Montag, 8. August 2016

WIEN 2 - Vor und hinterm Heldenplatz

An einem der Eingangstore zum Heldenplatz:

 
HELDENPLATZ
Am 15. März 1938 verkündete Adolf Hitler vom Balkon der Neuen Burg aus den versammelten Wienern auf dem Heldenplatz den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Ernst Jandl beschreibt das so:

der glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick
und brüllzten wesentlich.

verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.

pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel.
balzerig würmelte es im männechensee
und den weibern ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.

Ernst Jandl

Und gleich hinterm Heldenplatz ist das Museumsquartier mit dem Leopoldmuseum:
 
EGONSCHIELE EGONSCHIELE EGONSCHIELE EGONSCHIELE EGONSCHIELE

 Vestibül des Leopold-Museums mit Licht/Schatten Effekten

Schwarzhaariges Mädchen mit hochgeschlagenem Rock 1911

 Selbstportrait ???

Osen 1910 Mit angelegten Handspitzen

LINKS UND RECHTS
 


 
RECHTS


Wally Neuzil und Egon Schiele 1912

Haus am Fluß 1915
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Gustav Klimt Sehr große Pappel am Attersee 1902/03

KLEINER NACHTRAG ZU GESTERN
 
Ehrentafel für die im Kampf gegen die Türken gefallenen ehrsamen Wiener Handwerker

Und am Rande:

Ein Orientteppichladen, der wie ein orientalischer Teppichladen aussieht.

Sonntag, 7. August 2016

WIEN 1 - zu viel Barock, zu viel Pomp, aber doch schön.


Ein mit Blumen bemaltes Haus in Wien

Blumen in Wien
 
Im Kunsthistorischen Museum


Markgraf Albrecht von Brandenburg, Herzog von Preussen (1490-1568)
Norddeutschland um 1526, Eisen und Leder
Eine Rüstung mit Faltenrock, Blähbrust, Entenschuhen, Vogelkopf und übergroßen Handschuhen - Alexander McQueen hätte seine Freude gehabt! Cranach der Ältere hat ihn gemalt, den Markgrafen, der vielleicht mal in der lustigen Rüstung steckte und so sah er aus:

Wiki schreibt: Albrecht von Preußen (* 17. Mai 1490 in Ansbach; † 20. März 1568 auf der Burg Tapiau) war der erste Herzog in Preußen. Der Prinz von Ansbach aus der fränkischen Linie der Hohenzollern, seit 1511 Hochmeister des Deutschen Ordens, trat 1525 zur Reformation über, säkularisierte den Deutschen Orden in Preußen und wandelte den katholisch dominierten Ordensstaat in das lutherische, unter polnischer Lehenshoheit stehende Herzogtum Preußen um, das er bis zu seinem Tod regierte.
Was für eine Vorstellung, der Mann, Herzog von Preussen, Lutheraner, Staatsmann, scheinbar mir schwerem Schielfehler und recht stämmig, presst sich in diese modische Rüstung. Um was zu tun? Krieg zu führen? Cool zu wirken?

Jacobus Vrel
Frau am Fenster 1654
Ganz heutig. Schön, oder?

Hans von Aachen 1604
Erzherzogin Anna, Tochter von Erzherzog Ferdinand II.Landesfürst von Tirol
Gemahlin von Kaiser Matthias
Man beachte die zarten roten Ohrenaufsätze!

Pieter Aertsen
Marktszene um 1560/65
Erinnert mich stark an sozialistisch/realistische Arbeitergemälde der DDR
Wir sind stolz! Mehr Hühner! Mehr Brot! Vorwärts!

Albrecht Dürer 1526
Ein Bildnis des Johannes Kleeberger aus Nürnberg [in seinem] Lebensalter von 40 Jahren
Den habe ich doch gerade heute in einem Cafe gesehen!

Bernardo Strozzi 1582-1654
Predigt Johannes des Täufers
Keine Predigt, eine Diskussion auf Augenhöhe, das wird nur noch deutlicher durch das interessiert von dem aus der Mitte von unten aufschauenden Kind.

Samuel van Hoogstraaten 1627-1687
Alter Mann am Fenster 1653
Wahrscheinlich ein Bildnis des Rabbiners Jom Tow Lipman, der erwirkte, dass Juden in der Wiener Leopoldstadt wohnen konnten.

KROATIEN 6 - Wien war einst großmächtig

 Direkt vor unserer Haustür photographiert.

Gestern sind wir zwölf Stunden mit dem Auto von Dalmatien bis etwa einhundert Kilometer vor Wien gefahren. Wobei das Wort "fahren" hier in sehr weiter Begriffsbedeutung verwendet wird, nämlich schließt es "nichtfahren", "sehrlangsamfahren", "nochlangsamerfahren", "vielleichtirgendwannweiterfahren" mit ein. 700 Kilometer in zwölf Stunden und ich fahre eher flott. Das Verkehrsaufkommen war mittelstark, daran lag es nicht. An einer überschwemmten Straße und längeren Baustellen auf der in Konstruktion befindlichen Autobahn durch Slowenien lag es auch nicht. Das Mautzahlen war schuld.
Wir nehmen den Zettel, wir schauen ihn an, wir führen ihn in die Maschine ein, der zu zahlende Betrag erscheint auf einer digitalen Anzeige, wir nehmen das gereichte Geld, wir schauen das Geld an, wir errechnen das Wechselgeld, wir zählen es nach, wir übergeben das Wechselgeld, "hvala", wir öffnen die Schranke - ich fahre.
2 Stunden Wartezeit pro Mautstelle! Irrsinn. 

Die territoriale Entwicklung der Habsburger Monarchie, mit Zoll-, aber ohne Mautschranken, Teile der Schweiz, die Niederlande, praktisch der gesamte Balkan, Tirol, Venetien, Burgund, und und und, fast ganz Europa waren irgendwann einmal habsburgisch. Kein Wunder, dass die Herrschaften so agressiv vorgeschobene Unterlippen hatten.  
 

Ich bin mir sicher, dass, hätte es damal schon die Maut gegeben, die Türken, bzw. die Osmanischen Armeen, es nie bis nach Wien geschafft hätten, was eine Schande gewesen wäre, denn sie haben den Wienern doch den Kaffee gebracht, der hier mit höchst zärtlicher Wissenschaftlichkeit auf unzählige unterschiedliche köstliche Arten serviert wird.

Almkaffee / Gebirgskaffee – Kaffee mit Schlagobers, Eidotter und Obstschnaps
Biedermeier – Kaffee mit Schlagobers und Marillenlikör
Schale Braun – halb Kaffee, halb Milch

Kleiner Brauner – einfacher Mokka mit Milch oder Obers in kleiner Schale. Das Kaffeeobers oder Milch, um aus dem kleinen Schwarzen einen kleinen Braunen zu machen, wird traditionell in einem winzigen Porzellankännchen, das an einen etwas größeren Fingerhut erinnert, extra am Tablett serviert, damit der Gast selbst das Mischungsverhältnis bestimmen kann.
Großer Brauner – doppelter Mokka mit Kaffeeobers in großer Schale
Doppelmokka – doppelter Espresso in großer Mokkaschale
Einspänner – kleiner Mokka im Glas mit viel Schlagobers (doppelter Einspänner: großer Mokka)
Eiskaffee englischer Art – ein Drittel Kaffee, ein Drittel Eis, ein Drittel Schlagobers
Fiaker – großer Mokka im Glas mit viel Zucker und einem Stamperl Sliwowitz oder Rum (Wien)
Franziskaner – lichte Melange mit Schlagobers
Gespritzter – schwarzer Kaffee mit Weinbrand/Cognac oder Rum
Schale(rl) Gold – Kaffee mit Kaffeeobers, etwas heller als ein Brauner (Wien)
Granita di Caffè – fein gekörntes Eis mit starkem schwarzem gezuckertem Kaffee übergossen
Häferlkaffee – Kaffee im Häferl (und nicht in einer Tasse) mit meist hohem Milchanteil, Filterkaffee; als Häferlkaffee wurde auch Ersatzkaffee mit viel Milch bezeichnet
Intermezzo – kleiner Mokka, mit heißer Schokolade und Creme de Cacao verrührt, darauf Schlagobers mit Praline (eventuell Mokkabohnen)
Kaffee Kirsch – Kaffee mit Kirschwasser
Kaffee verkehrt – Kaffee mit 2/3 Milch und 1/3 Kaffee (Wien)
Kapuziner – schwarzer Kaffee mit einem Schuss flüssigen Obers
Katerkaffee – starker Mokka, gesüßt mit an Zitronenschale geriebenen Zuckerstücken
Konsul – Mokka mit etwas Obers
Kosakenkaffee – kleiner Mokka im Einspännerglas, vermischt mit flüssigem Zucker und Rotwein und Wodka
Marghiloman – Mokka mit Weinbrand/Cognac
Mazagran – kalter gesüßter Kaffee mit Eisstückchen und Weinbrand/Cognac oder Maraschino
Melange – halb Kaffee, halb Milch
Kaisermelange – Mokka mit Eidotter, auch mit Honig und Weinbrand/Cognac (Wien)
Wiener Melange – Melange, mit geschäumter Milch im Glas serviert (Wien)
Maria Theresia – Mokka mit einem Schuss Orangenlikör
Mokka gespritzt – Mokka mit Weinbrand/Cognac und Rum
Othello – heiße Schokolade mit Espresso
Piccolo – kleiner Schwarzer mit Schlagobers

Großer Schwarzer (auch großer Mokka) – doppelter Mokka in großer Schale
Kleiner Schwarzer (auch kleiner Mokka) – einfacher Mokka in kleiner Schale
Sperbertürke – doppelt starker, mit Würfelzucker aufgekochter türkischer Kaffee

Türkischer Kaffee passiert – türkischer Kaffee, bei dem der Satz herauspassiert wurde
Überstürzter Neumann – Schlagobers in einer sonst leeren Schale wird am Tisch des Gastes mit heißem Kaffee „überstürzt“.
Ungarischer Kaffee – starker gesüßter Kaffee wird aufs Eis gestellt, dann mit gekühltem Schlagobers vermengt und im Glas serviert
Verlängerter – ein kleiner Schwarzer wird mit der gleichen Menge an heißem Wasser verlängert
Weißer mit Haut – lichte Melange (heller Milchkaffee), der mit heißer, nicht verquirlter Milch serviert wird, worauf sich eine Haut bildet (Wien)
Zarenkaffee – starker Espresso, auf den eine Haube aus gezuckertem gesprudeltem Eidotter aufgesetzt wird


Samstag, 6. August 2016

KROATIEN 5 - Ich bin ein Faultier


Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.
Franz Kafka Die Verwandlung
 
Die letzten Urlaubstage.  
Habe rumgesessen, gelesen, gegessen, gelaufen (wenig), geschwommen, geschaut, geraucht, getrunken, geredet, geschlafen, geschlummert, geschaut, geträumt, Patiencen gespielt, bewegungslos geschwitzt, gelungert, kurzum gefaulenzt.
Als wäre ich nie fleißig gewesen. Ob das jetzt so bleibt? Für immer?

Das Faultier

Ein Faultier
fault hier
vor sich hin
Ein langer Finger
kratzt das Kinn
Und dann kommt wieder länger nix –
doch seht!
Die Tiefe seines Blicks!
Ach Nein
es hat die Augen zu
Na gut
dann lass ich es in Ruh
 
Judith Holofernes
  
Bekannt sind die Faultiere vor allem durch ihre – mit dem Rücken nach unten – im Geäst hängende Lebensweise, ihre sehr langsamen Bewegungen und die langen Ruhephasen. (Wiki)

http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article124082821/Faultiere-zuechten-Algen-und-Motten-in-ihrem-Fell.html

Die Faulheit

Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.
Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.

Bruder, lass das Buch voll Staub.
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Lass uns faul in allen Sachen,
Nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,
Nur nicht faul zur Faulheit sein.



Lob der Faulheit

Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen. –
O -- wie -- sau -- er -- wird es mir, --
Dich -- nach Würden -- zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut! wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben --
Ach! -- ich -- gähn' -- ich -- werde matt --
Nun -- so -- magst du -- mir's vergeben,
Daß ich dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.
 
Beide Gedichte sind von Gotthold Ephraim Lessing

Donnerstag, 4. August 2016

KROATIEN 4 - Dubrovnik hieß Ragusa

DUBROVNIK - RAGUSA
 
Wir haben heute Dubrovnik besucht und, außer einigen wenigen Personen, die gerade andere unverschiebbare Termine hatten, war auch die gesamte Bevölkerung Asiens und Europas angereist. Ich kann also nur vermuten, dass es eine sehr schöne Stadt ist, da mir meistens dichte Haufen von Menschen die Sicht versperrten, die eifrig sich selbst, einander und malerische Teile der Stadt photographierten.

Der ehemalige Stadtstaat Ragusa liegt zwischen steilen Bergen und ist landwärts und zur Meerseite hin von einer beeindruckend kräftigen Wehrmauer umgeben. Ein Erdbeben im 17. Jahrhundert und der Unabhängigkeitskrieg in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts haben viel zerstört, jedoch ist fast nix davon heute noch zu sehen.

Es gibt eine kleine barocke Synagoge mit einem feinen Museum. Sie ist das zweitälteste erhaltene sephardische Gebetshaus der Welt, mit einer aktiven Gemeinde von, so sagte man mir, zwölf Gläubigen? 
Wegen der Reconquista aus Spanien, Portugal und auch Italien ins zu der Zeit osmanische Reich geflohene Juden siedelten sich auch in Dubrovnik an. Sie lebten viele Jahrhunderte gut integriert und unbehelligt in er Stadt.
 
Ab Juni 1943 wurden die jüdischen Einwohner Dubrovniks mit weiteren Juden aus der gesamten italienischen Militärverwaltung in das KZ Kampor, auf der Insel Rab befindlich, verbracht. Nach der Kapitulation Italiens 1943 und den deutschen Besatzern wurden die Inhaftierten durch die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee in freie Landesteile gebracht. Zwischen hundertachtzig und zweihundert Juden, die nicht die Insel Rab verlassen konnten, wurden durch die deutschen Besatzer in Vernichtungslager des NS-Staats verschleppt.(Wiki) 
 Gasse von unten.
 Gasse von oben.
 Geometrische Schönheit.
 Keine Ahnung,wer das ist, 
aber offensichtlich bringt das Berühren seiner Nase Glück.
 In "Candide" verliert ein Mann durch die Syphilis seine Nase. Er trägt von da an eine silberne. Dieser mir Unbekannte scheint eine in Gold zu haben. 
 Kleine Tür mit Bild.

DIE CHINESISCHE MAUER VON STON

Ston liegt zwische Dubrovnik und dem kurzen Stück Mittelmeerküste, das zu Bosnien-Herzogowina gehört (Vielleicht 4km, man fährt aus Kroatien rein und gleich wieder nach Kroatien raus.) Zur Blütezeit Ragusas im 14. Jahrhundert beschlossen die Stadtväter, dass die Landzunge Pelješac mit einer starken Verteidigungsanlage versehen werden sollte. Der Handelsverkehr in diesem Teil des Mittelmeers war dicht und Ston und Klein-Ston lagen günstig, um eventuelle Vorstöße gegen Ragusa abzuwehren. Es wurde eine 5 Kilometer lange begehbare Mauer mit insgesamt 40 Türmen gebaut, die drei oder fünf Kastelle und die beiden Orte miteinander verband. So war der Zugang zur Halbinsel Pelješac vollständig kontrollierbar. Sie wird als die längste Festungsmauer in Europa bezeichnet und soll, nach der chinesischen, die zweitlängste Mauer der Welt sein.
Und damit die Bewohner dieser touristengefüllten Stadt ihr Leben genießen können, wird im Delta der Neretwa (Erinnert sich noch jmand an den Propagandafilm von 1968 "Schlacht an der Neretwa"?) Obst angebaut, Honig gewonnen und Wein gekeltert, in Ston löst man Salz aus dem Meerhabe  und Klein-Ston züchtet Muscheln und Austern. Trüffel gibt es hier auch und vielleicht darum viele Warnschilder vor Wildschweinen. 
Also ich habe heute taufrische Austern am Straßenrand gegessen, mit Zitrone und einem Tropfen Tabasco. Herrlich!

 
 


KROATIEN 3 - Ödön heißt Edmund

"Ich wurde in Fiume geboren, bin in Belgrad, Budapest, Preßburg, Wien und München aufgewachsen und habe einen ungarischen Pass - aber ,Heimat'? Kenn ich nicht. Ich bin eine typisch altösterreichisch-ungarische Mischung: magyarisch, kroatisch, deutsch, tschechisch - mein Name ist magyarisch, meine Muttersprache ist deutsch. Ich spreche weitaus am besten Deutsch, schreibe nunmehr nur Deutsch, gehöre also dem deutschen Kulturkreis an, dem deutschen Volke. Allerdings: der Begriff ,Vaterland', nationalistisch gefälscht, ist mir fremd (...) Ich habe keine Heimat und leide natürlich nicht darunter, sondern freue mich meiner Heimatlosigkeit, denn sie befreit mich von einer unnötigen Sentimentalität."

Edmund (ungarisch „Ödön“) Josef von Horváth wurde am 9. Dezember 1901 als erster Sohn des österreichisch-ungarischen Diplomaten Ödön Josef von Horváth (1874–1950) und der Maria Lulu Hermine, geb. Prehnal (1882–1959), in Fiume (damals Königreich Ungarn; heute Rijeka, Kroatien) geboren. Der Vater stammte aus Slavonien, damals ein Teil Ungarns, und gehörte dem Kleinadel an, die Mutter kam aus einer ungarisch-deutschen k.u.k. Militärarztfamilie.

Schon dieser kurze biographische Absatz spiegelt die Wirrnis, der ich begegne, wenn ich versuche, mir eine grobe Übersicht über die Geschichte des Balkan zu verschaffen. Schon bei der Defintion des geographisch-geoplitischen Begriffes "Balkan" geht es los. Griechenland und die Türkei gehören dazu? Zumindestens teilweise? Rumänien? Gibt es Herzogowinenser? (Nein, das Herzogsland und das Land um den Fluß Bosna wird von Bosniaken, Serben und Kroaten und noch anderen bewohnt.) Aber es gibt Montenegriner. Kosovo-Albaner und Albaner sind gleich und ganz anders. Die einen wurden von Serbien mißhandelt, die anderen von Enver Hoxha.

Die Kosovo-Albaner schätzten Albanien, in dem sie ihre Mutter erblickten, von der sie gewaltsam getrennt waren – die Albaner begannen es zu hassen, da es, umgeben mit Stacheldraht, eher einem Konzentrationslager ähnelte;
Die Kosovaren verfügten über die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, und das verhalf ihnen dazu, den Traum vom versprochenen Boden auszuträumen – die Albaner, isoliert, drängten, die Welt kennen zu lernen;
Die Kosovaren sahen in Enver Hoxha das Symbol Albaniens. Viele von ihnen wurden daraufhin zu Marxisten-Leninisten – die Albaner hassten ihn, denn er war das Symbol des Schlechten;
Die Kosovaren, der Serben überdrüssig, brannten vor Sehnsucht nach den Albanern – die Albaner sagten, dass sie das Schlimmste erfuhren, als sie allein und sonders in den Händen von Albanern blieben;
Die Kosovaren vergingen vor Sehnsucht, wenn sie Volkslieder hörten – den Albanern gingen diese auf die Nerven, weil sie keine andere Musik im albanischen Rundfunk und Fernsehen hörten …“ 
Fatos Lubonja: Koha Jonë, 4. Juni 1995
Jedes Stück Land auf dieser Halbinsel gehörte mal dem, mal jenem. Bündnisse wurden geschlossen und gebrochen. Athen und Rom, die Republik Venedig, das Osmanische Reich, die kaiserliche und königliche Monarchie von Österreich und Ungarn, das Königreich Bulgarien, das Zarenreich Bulgarien, die faschistischen Achsenmächte, sie alle und noch viele mehr, haben okkupiert, verschachert, getauscht, besiegt und bekriegt. Serben, Slowenen, Kroaten, Albaner, Makedonier, Bosnier, kleine und größere Völker wurden zerteilt, gegeneinander aufgehetzt, zerrieben, benutzt und haben sich untereinander vereint und verraten und zerfetzt. Muslime und Christen, Kleinfürsten, Clanchefs, Könige, Kaiser, Patrioten, Revolutionäre, Visionäre, Kriegsprofiteure und Diplomaten jeglicher Couleur hatten ihre Stunde und haben sie genutzt oder verpaßt. (Bulgarien und Makedonien haben sich jahrelang auf höchster staatlicher Ebene darüber gestritten, ob Mazedonisch eine eigene Sprache ist oder nur eine Variante des Bulgarischen und auch darüber wie sich das Miniland international nennen darf - ehemalige jugoslawische Republik Makedonien oder Makedonien! Und weit und breit kein Alexander, der den Knoten durchschlagen konnte.) Was für ein tragisches Kuddelmuddel. Und es ist doch so sehr schön hier!

Das Attentat von Sarajevo - am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo von einem bosnischen Serben namens Gavrilo Princip erschossen - antiserbisches Propagandaplakat vor dem Ersten Weltkrieg

Wenn jemand Interesse an besserem Verständnis hat, empfehle ich das Buch "Schlafwandler" von Christopher Clark.
Das Buch stellt ausgehend von der Situation auf dem Balkan die Konflikte und Bündniskonstellationen dar, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die europäische Politik bestimmten..
Clark hebt die außerordentliche Komplexität der Krise hervor, die u.a. durch die vielschichtigen und teilweise intransparenten Entscheidungsprozesse der involvierten Mächte zurückzuführen ist. Clark lehnt es ab, einen Schuldigen zu benennen: „In dieser Geschichte gibt es keine Tatwaffe als unwiderlegbaren Beweis, oder genauer: Es gibt sie in der Hand jedes einzelnen wichtigen Akteurs. So gesehen war der Kriegsausbruch eine Tragödie, kein Verbrechen.“
Insofern ist der Beginn des Krieges vielmehr die Folge in einer Kette von Entscheidungen verschiedener Akteure, die keinesfalls unausweichlich waren. Gleichzeitig warnt der Autor, dass ähnliche Eskalationen auch in heutigen Krisen denkbar sind.  

Der Titel des Buches, „Die Schlafwandler“, entspricht dieser Interpretation: Gemeint sind Akteure, die mit nachtwandlerischer Sicherheit lange auf einem Seil über einem Abgrund balancieren, bis die Balance jäh zusammenbricht.

Akteure, die mit nachtwandlerischer Sicherheit lange auf einem Seil über einem Abgrund balancieren, bis die Balance jäh zusammenbricht.
An wen erinnert mich das? An hier? An dort? An uns? Heute? 

Und die Leute werden sagen
In fernen blauen Tagen
Wird es einmal recht
Was falsch ist und was echt.
Was falsch ist, wird verkommen
Obwohl es heute regiert,
Was echt ist, das soll kommen,
Obwohl es heute krepiert.

Ödön von Horvath
  
Kleiner kurzer Schreck am Rande: im Fernsehen eine Wiederholung der Nachrichten vom 3. August 1991, der Kroatienkrieg wütet. Im August 1991 kontrollierten serbische Freischärler vor allem aufgrund der waffentechnischen Überlegenheit durch die Hilfe der JNA (Jugoslawische Volksarmee) etwa ein Drittel des kroatischen Staatsgebietes. Einen Moment lang dachte ich, das wären Nachrichten von heute!
 

Dienstag, 2. August 2016

KROATIEN 2 - NICOLA TESLA

NICOLA TESLA 
1856 - 1943

If you want to find the secrets of the universe, think in terms of energy, frequency and vibration.
Wenn Du die Geheimnisse des Universums finden willst, denke in den Begriffen von Ernergie, Frequenz und Vibration. 
Tesla 1896 in New York

Smiljan ist ein sehr kleines Dorf in Zentralkroatien, etwa 15 Kilometer von der Fernstraße Zagreb–Split entfernt, auf der ich am letzten Samstag gefahren bin. In Smiljan wurde Nicola Tesla geboren. 

Diocletian, Rudolf Steiner, Miroslav Nemec, eventuell Marco Polo & Ödön von Horváth, sie alle wurden auf dem Territorium des heutigen Kroatiens geboren, und ich hatte wiedermal keine Ahnung. 

Nicola Tesla der Sohn eines serbischen orthodoxen Priesters, begann 1876 in Graz Maschinenbau zu studieren, spielte aber lieber Karten & Billard, wurde exmatrikuliert, zog nach Marburg, wurde der Stadt wegen flatterhafter Lebensweise verwiesen, kehrte nach Hause zurück, verlor seinen Vater und arbeitete eine Zeit über als Aushilfslehrer. Ein zweiter, von einem Onkel finanzierter Studienversuch, in Prag verlief erfolglos, weil er die Gebühren nicht bezahlte. In Budapest und Paris verdingte er sich in verschiedenen Funktionen bei Niederlassungen von Thomas Alva Edison und ging dann nahezu mittellos nach New York, um dort für Edison selbst zu arbeiten. Sie schieden nach kurzer Zeit im Streit voneinander. 
Aber seine ganze scheinbar driftende Jugendzeit über hat Tesla in seinem Kopf elektrische Apparate entwickelt. 
Er wird sein Leben lang großartige Maschinen erfinden & bauen und immer wieder ausgebootet werden, nie wirklich die verdienten Früchte seiner Arbeit bekommen und doch immer weitermachen. Edison bekriegt ihn, Geschäftspartner tricksen ihn aus. 
Marconi nicht ihm, obwohl sein Patent früher angemeldet war, gelang die erste transatlantische Funkverbindung. Er lebt verschwenderisch, wenn er Geld hat und auch wenn nicht. Er träumt von weltweiter drahtloser Energieübertragung und verschreckte Geldgeber mit der Dimension seiner Visionen. Lebenslang neurotisch, werden seine Ideen mit zunehmendem Alter mehr und mehr esoterisch. 1943 stirbt er verarmt in New York mit mehr als 300 Patenten weltweit in seinem Namen.
The scientists of today think deeply instead of clearly. One must be sane to think clearly, but one can think deeply and be quite insane.

Die heutigen Wissenschaftler denken tief anstatt klar. Man muß bei gesundem Verstand sein, um klar zu denken, aber man kann tief denken und ziemlich wahnsinnig sein.


Samstag, 30. Juli 2016

KROATIEN 1 - Was in Zaostrog so blüht und wächst - für Ö. im Besonderen

KROATIEN - SÜDDALMATIEN - ZAOSTROG
Erster Spaziergang am Mittelmeer


Es ist heiß, sehr heiß 
und doch blüht und gedeiht es links und rechts und oben und unten. Üppig.

 Palme mit Traube

 Sehr dicke Traube. Datteln?

 Aloe Vera, harte Pflanze für weiche Haut.

 Alien Vera

Lonesome Vera

 Tamariske mit Kirche

 Krumpelige Vater & Mutter Steinblüher

 Aufrechtes Kind Steinblüher

 Kippende Kletter-Kakteen

 Hübsch.

 Auch hübsch. Klebrig.

 Oleander

 ???

 ???????

 Ziertabak

 Granatapfel unreif

 Bougainvillea

Und auch Pinien, Zypressen, Zitronen, Pfirsiche, Feigen, Königskerzen, Rosmarin, Minze, Melonen, Olivenbäume und Schierling...

DER REGEN IM PINIENHAIN

Schweige. Auf der Schwelle
des Waldes höre ich
die menschlichen Worte nicht,
die du sagst. Aber ich höre
neue Worte;
die von weit entfernten Tropfen und Blättern erzählen.
Höre. Es regnet
aus zerrissenen Wolken.
Es regnet
auf salzige, trockene
Tamarisken,
Es regnet
auf die schuppigen und stacheligen Pinien;
Es regnet
auf die göttliche Myrthe,
auf die unzähligen Blüten des leuchtenden Ginsters,
auf Wacholder voller duftenden Beeren,
Es regnet
auf unsere waldesgleichen Gesichter,
Es regnet
auf unsere bloßen Hände,
auf unser leichtes Gewand,
auf die reinen Gedanken,
die den neuen Geist erwachen lassen,
auf das schöne Märchen,
das gestern dich verzauberte, das heute mich verzaubert.
Oh Ermione.


Hörst du? Der Regen fällt,
auf das verlassene Grün,
Mit einem endlosen, wechselnden Plätschern in der Luft,
je nachdem ob das Laub dichter ist
oder weniger dicht.
Höre. Es antwortet
auf den Regen der Gesang
der Zikaden,
die sich weder durch südliches Rauschen
noch durch den grauen Himmel
abschrecken lassen.
Und die Pinie
erklingt und die Myrte
erklingt anders und der Wacholder
wieder anders, verschiedene Instrumente
unter unzähligen Fingerschlägen.
Und verschlungen
sind wir im Waldgeist,
eines Baumes gleich lebend;
Und dein nasses Gesicht
gleicht einem von Regentropfen
bespicktem Blatt,
und deine Haare
verbreiten den Duft
leuchtendes Ginsters,
ich du Nymphe des Waldes,
die du den Namen Ermione trägst
Höre, höre. Der Ton
der luftigen Zikaden
wird nach und nach
dumpfer
unter heftigerem Regen;
aber ein Gesang mischt sich ein
der rauer ist
und von dort hinten kommt,
aus feuchten verborgenen Schatten.
Dumpfer und schwächer werdend
verklingt er.
Nur eine Note
schwingt noch und verklingt,
blüht wieder auf, schwingt und verklingt.
Man hört das Rauschen der Wellen nicht.
Jetzt hört man auf allen Blättern
den silbernen Regen prasseln,
der wäscht,
und das Prasseln
das sich im dichter
oder weniger dichten Laub verändert.
Höre.
Die Tochter der Lüfte schweigt, die Tochter der Erde jedoch,
die Unke,
singt im entfernten Schatten!
Wo nur – wo? 

Und der Regen fällt auf deine Wimpern,
Ermione!
Er benetzt deine schwarzen Wimpern,
als weintest du aus Freude;
einem Baum entsprungen scheinst du.
Und das ganze Leben in uns ist jung und frisch,
und das Herz wie eine unberührte Frucht,
deine Augen gleichen Quellen in der Wiese,
deine Zähne bitt’ren Mandeln.
Eng umschlungen oder gelöst
wandeln wir durch das Dickicht.
Fast umschlingt das kräft’ge Grün uns’re Knöchel,
rankt sich um uns’re Knie
wo nur – wo? 

Es regnet
auf unsere waldesgleichen Gesichter,
es regnet auf unsere bloßen Hände,
auf unser leichtes Gewand,
auf die reinen Gedanken,
die den neuen Geist erwachen lassen,
auf das schöne Märchen,
das gestern dich verzauberte,
das heute mich verzaubert.
Oh Ermione.

Gabriele d'annunzio