"Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale
Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind,
die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem
unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt
sind."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
*Das Gender-Sternchen kann gebraucht werden wie das Gender Gap. Das Sternchen wird im Computerbereich schon lange als Platzhalter
genutzt und zeigt also an, dass dort noch andere Zeichen hinkönnen. Wenn wir es hinter
die Worte "Frau", "Mann", usw. schreiben, soll es vor allem anzeigen, dass es sich um soziale Konstruktionen handelt (nicht um unveränderliche "biologische" Wahrheiten).
Im heftigen Streit um das Gedicht von Eugen Gomringer an der Fassade der
Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Berlin-Hellersdorf ist eine
Entscheidung gefallen. Der Akademische Senat der Hochschule beschloss
auf seiner Sitzung am Dienstag, dass auf der Fassade im Zuge der sowieso
anstehenden Sanierung im Herbst 2018 ein Gedicht der Lyrikerin Barbara Köhler
angebracht wird. Köhler wurde im vergangenen Jahr mit dem Alice Salomon
Poetikpreis ausgezeichnet. Alle fünf Jahre soll auf der Fassade dann
ein Werk eines anderen Salomon-Preisträgers gezeigt werden.
Tagesspiegel 23.1.2018
Alleen
Alleen und Blumen
Alleen und Blumen
Blumen
Blumen und Frauen
Blumen und Frauen
Alleen
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer.
Eugen Gomringer
Der Akademische Senat der Alice-Salomon-Hochschule hatte sich im Sommer 2016 für eine Neugestaltung der Fassade ausgesprochen, nachdem der Asta das Gedicht an diesem Platz in Frage gestellt hatte. Es reproduziere "nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind"
Tagesspiegel 23.1.2018
http://www.tlz.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Vom-Vers-zur-Konstellation-und-zurueck-1376958631
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/gromringer-gedicht--die-alice-salomon-hochschule-entscheidet-gegen-die-kunst-29546600
"Die U-Bahn-Station Hellersdorf und der Alice-Salomon-Platz sind vor allem zu späterer Stunde sehr männlich dominierte Orte, an denen Frauen* sich nicht immer wohl fühlen können. Dieses Gedicht dabei anzuschauen wirkt wie eine Farce und eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können."
...
"Unsere Forderungen stellen wir nicht nur als Frauen*, sondern vor allem auch als Studierende einer „Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch[, die] dem gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verpflichtet" (zit. nach: http://www.ash-berlin.eu/profil/leitbild/) ist."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer.
Eugen Gomringer
Der Akademische Senat der Alice-Salomon-Hochschule hatte sich im Sommer 2016 für eine Neugestaltung der Fassade ausgesprochen, nachdem der Asta das Gedicht an diesem Platz in Frage gestellt hatte. Es reproduziere "nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind"
Tagesspiegel 23.1.2018
http://www.tlz.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Vom-Vers-zur-Konstellation-und-zurueck-1376958631
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/gromringer-gedicht--die-alice-salomon-hochschule-entscheidet-gegen-die-kunst-29546600
"Die U-Bahn-Station Hellersdorf und der Alice-Salomon-Platz sind vor allem zu späterer Stunde sehr männlich dominierte Orte, an denen Frauen* sich nicht immer wohl fühlen können. Dieses Gedicht dabei anzuschauen wirkt wie eine Farce und eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können."
...
"Unsere Forderungen stellen wir nicht nur als Frauen*, sondern vor allem auch als Studierende einer „Hochschule mit emanzipatorischem Anspruch[, die] dem gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verpflichtet" (zit. nach: http://www.ash-berlin.eu/profil/leitbild/) ist."
Offener Brief: Stellungnahme zum Gedicht Eugen Gomringers
Alice Salomon bei der Eröffnungsfeier im
Pestalozzi-Fröbelhaus am 15. Oktober 1908
"In unsichtbaren Lettern steht für mich über der Tür unserer Schule, die sich heut zum ersten Mal so vielen geöffnet hat, denen sie fortan Mittelpunkt des Lebens werden soll, das Wort Carlyles: „Gesegnet, wer seine Arbeit gefunden hat!“ Das Wort enthält im Grunde alles, was ich in dieser feierlichen Stunde unseren Schülerinnen sagen kann: Zweck und Ziel unserer Schule, und all die guten Wünsche, die wir für ihre Entwicklung hegen. Zweck und Ziel der Schule. Denn diese ist entstanden und soll der Aufgabe dienen, den Mädchen und Frauen unserer Stadt, unseres Volkes Arbeit zu geben. Arbeit, das heißt nicht Beschäftigung, nicht Zeitvertreib, sondern eine Tätigkeit, die nicht nur ihre Zeit – sondern auch ihre Gedanken, ihr Interesse in Anspruch nimmt; die zunächst für einige Jahre den Inhalt ihres Lebens ausmachen soll, um den herum alles andere, was das Leben ihnen an Freuden, Genüssen, Anregungen bietet, sich nur – gleichsam wie eine schmückende Arabeske – als Beiwerk gruppiert. Arbeit, die sie nicht nur erfüllt, solange sie als Schülerinnen in diesem Hause ein- und ausgehen; sondern Arbeit, die sie mit hinausnehmen, wenn sie die Schule verlassen, als einen Teil ihres Lebens, der nicht zugrunde gehen kann, der zu ihnen gehört, der ihre Lebensauffassung und ihr
"In unsichtbaren Lettern steht für mich über der Tür unserer Schule, die sich heut zum ersten Mal so vielen geöffnet hat, denen sie fortan Mittelpunkt des Lebens werden soll, das Wort Carlyles: „Gesegnet, wer seine Arbeit gefunden hat!“ Das Wort enthält im Grunde alles, was ich in dieser feierlichen Stunde unseren Schülerinnen sagen kann: Zweck und Ziel unserer Schule, und all die guten Wünsche, die wir für ihre Entwicklung hegen. Zweck und Ziel der Schule. Denn diese ist entstanden und soll der Aufgabe dienen, den Mädchen und Frauen unserer Stadt, unseres Volkes Arbeit zu geben. Arbeit, das heißt nicht Beschäftigung, nicht Zeitvertreib, sondern eine Tätigkeit, die nicht nur ihre Zeit – sondern auch ihre Gedanken, ihr Interesse in Anspruch nimmt; die zunächst für einige Jahre den Inhalt ihres Lebens ausmachen soll, um den herum alles andere, was das Leben ihnen an Freuden, Genüssen, Anregungen bietet, sich nur – gleichsam wie eine schmückende Arabeske – als Beiwerk gruppiert. Arbeit, die sie nicht nur erfüllt, solange sie als Schülerinnen in diesem Hause ein- und ausgehen; sondern Arbeit, die sie mit hinausnehmen, wenn sie die Schule verlassen, als einen Teil ihres Lebens, der nicht zugrunde gehen kann, der zu ihnen gehört, der ihre Lebensauffassung und ihr
"Aber, nicht DER MANN ist unser Feind, sondern eine soziale Konstruktion..."
AntwortenLöschenEine soziale Konstruktion, die Frauen bewundert, wenn sie stumm und schön am Wegesrand stehen? Sprache ist nicht nur Beschreibung, sie ist auch Definition. Wer Schönheit als herausragendes Merkmal, am liebsten, aller Frauen definiert weißt ihnen einen Platz zu.
Einen Platz, der nichts mit Klugheit, Talent, Willensstärke oder Entscheidungsfreiheit zu tun hat.
Wer darin ein Kompliment liest sollte sich fragen, ob ihm dieser Platz genügt.
Frauen als stumme gesellschaftliche Verschönerungsobjekte sind keine Poesie. Sie sind ein Missverständis, das die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft.
Alleen und Blumen
Blumen
Blumen und Männer
Alleen
Alleen und Männer
Alleen und Blumen und Männer und
eine Bewunderin.
Klingt komisch? Ja. Stößt sich an der sozialen Konstruktion.
Umkehrschluss - das Gedicht stützt sich auf eine überholte und veränderungswürdige soziale Konstruktion.
Was macht man beim renovieren? Man übermalt das alte. Zeit wird's.
Nirgendwo in dem Gedicht wird Schönheit, als Grund der Bewunderung genannt, oder?
LöschenOkay.
AntwortenLöschenDeine Interpretation ist also: eine Allee, eine Menge Blumen, einige Frauen und ein Mann, der bewundert.
Was?
Die Allee? Ist er naturbegeistert und mag Blumen? Mag er Honig?
Sieht er die fremden Frauen und bewundert ihren Charakter? Ihre Kraft, ihre Talente?
Ist da sonst kein anderer Mann, dem er auch ein bisschen Bewunderung schenken könnte? Oder mag er keine Männer und ignoriert sie im Anblick?
Was denkst Du, was dieses Gedicht beschreibt?
Einen Mann, der frauen in einer baumbestandenen Allee bewundert. Bewundern hat die Bedeutung: transitiv: etwas oder jemanden als außergewöhnlich betrachten, hochschätzen. Das scheint mir, keine schlechte sache zu sein.
AntwortenLöschenBewundern ist schätzen. Stimmt. Auf welcher Basis schätzt er die Frauen der baumbestandenen Allee? Was ist es, das er schätzt an den betrachteten Frauen?
AntwortenLöschenIhre Klugheit? Hm, nicht wahrscheinlich, er betrachtet, er unterhält sich nicht, er kann das gar nicht herausfinden, schon gar nicht für alle betrachteten Frauen.
Ihre Talente, Stärken, ihren Charakter, ihre Wärme, ihre Idee, ihre Verücktheiten, ihre Macken, ihre Kreativität... alles schwer so in der Betrachtung. Was SIEHT man (Mann)?
Du bist klug, Du hast die erwiesene Begabung Gedichte in Form und Inhalt bis ins Detail zu erfassen.
AntwortenLöschenUnd jetzt setzt Du diese Begabung aus - nur um zu verleugnen, dass dieses Gedicht sich allein auf das Äußere der Frauen bezieht und auch dort nur auf ihre Schönheit?
Warum? Warum denn bloß?
Warum willst Du dass dieses Gedicht nicht ist, was es ist und deshalb zu recht in der Kritik steht?
Jedenfalls... der Autor selbst weiß Deine Bemühungen nicht zu schätzen und fällt Dir in den schützenden Rücken.
https://www.srf.ch/kultur/literatur/streit-um-sechs-worte-eugen-gomringer-aeussert-sich-zu-den-sexismus-vorwuerfen
Zitat:
"Zum Zeitpunkt als ich das Gedicht schrieb, 1951, war ich also ein richtig kräftiger, junger Schweizer."
Der nennt sich selbst übrigens nicht schön oder hübsch. Männer sind kräftig und stark.
Zitat:
"Ich bin heute spazieren gegangen, in dieser sehr schönen Stadt. Und was habe ich gesehen?
Eine wunderbare Allee, mit sehr vielen Blumen und sehr schönen Frauen. Da habe ich gedacht: Das ist nun eine ähnliche Situation wie damals – und diese wiederholt sich immer und immer wieder."
Die Schönheit der Frauen IST der Grund für die Bewunderung. Weil das ist, was Frauen ausmacht, wofür man sie bewundernd betrachtet.
Ja, gut, die dicken und hässlichen nicht. Die entstellten nicht. Die alten nicht... Blumen welken halt.
Also weibliche Blumen... nicht die männlichen, die werden interessanter. Deswegen werden die Ehefrauen in Hollywood ja auch 20 Jahre jünger besetzt.
Du kritisierst eine soziale Konstruktion, die starken Frauen im Weg steht? Du liest sie in diesem Gedicht.
Siehst Du nicht wo das überall 'drinsteckt, in wie vielen Details des Alltags?
http://www.bento.de/politik/ricarda-lang-gruene-jugend-habe-keinen-bock-mehr-auf-beleidigungen-2039976/
Eine soziale Konstruktion versagt, wenn die vornehmliche Begabung einer gesellschaftlichen Hälfte in Anmut und Schönheit gesehen wird... während die andere auch dickbäuchig als kompetent, kahlköpfig aber willensstark betrachtet wird.
Dieses Gedicht ist kein Kompliment. Es repräsentiert eine zu behebende Fehlkonstruktion.
Und bitte, wende nicht ein, dass Frauen sich zum Opfer machen, wenn ihnen das auffällt. Das hat nichts mit Opferstatus zu tun, sondern schlicht mit Gerechtigkeit.
Eva-Maria Otte schrieb:
AntwortenLöschenLiebe Silvia, Du stellst hier einen totalen Anspruch an ein Gedicht. Ein
Gedicht, auch ein bildnerisches Werk, Kunst überhaupt, kann, will, muss
doch keine totale Betrachtung sämtlicher sozialen Umstände erfassen.
Sollten die öffentlichen Bibliotheken nun Verse in Lyrikbänden
schwärzen, weil jemand sich dran stören könnte? Und was ist mit den
Akten (denk nur an die der Antike von Frauen, Männern, Hermaphroditen),
die die Schönheit menschlicher Körper preisen? Im öffentlichen Raum
verhüllen oder ab ins Archiv oder gleich wegschmeißen?
Liebe Ötti, der Punkt ist nicht, dass keine Schönheit verehrt werden soll. Menschen machen das. Sollen sie. Du sagst, ich soll an die Antike denken und schreibst Frauen, Männer, Hermaphroditen... das ist umfassend. Damit sind so ziemlich alle Menschen beschrieben.
AntwortenLöschenIn diesem Gedicht ist das anders.
Es teilt sehr genau zwischen den Geschlechtern. Und es weist die Schönheit sehr deutlich einem davon zu.
Daqs "schöne Geschlecht" - so nennt man Frauen ja auch. Auch ein Kompliment? Nein. Denn Männer nennt man das "starke Geschlecht".
Und es geht hier nicht mal um innere Schönheit... wo man noch unterstellen könnte: okay, er kann auch den Charakter oder Eigenschaften gemeint haben. Nein, Frauen sind in diesem Gedicht eine optische Zierde, gleich der Blumen. Sie sind da, damit ein Mann sich bewundernd an ihnen erfreuen kann... so wie man Blumen auch in eine Vase tut. Deswegen gibt's Blumengeschäfte. Deswegen gibt's aber auch Dresscodes wie jetzt neuerdings im weißen Haus... kleiden Sie sich weiblich. Oder in Cannes... tragen Sie Absätze. Oder beim Beachvolleyball... der Slip darf an der Seite nicht breiter als 10cm sein... die Männer können Schlabberhosen tragen.
Das Gedicht wurde 1951 geschrieben...damals durften verheiratete Frauen nur arbeiten, wenn dies mit den Interessen der Familie und des Ehemannes vereinbar war, er durfte ihr Arbeitsverhältnis gegen ihren Willen kündigen und Vergewaltigung in der Ehe war noch sehr legal.
Dieses Gedicht repräsentiert ein Frauenbild, das Generationen von Frauen seitdem versucht haben zu ändern. Kunst reflektiert Zeit. Das ist ihre Stärke, aber Zeiten ändern sich.
Die Amerikaner haben gerade eine Riesendiskussion am laufen über Denkmäler von Sklavenhaltern in ihren Citys. Manche wollen sie ersetzen, manche wollen sie erhalten... weil ist doch Kunst.
Ich habe dazu eine klare Meinung.
Wenn Kunst etwas repräsentiert von dem die Gesellschaft angetreten ist es zu ändern, sich davon wegzuentwickeln... weil es veraltet und nicht gut ist - dann gehört diese Kunst in ein Museum, aber nicht mehr in die öffentlichen Plätze im Herzen unserer Städte.
Denn damit unterschreibt man die Aussage und sagt: das sind wir, so sehen wir das. Und das ist der Unterschied zwischen dieser Hauswand und einem Lyrikband.
Die Vergesellschaftung und Reduktion von Frauen mit und auf die Schönheit von Blumen unter den entzückten Augen eines Mannes ist und sollte weit mehr Geschichte sein, überkommen werden.
Gebt der Wand zeitgemäße Wortkunst. Vielleicht eine, die den Menschen feiert, geschlechtslos. Die Welt von heute spiegelt. Kritisiert, inspiriert, egal. Aber dieses Gedicht steht zu Recht in seiner Kritik.
Und nur um Missverständnissen vorzubeugen... ich mag seine Arbeit. Ich kannte sie vor dieser Auseinandersetzung nicht und habe gegoogelt. Sprache hat für mich eh ein optisches Muster, was er macht gefällt mir sehr.
AntwortenLöschenDer Inhalt dieses Gedichts ganz und gar nicht, aber wie gesagt 1951.
2013 hat er das gemacht:
https://i1.wp.com/www.aircube.at/wp-content/uploads/2015/01/DSC3678_bearbeitet-1.jpg
Würde ich gerne an einer Hauswand sehen.
Den eigentlichen Bock hat die Hochschule geschossen. DIESES Gedicht 2011 auf die Wand zu pinseln war eine vollkommen unreflektierte Aktion und schon damals daneben. Es ist bezeichnend und hoffnungsvoll, dass jetzt Widerstand geäußert wird... verspätet, aber vielleicht auch im Zuge neuer gesellschaftlicher Entwicklungen.
Was bedeutet diese Stille?
AntwortenLöschenIch kann mich nicht mit Dir nicht mehr unterhalten, weil Du mir nicht zuhören magst oder wir Sprachen sprechen, zwischen denen mir keine verständliche Übersetzung möglich scheint. Viele werden Dir zustimmen, ich nicht.
AntwortenLöschenEin Frauen bewundernder Mann stellt für mich keine Bedrohung dar, auch keine männerbewundernde Frau oder jedwede mögliche erotische Konstellation von Wertschätzung. Ein Mann ist stark, ein anderer nicht. Manche Frau ist es, aber nicht alle. Dein Schwarz-Weiß erschöpft und deprimiert mich. Dieses Gedicht ist ein Gedicht, ist ein Gedicht. Kein Manifest, keine Aufforderung zur Gewalt. Die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft sind schief und krank, aber dafür kann ich nicht dieses Gedicht verantwortlich machen.
Solltest Du einmal wieder mit mir reden wollen, anstatt auf mich hernieder, ich würde mich freuen.
Der Unterschied zwischen unseren Sprachen ist recht einfach zu übersetzen.
AntwortenLöschenWir sind einer Meinung über viele Missstände. Wir sind nicht einer Meinung über ihre Grundlage. Du sagst... bis hierhin ist es okay. Ich finde, dass die Missstände sich weiter zurückverästeln.
Deine Perspektive ist für mich irritierend, weil... lass uns eine Metapher nehmen.
Ein Fluss.
Wir sind uns einig, dass er ab einer gewissen Stromesbreite Mist heranschwemmt. Aber Du sagst, tastet das Flüsschen vorher nicht an, da ist noch alles in Ordnung.
Ich sage, nee, das Flüsschen führt zum Strom und damit zu Missständen... also lasst uns nach der Quelle sehen und schauen, was möglich ist, wenn man das Wasser abgräbt, bevor es mistige Konsequenzen verursacht.
Unsere Gesellschaft entwickelt ein feinmaschigeres Bewusstsein und ein neues Frauenbild. Es ist kein Zufall, dass 2017 dreimal so viele Vergewaltigungen in der Bundeswehr gemeldet wurden wie im Jahr zuvor. Es sind nicht mehr geworden, sie werden nur gemeldet. Es ist kein Zufall, dass Dieter Wedel sich jetzt verantworten muss und deutsche Fernsehsender ihre Produktionsbedingungen recherchieren.
Die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft beginnen mit Geschlechterstereotypen, beginnen mit der unterschiedlichen Wahrnehmung und Rollenzuteilung von Männern und Frauen.
Dieses Gedicht ist keine Aufforderung zu Gewalt, habe ich auch nie gesagt. Es ist auch nicht verantwortlich die Machtverhältnisse.
Aber es repräsentiert ein veraltetes unvollständiges, einseitiges Frauenbild - das sehr wohl für die Machtverhältnisse mitverantwortlich ist. Ud das disqualifiziert es dafür 2018 an einer Hauswand zu prangen als sei es eine Wahrheit, die von unserer Gesellschaft unterschrieben wird.
Denn genau das ändert sich gerade und soll sich auch ändern.
Warum Du findest, dass ich auf Dich herniederrede... keine Ahnung. Ich lege meine Gedanken dar, habe ich hier immer gemacht. Ich weiß nicht, warum sie in Deinen Augen zu Predigten werden, sobald sie den Deinen widersprechen. Sie werden so von mir jedenfalls nicht verfasst, zumindest das kann ich sicher sagen.
Ich bin kein Sternchenmann. Ich empfinde mein Mannsein vielmehr als existentiell und verstörend. Schon immer – zumindestens seit der Pubertät – war ich sexuell auf Frauen fixiert. Allerdings auf eine softe Art, also nicht als Macho. Ich konnte nicht anders: Frauen faszinierten und irritierten mich seit der Pubertät, und ich empfand mich als Mann ihnen gegenüber als minderwertig. Ich konnte das nicht kompensieren. Also wurde ich ein Softi. Später ging ich damit dann offensiver um und bezeichnete mich selbst als ‚Feminist‘.
LöschenIch begann meine heterosexuelle Karriere als Bewunderer von Frauen. Dabei war für mich die Heterosexualität – von einer anderen Sexualität kann ich nicht reden, weil ich Sexualität nicht anders empfinden kann – immer im höchsten Maße rätselhaft, biologisch wie kulturell. Biologisch: wieso können so göttergleiche Wesen wie Frauen auf etwas so Banalem wie Männer stehen? Kulturell: wieso finden sich so viele Frauen mit ihrer von ‚uns‘ Männern aufgezwungenen gesellschaftlichen Rolle ab?
Ansonsten sind meine Erfahrungen im Umgang mit Frauen ziemlich gemischt. Aber einige dieser Erfahrungen sind ganz in Ordnung und mit ihnen kann ich ganz gut leben.
‚Gemischt‘: das ist überhaupt eine Erfahrung, die ich mit mir selbst und mit meinen Mitmenschen, ob Männer oder Frauen, immer gemacht habe. Und ich habe das schließlich akzeptiert. Nicht einfach so schulterzuckend, sondern als eine Seinsweise des Menschen. Es gibt keine ganz guten Menschen – außer in ganz ganz seltenen Ausnahmefällen (und selbst Ausnahmemenschen würden sich selbst oft genug ganz anders sehen) –, und es gibt kaum ganz schlechte bzw. durch und durch ‚böse‘ Menschen (obwohl es davon sicher mehr gibt als vom Gegenteil).
Ich habe deshalb Probleme mit Begriffen vom Schaffen eines „Reinraums“, wovon Sie an anderer Stelle in diesem Blog schon mal gesprochen hatten. Ich habe ein Problem mit der Redeweise von Flüssen, die an ihrer Quelle ausgetrocknet werden müssen, weil sie voller Mist sind. Das ist Ausmerzungsrethorik. Dazu paßt folgendes: Man kann in diesen Monaten hin und wieder von Vertreterinnen* der Metoo-Bewegung lesen und hören, daß sie nichts gegen Männer hätten. Fehlt nur noch der Zusatz, daß – im Gegenteil – einige ihrer besten Freunde Männer seien.
Es gibt nicht "die Frauen" und es gibt nicht "die Männer". In Wahrheit sind alle vielfältiger, verschiedener, einzigartiger und ihre eigene Mixtur.
AntwortenLöschenWas es aber sehr wohl gibt sind gesellschaftliche Stereotypen darüber was Männer und Frauen sind. Und die bügeln über diese Vielfalt hinweg.
Das schöne Geschlecht und das starke Geschlecht. Wenn ein Mann sich durchsetzt beweist er Stärke. Wenn eine Frau die gleichen Mittel wählt ist sie zickig oder ein "Mannweib". Wissen Sie, wieviele Sportarten Frauen zunächst verboten wurden, weil sie "unweiblich" seien?
Kleines Beispiel einer langen Historie:
"Doch als die Läuferinnen keuchend in den Innenkreis des Amsterdamer Stadions taumelten, gaben sich die Medien entsetzt über diese weibliche „Zurschaustellung von Erschöpfung“. Der britische Sportjournalist und mehrfache Olympiasieger Harold Abrahams nannte die Läuferinnen „eine Schande für die Weiblichkeit“ und eine „Gefahr für alle Frauen“. Er forderte, die Langstrecken-Wettkämpfe für Frauen wieder zu verbieten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) stimmte ihm zu. Erst 32 Jahre später, bei der Olympiade 1960 in Rom durften 800-Meter-Läuferinnen wieder antreten."
Es gibt einen Unterschied zwischen der persönlichen Verehrung der Schönheit von Frauen und der gesellschaftlichen Einordnung als das "schöne Geschlecht".
Das eine ist Anziehung, das andere ist eine Platzanweisung.
Deswegen ist ihre Huldigung an schöne Frauen nicht damit vergleichbar was dieses Gedicht an einer Hauswand tut.
Und wenn die Reinraum-Metapher Ihnen missfällt, dann formuliere ich anders. Das Ziel muss eine Gesellschaft sein, die alle Eigenschaften bei beiden Geschlechtern für möglich und richtig hält. Keine, die bestimmte Eigenschaften einem Geschlecht zuordnet.
Alle können alles können... wenn sie es können.
Dieses Gedicht repräsentiert übrigens nicht nur ein sehr veraltetes Frauenbild... es ist auch Männern gegenüber exklusiv. Es ist zu spezifisch geschrieben um 2018 noch eine Aussage darzustellen, die modern genug gefasst ist um eine Berechtigung zu haben. Es ist auf vielen Ebenen ärgerlich beschränkend.
Wie ich hier angeführt habe - der Autor selbst hat viel universellere Gedichte über's Menschsein verfasst, modernere Blickwinkel.
Was das ausmerzen anbelangt. Gleichheit ist ein sehr einfach definierter Zustand. Er bedeutet, dass niemand aufgrund seines Geschlechtes, seiner Hautfarbe oder seiner Herkunft gesellschaftlich vorgeprägt verstanden wird. Weder Frauen noch Männer sollten einer gesellschaftlichen Betrachtung unterworfen sein, die "alle" einschließt und ihnen aufgrund dessen etwas vorgibt zu sein, zu erfüllen.
Auszumerzen, was diesen Zustand der Gleichheit behindert, sehe ich nicht als einen Verlust. Es ist ein Gewinn für jeden einzelnen Menschen aus dem die Gesellschaft besteht.
Warum halten Sie es für unrealistisch, dass Frauen, die die Metoo-Bewegung unterstützen nichts gegen Männer haben?
Männer - das umschließt alle. Niemand, der bei Trost ist kann vom Verhalten mancher auf alle schließen. Es geht um ein sehr spezifisches Verhalten von Männern und niemand behauptet ernsthaft, dass alle Männer sich so verhalten.
Übrigens... gerade heute gelesen... Mehrere Männer bei BBC nehmen freiwillig weniger Lohn in Kauf. Damit wollen sie ein Zeichen gegen die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männer setzen.
Das ist fantastisch, das ist deutlich.
Und wer Fragen über die Fallstricke von Gleichheit hat, dem empfehle ich die Rede einer ungewöhnlich nervösen Emma Watson als sie vor der UN eine Kampagne vorstellte die HeForShe heisst. Ich würde die Rede wörtlich unterschreiben.
https://www.youtube.com/watch?v=gkjW9PZBRfk
„Warum halten Sie es für unrealistisch, dass Frauen, die die Metoo-Bewegung unterstützen nichts gegen Männer haben?“ – Das ist ein Mißverständnis. Ich meinte nicht, daß ich den Vertreterinnen der Metoo-Bewegung nicht glaube, wenn sie behaupten, nichts gegen Männer zu haben. Mir geht es nur um eine bestimmte Redeweise, die häufig dort auftaucht, wo sich Gruppen formieren und gleichzeitig Ideologiefreiheit für die eigene Position in Anspruch genommen wird.
LöschenMir geht es vor allem um den konkreten Umgang zwischen Menschen, der immer von gemischten Motivlagen bestimmt sein wird. Hier einen „Reinraum“ schaffen zu wollen, beinhaltet die Gefahr, die Menschlichkeit im Namen eines Prinzips abzuschaffen. Was Menschen miteinander tun, sollte von der Augenhöhe der Beteiligten abhängen und nicht von Prinzipien. Wir haben es hier auch mit einem Erprobungsraum zu tun, in dem in jeder Generation neu heranwachsende Individuen ihre Individualität neu entdecken. Da gibt es keinen gradlinigen Fortschritt. Da wäre es schon schön, wenn man nach und nach von einer Anhebung des humanen Niveaus sprechen könnte. Aber schon das zu erwarten, erscheint mir inzwischen fast als naiv.
Aber eins scheint mir gewiß zu sein: eine Reinheit des Prinzips wird sich, wenn es sich überhaupt praktisch umsetzen läßt, der von Ihnen angesprochen Vielfalt mehr schaden als nutzen.
Die "Anhebung des humanen Niveaus" macht gerade einen Schritt vorwärts... wenn man so will. Und es wird Schritt und Rückschritt geben und wieder einen Schritt. Das ist wo wir sind.
AntwortenLöschenWo ich unsere Gesellschaft gerne ankommen sehen würde aber schafft doch nicht die Menschlichkeit ab - sondern im Gegenteil. Respekt und Freiheiten sind die Konsequenz davon.
Ich meine, das hier...
https://twitter.com/melaphelia/status/919877012273147904
...diese Sammlung ist nicht einmal ein Bereich der meistens vor Gericht landet. Aber das ist unsere Gesellschaft gerade. Was daran denn menschlicher als an dem Gedanken, den ich ausgeführt habe?
Ihr Link mit der Zusammenfassung von Metoo-Inhalten macht nochmal die Problematik in der Diskussion deutlich. Es gibt zwei Ebenen: die Ebene der Mißbrauchsopfer und die Ebene der Schlußfolgerungen hinsichtlich einer notwendigen Gesellschaftsreform. An bestimmten Punkten in der Debatte schneiden ‚die‘ oder auch viele Metoo-Vertreterinnen die Argumentation ab und verweisen auf die Mißbrauchsopfer, so als wäre damit alles geklärt und wer dennoch weiter Zweifel an der Richtung dieser Gesellschaftsreform äußert, steht nun unter Verdacht.
LöschenDiese intermittierenden Verweise auf die Mißbrauchsopfer sind keine Argumente. Die Empörung über die Übergriffe ist allgemein und kaum einer wird diese Empörung verweigern wollen. Auch ich bin empört. Aber ich habe Zweifel an den angemeldeten gesellschaftsreformerischen Konsequenzen. Diese Zweifel werden durch den Tatbestand der Übergriffe nicht aus der Welt geschafft. Der argumentative Kurzschluß zwischen Mißbrauch und Gesellschaftsreform verhindert jede Differenzierung, was die Richtung dieser Gesellschaftsreform betrifft.
Ich empöre mich übrigens oft und gerne, und immer konkret, am Einzelfall. Und zugleich mache ich dabei die Erfahrung, daß mit der Empörung mein Verstand verloren geht.
Liebe Silvia, Respekt? Genau an dem mangelt es Deiner momentanen Argumentation. Landschaften ohne Flüsschen, damit es keine verdreckten Flüsse gibt?
AntwortenLöschenDu machst keinerlei Unterschiede mehr zwischen menschlichem Begehren und gewalttätiger Übergriffigkeit. Wenn ich gern bewundert werden möchte, ist das mein Recht.
Einmal eine starre, ideoligisierte Gesellschaft zu durchleben, reicht mir. Du willst mich konform. Niemals wieder gebe ich dazu meine Einwilligung. Du predigst erfolglos.
Ich predige schon wieder... ich lege meine Gedanken dar und es predigen zu nennen ist jetzt auch nicht unbedingt respektvoll.
AntwortenLöschenHast Du gelesen, was Ashley Winkler da an Begebenheiten auf Twitter gesammelt hat? Nennst Du das menschliches Begehren? Nennst Du so ein Verhalten "belebte Gesellschaft".
Es geht nicht um Dein Recht auf Bewunderung. Wo in diesem gesammelten Verhalten ist denn überhaupt Bewunderung??? Bewunderung inkludiert Respekt. Bewunderung findet auf Augenhöhe statt oder sogar im aufschauen. Was Du retten willst steht doch gar nicht in Frage.
Niemand hier stellt in Frage, dass es all die mißbräuchlichen Verhaltensweisen, die du und die zitierte Twitterseite benennst, gibt. Du hörst nicht zu, Du willst nur Recht haben unter Ausschluß der Gegenbeispiele. Sowohl Als Auch ist ein Denkkonzept, dass Du mir verweigerst.
AntwortenLöschenSei froh, dass Du mit mir "streitest" und nicht mit meinen Freunden, die in der DDR im Gefängnis gesessen haben, wegen ähnlich absolutistischer und jedwedes Gegenargument ausschließender Argumentation.
Um es ganz hart zu formulieren, Du redest, und das ist jetzt absichtsvoll respektlos, Quatsch, gefährlichen Quatsch.
Respekt (lateinisch respectus „Zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung“, auch respecto „zurücksehen, berücksichtigen“) bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen (Respektsperson) oder einer Institution.
Was sind den die Gegenargumente?
AntwortenLöschenDu sagst Schönheit wird im Gedicht nicht als Bewunderungsgrund genannt - und weißt es besser.
Ötti fragt, ob antike Statuen verhüllt werden sollten? Natürlich nicht. Die haben damals alle ausgezogen und allen gehuldigt.
Es ist Kunst? Wieviel Kunst des Nationalsozialismus steht noch auf öffentlichen Plätzen - als ob Kunst unveränderlich vor Ort bleiben müsste, wenn die Gesellschaft sich ändert.
Du willst das Recht auf Bewunderung behalten? Du verlierst es doch nicht nur weil die Gesellschaft lernt zu lassen, was Metoo kritisiert.
Was sind denn die Argumente, die ich nicht berücksichtige?
Der Kern ist doch, dass das Gedicht ein altertümliches Frauenbild in sich trägt, weil es Frauen auf äußerliche Schönheit reduziert, nicht eine, nicht manche... nein... Frauen. Das ist problematisch - aus Gründen, für die ich Belege geliefert habe. Gesellschaftlichen Gründen, die Konsequenzen haben, die gerade versucht werden zu überkommen. Und das macht Sinn.
Das greift doch Deine Bewunderungswürdigkeit durch jemanden nicht an...
Metoo und das wehren gegen Geschlechterklischees gleichzusetzen mit einem Unrechtsregime ist ein starkes Stück. Denn es geht ja im Gegenteil genau um Gerechtigkeit durch Gleichstellung. Allein der Gedanke ist hanebüchen konstruiert.
Die Quelle eines Flusses stilllegen erzeugt eine Wüste. Wenn der Fluss vergiftet ist, mit sich trägt, was er nicht mit sich tragen soll, zu schauen, wo er vergiftet wird, wo Schadstoffe ihm zugeführt werden - wird ihn heilen. Ein Fluss ist Leben. Wasser ist Leben. Die Quelle still legen, heißt, Leben vernichten, und zwar von Grund auf. Sonja Hilberger
AntwortenLöschenVielfalt erfordert, Widersprüche auszuhalten. Widersprüche aushalten heisst, auszuhalten, daß sich gegenseitig ausschliessende Wahrheiten, Gegebenheiten gleichzeitig existieren. Das ist Leben.
„Die Tyrannei des Zwangsläufigen Schlußfolgerns, die unser Verstand jederzeit über uns selbst loslassen kann, ist der innere Zwang, mit dem wir uns selbst in den äußeren Zwang des Terrors einschalten und uns an ihn gleichschalten. Das einzige Gegenprinzip gegen diesen Zwang und gegen die Angst, sich selbst im Widersprechen zu verlieren, liegt in der menschlichen Spontaneität, in unserer Fähigkeit, „eine Reihe von vorne anfangen“ zu können. Alle Freiheit liegt in diesem Anfangen können beschlossen. Über den Anfang hat keine zwangsläufige Argumentation je Gewalt, weil er aus keiner logischen Kette je ableitbar ist, ja, von allem deduzierenden Denken immer schon vorausgesetzt werden muß, um das Zwangsläufige zum Funktionieren zu bringen. Darum beruht die Argumentation des „Wer A gesagt hat, muß auch B sagen“ auf der rücksichtslosen Ausschaltung aller Erfahrungen und alles Denkens, das von sich aus irgendwo von neuem zu erfahren und zu denken anhebt. „ Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft, 1951
Hinzufügen, eigene Wahrheit, eigene Perspektive, ist Leben. Die Negierung ist Vernichtung. Übermalen von Poesie, Denkmäler zu zerstören, abzubauen, ist Vernichtung. Geschichte zu zensieren führt nicht dazu, daß es sie nicht gegeben hat. Sie neu zu schreiben, ihr etwas hinzuzufügen, wird lebendig sein, weil sie bereichert wird. Mit Neuem. Vergangenes zu negieren macht es nicht Ungeschehen. Es verhindert , daß wir begreifen, woher wir kommen. Auslöschen werden wir die Geschichte nicht. Wir werden sie nur nicht mehr verstehen. Dem Gedicht die Version in der umgekehrten Variante hinzuzufügen, wäre ein Weg gewesen, das begreifbar zu machen. Eigene Gedichte zu schreiben wird ein Weg sein. Auslöschen und Übermalen wird nichts ändern. Ändern tut nur, was wir leben. Jeder Mensch.
Wenn meine Tochter mich fragt, warum sind alle berühmten Maler Männer, wo doch viel mehr Mädchen viel besser zeichnen und malen - dann hat sich zum Einen etwas geändert - und zum Anderen ist es eine Frage an die Geschichte. Ich kann keine Maler hinzufügen in der Vergangenheit.
Wenn ich die Geschichte auslösche, mache ich unkenntlich, woher wir kommen. Ich verneble, verwische, negiere den Weg, den wir zurück gelegt haben. Wenn ich sie übermale, tue ich all denen Unrecht, die erkämpft haben, was wir heute haben.
Den Fluss zu heilen, darauf lasse ich mich ein. Auch das bedingt aber zur Quelle seiner Vergiftung vorzudringen. Und das bedeutet nachzusehen, wo Geschlechterklischees herkommen und wo sie bereits greifen und ein schiefes Machtgefüge schaffen - bevor die Strafwürdigkeit einer Handlung erreicht wird.
AntwortenLöschenEs bedeutet nach dem alltäglichen Ungleichgewicht zu schauen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Es bedeutet u.a. auch zu hinterfragen: was schreiben wir da eigentlich für Botschaften an unsere Häuser?
Geschichte kann nicht ausgelöscht werden - und soll es auch nicht. Vergisst man sie, wiederholt man ihre Fehler.
Aber die Gegenwart legt unsere Zukunft fest. Was wir heute als gültig nicht hinterfragen geben wir als Grundlage an zukünftige Entwicklungen. Was wir heute schon durch besseres ersetzen müssen kommende Generationen nicht als Unrecht bekämpfen.
Sonja Hilberger
AntwortenLöschenhttps://pinkstinks.de/sexismus-in-der-werbung/
In der Definition von "Pinkstinks" zu Sexismus in der Werbung wird die Grenze anders gezogen. Eine Frau wird zum Objekt, wenn ihr Körper benutzt wird, etwas zu bewerben, was mit diesem Körper nichts zu tun hat. Das verstehe ich.
Wenn die Studenten der Hochschule sich stören an dem Gedicht und den Weg gehen, den ihnen die demokratische Gesellschaft gibt, nämlich im Asta einen Antrag zu stellen, es zu übermalen - gut. Daß daraus eine Diskussion entsteht - noch besser. Viele Menschen in Berlin und anderswo bedauern, daß es übermalt wird. Das ist kein Argument es zu lassen. Aber diese Menschen erfahren einen Verlust. Erstaunlich, wieviele Menschen das so empfinden, die das Gedicht an der Wand möglicherweise nie gesehen habe. Es steht ja nicht am Potsdamer Platz. Es hat eine Kraft. Eine poetische Kraft. Die offenbar als etwas Schönes empfunden wird. Es ist entwirft ein Bild, das, in Berlin an einer Häuserwand, einen Gegensatz darstellt zu unserem Leben. Weil es keine Allen mehr gibt auf denen geschlendert wird. Auch das beinhaltet es. Es ist vieles mehr als die Reduktion auf den Bewunderer und die Frauen.
Sexistische Werbung zu verbieten, finde ich richtig. Sie überschreitet eine Grenze. Die Grenze der Würde. Das tut dieses Gedicht nicht.
https://threadreaderapp.com/thread/934862938434932737.html
AntwortenLöschenWeil sowas von sowas kommt... und es kommt auch dann noch dorther wenn das zugrundeliegende Frauenbild würdevoll entworfen wird.
Der in diesem Thread beschriebene respektlose Umgang mit Frauen ist zu benennen und zu ächten. Wenn alles verboten und negiert wird - "weil sowas von sowas kommt", was dazu führen kann - wird es totalitär. Die Zwangsläufigkeit der Argumentation führt in eine totalitäre Ideologie. Jede zwangsläufige, auf reiner Logik gegründete Argumentation tut das. Wenn ihr Ursprung eine Weltanschauung oder eine Theorie über das Menschsein ist.
AntwortenLöschenSonja Hilberger
Das Gedicht wird nicht verboten oder verleugnet. Du hast selbst geschrieben... es ist in einem demokratischen Prozess als unzeitgemäß benannt worden. Ich stimme dem Ergebnis dieser Entwicklung zu - und verknüpfe den Grund meiner Zustimmung mit dem Thread um einen größeren gesellschaftlichen Bogen zu schlagen.
AntwortenLöschenDas Gedicht bekommt eine Gedenktafel, dies ist dem Autoren zugesagt worden... um an diesen Prozess der Entscheidungsfindung zu erinnern und den Diskurs fortzuführen und wird durch andere Kunst ersetzt werden.
Ich kann darin keine totalitäre Ideologie erkennen.
Ich meine nicht den Vorgang an sich. Das habe ich sehr genau auseinandergehalten. Den Vorgang zu verstehen und als annehmbar zu formulieren hilft dieser Beitrag sehr viel mehr:
AntwortenLöschenhttps://www.ash-berlin.eu/fileadmin/Daten/Gemeinschaftsordner/Downloads_Pressestelle/Esther_Dischereit_zur_Fassadendebatte_23_01_2018.pdf
Sonja Hilberger
Sonja Hilberger
AntwortenLöschenIn Anbetracht der Biografie von Alice Salomon, die zu Zeiten Bildung und Ausbildung von Frauen ermöglicht hat, als das noch überhaupt nicht gesellschaftlich selbstverständlich sondern die große Ausnahme war ist es um so angemessener, genau hinzuschauen, was da an der Fassade der Hochschule steht, die sie selber gegründet hat. Der Entscheidungsprozess war ein demokratischer Weg, bei dem sich alle die Mühe gemacht haben, eine Diskussion zu führen in der jeder offen für gegenseitige Argumente bleibt.
Okay... also meinst mit "alles verboten" als totalitär nicht die Frage der Gedichtsübermalung, nicht das Verhalten im von mir angeführten Threads... sondern wenn die Gesellschaft alles verbieten will?
AntwortenLöschenSollte das stimmen... was wird denn verboten, was erlaubt sein sollte?
Das ist übrigens mein generelles Verständnisproblem... wogegen wendet sich Metoo, was geschützt werden müsste vor diesem "Zugriff"?
AntwortenLöschenWas müsste Eurer Meinung nach erhalten werden, bewahrt werden vor einem "totalitären" Denken?
Wo machen sich Frauen zum Opfer?
Wo wendet sich dieses neue feinmaschigere Bewusstsein gegen etwas, das beschützt werden müsste?
Was wollt Ihr denn behalten?
Sonja Hilberger
AntwortenLöschen"Und das bedeutet nachzusehen, wo Geschlechterklischees herkommen und wo sie bereits greifen und ein schiefes Machtgefüge schaffen - bevor die Strafwürdigkeit einer Handlung erreicht wird."
Das gehe ich mit. Das ist gut. Nachsehen. Ans Licht bringen. In Frage stellen. Alles gut. Eine Diskussion, in der sich gegenseitig zugehört wird. Eine Veränderung ist, denke ich, besser zu erreichen im Dialog. Der beinhaltet, die jeweils andere Position erst mal nachzuvollziehen. In diesem Fall - zum Einen die wahr genommene Schönheit des Gedichts an sich zu respektieren, zum anderen den Anspruch auf Freiheit der Kunst.
Es klang pauschal - Deine Argumentation. Daß alles was dazu führen kann, was sich ändern soll - alles, was für ein veraltetes Bild steht - ausgelöscht werden sollte aus dem öffentlichen Bild. Das halte ich für falsch und totalitär. Ich höre dieser Debatte interessiert zu und entwickle Haltungen und Positionen. Alte verkrustete Strukturen zu verändern geht mit dem Hammer (oder Pinsel) oder / und mit Einsicht. Diese Einsicht erreiche ich nur, wenn ich nicht gegen Menschen rede, sondern mit ihnen. Logik, auch eine zwingende, führt nicht unbedingt dazu. Wenn 80 - 90 % Prozent der Menschen in diesen Strukturen leben und ein großer Teil sie gar nicht so fundamental ändern will, wie es die "Gender" Argumentation denkt und fordert - braucht es Geduld. Es ist nicht für jeden unbedingt ein Kausalzusammenhang zu erkennen zwischen den im Thread geschilderten Verhalten und dem Gedicht. Darum denke ich stößt es auf Unverständnis, das zu übermalen. Poesie zu übermalen ist ein harter Vorgang. Im Neusprech heisst das glaube ich - sowas muss man kommunizieren. Es gehört zum Zusammenhang, an welcher Hauswand das steht. Was das für eine Hofschule ist. Wer Alice Salomon war. Es ist nicht einfach eine Wand.
Ich kann nur für mich sprechen. Ich erkenne in der Debatte viel Sichtbar-Machen und gehört- werden - was ich unbedingt begrüßenswert finde. Vor allem in Deutschland wird viel mehr über die Debatte diskutiert, bevor sie überhaupt statt gefunden hat. So mein Eindruck. Verhärtung. Ignoranz. Und wenig, was zu den Wurzeln führt. Die Wurzel sind Machtstrukturen. Es ist für mich nicht erkennbar, was die Ziele sind.
Sonja Hilberger
AntwortenLöschenDa oben sollte Hochschule stehen und nicht Hofschule.
Mir erschien es übertrieben und verfehlt, das Gedicht zu übermalen, als ich davon zum ersten Mal hörte. Ich hatte den Eindruck, das geht nach hinten los und schadet sich letztlich selbst. Weil es zu weit geht.
Wenn 1910 eine Frau sagen würde "Die Suffragetten übertreiben, ich will doch gar nicht wählen." - dann sage ich "Dann wähl' nicht, aber versteh' dass andere Frauen das wollen."
AntwortenLöschenIch habe Emma Watsons UN-Rede nicht ohne Grund verlinkt. Feminismus ist eine Einladung, an jede Frau, an jeden Mann. Er ist (witzig, dass es dann "er" ist) eine Einladung an die Gesellschaft Ungleichheit zu beenden und sich von Mustern zu befreien, die alle einengen.
Ich weiß nicht welche Werte Johanna gefährdet sieht, warum sie findet, dass Frauen sich zum Opfer machen, wenn sie den Mut aufbringen das Wort zu ergreifen, ich weiß nicht warum sie Belästigung mit Flirt verwechselt und Geschlechterklischees mit Bewunderung. Ich weiß nicht welches Miteinander der Geschlechter sie in Gefahr sieht, denn Metoo richtet sich nicht gegen einen respektvollen einvernehmlichen Umgang.
Nur, weil man sich in einem System zurechgeräkelt hat, seine Schlagfertigkeit geschärft und sein Fell verdickt hat - heißt das nicht, dass man damit zum Maßstab dessen wird, was in einer Gesellschaft als angebracht akzeptiert werden sollte.
Jeder hat die freie Wahl woran er teilnehmen möchte, was er vertreten will. Aber Frauen machen sich nicht zum Opfer, nur, weil sie es leid sind sich von anderen sagen zu lassen, was sie an Mist abkönnen müssen.
Frauen sind nicht schwach, nur weil sie finden, dass manche Zumutungen nicht sein müssen.
Das ist für mich das nachdrücklichste Bild des Woman's March 2017:
http://i.dailymail.co.uk/i/pix/2017/01/22/00/3C60D58E00000578-0-image-m-38_1485045760446.jpg
Johanna hat eine Lieblingsnichte, Du hast eine Tochter... sie werden Bewunderung erfahren, jemand wird sie schön finden und es ihnen sagen, sie werden Berufe ergreifen, ihre Talente ausleben. Nichts davon will Metoo verhindern.
Warum sollten sie lernen müssen "sich ein dickes Fell" zuzulegen? Warum sollte jemand darauf bestehen, dass sie gefälligst lernen sich zu wehren, damit sie kein Opfer sind - anstatt zu kritisieren, wogegen sie sich ansonsten wehren müssten. Wozu die Gelegenheit auslassen etwas zu verbessern und stattdessen die Veränderung angreifen, weil man selber stolz darauf ist sich wehren zu können?
Es gilt, was 1910 gegolten hätte... nur, weil man selber mit etwas klarkommt wird es nicht legitim. Und nur weil man selber mit etwas leben kann oder sogar will, heißt das nicht, dass andere schwach sind oder sich zum Opfer machen, weil sie gegen Missstände aufstehen.
So führt man keine Dialoge - indem man die andere Seite schwächlich nennt und diffamiert.
Wer die DDR zu recht als Unrechtsregime anprangert sollte demokratische Vorgänge schätzen... und zur Demokratie gehört ein Ergebnis anzunehmen, selbst wenn man selber bewundert werden will und diese Bewunderung in Gefahr sieht, weil ein schräges Frauenbild demnächst übermalt wird. Was vollkommen irrational ist.
Irrational... wie "Verbessert die Gesellschaft nicht, ich will Gelegenheit haben mich zu wehren.".
Wozu?
Das will mir nicht in den Kopf. Mir fehlt da wörtlichst jedes Verständnis.
Die Diskussion um dieses Gedicht ist eine Episode des Wandels. Man kann den Austausch begrüßen oder nicht... aber der Wandel ist richtig. Wie alle gesellschaftlichen Veränderungen wird er nicht in moralischer Unantastbarkeit von statten gehen, so gut wie nichts, was vorgeht, tut das jemals.
Was manchen zu weit geht, geht anderen nicht weit genug. Menschen haben verschiedene Geschwindigkeiten. Das verursacht Diskussionen. Soll es.
Aber dann Butter bei die Fische und im Ernst... "Ich will mich wehren können." oder "Ich will gern bewundert werden."???
Ich tu' mich schwer das mit Johannas Gedankenwelt zusammenzubringen, die sonst gerne und gut Essenzen der Gesellschaft aufgreift.
Da passiert ein enormer Gesellschaftswandel, praktisch fastforward, und das sind die Gegenargumente?
Ich tu' mich sehr schwer damit.
Zitat: First, a person says something. Then, another person restates what they purportedly said so as to make it seem as if their view is as offensive, hostile, or absurd.Twitter, Facebook, Tumblr, and various Fox News hosts all feature and reward this rhetorical technique. And the Peterson interview has so many moments of this kind that each successive example calls attention to itself until the attentive viewer can’t help but wonder what drives the interviewer to keep inflating the nature of Peterson’s claims, instead of addressing what he actually said.
AntwortenLöschenhttps://www.theatlantic.com/politics/archive/2018/01/putting-monsterpaint-onjordan-peterson/550859/
Okay. Wenn ich Dir Worte in den Mund lege, dann erklär' mir bitte, warum Du Dich im Rahmen des nicht strafbaren Sexismus, der physisch ungewaltätigen Belästigung wehren können möchtest, anstatt den Blickwinkel zu verfolgen, dass die Notwendigkeit dafür auch überwunden werden könnte.
AntwortenLöschenZum lesen... ein ausgesprochen gelungener Kommentar zu Catherine Deneuves Einwand, versehen mit einigen generellen Betrachtungen, die ich alle so unterschreiben würde...
AntwortenLöschenhttp://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/metoo-debatte-catherine-deneuve-kann-gerne-weiter-flirten-kommentar-a-1187142.html
Den Artikel kannte ich schon. Allerdings finde ich die Adressierung als Filmdiva als herabsetzend.
AntwortenLöschenÜbrigens möchte mich an dieser Stelle bedanken: ich habe schon lange nicht mehr so viel von einer Diskussion gelernt.
Ja, der Begriff soll zwar adeln... aber er ist auch überholt, denn er impliziert zickige Allüren.
AntwortenLöschenWorte sind tricky. Aber Worte machen was. Sie sind Bild- und Atmosphärenschaffer. Deswegen muss man so gut auf sie aufpassen.
Schön, dass Ihnen die Diskussion so lesenswert war, das freut mich.
Übrigens, Herr Zöllner... off topic... wenn sie bei einem älteren Kommentar die Antwortfunktion benutzen... dann ist Ihre Antwort zwar thematisch gut platziert, aber ich kriege sie ab einer gewissen Diskussionslänge gar nicht mehr mit - weil ich zum Ende des Gesprächs springe und nicht herunterscrolle.
AntwortenLöschenMir sind zwei Antworten von Ihnen erst gerade aufgefallen, was schade ist... nur als Beobachtung.
Ich finde diese Antwortfunktionen sind eine Pest, weil sie den Faden der Diskussion total verästeln und verknoten.
Ich finde es absolut notwendig und angemessen Geschlechterkonzepte zu überprüfen und unsere Denkmuster dazu.
AntwortenLöschenIch würde dazu gerne die Pest von Geschlechterklischees mal von einer anderen Seite beleuchten.
Experimente belegen, dass zunehmend eingegriffen wird, wenn eine Frau in der Öffentlichkeit durch einen Mann bedrängt oder sogar physisch angegangen wird. Männer und Frauen schreiten dabei gleichermaßen ein.
Kehrt man das um, greift eine Frau in der Öffentlichkeit einen Mann an, schlägt ihn sogar - wird sehr selten eingeschritten. Weder von Männern, noch von Frauen.
Mal zwei beispielhafte Experimente:
https://www.youtube.com/watch?v=CRCS6GGhIRc
https://www.youtube.com/watch?v=4QFvEzIzQwg
Natürlich können die meisten Männer einer Frau physisch größeren Schaden zufügen als umgekehrt, aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist - das "schöne Geschlecht" und das "starke Geschlecht" sind verfluchenswerte Konstrukte... unter denen beide Geschlechter leiden.
Nichts desto trotz sind sie zutiefst in unserer Gesellschaft verankert. Aber sie verdienen ein Aufbrechen. Beide Geschlechter würden davon profitieren, wenn die Erwartung dessen, was sie vornehmlich zu sein haben, eine Erneuerung erfährt.
Gleichstellung ist kein alleiniges Frauenthema. Es ist aus Frauensicht nur leichter zu verstehen, weil eine Benachteiligung offensichtlicher ist.
Die Hürde für Männer zu sagen "Ich will genau das dürfen, was bei Frauen als selbstverständlich angesehen wird." ist ungleich höher und nicht unbedingt ein gesellschaftlich relevantes Thema.
Es sollte es aber unbedingt sein ...und wird es vielleicht im Zuge dieses Wandels auch.
Für mich ist die Notwendigkeit des Perspektivenwechsels nicht das Problem. Da laufen die Metoo-Bewegten bei mir offene Türen ein. Was für mich das Problem ist, hat Frau Hilberger auf den Punkt gebracht: es ist der Totalitarismus in der Debatte. Es wird mit dem Finger auf Menschen gezeigt, denen ein unredliches Denken unterstellt wird. Dabei wird nicht mehr differenziert zwischen Tätern und denen, die ihr Unbehagen am Debattenverlauf äußern. Ich glaube nicht daß das Wort 'Filmdiva' Catherine Deneuve adeln sollte. Überall wird Emotionalität mit Emotionalität gekontert. Und im Dienste dieser Emotionen werden Argumente 'ausgetauscht'. Tatsächlich aber hört niemand mehr zu, wenn ich das mal so pauschal sagen darf. Das ist, was mich betrifft, ermüdend. Aber in diesem Blog blitzen Momente auf, die tatsächlich auch für mich neu sind. Und dafür möchte ich mich hier bedanken.
AntwortenLöschenIhre Bedenken sind also, dass eine Konformität der Meinungen erzwungen werden soll - fassen wir's mal so, denn zwischen Tätern und Kritikern wird durchaus unterschieden.
AntwortenLöschenWo empfinden Sie die totalitären Strömungen? In dem, was angeprangert wird, wie es angeprangert wird?
Ich gebe mal ein Beispiel... es war viel zu lesen von einer Hexenjagt und dass man jetzt so übervorsichtig sein soll mit den verwendeten Worten. Ja. Zum Beispiel "Hexenjagt".
Das Wort beschreibt eine dunkle Zeit in der Frauen als Hexen gejagt wurden.
Es in dem Zusammenhang zu benutzen Frauen=Hexen und wenn sie jagen, dann haben wir eine Hexenjagt... geht nicht. Geht einfach nicht. Verhöhnt die Historie wie die Gegenwart. Daran ist nichts totalitär, das ist überlegt.
"Diva" leitet sich ab vom lateinischen divus, das bedeutet göttlich. Per se also durchaus ein Kompliment. Aber Worte nehmen Kontexte an und die bestimmen dann den Beigeschmack. Und der ist bei Filmdiva wirklich ein bißchen zu zwiespältig um heute noch erste Wahl zu sein.
Unbehagen im Debattenverlauf... ich verstehe das. Was sich gerade entwickelt ist gar nicht so leicht zu balancieren. Allerdings gebe ich zu, dass ich bei groben Mißverständnissen verübt von klugen Frauen dazu neige emotional zu reagieren. Das ist eine Mischung aus Fassungslosung und, ja, auch Enttäuschung.
Ich werde auch ein bisschen wütend, wenn Opferunterstellungen ausgesprochen werden. Es impliziert "Du bist einfach nicht stark genug!". Und da beginnen in der Tat emotionale Verständnisprobleme bei mir. Denn dadurch wird ein Verhalten toleriert, das ich persönlich als Fehlverhalten sehe. Nicht nur zwischen den Geschlechtern, schlicht menschlich daneben.
Das ist nachvollziehbar.
AntwortenLöschenBei mir liegen die Grenzen, wo ich wütend werde, bei einer Wortwahl, die an Hygienmaßnahmen angelehnt sind, wie zum Beispiel, einen 'reinen Raum' schaffen zu wollen oder verschmutzte Flüsse samt Quelle austrocknen zu wollen. Mein Menschenbild beinhaltet, daß Menschen Mischwesen sind; früher sprach man davon, da sie irgendwo zwischen Engel und Teufel zu verorten seien. Ich glaube nicht, daß es für Menschen etwas an-sich-Gutes gibt, weil sich irgendwann alles Absolute für uns Menschen zum Übel auswächst. Deshalb zucke ich vor Hygienevorstellungen zurück. Wo sich Menschen begegnen, ist alles möglich, weil es kein Sicherungssystem gibt, das verhindern könnte, daß irgendwas Schlimmes passiert. Die Grenzen im Umgang miteinander müssen immer wieder neu ausgelotet werden, sowohl für jede neue Generation als auch zwischen zwei Menschen, die sich begegnen. Es gibt allgemeine Normen, die dabei hilfreich sind. An denen muß gearbeitet werden. Aber die Begegnung bleibt ein Raum der Erprobung. Ein Reinraum ist einfach nicht menschlich. Er ist das, was ich totalitär nenne.
Damit ist der Mißbrauch nicht gerechtfertigt. Entwicklung ist möglich und nötig. Aber die Menschen müssen Menschen bleiben können und bleiben dürfen.
Lassen Sie uns konkret in Beispielen werden - denn das ist eben das, was mir hier keiner so richtig erklären kann.
AntwortenLöschenWelchen "Dreck" (nur um im Bild zu bleiben) würden Sie gerne bewahrt wissen? Welche Umgehensweise stehen auf dem Prüfstand und sollten erhalten werden?
Was wir in Frage gestellt, was unbedingt Teil der Gesellschaft sein sollte?
"Welchen "Dreck" (nur um im Bild zu bleiben) würden Sie gerne bewahrt wissen?"
AntwortenLöschenIch kanns nicht fassen, daß Sie mich das fragen!
Und tschüß.
Sie sagen, ich propagiere einen Reinraum, aber Reinräume seien nichts für Menschen. Nun gut... was von dem, was ich gerne verschwunden sehen möchte ist Ihnen erhaltenswert.
AntwortenLöschenSie reden von Totalität, von Unbehagen in der Debatte, von zuviel Hygiene... was wollen Sie schützen, was wird angegriffen und gehört bewahrt???
Das scheint mir hier niemand sagen können... Sie tragen ein diffuses Unbehagen mit sich herum, aber wenn man fragt, was genau wollen Sie denn vor dem zu eiligen Zugriff der Metoo-Bewegung schützen... dann ist Tschüß?
Ich kann sehr konkret benennen was mich stört und wieso. Warum können Sie Ihre Kritik nicht konkretisieren? Das ist nicht unbedingt überzeugend.
Sandra-Uma Schmitz bat mich den folgenden Artikel zu posten: http://www.zeit.de/kultur/2018-01/metoo-heterosexualitaet-maenner-frauen-macht-paul-preciado/komplettansicht
AntwortenLöschenIn weiten, wirklich sehr weiten Teilen Zustimmung. Das meine ich mit Aufbrechen von Geschlechterklischees und "jeder ist seine Mixtur" - jeder sollte sich selbst sein Leben, sein verhalten zusammenstellen wie es ihm entspricht... denn Geschlecht ist ein Spektrum.
AntwortenLöschenUnsere Gesellschaft ist aber weit davon entfernt es so verstehen.
Ich neige dazu mich der Hoffnung hinzugeben, dass mehr Freiräume entstehen, je weiter der Gedanke der Gleichstellung Wirklichkeit wird. Denn je weniger Definition von außen zu überwinden ist, desto freier kann jeder auf und in sich hören.
Unbenommen von dieser Feststellung... das in der Kritik stehende Verhalten ist Machtgebaren, das sich der Sexualität und Geschlechterdefinitionen bedient. Physisch, aufgrund einer beruflichen Positionierung... aber auch gesellschaftlich. Mehr zu verdienen, bessere Jobs zu bekleiden, manche Betätigungsfelder per se eher einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen... das ist ein Machtgefüge.
Und das in der Kritik stehende Verhalten agiert aus diesem Gefüge heraus.
Unsere Gesellschaftsentwicklung ist so gelaufen, dass Männer die Gesellschaft dominieren und Schaltstellen besetzen. Darunter leiden heute vornehmlich Frauen.
Mein Glaube an die Menschen ist aber nicht so universell gut, dass ich glaube, dass selbst bei absoluter Gleichstellung Sexualität als Machtinstrument ihren Reiz verliert und Frauen dagegen immun sind.
Deswegen möchte ich die Metoo-Debatte ereignisbezogen, aber auch geschlechtsoffen führen.
Je universeller jetzt ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, was an Übergriffigkeit und Fremdbestimmung nicht zu tolerieren ist - desto weniger Arbeit haben kommende Generationen damit den Mist nochmal auszubalancieren.
Es geht also um nicht weniger als eine breite gesellschaftliche Verhaltensänderung - piece of cake.
Kann mir bitte jetzt jemand, der anderer Meinung ist als ich, mal erklären, was in dem Prozess dieser verhaltenänderung geschützt werden sollte... und gerade angegriffen wird?
Leute, Ihr müsst doch Euer Unbehagen erklären können...
Sonja Hilberger
AntwortenLöschenIch habe mich sehr differenziert mit meiner Existenz als Frau auseinandergesetzt in einem künstlerisch produktiven Prozess, im Austausch und in Zusammenarbeit mit Sandra Uma Schmitz und mit Ralph Zedler. Das Ergebnis ist ein sehr persönlicher Theaterabend. Zu sehen am 3.2. in Berlin im Theater Adlershof. Du bist herzlich eingeladen. Der ist für mich eine Diskussionsgrundlage.
Mein Gefühl sagt mir, dass ich diesen Abend verpassen werde. Ruf' mich an, wenn Du "Des Kaisers neue Kleider" inszenierst.
AntwortenLöschenIch kann im ganzen Text von Paul Preciado keine Listen verbotener Umgangsformen entdecken, nur eine bewundernswerte Offenheit für eine Sexualität, die niemanden diskriminiert. Und natürlich schließt diese Einstellung nicht aus, für eine Befreiung von der bisherigen heterosexuellen Dominanz einzutreten. Mehr braucht es nicht, um mein Unbehagen an der bisherigen Debatte zu besänftigen. Und mehr gibt es aus meiner Sicht dazu auch nicht beizutragen. Was darüber hinaus bleibt, sind Selbstreflexion und Achtsamkeit.
AntwortenLöschenNatürlich stellt er keine Liste verbotener Umgangsformen auf. Weil niemand extra sagen muss, dass Vergewaltigung und Nötigung strafbar sind.
AntwortenLöschenWeil niemand extra erklären muss, dass die ungewollte Anmache im Büro unangebracht ist. Weil es kein Zeichen von Bewunderung ist, wenn jemand einem auf der Straße oder in einer Bar ungewünscht an den Hacken klebt, sondern Belästigung.
Weil sexistische Bemerkungen kein Kompliment sind und kein Flirt.
Deswegen meine Frage - wogegen wendet sich Metoo in den Umgangsformen... was nicht ohnehin mindestens schlechtes Benehmen darstellt, schlimmstenfalls mehr?