züge fuhr am 13. April 1945 ab und hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die Häftlinge aus den Waggons. Etwa 200 von ihnen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 Menschen an den Nachwirkungen des Todestransports durch eine Epidemie.
Max Beckmann findet Unterschlupf in Amsterdam
MAX BECKMANN. WELTTHEATER
Eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen und des Museums Barberini, Potsdam. In Potsdam ist die Ausstellung vom 24. Februar bis 10. Juni 2018 zu sehen.
1884 -1950
Er war 30, als der Erste und 49, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. "Meine Kunst kriegt hier zu fressen", sagte er 1919. Er erlebte das Grauen als Ambulanzfahrer und feuerte nie einen Schuß ab. 1937 nach der Rundfunkübertragung von Hitlers Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München, die auch seine Arbeiten zu entarteter Kunst erklärte, verließ er Deutschland für immer und "unterschlüpfte" in Amsterdam. Nach New York ließ man ihn erst 1947 reisen.
Meine Familie fuhr zurück, er fuhr westwärts.
Diese Kriege haben ihn Kraft gekostet, er starb an einem Herzinfarkt auf der Straße, genauer Central Park West, 61st Street. Gemalt, gezeichnet, geschaffen hat er immer, auch wenn er rein gar nichts verkaufen durfte und konnte.
DWDS: schlüpfen = 'sich gleitend (durch enge Öffnungen) fortbewegen, sich schnell und geschmeidig bewegen', ahd. intsluphen 'entkommen, entschwinden'.
Felix Oestreicher
Naderhand - Nachher - Afterward
Eine Ausstellung der Kunsthalle Bremen und des Museums Barberini, Potsdam. In Potsdam ist die Ausstellung vom 24. Februar bis 10. Juni 2018 zu sehen.
1884 -1950
Er war 30, als der Erste und 49, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. "Meine Kunst kriegt hier zu fressen", sagte er 1919. Er erlebte das Grauen als Ambulanzfahrer und feuerte nie einen Schuß ab. 1937 nach der Rundfunkübertragung von Hitlers Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München, die auch seine Arbeiten zu entarteter Kunst erklärte, verließ er Deutschland für immer und "unterschlüpfte" in Amsterdam. Nach New York ließ man ihn erst 1947 reisen.
Meine Familie fuhr zurück, er fuhr westwärts.
Diese Kriege haben ihn Kraft gekostet, er starb an einem Herzinfarkt auf der Straße, genauer Central Park West, 61st Street. Gemalt, gezeichnet, geschaffen hat er immer, auch wenn er rein gar nichts verkaufen durfte und konnte.
DWDS: schlüpfen = 'sich gleitend (durch enge Öffnungen) fortbewegen, sich schnell und geschmeidig bewegen', ahd. intsluphen 'entkommen, entschwinden'.
Les Artistes mit Gemüse
1943
Da sitzen sie, schauen ernst und frieren, als Gastgeschenk Lebensmittel in den Händen, nur Beckmann selbst hält einen Spiegel, der aber spiegelt nicht ihn, sondern etwas Fremdes, Bedrohliches. Ihre Kleider sind einmal elegant gewesen, bis auf die rote Wollmütze des Mannes mit dem Fisch. Im Bild hinten an der Wand brennt es.
Wie unvorstellbar. Dein Land schließt dich aus, verneint dich, macht dich verächtlich. Du, ein Deutscher, bist nun ein Ungewollter, ein Fremder. Du gehst, rennst, fliehst. Und schaust aus der Fremde zu, wie dein Land die Welt mit Krieg überzieht. Und du malst, zeichnest, holzschneidest. Keiner kauft deine Bilder. Keiner wagt es.
Totentanz
Ich frag mich oft, bin das denn ich,
Dem dieses alles widerfährt.
Nur Schatten sind wir unser selbst,
[...] Schatten gehen viel,
Ganz langsam, schlürfend Schritt für Schritt,
Gesenkten Kopfes schleichen wir.
Doch viele liegen stumpf im Bett,
Zum Lesen fehlt uns das Buch,
Zum Denken fehlt uns die Kraft.
Die trüben Augen sehen nicht,
Die Ohren hören nur ein Wort.
Gamellen kommen, Essenszeit:
Dann kommt Bewegung in den Leib,
Die keiner Kapo Schlag erzwingt.
Doch vielen fehlt auch jetzt die Kraft,
Die meisten holt Durchfall und Laus,
Und täglich schafft man sieben weg
Mit Karre und Wagen im offnen Sarg.
Ein Trüppchen Frauen hinterdrein,
Ein kurz Gebet, das ist der Schluß.
Ich frag mich oft, bin das denn ich,
Dem dieses alles widerfährt.
Nur Schatten sind wir unser selbst,
[...] Schatten gehen viel,
Ganz langsam, schlürfend Schritt für Schritt,
Gesenkten Kopfes schleichen wir.
Doch viele liegen stumpf im Bett,
Zum Lesen fehlt uns das Buch,
Zum Denken fehlt uns die Kraft.
Die trüben Augen sehen nicht,
Die Ohren hören nur ein Wort.
Gamellen kommen, Essenszeit:
Dann kommt Bewegung in den Leib,
Die keiner Kapo Schlag erzwingt.
Doch vielen fehlt auch jetzt die Kraft,
Die meisten holt Durchfall und Laus,
Und täglich schafft man sieben weg
Mit Karre und Wagen im offnen Sarg.
Ein Trüppchen Frauen hinterdrein,
Ein kurz Gebet, das ist der Schluß.
Felix Oestreicher
Naderhand - Nachher - Afterward
Im Jahr 1937 beginnt Felix Östreicher mit dem Schreiben seiner
„Drillingsberichte“; Briefe, die seine Familie über die Entwicklung seiner
Töchter auf dem Laufenden halten. In diesen unsicheren Zeiten zieht die Familie
von Karlsbad in die Niederlande. Der Versuch, eine Auswanderung über die
Grenzen Europas hinweg zu regeln, scheitert. Im November 1943 wird die Familie
verhaftet und gemeinsam mit Felix´ Mutter, jedoch ohne seine Tochter Helli,
nach Westerbork und später nach Bergen-Belsen deportiert. Felix beginnt in
Westerbork mit einem Tagebuch, das auch selbstverfasste Gedichte enthält.
Später wurden das Tagebuch und die Gedichte in Buchform veröffentlicht. Kurz
vor der Befreiung aus Bergen-Belsen wird die Familie zusammen mit vielen
anderen Juden aus Bergen-Belsen in einen Transport Richtung Osten gesetzt. Der
Zug strandet in Tröbitz und wird Ende April 1945 von den Russen befreit. Felix,
Gerda, Maria und Beate leben dort für einige Zeit in Freiheit. Geschwächt durch
das Konzentrationslager stirbt Gerda jedoch am 31. Mai an Fleckfieber. Ihr Mann
Felix folgt ihr einige Tage später, am 9. Juni 1945 und stirbt ebenfalls an
Fleckfieber.
WIKI sagt: Als der Verlorene Zug wird der letzte von drei Zügen bezeichnet, mit denen während der Zeit des Nationalsozialismus in der Endphase des Zweiten Weltkrieges Häftlinge vom Konzentrationslager Bergen-Belsen abtransportiert wurden, als sich die britischen Truppen dem Lager näherten...
Der letzte dieser drei Züge fuhr am 13. April 1945 ab und hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die Häftlinge aus den Waggons. Etwa 200 von ihnen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 Menschen an den Nachwirkungen des Todestransports durch eine Epidemie.
Der letzte dieser drei Züge fuhr am 13. April 1945 ab und hielt schließlich nach einer Irrfahrt durch noch unbesetzte Teile Deutschlands in der Nähe der brandenburgischen Gemeinde Tröbitz auf offener Strecke an. Am 23. April 1945 fanden vorrückende Truppen der Roten Armee den Zug und befreiten die Häftlinge aus den Waggons. Etwa 200 von ihnen hatten die Fahrt nicht überlebt. In den nachfolgenden Wochen starben weitere 320 Menschen an den Nachwirkungen des Todestransports durch eine Epidemie.
Sonntag, 14. Januar 2018
Tut mir nicht weh oder ich schlag dich!
1 + 1 = 2
scheint von verführerischer Gewißheit.
Daran ist doch wirklich nicht zu rütteln, oder?
Daran ist doch wirklich nicht zu rütteln, oder?
Irgendwo zwischen dem martialischem "Was dich nicht umbringt, macht dich stark" und dem defensiv-aggressivem "Rühr mich nicht an", liegt das weite Niemandsland von gefährlichen Mißverständnissen und selbstgerechten Ungenauigkeiten.
Wenn ich zum Fasching als flotte mexikanische Braut mit Sombrero erscheinen würde, Gott schütze mich, ich hasse Fasching, aber wenn ich es täte, würde ich mich der kulturellen Aneignung (cultural appropiation) schuldig machen. Wobei Aneignung in diesem Zusammenhang eine übergriffige Handlung impliziert. Das gilt auch für Kostümierungen als Indianer (je nach Zeitpunkt: First Nation= Erste Nation, Natives - Eingeborene, Indigenous-Einheimische). Piraten und Hexen haben sich noch nicht zu Wort gemeldet. Es gilt: keine Rastalocken, wenn du nicht auf Jamaica geboren wurdest, kein Blues, wenn deine Hautfärbung eher ins blasse Spektrum neigt. Jedem nur seines. Strenge Abgrenzung, wenn alles in mir auf bereichernde Vermischung hofft.
Wenn ich Studenten auffordere, "Antigone", "Medea" oder "Hamlet" zu lesen, sollte ich sie genauestens vorwarnen, dass sie mit spezifischen für sie unangenehmen Vorgängen konfrontiert werden könnten. Damit gebe ich ihnen die Möglichkeit, der Konfrontation mit für sie traumatischen Ereignissen auszuweichen. Literatur, Poesie soll ein sicherer (safe) Raum sein, kein Ort der Auseinandersetzung, der überraschten, schockierten Erkenntnis. Der dadurch möglichen Befreiung.
ME TOO.
Eine wichtige, politisch relevante Bewegung, die Vergewaltiger bloß und gesellschaftlich mißachteten Machtmißbrauch offen legt, verschlammt, weil einige Frauen sich auf die wehrlose Opferrolle zurückziehen und ihre Möglichkeiten zur Gegenwehr und ihre Selbstinteressen ausradieren.
Ich bin nicht traumatisiert worden. Mein unverdientes Glück.
Aber eine dumme Bemerkung ist einer Vergewaltigung nicht gleichzusetzen.
Aber Machtmißbrauch ist schlimmer, als ungeschickte, hoffnungsvolle Anmache auf Augenhöhe. Wir, wir Frauen sind nicht a priori wehrlos. Die Bezeichnung Opfer ist nicht in unsere DNA eingeschrieben.
Weinstein, Wedel, Testino. Vergewaltiger? Wahrscheinlich.
Aber, nicht DER MANN ist unser Feind, sondern eine soziale Konstruktion, die es manchen, zu vielen Männern, ermöglicht ihren, ihren sadistischen, miserablen, übergriffigen Neigungen zu folgen.
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„Unsere Verpflichtung zur akademischen Freiheit bedeutet, dass wir sogenannte trigger warnings nicht unterstützen".
Universität von Chicago 2016
Trigger Warnings, Aulöse-Warnungen - sind vorausgeschickte Warnhinweise zu Lehrinhalten, die für manche Studenten problematisch sein könnten.
Mikroaggression ist ein sozialpsychologischer Begriff, der 1970 von Chester Pierce geprägt wurde, um winzige, als übergriffig wahrgenommene Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation zu beschreiben. Darunter werden kurze, alltägliche Äußerungen verstanden, die an die andere Person abwertende Botschaften senden, welche sich auf deren Gruppenzugehörigkeit beziehen.
Intersektionalität beschreibt die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person. Intersektionelle Diskriminierung liegt vor, „wenn eine Person aufgrund verschiedener zusammenwirkender Persönlichkeitsmerkmale Opfer von Diskriminierung wird."
Dazu auch: "Triple Oppression oder auch Dreifachunterdrückung ist ein Begriff für mehrfache und gleichzeitige Unterdrückung aufgrund der geschlechtlichen, ethnischen und klassenspezifischen Zugehörigkeit. Eine weitere Bezeichnung ist Race-Class-Gender-Unterdrückung."
http://www.sueddeutsche.de/kultur/risiken-der-redefreiheit-man-wird-ja-wohl-noch-sagen-duerfen-1.2634767
http://www.deutschlandfunkkultur.de/der-triggerknueppel-literatur-gefaehrdet-eventuell-ihre.1005.de.html?dram:article_id=373087
Mittwoch, 10. Januar 2018
Marillenknödel
Zutaten: Kartoffelteig und 500 Gramm Marillen, zu deutsch Aprikosen und Würfelzucker und 80 Gramm Butter und 100 Gramm Brösel.
Zubereitung: Pellkartoffeln aufsetzen und, wenn weich, durchdrücken. Ein Gelbei in die heißen Kartoffeln rühren und kalt werden lassen. Nochmals ein Gelbei hineingeben und eine Prise Salz und 250 Gramm Mehl zu einem Teig verrühren.
Eine Aprikose mit gefüllt einem Stück Würfelzucker in die Mitte des Klosses tun. in kochendes Wasser geben. Wenn der Kloss oben schwimmt, ist er fertig.
Butter und Semmelbrösel braun werden lassen und mit Zimt und Zucker über die Klösse gießen.
Zubereitung: Pellkartoffeln aufsetzen und, wenn weich, durchdrücken. Ein Gelbei in die heißen Kartoffeln rühren und kalt werden lassen. Nochmals ein Gelbei hineingeben und eine Prise Salz und 250 Gramm Mehl zu einem Teig verrühren.
Eine Aprikose mit gefüllt einem Stück Würfelzucker in die Mitte des Klosses tun. in kochendes Wasser geben. Wenn der Kloss oben schwimmt, ist er fertig.
Butter und Semmelbrösel braun werden lassen und mit Zimt und Zucker über die Klösse gießen.
Kochen und Essen
Wiki nennt ESSEN, die Tätigkeit der Nahrungsaufnahme.
Da wandele ich nun auf die sechzig hin und habe erst jetzt die Freuden des Kochens entdeckt. Besser spät, als nie, oder?
Gegessen habe ich immer schon gerne. Ja, meine Familie nannte mich, in für uns typischer rauer Zärtlichkeit, "den Mülleimer", weil auch ihre übrigbleibenden Reste in mir immer einen freundlichen Aufenthalt fanden.
Ich, der Gewinner des Ferienlagertomatenstullenfressens, der Vertilger von 12, in Worten zwölf, Marillenknödeln und frühkindlicher Liebhaber von warmem Bäckerbrot. Denn kein frischgekauftes Brot erreichte die heimatliche Küche ohne beträchtliche Nage-Verluste. Meine schlesische Nennfamilie hätte mich am liebsten adoptiert, weil ich mit sieben Jahren und geringem Körpervolumen mehr Schweinebraten und Klöße mit Sahnesauce verschlingen konnte, als ihnen menschlich möglich schien.
Meine kurze, intensive und sehr schreckliche Bekanntschaft mit mit Anorexia nervosa unterbrach meine Liebschaft, aber beendete sie, Gott sei Dank, nicht.
Die Oma aus Wien, die Tanten aus Schlesien und Sachsen-Anhalt, alle drei leidenschaftliche Köchinnen und prägende Einflüsse auf meine kindliche Gier.
Wie wunderbar wurde ich umsorgt.
Mit österreichischen Mehlspeisen und Suppen aus selbstgesammelten Pilzen, mit Sahnesaucen und Buttercremetorten, mit Zwiebelstippe und deftigen Kohlrouladen.
Meine Tante Gerda, die nie das östliche Deutschland verlassen durfte, und starb, bevor sie ihre sehnsüchtig erträumte Rheinreise antreten konnte, erfand ihr serbisches Reisfleisch, ohne Serbien je betreten zu haben. Wenn sie Pflaumenmus einkochte roch die ganze Wohnung tagelang wie ein warmer Herbsttraumtag. Ihr sonntägliches Bratbrot mit eben diesem Mus ist einer Eloge würdig, das West-Nesquick war nur wohlgelittene Zugabe.
Meine Tante Schusti, gelernte Konditorin, zauberte aus allem, was heute mißtrauisch beäugt wird, aus Butter, Sahne und Schmalz, Köstlichkeiten von Weltklasse.
Und meine Oma überredete mich alles und jedes zumindest zu probieren und erst, wenn ich den Geschmack wirklich nicht mochte, durfte ich ablehnen.
Eine verfressene Kindheit voll von kochender und backender Zuneigung.
Heute bin ich nicht mehr dürr und klein, aber immer noch eßfreudig.
Und jetzt habe ich die Möglichkeit, ein wenig dieser Zuneigung zurückzugeben.
Da wandele ich nun auf die sechzig hin und habe erst jetzt die Freuden des Kochens entdeckt. Besser spät, als nie, oder?
Gegessen habe ich immer schon gerne. Ja, meine Familie nannte mich, in für uns typischer rauer Zärtlichkeit, "den Mülleimer", weil auch ihre übrigbleibenden Reste in mir immer einen freundlichen Aufenthalt fanden.
Ich, der Gewinner des Ferienlagertomatenstullenfressens, der Vertilger von 12, in Worten zwölf, Marillenknödeln und frühkindlicher Liebhaber von warmem Bäckerbrot. Denn kein frischgekauftes Brot erreichte die heimatliche Küche ohne beträchtliche Nage-Verluste. Meine schlesische Nennfamilie hätte mich am liebsten adoptiert, weil ich mit sieben Jahren und geringem Körpervolumen mehr Schweinebraten und Klöße mit Sahnesauce verschlingen konnte, als ihnen menschlich möglich schien.
Meine kurze, intensive und sehr schreckliche Bekanntschaft mit mit Anorexia nervosa unterbrach meine Liebschaft, aber beendete sie, Gott sei Dank, nicht.
Die Oma aus Wien, die Tanten aus Schlesien und Sachsen-Anhalt, alle drei leidenschaftliche Köchinnen und prägende Einflüsse auf meine kindliche Gier.
Wie wunderbar wurde ich umsorgt.
Marillenknödel
Mit österreichischen Mehlspeisen und Suppen aus selbstgesammelten Pilzen, mit Sahnesaucen und Buttercremetorten, mit Zwiebelstippe und deftigen Kohlrouladen.
Meine Tante Gerda, die nie das östliche Deutschland verlassen durfte, und starb, bevor sie ihre sehnsüchtig erträumte Rheinreise antreten konnte, erfand ihr serbisches Reisfleisch, ohne Serbien je betreten zu haben. Wenn sie Pflaumenmus einkochte roch die ganze Wohnung tagelang wie ein warmer Herbsttraumtag. Ihr sonntägliches Bratbrot mit eben diesem Mus ist einer Eloge würdig, das West-Nesquick war nur wohlgelittene Zugabe.
Meine Tante Schusti, gelernte Konditorin, zauberte aus allem, was heute mißtrauisch beäugt wird, aus Butter, Sahne und Schmalz, Köstlichkeiten von Weltklasse.
Und meine Oma überredete mich alles und jedes zumindest zu probieren und erst, wenn ich den Geschmack wirklich nicht mochte, durfte ich ablehnen.
Eine verfressene Kindheit voll von kochender und backender Zuneigung.
Heute bin ich nicht mehr dürr und klein, aber immer noch eßfreudig.
Und jetzt habe ich die Möglichkeit, ein wenig dieser Zuneigung zurückzugeben.
Montag, 1. Januar 2018
Loving Vincent & Wonder Woman
Kontrastprogramm am Neujahrstag.
LOVING VINCENT
"Nun ja, die Wahrheit ist, dass wir nicht anders sprechen können, als mithilfe unserer Werke." V.v.G.
Die Polin Dorota Kobiela und Hugh Welchman haben einen besonderen Film gemacht. Erst haben britische Schauspieler Szenen gespielt, dann wurde das Gefilmte durch 30 Maler, die per Hand viele Tausende Frames im Stil van Goghs malten, sozusagen übermalt. Erinnertes in schwarz/weiß, die eigentliche Handlung in van Gogh - Farben.
Armand, Sohn des Briefträgers Roulin, eines anderen von van Gogh Portraitierten, ist die Hauptfigur des Films. Er schlendert mit seiner gelben Jacke durch Bilder, die ihm unzugänglich sein sollten, auf der Suche nach der dem Geheimnis um den Tod seines Malers. War es Selbstmord oder Mord? Da wandert ein Mann mit gelber Jacke durch animierte Gemälde und irgendwie stört er. Er gehört da nicht hin. Auf dieser Strasse lief niemand, auf diesem Stuhl saß keiner.
Ein insgesamt 125-köpfiges Team hat 1.400 Animationen im Stil von van Gogh erstellt, die etwa 100 seiner bekannten Meisterwerke verarbeiten, und für 80 Minuten Spielzeit 57.600 einzelnen Bildern benötigten. (Wiki)
Technisch brillant und sicher sehr geeignet junge Menschen für van Gogh zu interessieren. Aber inhaltlich völliger Blödsinn. Denn könnten wir alle die Welt sehen wie Vincent es tat, wäre er nicht einsam, unglücklich und unverkauft gestorben.
Mich hat der Film seekrank gemacht, da die starken Striche der Originalbilder sich in der filmischen Bewegung wie wellenartig bewegten.
WONDER WOMAN
Einer von hunderten Filmen des erweiterten DC-Universums. Batman, Superman, das Suicide Squad, Aqua Man, etc. und eben auch Wonder Woman. Gal Gadot ist schön und ernsthaft. Feminismus für Uninformierte. Frauen sind die guten Krieger und auch eine der Bösewichte. Immer schön, immer gut frisiert. Guten Sex kann Frau auch ohne Männer haben, aber ein richtig edler Held ist noch toller. Harmlos, niedlich.
LOVING VINCENT
"Nun ja, die Wahrheit ist, dass wir nicht anders sprechen können, als mithilfe unserer Werke." V.v.G.
Die Polin Dorota Kobiela und Hugh Welchman haben einen besonderen Film gemacht. Erst haben britische Schauspieler Szenen gespielt, dann wurde das Gefilmte durch 30 Maler, die per Hand viele Tausende Frames im Stil van Goghs malten, sozusagen übermalt. Erinnertes in schwarz/weiß, die eigentliche Handlung in van Gogh - Farben.
Bildnis des Armand Roulin 1888
Ein insgesamt 125-köpfiges Team hat 1.400 Animationen im Stil von van Gogh erstellt, die etwa 100 seiner bekannten Meisterwerke verarbeiten, und für 80 Minuten Spielzeit 57.600 einzelnen Bildern benötigten. (Wiki)
Technisch brillant und sicher sehr geeignet junge Menschen für van Gogh zu interessieren. Aber inhaltlich völliger Blödsinn. Denn könnten wir alle die Welt sehen wie Vincent es tat, wäre er nicht einsam, unglücklich und unverkauft gestorben.
Mich hat der Film seekrank gemacht, da die starken Striche der Originalbilder sich in der filmischen Bewegung wie wellenartig bewegten.
WONDER WOMAN
Einer von hunderten Filmen des erweiterten DC-Universums. Batman, Superman, das Suicide Squad, Aqua Man, etc. und eben auch Wonder Woman. Gal Gadot ist schön und ernsthaft. Feminismus für Uninformierte. Frauen sind die guten Krieger und auch eine der Bösewichte. Immer schön, immer gut frisiert. Guten Sex kann Frau auch ohne Männer haben, aber ein richtig edler Held ist noch toller. Harmlos, niedlich.
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