Mittwoch, 13. August 2014

Lissabon 5 - Fenster - Augentore







FENSTER


Vanitasmotiv - Lissabon


Vanitas - Knochenkapelle in Evora

neben dem Fenster:


© fotoflips.de

Ein Fenster ist eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes und dient der Lichtzufuhr und der Aussicht, meistens ist ein Fensterflügel zum Lüften enthalten. Das Wort stammt aus dem Lateinischen: fenestra. Der altgermanische Begriff dafür bedeutete Wind-Auge (gotisch windauga). Althochdeutsch ist der entsprechende Begriff augadoro (Augentor).
Wiki
Von innen nach außen - Aveiro


Hinter Gittern - Guimarães


Gutgelaunt in Porto








ZÄZILIE

II
 
Zäzilie soll die Fenster putzen,
sich selbst zum Gram, jedoch dem Haus zum Nutzen.

Durch meine Fester muß man, spricht die Frau,
so durchsehn können, daß man nicht genau
erkennen kann, ob dieser Fenster Glas
Glas oder bloße Luft ist. Merk dir das.

Zäzilie ringt mit allen Menschen-Waffen ...
Doch Ähnlichkeit mit Luft ist nicht zu schaffen.
Zuletzt ermannt sie sich mit einem Schrei -
und schlägt die Fenster allesamt entzwei!
Dann säubert sie die Rahmen von den Resten,
und ohne Zweifel ist es so am besten.
Sogar die Dame spricht zunächst verdutzt:
So hat Zäzilie ja noch nie geputzt.

Doch alsobald ersieht man was geschehn,
und sagt einstimmig: Diese Magd muß gehn.
Christian Morgenstern


Vorfreude


3,50 €


Melancholischer Schweinekopf in Porto

Verschwindendes Fenster

Und eine Tür

Dienstag, 12. August 2014

Lissabon 4 - Gekachelte Häuser



KACHELN

Azuleju in Lissabon & Evora & Guimarães & Porto


Unter Azulejo versteht man ein Mosaik aus zumeist quadratischen, 
bunt bemalten und glasifizierten Keramikfliesen, das seinen europäischen 
Ursprung in Spanien und Portugal hat. Der Name Azulejo leitet sich vom 
arabischen al zulaij ab, was „kleiner polierter Stein“ bedeutet. Wiki













 
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
eine Kachel aus meinem Ofen schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei--verjährt--
doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
ist leise.
Die Zeit entstellt alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache in einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.
Joachim Ringelnatz






ZUM BEISPIEL

Die eine Kachel war knallgrün. Das ließ sich nicht ändern.
Sie war es, ist es, so ist es. Wenn sie noch ist.

Daran läßt sich nichts ändern. Eingesetzt sitzt sie fest.
Unzureichend gebilligt. Wirkt an erträglich vorbei.

Es bedarf einer Zutat, einer gewissen Dosis von Absehn,
Vorbeisehn an ihr, im Wissen, da sitzt sie.

Dessen bedurfte es wohl. Spürbarer Duldung, sozusagen,
bei aber nicht verminderter Aufmerksamkeit.

Ein Knall ist ein Phänomen. Denke: Knall.




Montag, 11. August 2014

Lissabon 3 - Armenischer Reichtum



Ein bisschen außerhalb des Zentrums Lissabons gibt es ein Museum der Künste, angefüllt mit Schätzen, die ein geradezu blödsinnig reicher armenischer Geschäftsmann, über viele Jahre gesammelt hat und die er in seinem Testament dem portugiesischen Staat vermacht hat.
Und es ist eine wunderschöne Sammlung, ein Kunstliebender kaufte mit Bedacht, aber ohne strenge Auswahlregeln, was ihn beeindruckte. Japanische Vasen und türkische Teppiche, zwei Köpfe von Rodin und das gestrige Bild von Degas, Glaskunst von Lalique und kleine ägyptische Figurinen.
Aber die Vielfalt hier ist nicht Wahllosigkeit. Es ist, als schlenderte man staunend durch die Möglichkeiten von Schönheit, die der Mensch schaffen kann. 


Torso der Venus Anadiomena - Venus dem Meer entsteigend
Ägypten

Friedrich Dürrenmatts Besuch der alten Dame spielt mit der Figur der zweifelhaften Wohltäterin Claire Zachanassian und ihrer Stiftung auf Gulbenkian an. Der Name Zachanassian entsteht durch Zusammenziehen von Zacharoff, Onassis und Gulbenkian.
Wiki 

Jean-Baptiste Carpeaux

FLORA

 1873 





So antwortete die Göttin auf meine Bitten -
während sie sprach, haucht sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde -:
Chloris war ich, die ich jetzt Flora genannt werde.
...Chloris war ich, eine Nymphe der glücklichen Feldflur, wo, wie du hörst, die beglückten Menschen früher ihren Besitz gehabt haben.
Welche Schönheit ich gehabt habe, das zu erzählen ist bei meiner Bescheidenheit schwer;
...Es war Frühling, ich irrte umher: Zephirus erblickte mich, ich ging weg. Er folgte, ich floh, jener war stärker.
...Die Gewalttat dennoch machte er wieder gut dadurch, daß er mir den Namen der verheirateten Gattin gab, und in meiner Ehe gibt es keinen Grund zur Klage.
Stets genieße ich den Frühling, stets ist üppig blühend die Jahreszeit, die Bäume haben Laub und Nahrung stets der Erdboden.
Ovid



 








ODER SO:

Flora Farnese
spätrömische Kopie einer griechischen Frauenstatuette
4. Jh.
Museo archeologico nazionale di Napoli
ODER SO:


Idealbildnis einer Kurtisane als Flora
Bartolomeo Veneto
16. Jahrhundert


Wikipedia-Artikel zu Calouste Gulbenkian

Sonntag, 10. August 2014

Edgar Degas - Maler mit Puppe


            

                 Puppe - lateinisch pupa - „kleines Mädchen"
                          Püppchen, verpuppen, entpuppen, Püppi, Zuckerpuppe,
                          Puppenstube, puppig, Puppendoktor, bis in die Puppen

                 Edgar Degas
                 Portrait Henri Michel-Levy & Puppe



       Zuerst die Palette, der Pinsel, dann zum Maler und dem ausgedient 
       habenden Modell & zuletzt die Bilder im Bild. Eine Welt der Kunst, 
       eine künstliche Welt.



       Die Modellpuppe auf dem Boden ist auch die Frau auf dem Bild links,
       oder?


       Sie puppt mit Puppen

        Die Puppen puppen mit kleinen Puppen,
        Die kleinen Puppen puppen mit winzigen Puppen,
        Die winzigen Puppen puppen mit Püppchen,
        Die Püppchen puppen mit kleinen Püppchen,
        Die kleinen Püppchen puppen mit winzigen Püppchen,
        Die winzigen Püppchen puppen,
        Keiner puppt mit ihr.
        Ah, Du meine Puppe,
        Meine süße Puppe;
        Mir ist alles schnuppe,
        Wenn ich meine Schnauze
        Auf die Deine - bauze.
        Püppchen Schnüppchen
        Puppe Schnuppe
        Schnuppe bauze.
        Die bäuzchen, Püppchen, Puppenfraun
        Sie machen nur noch schnauze bauze. 

        
        Kurt Schwitters


        Casanovas trauriger Tanz mit der schönen Puppe - Fellini
        https://www.youtube.com/watch?v=zPE-c43cOGc


Samstag, 9. August 2014

Lissabon 2 - Katholischer Kitsch


Da 1755 ein Erdbeben das alte Lissabon nahezu vollständig zerstört hat, sind fast alle heutigen Gebäude, notwendigerweise, in der Zeit danach erbaut worden. 

Aber im Bezirk Belem - Bethlehem steht eine Kirche und ein Kloster des Heiligen Hieronymus aus dem 15. Jahrhundert, ein Hieronymiterkloster, wie ich gerade gelernt habe, gebaut im Stile der Manuelinik. Manuelinik ist die speziell portugiesische Ausprägung der Spätgotik, benannt nach einem König, na?, namens Manuel, und ich würde sie exessive Zuckerbäckermanie nennen. Alles, was Mauren, Christen und eben Bäcker zu bieten hatten, wurde bunt gemischt und dann mit weißem Zuckerguß und viel Sonne übergossen. Brezelformen, gewundene Seile, Wasserspeier, artifizielle Ananasformen, Kringel, Rundbögen, Röschen, Heiligenbilderchen, Lienienmuster, jede Säule ein bisschen anders; viel ist mehr. Und zu viel als viel ist ziemlich grässlich.





Aber dann läuft man runter zum Tejo und findet den zum Kloster gehörigen Wehrturm, und er steht weiß und klar und, zumindestens damals, einsam, wachsam und schaut nach Feinden aus, die über den atlantischen Ozean auf unsicheren, hölzernen Schiffen kommen könnten - und der ist schön.



Und dann gibt es noch den kleinsten Handschuhladen der Welt, das was ihr seht, ist alles, was es gibt, selbst der Verkaustisch ist kaum zwei Hände breit. Ein handbreitkleiner Handschuhladen vom Feinsten.






Freitag, 8. August 2014

Lissabon 1 - Hieronymus Bosch


Es ist schön hier. Nicht so schwer, grandios und geschichtsstolz wie Madrid, nicht so übervoll, sinnüberflutend und selbstbewusst wie Rom, auch voll von Geschichte, aber hauptsächlich eine Stadt in der gelebt wird. 
Es ist laut. Es ist voll. Es riecht oft nach Pisse. Es ist grün. Nicht in meinen Bildern, aber überall sonst sind Parks und baumbestandene Alleen. Der Verkehr staut mehr als er fährt. Der Kaffee ist hervorragend, außer im Hotel, das ein Nichtraucherhotel ist, aber in dem der Concierge, auf meine Frage nach dem Rauchen, nur leise antwortete: "Wissen sie, manche Gäste rauchen auf dem Zimmer, dann weinen wir, aber...", es folgte das zarteste vorstellbare Schulterzucken.


Der Platz - Plaza - Plaqua - Praca - des Handels
an der Mündung des Tejo in den Atlantischen Ozean


 Dito


 Ein Friseur nur für Männer und Hunde


 Dito

 Die Strassen sind so,


 und deshalb sehen die Strassenbahnen, zumindest die alten, so aus.
Hab schon lang nicht mehr soooo viele Grafitti gesehen!

 Lissabon im sogenannten atlantischen Licht.

 Varietetheater der altmodischen Art gibt es hier viele. Die Photos der Darsteller auf den Plakaten erinnern an Schlagerplattencover aus den frühen Fünfzigern.

Stripclubs haben ebenfalls ein leicht altertümliches Ambiente, zumindestens von außen.

 Kaffeewerbung der ungewöhnlichen Art. Ist Kaffee schlecht für die Zähne?



UND! 
Und im Museu Arte Antigua hing zwischen einer großen Anzahl mittelmäßiger Bilder,
dieses Triptychon: Die Versuchung des Heiligen Antonius von Hieronymus Bosch!

Oh. Oh. Schön! Verstörend! Witzig! Erschreckend! Unergründbar.

Tafel 1:

 Antonius in der Luft von Dämonen geplagt


 
 Antonius kniend an der Treppe auf den Erlöser und sein Abbild in der Kapelle zeigend


Antonius lesend



Des Antonius von Padua Fischpredigt



Antonius zur Predig
Die Kirche findt ledig,
Er geht zu den Flüssen,
Und predigt den Fischen;
Sie schlagn mit den Schwänzen,
Im Sonnenschein glänzen.

Die Karpfen mit Rogen
Sind all hieher zogen,
Haben d' Mäuler aufrissen,
Sich Zuhörens beflissen:
Kein Predig niemalen
Den Karpfen so gfallen.

Spitzgoschete Hechte,
Die immerzu fechten,
Sind eilend herschwommen
Zu hören den Frommen:
Kein Predig niemalen
Den Hechten so gfallen.

Auch jene Phantasten
So immer beym Fasten,
Die Stockfisch ich meine
Zur Predig erscheinen.
Kein Predig niemalen
Den Stockfisch so gfallen.

Gut Aalen und Hausen
Die Vornehme schmausen,
Die selber sich bequemen,
Die Predig vernehmen:
Kein Predig niemalen
Den Aalen so gfallen.

Auch Krebsen, Schildkroten,
Sonst langsame Boten,
Steigen eilend vom Grund,
Zu hören diesen Mund:
Kein Predig niemalen
Den Krebsen so gfallen.

Fisch große, Fisch kleine,
Vornehm' und gemeine
Erheben die Köpfe
Wie verständige Geschöpfe:
Auf Gottes Begehren
Antonium anhören.

Die Predigt geendet,
Ein jedes sich wendet,
Die Hechte bleiben Diebe,
Die Aale viel lieben.
Die Predig hat gfallen,
Sie bleiben wie alle.

Die Krebs gehn zurücke,
Die Stockfisch bleiben dicke,
Die Karpfen viel fressen,
Die Predig vergessen.
Die Predig hat gfallen,
Sie bleiben wie alle.



Abraham a Santa Clara