Wir probieren von zehn bis vierzehn Uhr. Wie gewöhnlich. Eine mittlere Probe, hilfreich, nichtgroßartig, aber hilfreich.
Am Nachmittag verziehe ich mich mit meiner persönlichen Matratze in irgendeinen freien Raum und schlafe. Gott oder meine DNA oder was auch immer hat mir die Gabe des Schlafes an jedem beliebigen Ort, zu jeder Zeit, unter welcher Beschallung auch immer geschenkt. Auch im Stehen, wenn nötig. Eine Stunde Tiefschlaf - meine Wunderwaffe vor der Abendprobe.
Als ich wach werde, höre ich auf dem Theater-, sic Schulhof Gebrüll, keinen Streit, nur überlautes Gespräch. Mehrere nüchterne Männer bieten einem überhaupt nicht nüchternen Mann Hilfe an, er verweigert sich. Die nüchternen Männer gehen. Der Trunkene bleibt zurück.
In der nun folgenden Stunde darf ich Slapstick in seiner reinsten und traurigsten Form erleben.
Der Mann und zwei Basecaps, ein Rucksack, zwei große vietnamesische Plastiktüten, in einer befindet sich ein Computer, und ein Fahrrad wollen, müssen irgendwo hin. Der Geist ist willig, aber die Dinge eigen. Sie verschwören sich, entwickeln eigene Interessen. Zwischen dem Mann, seinen Mützen, seinem Rucksack, seinen Tüten und seinem Fahrrad beginnt ein hochkonzentrierter, erbarmungsloser Kampf um die Vorherrschaft.
Es beginnt harmlos. Der Mann sucht etwas in seinem Rucksack, vermutlich, dem vorhergehenden Geschrei zufolge, Zigarettenpapiere. Sie liegen, natürlich, ganz unten. Beim Wiedereinpacken erweist sich der Rucksack als kleiner als noch Minuten zuvor, der Reißverschluß läßt sich nicht mehr schließen, kein Problem, der offene Rucksack wird umgeschnallt, die Zigarette gedreht, das Feuerzeug - ist nicht zu finden, kein Problem, er wird später rauchen, die Zigarette verschwindet in der Jackentasche, eine Mütze zuviel? Die zweite wird auf die sich schon auf seinem Kopf befindliche gestülpt. Ein neuer Trend? Jetzt müssen die zwei Plastetüten auf dem Fahrrad gesichert werden. Ratzfatz. Los!
Tüte zwei fällt, er beugt sich zu ihr herunter, der Inhalt des Rucksacks fällt über seinen Kopf, er stolpert über das Fahrrad, Tüte eins fällt nun auch, die Zweitkappe ebenfalls, er folgt seinem Besitz, liegt flach. Eine Stunde lang widerholen sich in Variationen diese Vorgänge, punktiert durch tragödische "WARUM?"- Ausrufe und längere Gespräche mit seinem sich ihm widersetzenden Fahrrad.
Der Mann war blond und schmal, vieleicht dreissig, vielleicht viel älter. Ich weiß nichts über ihn. Er tat mir leid und ich konnte doch nicht aufhören, ihm bei seinem verzweifelten Kampf gegen seine unvermeidliche Niederlage zuzuschauen.
Sicherer Untergang und Immerwährende Hoffnung.
Schadenfreude und Mitgefühl.
Das Ausgangsmaterial jeder guten Komödie.
Freitag, 25. August 2017
Dienstag, 22. August 2017
Ein Dorf spielt Theater - Ötigheim
„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb
gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig
angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel
in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und
Freude und einem Bewusstsein des Andersseins als das gewöhnliche
Leben."
Huizinga Homo Ludens
DIE VOLKSSCHAUSPIELE VON ÖTIGHEIM
Huizinga Homo Ludens
DIE VOLKSSCHAUSPIELE VON ÖTIGHEIM
Am Samstag transportierte mich die Deutsche Bahn von Berlin nach Ötigheim im Schwarzwald, sie tat es, wie meist, mit Mühe und Verspätung, denn Vandalen hatten in Brandenburg Kabel verbrannt, und Ingenieure hatten bei Rastatt, während sie einen Tunnel graben sollten, die darüber liegenden Gleise zum Einsturz gebracht. Ach, die Bahn. Irgendwas ist immer.
Ich erreiche den Ort mit Müh und Not, in meinen Armen... war, Gott sei Dank, kein Kind.
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
(Mein Vater hat das Gedicht, als eine Allegorie über Kindesmißbrauch gelesen, seitdem liebe und fürchte ich es.)
Ötigheim. Vor einer gigantischen 200 Meter breiten Bühne, mit zwei unterschiedlich hohen Hügeln links, einem kleinen See daneben, zwei stabil wirkenden Häusern rechts und einer massiven Burgattrappe in der Mitte, sitzen 4000 meist ältere Menschen und schauen den "Sommernachtstraum". Ein kleines Stück für diesen Ort.
Der Darsteller des Zettel war großartig, ehemaliger Bankkaufmann, jetzt Rentner und seit seinem sechzehnten Lebensjahr mit den Spielen zutiefst verbunden.
100 000 Besucher pro Jahr kommen jeden Sommer hierher!
Ötigheim hat um die 4400 Einwohner, von denen 1600 ehrenamtlich bei den Volksschauspielen mitarbeiten, als Spieler, Einlaßpersonal, als Tänzer, Sänger, Maskenbildner, Techniker, Gardrobieren und jeder anderen Tätigkeit, die einen Theaterabend ermöglichen.
Kinder haben in Ötigheim die Wahl zwischen unzähligen Vereinen, dem Chor und den Tanzgruppen und der Instrumentalmusik, dem Karnevalsverein oder dem Blasorchester. Dieser Ort hat kein Problem mit der Landflucht.
Mit wem ich auch spreche, ein ernsthafter und glaubwürdiger Stolz schwingt in den Stimmen, wenn sie über ihr Theater sprechen.
Einer Führung durch das barocke Rastatt, voll widersprüchlicher badischer Geschichte, folgt eine Nachmittagsvorstellung von Felix Mitterers "Luther". Rebekka Stanzel hat eine gute Hand für die Organisation von klaren Bildern. Bedrohliche Patrouillen reiten vorbei, Kutschen und Karren deuten auf soziale Spannungen, Statistengruppen wissen was sie tun. Das alles bei Tageslicht ohne die Hilfe der atmosphärischen Möglichkeiten, die die Nacht und künstliches Licht bieten.
Ein schönes Wochenende. Hier wird in kindlicher, aber nicht kindischer Weise, gespielt. Das ist die Essenz dessen was wir tun.
Wiki bietet eine klare Definition:
Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann. Es ist eine Beschäftigung, die oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. Ein Großteil der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung von motorischen Fähigkeiten sowie soziale Kompetenz findet durch Spielen statt, beim Menschen ebenso wie bei zahlreichen Tierarten.
SWR Dokumentarfilm „Das Wunder von Ötigheim – Ein Dorf spielt Theater" https://www.swr.de/unternehmen/kommunikation/10-oetigheim-ein-dorf-lebt-fuer-die-buehne/-/id=10563098/did=18798438/nid=10563098/x5s58x/index.html
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96tigheim nn
Freitag, 18. August 2017
Berlin ... Nizza ... Hamburg ... Barcelona ... Turku ...
WIKIPEDIA SAGT ZU TERROR:
Der Terror (lat. terror „Schrecken“) ist die systematische und oftmals willkürlich erscheinende Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen.
In meiner Jugend schien mir Terror etwas unfaßbar Großes und Furchtbares, die Hexenverfolgung, die katholische Inquisition, der Terror der Nazis, der stalinistische Terror, das Terrorregime der Khmer in Kambodscha.
Heute erweckt das Wort andere Bilder:
Ein Lastkraftwagen, ein Mann, eine Wut - das reicht für terroristischen Mord.
Ein Messer, ein Mann, eine Wut - reicht auch.
IST DAS ETWAS NEUES?
Die Täter müssen keiner Organisation angehören. Niemandem Bericht erstatten. Sie sind selbstständige Aggressoren.
Die Sicherheitsorgane der jeweiligen Staaten können sie nur schwer früh genug erkennen. Ihre hochtechnisierten Vorsichtsmaßnahmen scheitern an der Unauffälligkeit der Mörder. Videoüberwachung, Datenspeicherung - notwendig, wenn auch furchteinflößend - brechen unter der Last der riesigen Datenmengen in die Unwirksamkeit zusammen.
Eine imaginierte Möglichkeit. Ein Mann ist bedeutungslos, arbeitslos. Ein Mann ist wütend auf seine Frau, die ihn verlassen hat, weil er sie schlägt. Ein Mann ist Muslim. Ein Mann will seiner Frau wehtun, aber das wäre zu klein, zu armselig. Er will gesehen werden, aufallen in seiner Not. Er tötet wildfremde Menschen im Namen seines Gottes. Er wird zum Märtyrer. Sein Leben ist etwas wert. Es braucht nur einen Anruf bei Hertz, Sixt, Rentacar. Selbstmord ist einsam. Massenmord ein Politikum.
Wir alle sind sterblich. Die meisten von uns wollen nicht vor der unvermeidbaren Zeit sterben. Manchmal erwähnen wir ironisch den Ziegelstein, der uns jederzeit auf den Kopf fallen könnte. Jetzt ist ein unbekannter, muslimischer Mann zu diesem Ziegelstein geworden.
Ich werde im November nach Ägypten fahren. Viele schauen besorgt drein, wenn ich das erzähle. Aber warum? Ein Supermarkt in Hamburg, ein Weihnachtsmarkt in Berlin, eine Einkaufsstrasse in Barcelona ... Das Beunruhigendste ist, das wir in eine Grundpanik versetzt werden. Wir beginnen anders auf die Welt um uns herum zu schauen. Ängstlich, nervös, mißtrauisch.
Ich will das nicht. Aber was habe ich dem entgegenzusetzen?
WIKIPEDIA ZU AMOK:
Amok von malaiisch amuk „wütend", „rasend"
https://de.wikipedia.org/wiki/Amok
Kulturgebundenes Syndrom
Sowohl das DSM-IV als auch das ICD-10 führen Amok unter den kulturgebundenen Syndromen aauf. Das DSM-IV definiert Amok als eigene psychische Störung: „Eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des Grübelns charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet“. Im Gegensatz zum DSM-IV empfiehlt das ICD-10 die Einordnung von Amok in das bestehende System unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im Kapitel 6 (F68.8). Amok wird im Anhang II zum ICD-10 (Forschung und Praxis) für Indonesien und Malaysia aufgeführt und wie folgt beschrieben: „Eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich destruktiven Verhaltens, gefolgt von Amnesie oder Erschöpfung. Viele Episoden gipfeln im Suizid“. Die Betrachtung des Phänomens Amok als kulturgebundenes Syndrom ist jedoch umstritten, denn es lassen sich weltweit Taten beobachten, die ähnliche Auslöser, Abläufe und Opferkonstellationen aufweisen. Außerdem wird in der neueren Literatur Amok nicht selbst als psychische Störung begriffen, sondern es werden andere psychische Störungen genannt, die eine solche Tat möglicherweise begünstigen.
Der Terror (lat. terror „Schrecken“) ist die systematische und oftmals willkürlich erscheinende Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen.
In meiner Jugend schien mir Terror etwas unfaßbar Großes und Furchtbares, die Hexenverfolgung, die katholische Inquisition, der Terror der Nazis, der stalinistische Terror, das Terrorregime der Khmer in Kambodscha.
Heute erweckt das Wort andere Bilder:
Ein Lastkraftwagen, ein Mann, eine Wut - das reicht für terroristischen Mord.
Ein Messer, ein Mann, eine Wut - reicht auch.
IST DAS ETWAS NEUES?
Die Täter müssen keiner Organisation angehören. Niemandem Bericht erstatten. Sie sind selbstständige Aggressoren.
Die Sicherheitsorgane der jeweiligen Staaten können sie nur schwer früh genug erkennen. Ihre hochtechnisierten Vorsichtsmaßnahmen scheitern an der Unauffälligkeit der Mörder. Videoüberwachung, Datenspeicherung - notwendig, wenn auch furchteinflößend - brechen unter der Last der riesigen Datenmengen in die Unwirksamkeit zusammen.
Eine imaginierte Möglichkeit. Ein Mann ist bedeutungslos, arbeitslos. Ein Mann ist wütend auf seine Frau, die ihn verlassen hat, weil er sie schlägt. Ein Mann ist Muslim. Ein Mann will seiner Frau wehtun, aber das wäre zu klein, zu armselig. Er will gesehen werden, aufallen in seiner Not. Er tötet wildfremde Menschen im Namen seines Gottes. Er wird zum Märtyrer. Sein Leben ist etwas wert. Es braucht nur einen Anruf bei Hertz, Sixt, Rentacar. Selbstmord ist einsam. Massenmord ein Politikum.
Wir alle sind sterblich. Die meisten von uns wollen nicht vor der unvermeidbaren Zeit sterben. Manchmal erwähnen wir ironisch den Ziegelstein, der uns jederzeit auf den Kopf fallen könnte. Jetzt ist ein unbekannter, muslimischer Mann zu diesem Ziegelstein geworden.
Ich werde im November nach Ägypten fahren. Viele schauen besorgt drein, wenn ich das erzähle. Aber warum? Ein Supermarkt in Hamburg, ein Weihnachtsmarkt in Berlin, eine Einkaufsstrasse in Barcelona ... Das Beunruhigendste ist, das wir in eine Grundpanik versetzt werden. Wir beginnen anders auf die Welt um uns herum zu schauen. Ängstlich, nervös, mißtrauisch.
Ich will das nicht. Aber was habe ich dem entgegenzusetzen?
WIKIPEDIA ZU AMOK:
Amok von malaiisch amuk „wütend", „rasend"
https://de.wikipedia.org/wiki/Amok
Kulturgebundenes Syndrom
Sowohl das DSM-IV als auch das ICD-10 führen Amok unter den kulturgebundenen Syndromen aauf. Das DSM-IV definiert Amok als eigene psychische Störung: „Eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des Grübelns charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet“. Im Gegensatz zum DSM-IV empfiehlt das ICD-10 die Einordnung von Amok in das bestehende System unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im Kapitel 6 (F68.8). Amok wird im Anhang II zum ICD-10 (Forschung und Praxis) für Indonesien und Malaysia aufgeführt und wie folgt beschrieben: „Eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich destruktiven Verhaltens, gefolgt von Amnesie oder Erschöpfung. Viele Episoden gipfeln im Suizid“. Die Betrachtung des Phänomens Amok als kulturgebundenes Syndrom ist jedoch umstritten, denn es lassen sich weltweit Taten beobachten, die ähnliche Auslöser, Abläufe und Opferkonstellationen aufweisen. Außerdem wird in der neueren Literatur Amok nicht selbst als psychische Störung begriffen, sondern es werden andere psychische Störungen genannt, die eine solche Tat möglicherweise begünstigen.
Donnerstag, 17. August 2017
EIN TAG
EIN TAG
Auf einer Pressekonferenz faselt und fuchtelt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vorkommnisse in Charlottesville, als gäbe es keinen Unterschied zwischen Rassismus und dem Protest gegen ihn.
In der Berlinischen Gallerie kann man John Bocks Film Hells Bells ganzkörperlich erleben.
Berlins allerbester HNO-Arzt gibt meinen Stimmbändern ein freundliches OK.
Der Tod der Schauspielerin Miriam Goldschmidt wird gemeldet.
Auf Barcelonas Boulevard Las Ramlas rast ein Mann mit einem Kleinlaster mitten in die flanierenden Menschen, tötet viele, verletzt noch mehr.
EIN TAG.
Weiße, bigotte Männer mit pseudoarchaischen Partyfackeln skandieren marschierend irrwitzige Chöre, "You/Jews will not replace us!, "Ihr werdet uns nicht verdrängen! Juden werden uns nicht verdrängen!" Hitlergrüße werden ausgetauscht, das gute alte Hakenkreuz auf wehenden Flaggen, KKK prangt auf durchgeschwitzten T-Shirts. Diese Leute sind nicht plötzlich da, es gibt sie schon lang, sie hielten sich nur bedeckt, jetzt wittern sie Morgenluft. Ein guter Tag für ihren Hass, ihre Minderwertigkeitskomplexe, ihre Angst, ihr Ignoranz ist gekommen. Einer dreht derart durch, dass er sich der neuesten Terrormethode bedient und sein Auto in die Gegendemonstration fährt. Eine junge Frau wird von ihm getötet. Originaltext Donald Trump: "Fine people on both sides." David Duke, Chef des Ku-Klux-Klans, bedankt sich für diese Worte herzlich bei ihm, Trumps jüdischer Schwiegersohn meldet sich nicht zu Wort, die anwesenden Medienvertreter, von Donald durchweg als Lügenpresse betitelt, protestieren nicht laut genug, entgeistert.
Höllenglocken von John Bock, der Name haut hin. Was unter dem vibriert was Hieronymus Bosch malte. Barocker Überfluß an dinglichen Erfindungen, mehr irritierende Details, als ich erfassen konnte, Lichtstimmungen in graublau. Ein surrealer Spaghettiwestern durchmischt mit Horrorfilm-Elementen und eingem an Tarkowski von einem hochprofessionellen Kind in Szene gesetzt, dessen Hirn eine Überfülle von Ideen, Assoziationen, Bebilderungen zur Verfügung stellt. Eidinger, Beglau, Seppeler sind großartig, die Geschichte glasklar, die Dialoge mir meist unverständlich. War aber gut so. Verstörend.
Barcelona. Was kann ich sagen?
Queen & Montserrat Caballe - Barcelona
Auf einer Pressekonferenz faselt und fuchtelt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vorkommnisse in Charlottesville, als gäbe es keinen Unterschied zwischen Rassismus und dem Protest gegen ihn.
In der Berlinischen Gallerie kann man John Bocks Film Hells Bells ganzkörperlich erleben.
© Martin Sommer
Berlins allerbester HNO-Arzt gibt meinen Stimmbändern ein freundliches OK.
Der Tod der Schauspielerin Miriam Goldschmidt wird gemeldet.
Auf Barcelonas Boulevard Las Ramlas rast ein Mann mit einem Kleinlaster mitten in die flanierenden Menschen, tötet viele, verletzt noch mehr.
EIN TAG.
Weiße, bigotte Männer mit pseudoarchaischen Partyfackeln skandieren marschierend irrwitzige Chöre, "You/Jews will not replace us!, "Ihr werdet uns nicht verdrängen! Juden werden uns nicht verdrängen!" Hitlergrüße werden ausgetauscht, das gute alte Hakenkreuz auf wehenden Flaggen, KKK prangt auf durchgeschwitzten T-Shirts. Diese Leute sind nicht plötzlich da, es gibt sie schon lang, sie hielten sich nur bedeckt, jetzt wittern sie Morgenluft. Ein guter Tag für ihren Hass, ihre Minderwertigkeitskomplexe, ihre Angst, ihr Ignoranz ist gekommen. Einer dreht derart durch, dass er sich der neuesten Terrormethode bedient und sein Auto in die Gegendemonstration fährt. Eine junge Frau wird von ihm getötet. Originaltext Donald Trump: "Fine people on both sides." David Duke, Chef des Ku-Klux-Klans, bedankt sich für diese Worte herzlich bei ihm, Trumps jüdischer Schwiegersohn meldet sich nicht zu Wort, die anwesenden Medienvertreter, von Donald durchweg als Lügenpresse betitelt, protestieren nicht laut genug, entgeistert.
Höllenglocken von John Bock, der Name haut hin. Was unter dem vibriert was Hieronymus Bosch malte. Barocker Überfluß an dinglichen Erfindungen, mehr irritierende Details, als ich erfassen konnte, Lichtstimmungen in graublau. Ein surrealer Spaghettiwestern durchmischt mit Horrorfilm-Elementen und eingem an Tarkowski von einem hochprofessionellen Kind in Szene gesetzt, dessen Hirn eine Überfülle von Ideen, Assoziationen, Bebilderungen zur Verfügung stellt. Eidinger, Beglau, Seppeler sind großartig, die Geschichte glasklar, die Dialoge mir meist unverständlich. War aber gut so. Verstörend.
Barcelona. Was kann ich sagen?
Queen & Montserrat Caballe - Barcelona
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Mittwoch, 16. August 2017
Hähnchen mit karamelisierten Zwiebeln und Kardamomreis
Wieder aus dem "Jerusalem" Kochbuch von Ottolenghi & Tamimi, wieder ein Rezept auch für Anfänger, wieder sehr lecker!
EINKAUF:
Hühnerschenkel
Basmatireis
Zwiebeln
Berberitzen oder Korinthen
Dill, Petersilie, Koriander
Zimtstangen
griechischen Jogurth
(Olivenöl, Kardamom, Nelken, Pfeffer, Salz, Zucker)
ZEIT:
Etwa eine Stunde.
ZUTATEN:
Berberitzen kenne ich erst seit kurzem und bin geradezu süchtig geworden. Es sind kleine rötliche getrocknete Beeren, die leicht sauersüß schmecken. Etwa 30 Gramm müssen in etwas heißem Wasser, das mit Zucker aufgekocht wurde, eingeweicht werden. Aber Korinthen tun es auch.
Zwei mittelgroße Zwiebeln dünn schneiden und 10 Minuten bei mittlerer Hitze in Öl bräunen.
3 oder 4 Hühnerbeine mit etwas Olivenöl, Salz, Pfeffer, 4 Nelken, Kardamom nach Geschmack und zwei halbierten Zimtstangen in einer Schüssel herumwälzen, bis sie über & über ölig und mit Gewürzen bedeckt sind. Dann auf beiden Seiten 5 Minuten scharf anbraten.
In einer großen Deckelpfanne 300 g Basmatireis mit den Zwiebeln & den Berberitzen/Korinthen verrühren, die angebratenen Hühnerkeulen auf die Masse legen und 550 ml kochendes Wasser aufgießen. Deckel drauf und 30 Minuten bei kleiner Hitze köcheln lassen, nach 20 Minuten gucken, ob noch kochendes Wasser dazu muß. Die Pfanne vom Feuer, Deckel ab, Handtuch über die Pfanne, Deckel wieder drauf und mindestens 10 Minuten ruhen lassen.
Derweil Dill, Petersilie & Koriander hacken und griechischen Jogurth bereitstellen.
ESSEN!
EINKAUF:
Hühnerschenkel
Basmatireis
Zwiebeln
Berberitzen oder Korinthen
Dill, Petersilie, Koriander
Zimtstangen
griechischen Jogurth
(Olivenöl, Kardamom, Nelken, Pfeffer, Salz, Zucker)
ZEIT:
Etwa eine Stunde.
ZUTATEN:
Berberitzen kenne ich erst seit kurzem und bin geradezu süchtig geworden. Es sind kleine rötliche getrocknete Beeren, die leicht sauersüß schmecken. Etwa 30 Gramm müssen in etwas heißem Wasser, das mit Zucker aufgekocht wurde, eingeweicht werden. Aber Korinthen tun es auch.
Zwei mittelgroße Zwiebeln dünn schneiden und 10 Minuten bei mittlerer Hitze in Öl bräunen.
3 oder 4 Hühnerbeine mit etwas Olivenöl, Salz, Pfeffer, 4 Nelken, Kardamom nach Geschmack und zwei halbierten Zimtstangen in einer Schüssel herumwälzen, bis sie über & über ölig und mit Gewürzen bedeckt sind. Dann auf beiden Seiten 5 Minuten scharf anbraten.
In einer großen Deckelpfanne 300 g Basmatireis mit den Zwiebeln & den Berberitzen/Korinthen verrühren, die angebratenen Hühnerkeulen auf die Masse legen und 550 ml kochendes Wasser aufgießen. Deckel drauf und 30 Minuten bei kleiner Hitze köcheln lassen, nach 20 Minuten gucken, ob noch kochendes Wasser dazu muß. Die Pfanne vom Feuer, Deckel ab, Handtuch über die Pfanne, Deckel wieder drauf und mindestens 10 Minuten ruhen lassen.
Derweil Dill, Petersilie & Koriander hacken und griechischen Jogurth bereitstellen.
ESSEN!
Das Photo ist von der Cooking Seite der New York Times
Sonntag, 13. August 2017
Das Buch der Bücher - Eine Radikalisierung
Ich habe viel Zeit dafür gebraucht, aber jetzt kann ich es mit Gewißheit sagen: ich bin Atheist. Ohne Gott. Ich bin sicher, es gibt keinen Gott. Und wenn es einen geben sollte, lehne ich ihn ab und will ihn nicht einmal kennenlernen.
Stephen Fry hat es auf den Punkt gebracht: "Warum soll ich einen launischen, boshaften, dummen Gott respektieren, der eine Welt voll von Ungerechtigkeit und Schmerz erschaffen hat?"... Wenn er, Fry, vor der Himmelspforte stehe. Dieser darauf: "Ich würde sagen: Knochenkrebs bei Kindern? Was soll das? Wie kannst du es wagen?"
Seit mehr als einem halben Jahr stammen mindestens die Hälfte der Sätze, die ich lese, aus der Bibel, genauer dem Alten Testament, oder, wie es meine Leute nennen, dem Tanach. Das hat mich verändert.
Die Geschichten in diesem Buch sind lebendig, gewalttätig, leidenschaftlich, unfassbar, brutal, herzerschütternd, atemberaubend, wahr. Als Gelenke dazwischen seitenlange Genealogien, von denen ich erst jetzt begreife, dass sie unsere Verwurzelung ineinander besingen. Von den ersten Menschen irgendwo in Afrika oder anderswo bis zu mir und dir und ihm und ihr.
The DNA Journey
Und Adam zeugte Söhne und Töchter. Und alle Tage Adams, die er lebte, betrugen 930 Jahre, dann starb er. Und Set zeugte Enosch. Und Set lebte 912 Jahre, und er zeugte Söhne und Töchter, dann starb er. Und Enosch zeugte Kenan und er lebte 905 Jahre und zeugte Söhne und Töchter, dann starb er. Und Kenan zeugte Mahalalel. Und Mahalalel zeugte Jered, Jered Henoch, Henoch Metuschelach, Metuschelach Lamech. Und Lamech zeugte einen Sohn. Und er gab ihm den Namen Noah, indem er sagte: Dieser wird uns trösten über unserer Arbeit und über der Mühsal unserer Hände von dem Erdboden, den der Herr verflucht hat. Und Noah war 500 Jahre alt; und Noah zeugte Sem, Ham und Jafet. Sem, Ham und Jafet.
So weit, so gut.
Die Sprache ist je nach Übersetzung ideologisiert, poetisch oder ungelenk, von kleinauf symbiotisch eingeimpft oder irritierend fremd. Buber & Rosenzweig von grandioser Wortgewalt, aber zumindest für mich, teilweise, nahezu unverständlich. Die Einheitsübersetzung ist klar, aber auch simplifizierend und gewollt modern. Konkurrenzkampf der Übersetzungen?
Wir schlingern in unserer Arbeit zwischen der Elberfelder und der Schlachterbibel hin und her. Die Züricher taucht hier und da auf. Alles christliche Varianten. Leider. Aber über alle Beschäftigung legt sich Ideologie, Urteil, Abgrenzung, Rechtfertigung, Definitionsmachtansprüche (Neues Wort!) und Hass gegen Andersdenkende.
Väter sind bereit, ihre Söhne zu opfern, Mütter gebären um die Wette in haßerfülltem Konkurrenzkampf, Vergewaltigungen, Eroberungen, Ungerechtigkeit und Machtgier. Gott offeriert Sonderverträge, wütet maßlos, giert nach Liebesbeweisen, hält sich raus, mischt sich ein, bevorzugt, verurteilt, meist ohne jedwede nachvollziehbare Regeln.
Zum Beispiel: Gott schenkt den Nachkommen Abrahams das Land Kanaan, nur wohnen dort leider schon andere Leute. Egal.
5. Mose 6, 10 -11: Dann wird er (G'tt) dir geben, große, schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser alles Guten voll, die du nicht gefüllt hast, und gemeißelte Brunnen, die du nicht gehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast; und du wirst essen und satt werden.
5. Mose 20, 10-18: Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen. Vielmehr sollst du die Hetiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat, damit sie euch nicht lehren, alle Gräuel nachzuahmen, die sie begingen, wenn sie ihren Göttern dienten, und ihr nicht gegen den Herrn, euren Gott, sündigt.
Das Buch ist wahrhaftig, die Auslegungen, welcher Religion auch immer, unerträglich.
Ja, so sind wir. Aber warum sollte ich dafür Gott dankbar sein, ihn lieben?
Stephen Fry hat es auf den Punkt gebracht: "Warum soll ich einen launischen, boshaften, dummen Gott respektieren, der eine Welt voll von Ungerechtigkeit und Schmerz erschaffen hat?"... Wenn er, Fry, vor der Himmelspforte stehe. Dieser darauf: "Ich würde sagen: Knochenkrebs bei Kindern? Was soll das? Wie kannst du es wagen?"
Seit mehr als einem halben Jahr stammen mindestens die Hälfte der Sätze, die ich lese, aus der Bibel, genauer dem Alten Testament, oder, wie es meine Leute nennen, dem Tanach. Das hat mich verändert.
Die Geschichten in diesem Buch sind lebendig, gewalttätig, leidenschaftlich, unfassbar, brutal, herzerschütternd, atemberaubend, wahr. Als Gelenke dazwischen seitenlange Genealogien, von denen ich erst jetzt begreife, dass sie unsere Verwurzelung ineinander besingen. Von den ersten Menschen irgendwo in Afrika oder anderswo bis zu mir und dir und ihm und ihr.
The DNA Journey
Und Adam zeugte Söhne und Töchter. Und alle Tage Adams, die er lebte, betrugen 930 Jahre, dann starb er. Und Set zeugte Enosch. Und Set lebte 912 Jahre, und er zeugte Söhne und Töchter, dann starb er. Und Enosch zeugte Kenan und er lebte 905 Jahre und zeugte Söhne und Töchter, dann starb er. Und Kenan zeugte Mahalalel. Und Mahalalel zeugte Jered, Jered Henoch, Henoch Metuschelach, Metuschelach Lamech. Und Lamech zeugte einen Sohn. Und er gab ihm den Namen Noah, indem er sagte: Dieser wird uns trösten über unserer Arbeit und über der Mühsal unserer Hände von dem Erdboden, den der Herr verflucht hat. Und Noah war 500 Jahre alt; und Noah zeugte Sem, Ham und Jafet. Sem, Ham und Jafet.
So weit, so gut.
Königin Máxima der Niederlande betrachtet ein Gemälde von Rembrandt in der Alten Pinakothek in München.
Die Sprache ist je nach Übersetzung ideologisiert, poetisch oder ungelenk, von kleinauf symbiotisch eingeimpft oder irritierend fremd. Buber & Rosenzweig von grandioser Wortgewalt, aber zumindest für mich, teilweise, nahezu unverständlich. Die Einheitsübersetzung ist klar, aber auch simplifizierend und gewollt modern. Konkurrenzkampf der Übersetzungen?
Wir schlingern in unserer Arbeit zwischen der Elberfelder und der Schlachterbibel hin und her. Die Züricher taucht hier und da auf. Alles christliche Varianten. Leider. Aber über alle Beschäftigung legt sich Ideologie, Urteil, Abgrenzung, Rechtfertigung, Definitionsmachtansprüche (Neues Wort!) und Hass gegen Andersdenkende.
Väter sind bereit, ihre Söhne zu opfern, Mütter gebären um die Wette in haßerfülltem Konkurrenzkampf, Vergewaltigungen, Eroberungen, Ungerechtigkeit und Machtgier. Gott offeriert Sonderverträge, wütet maßlos, giert nach Liebesbeweisen, hält sich raus, mischt sich ein, bevorzugt, verurteilt, meist ohne jedwede nachvollziehbare Regeln.
Zum Beispiel: Gott schenkt den Nachkommen Abrahams das Land Kanaan, nur wohnen dort leider schon andere Leute. Egal.
5. Mose 6, 10 -11: Dann wird er (G'tt) dir geben, große, schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser alles Guten voll, die du nicht gefüllt hast, und gemeißelte Brunnen, die du nicht gehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast; und du wirst essen und satt werden.
5. Mose 20, 10-18: Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen. Vielmehr sollst du die Hetiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat, damit sie euch nicht lehren, alle Gräuel nachzuahmen, die sie begingen, wenn sie ihren Göttern dienten, und ihr nicht gegen den Herrn, euren Gott, sündigt.
Das Buch ist wahrhaftig, die Auslegungen, welcher Religion auch immer, unerträglich.
Ja, so sind wir. Aber warum sollte ich dafür Gott dankbar sein, ihn lieben?
Freitag, 11. August 2017
Liebeskummer in New York
Ein Kollege erzählte heute Abend diese Geschichte:
Es sind die frühen Neunziger des letzten Jahrhunderts.
Er ist sehr jung und zum erstenmal in New York.
Besucht dort einen Freund.
In der ersten Nacht möchte er eine richtige Rockerkneipe besuchen.
Er hat schrecklichen Liebeskummer und sucht Ablenkung.
Sein Freund führt ihn in einen dunklen verrauchten Schuppen überfüllt mit Damen in hautengem Leder und bärtigen schwarzgekleideten Männern.
Die Musik ist laut. Black Sabbath, Deep Purple, Guns'n Roses, AC/DC.
Oldfashioned Hardrock.
Unser liebesleidender Freund schiebt einen Dollar in die Jukbox.
Wählt ein Lied, das seiner Stimmung entspricht.
Stevie Wonders "You are the Sunshine of my Life".
Wie das Lied in eine die Jukebox geraten war, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.
Das Lied beginnt.
Du bist der Sonnenschein meines Lebens,
deshalb werde ich immer in deiner Nähe bleiben.
Du bist mein Augapfel
für immer wirst du in meinem Herzen bleiben.
Die Jukebox wird gestoppt.
Stille.
Ein umfangreicher Mann in schwarzen Leder spricht in ein Mikrofon: Wer hat dieses Lied gewählt?
Er bekam keine Antwort.
https://www.youtube.com/watch?v=uPyq4iqt6Go
Es sind die frühen Neunziger des letzten Jahrhunderts.
Er ist sehr jung und zum erstenmal in New York.
Besucht dort einen Freund.
In der ersten Nacht möchte er eine richtige Rockerkneipe besuchen.
Er hat schrecklichen Liebeskummer und sucht Ablenkung.
Sein Freund führt ihn in einen dunklen verrauchten Schuppen überfüllt mit Damen in hautengem Leder und bärtigen schwarzgekleideten Männern.
Die Musik ist laut. Black Sabbath, Deep Purple, Guns'n Roses, AC/DC.
Oldfashioned Hardrock.
Unser liebesleidender Freund schiebt einen Dollar in die Jukbox.
Wählt ein Lied, das seiner Stimmung entspricht.
Stevie Wonders "You are the Sunshine of my Life".
Wie das Lied in eine die Jukebox geraten war, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.
Das Lied beginnt.
Du bist der Sonnenschein meines Lebens,
deshalb werde ich immer in deiner Nähe bleiben.
Du bist mein Augapfel
für immer wirst du in meinem Herzen bleiben.
Die Jukebox wird gestoppt.
Stille.
Ein umfangreicher Mann in schwarzen Leder spricht in ein Mikrofon: Wer hat dieses Lied gewählt?
Er bekam keine Antwort.
https://www.youtube.com/watch?v=uPyq4iqt6Go
Donnerstag, 10. August 2017
RILKE - ZWEI GEDICHTE ÜBER APOLLO
RILKE
ZWEI GEDICHTE ÜBER APOLLO
In: Der Neuen Gedichte anderer Teil
In: Der Neuen Gedichte anderer Teil
Und darum nehme ich mir vor, besser zu schauen, anzuschauen, mit mehr Geduld, mit mehr Versenkung. R.M.R. an Lou Andreas-Salomé
Oft habe ich in Museen das Bedürfnis ausgestellte Werke anzufassen, sie unter meinen Fingerspitzen zu spüren. Verboten. Ich bleibe auf das Sehen beschränkt. Ein Sinn muß mir den anderen ersetzen.
Ein einbeiniger Torso ohne Kopf und ein Kopf mit leeren Augenhöhlen, beide im Louvre zu finden. 1908, Rilke, Anfang 30, nach seiner Assistenz bei Rodin, will das Sehen neu erlernen. Zu Schauen, anzuschauen, zu erkennen.
ERKENNEN
ARCHAISCHER TORSO APOLLOS
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
Darin die Augenäpfel reiften. Aber
Sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
In dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
Sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
Der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
Der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
Zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
Unter der Schultern durchsichtigem Sturz
Und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
Und bräche nicht aus allen seinen Rändern
Aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
Die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
Darin die Augenäpfel reiften. Aber
Sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
In dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
Sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
Der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
Der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
Zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
Unter der Schultern durchsichtigem Sturz
Und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
Und bräche nicht aus allen seinen Rändern
Aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
Die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
Habe ich schon gesagt? Ich lerne sehen. Ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen. R.M.R. Malte Laurids Brigge
FRÜHER APOLLO
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
Im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
Nichts, was verhindern könnte, daß der Glanz
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
Im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
Nichts, was verhindern könnte, daß der Glanz
Aller Gedichte uns fast tödlich träfe;
Denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,
Zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe,
Und später erst wird aus den Augenbraun
Denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,
Zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe,
Und später erst wird aus den Augenbraun
Hochstämmig sich der Rosengarten heben,
Aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst
Hintreiben werden auf des Mundes Beben,
Aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst
Hintreiben werden auf des Mundes Beben,
Der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend
Und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend,
Als würde ihm sein Singen eingeflößt.
Und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend,
Als würde ihm sein Singen eingeflößt.
Sonntag, 6. August 2017
Planet der Affen Survival - War For The Planet Of The Apes
Wir erleben die Welt durch die Augen einer Affenhorde. Äußerlich Primaten, innerlich Archetypen Carl Gustav Jungs, der Held, der Mentor, der Schatten, der Trickster, das göttliche Kind, oh, das ist ein Mensch, spielen eine Parabel über die Ausschläge des Menschseins, der Menschlichkeit durch. Die Filmgeschichte wird zitiert, John Sturges, Sergio Leone, Spartakus, Apocalypse Now, aber hier sind die Helden halt Affen.
Ich liebe diese Trilogie und hoffe irgendwie, dass es eine bleibt. Cornelius und Nova sind geboren, von nun an würden wir in das Gebiet der Urverfilmung geraten und wie sollte das gehen, ohne die schreckliche Überraschung der letzten Einstellungen des ersten Filmes und ohne Andy Serkis. Ohne Serkis, der das Herz und das Hirn der Filme ist. Allerdings könnte Serkis auch Cornelius spielen, CGI macht's möglich.
Indem die Antagonisten Affen & Menschen sind, anstatt Deutsche & Juden oder Sklaven und weiße Sklavenhalter oder andere Antagonisten der furchtbaren Ausbeutungs- und Erniedrigungsverhältnisse unserer menschlichen Geschichte, indem also eine Verfremdung stattfindet, wird mir ursprüngliche Empathie ermöglicht. Ein toller Dreh.
Ganz am anderen Ende des filmischen Spektrums: Felix & Meira, eine kanadische Liebesgeschichte zwischen einer orthodoxen Jüdin und einem französischen Bonvivant. Ganz still, ganz langsam, ganz fein.
http://www.arte.tv/de/videos/068342-000-A/felix-meira
Computer Generated Imagery oder Motion Capture, wörtlich Bewegungs-Erfassung, bezeichnet ein Tracking-Verfahren, das es ermöglicht, jede Art von Bewegungen so zu erfassen und in ein von Computern lesbares Format umzuwandeln, dass diese die Bewegungen analysieren, aufzeichnen, weiterverarbeiten und zur Steuerung von Anwendungen verwenden können.
Ein spezielles Motion Capture-Verfahren ist das Performance Capture (wörtlich: Darstellungs-Erfassung), das die Erfassung von menschlichen Gesichts- und Fingerbewegungen umfasst, also Mimik und Gestik.
Welch ungewöhnlich großer Vorstellungskraft bedarf es, um im enganliegenden Ganzkörperanzug, über und über bepunktet und mit einer Minikamera vor dem Gesicht hochemotionale Szenen zu spielen! Alles muß imaginiert werden. Und der Körper, hochtrainiert, muß sich ganz natürlich, äffisch bewegen. Eine ganz neue & eigene Kunst.
Planet der Affen ist ein Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1968 von Regisseur Franklin J. Schaffner mit Charlton Heston in der Hauptrolle. Die Handlung basiert auf dem Roman La Planète des singes (deutscher Buchtitel: Der Planet der Affen) aus dem Jahr 1963 von Pierre Boulle.
Mittwoch, 2. August 2017
Armut am Alex
Was ist Armut hier und heute? Sicher ist nicht dieselbe, wie in Ländern der Dritten Welt, meist nicht bitterer Hunger, nicht völlige Besitzlosigkeit. Arme Menschen in Deutschland sind "relativ" arm, dass heisst, sie sind es "nur" im Vergleich zu ihrem Umfeld. Relativ arm klingt fein harmlos. Die relative Armut wird gemessen am Durchschnitt des Nettoäquivalenzeinkommens, beschreibt es Wiki. In Armut lebt, wem unter 50 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung steht und als Armutsgrenze gilt in Deutschland für eine allein stehende Person ein Einkommen von 979 EUR monatlich.
Heute am Alex, an den fünf Mülleimern in Sichtweite, stehen fünf Männer, den Oberkörper darübergebeugt, mit einem Arm tief in die Eimer greifend. Die Behältnisse sind eklig, verklebt und stinkend. Die Sammler können nicht sehen, in was genau sie da hineinfassen, Scherben, Essensreste, Kotze, benutzte Spritzen, Hundescheiße.
Über den Platz verteilt Bettelnde, manchen sieht man ihre Not an, andere lagern an diesem Sommertag zwischen ihren Tüten & Taschen wie in der Sommerfrische. Ein kleiner Dicker mit beängstigend dunkelrotem Gesicht macht ein Picknick mit Salznüssen, Blaubeeren und Fusel. Hier und da wird eine der Obdachlosenzeitungen verkauft.
Grillwalker mit den schweren Bauchläden, 30 Kilo soll so ein Ding wiegen, alle möglichen Menschen in albernen Kostümen, die für irgendetwas Blödes werben, Taschendiebe die Menge, für mich unsichtbar, aber durch die Ergebnisse ihrer Arbeit nachweisbar, Gruppen von Fast-Noch-Kindern, frech, obdachlos, schutzlos.
Und wie viele der Leute, die über den häßlichen Platz hasten, tippeln, schlendern sind arm, aber sieht man es nicht? Adrett gekleidete Rentner, die mit Mindestrenten am Darben gerade so vorbeischlittern, Bezieher von Hartz IV, alleinstehende Mütter, Mindestlohnverdiener, Berufsunfähige, Selbstständige.
Von den unzähligen Gelegenheitskellnern, die eigentlich Schauspieler, Maler, Sänger, Musiker sind, muß ich gar nicht reden.
Heute hat mich die Synchronität der fünf Sammler zum Nachdenken gebracht, aber meist schaue ich nicht so genau hin, kaufe gelegentlich die "Motz", werfe ein paar Euro in einen auf dem Boden stehenden Becher und spende an "Ärzte ohne Grenzen". Mir geht es gut.
ZUSÄTZLICHE INFORMATIONEN:
https://www.cecu.de/armutsgrenze.html
http://www.statistiker-blog.de/archives/nettoaquivalenzeinkommen/299.html
https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/diebstahl-und-einbruch/artikel.119058.php
Wiki:
Mehrweg-Bierflaschen werden mit 0,08 € verbucht, egal ob mit 0,33 l oder 0,5 l Inhalt.
Mehrweg-Bierflaschen mit Bügelverschluss haben 0,15 € Pfand, werden regional auch mit 0,25 € oder 0,50 € bepfandet.
Sonstige Mehrwegflaschen aus Glas oder härterem Plastik kommen auf 0,15 €. Hierzu zählen z. B. Mineralwasser, Limonade, Joghurt, Milch, Sahne, Apfelwein, Fruchtsäfte.
Mehrweg-Glasflaschen der Firma Schweppes sind mit 0,10 € bepfandet.
Für 1-Liter-Weinflaschen aus Glas werden in manchen Handelsketten 0,02 € bzw. 0,03 € Pfand erhoben
http://www.tagesspiegel.de/berlin/armut-in-berlin-helft-endlich-den-flaschensammlern/19701212.html
Heute am Alex, an den fünf Mülleimern in Sichtweite, stehen fünf Männer, den Oberkörper darübergebeugt, mit einem Arm tief in die Eimer greifend. Die Behältnisse sind eklig, verklebt und stinkend. Die Sammler können nicht sehen, in was genau sie da hineinfassen, Scherben, Essensreste, Kotze, benutzte Spritzen, Hundescheiße.
Über den Platz verteilt Bettelnde, manchen sieht man ihre Not an, andere lagern an diesem Sommertag zwischen ihren Tüten & Taschen wie in der Sommerfrische. Ein kleiner Dicker mit beängstigend dunkelrotem Gesicht macht ein Picknick mit Salznüssen, Blaubeeren und Fusel. Hier und da wird eine der Obdachlosenzeitungen verkauft.
Grillwalker mit den schweren Bauchläden, 30 Kilo soll so ein Ding wiegen, alle möglichen Menschen in albernen Kostümen, die für irgendetwas Blödes werben, Taschendiebe die Menge, für mich unsichtbar, aber durch die Ergebnisse ihrer Arbeit nachweisbar, Gruppen von Fast-Noch-Kindern, frech, obdachlos, schutzlos.
Und wie viele der Leute, die über den häßlichen Platz hasten, tippeln, schlendern sind arm, aber sieht man es nicht? Adrett gekleidete Rentner, die mit Mindestrenten am Darben gerade so vorbeischlittern, Bezieher von Hartz IV, alleinstehende Mütter, Mindestlohnverdiener, Berufsunfähige, Selbstständige.
Von den unzähligen Gelegenheitskellnern, die eigentlich Schauspieler, Maler, Sänger, Musiker sind, muß ich gar nicht reden.
Heute hat mich die Synchronität der fünf Sammler zum Nachdenken gebracht, aber meist schaue ich nicht so genau hin, kaufe gelegentlich die "Motz", werfe ein paar Euro in einen auf dem Boden stehenden Becher und spende an "Ärzte ohne Grenzen". Mir geht es gut.
ZUSÄTZLICHE INFORMATIONEN:
https://www.cecu.de/armutsgrenze.html
http://www.statistiker-blog.de/archives/nettoaquivalenzeinkommen/299.html
https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/diebstahl-und-einbruch/artikel.119058.php
Wiki:
Mehrweg-Bierflaschen werden mit 0,08 € verbucht, egal ob mit 0,33 l oder 0,5 l Inhalt.
Mehrweg-Bierflaschen mit Bügelverschluss haben 0,15 € Pfand, werden regional auch mit 0,25 € oder 0,50 € bepfandet.
Sonstige Mehrwegflaschen aus Glas oder härterem Plastik kommen auf 0,15 €. Hierzu zählen z. B. Mineralwasser, Limonade, Joghurt, Milch, Sahne, Apfelwein, Fruchtsäfte.
Mehrweg-Glasflaschen der Firma Schweppes sind mit 0,10 € bepfandet.
Für 1-Liter-Weinflaschen aus Glas werden in manchen Handelsketten 0,02 € bzw. 0,03 € Pfand erhoben
http://www.tagesspiegel.de/berlin/armut-in-berlin-helft-endlich-den-flaschensammlern/19701212.html
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