Montag, 1. August 2011

Hermaphrodit - zweimal schön

Hermaphroditus, Sohn der Aphrodite und des Hermes, wurde von den Naiaden in den Höhlen des Berges Ida aufgezogen, er war schon früh außergewöhnlich hübsch. Mit 15, auf der Suche nach Abenteuern, zog er in die Welt. In der Nähe von Halicarnassus (heute in der Türkei), in einem Wald bei der Stadt Caria begegnete er einer Nymphe, Salmacis, die versuchte, ihn zu verführen, aber ohne Erfolg. Als sie fortgegangen war, ging er in einem nahen Teich baden, aber die verliebte Nymphe, hatte sich nur versteckt! Sie sprang hinter einem Baum hervor, in den Teich, umschlang den überraschten Hermaphroditus, küsste ihn und (!) berührte seine Brust, er wehrte sich, sie rief die Götter um Hilfe an und bekam sie - die beiden verschmolzen zu einem Wesen, auf immer untrennbar. Auf Wunsch des neuen Wesens hin, wurde dann der Teich verzaubert, so dass jeder, der darin badete, ebenfalls umverwandelt würde.

Ovid erzählt die Geschichte ganz wunderschön in den "Metamorphosen".

Götter alsbald willfuhren dem Wunsch. Die Körper der beiden
Werden vermengt und zu einer Gestalt miteinander verbunden.
Wie oft einer gewahrt, der Zweige vereint mit der Rinde,
Dass sie verwachsen in eins und dann aufschießen gemeinsam:
Also, wie sich verschränkt die Glieder in enger Verschlingung,
Sind's nicht zwei und doch ein Doppelgeschöpf, das zu heißen
Knabe so wenig wie Weib; sie scheinen so keines wie beides.


http://www.gottwein.de/Lat/ov/met04de.php#Salmacis

"Der Borghese Hermaphrodit", der heute im Louvre steht oder besser liegt, ist wahrscheinlich eine in der frühen römischen Kaiserzeit geschaffene Kopie einer griechischen Bronze Polycles des Älteren.
Im 17. Jahrhundert wurde die erste Statue bei den Grabungen zum Bau einer Kirche gefunden. (Später wurden noch andere Kopien gefunden und auch noch neu geschaffen.) Sie wurde Kardinal Scipione Borghese geschenkt, der dafür seinerseits seinen Architekten für den Kirchenbau zur Verfügung stellte und die Fassade bezahlte.
Er beauftragte Bernini, den berühmten italienischen Bildhauer und Architekt, eine Matratze für den Liegenden/die Liegende aus Marmor zu hauen, die ganz erstaunlich weich aussieht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hermaphrodit

I

Die Lippen heb, schau drehend zurück auf Liebe,

    Die blind ist, nachts dir raubt die Ruhestund;
    Von Allem scheint am müdesten dein Mund,
Bewahr dein Lächeln lang, des du so müde.
So süß hat Liebe nie genügend Süße,
    Wähl unter beiden, schließ den Bund der Lust,
    Zwei Lieben an den Knospen deiner Brust
Bekämpfen beide sich zum einen Siege.
Dein Atem Feuer ist im Fluss der Triebe,
    Im Brand der Augen, wo dein Mund geseufzt:
Wer dich auch immer sah, dich schön gefügten,
    Zwei Dinge setzen Blut und Sein in Feu'r;
Begehren, das Verzweiflung zeugend fügte,
    Verzweiflung, von Begehren weggescheucht.

II

Wo zwischen Schlaf und Sein kaum Abstand ist,

    Wo Liebe golden um das Haupt sich wand,
    Geschlecht geschlechtlich Glied und Lippen band,
Die Fehde fruchtbar um was seins, was ihrs
Zur öden Ehe ward, steril geküsst;
    Blieb Feuriges für beide unbekannt,
    Das erst gestillt ist, wenn der Tod verschwand,
Was Leben nicht, noch Schlaf erkennt und misst.
Die Liebe schuf aus Fleisch ihm, das vergeht,
    Ein Freudenhaus für Lieben seines Stamms;
Zur einen Seit ein Weib, das Sünden lebt,
    Zur andern sitzt, dem Tode gleich, ein Mann.
Umflorten Augs, wo Atem seufzend geht,
    Verdreht ihn Liebe, die zu ihm nie kam.

III

Ist's Lieb, ist's Schlaf, ist's Schatten oder Licht,

    Was zwischen Lidern und den Augen liegt?
    Wie Blume sich an eine Blume schmiegt,
Wie Nachttau, der sich auf die Nacht leis schlich.
Zu dir stellt beiderseits die Liebe sich,
    Kein Sonnenuntergang, kein Mondaufgang genügt,
    Das Mann du wärst, der eine Frau beglückt,
Noch eine Frau, die Mannes Glück entspricht.
Warum hat falsch ein Gott so schön geschaffen
    Die Doppelknospe fruchtlos zweier Blüten?
Warum barg Liebe sich in deinen Haaren,
    Nährte dich sommers, netzte dich mit Güssen,
Und gab das Gold, das Jahreszeiten tragen
    Nur dir, dem Ding, das alle Frucht muss missen?

IV

Ja, Lieb, ich seh's, 's ist Liebe nicht, nur Furcht.

    Nein, Süßer, Liebe ist's, nicht Angst, ich weiß;
    Und wozu sollt dein Körper blühn so leis,
So süß, wo doch dein Augenlid so pur
Dein Auge schützt, das niemals Tränen trug –
    Wo für die Liebe blutge Tränen heiß
    Solln falln; wo Liebe, Leben, Tod zumeist
So grausam nahn und gehn im trauten Zug?
Ja, Süßer, sah dich, weiß es, wie du leicht
    Im Kuss der Frau hinab ins Wasser glittst,
    Dein feuchter Leib verschmolz mit Salmacis,
Und's große Licht dein Auge zärtlich speist,
Und deinen Knabenatem aufgeweicht;
    Da Liebe blind ist, woher wüsst sie dies?

Au Musée du Louvre, Mars 1863
Algernon Charles Swinburne übersetzt von Eric Boerner


Barry Ball X, ein moderner amerikanischer Bildhauer hat seine Variante des Hermaphroditen in schwarzem und weißem Marmor und Stahl geschaffen.

Barry X Ball
Sleeping Hermaphrodite
2008 - 2010

Barry X Ball
Sleeping Hermaphrodite
Hermaphroditus


I. 
Lift up thy lips, turn round, look back for love, 
Blind love that comes by night and casts out rest; 
Of all things tired thy lips look weariest, 
Save the long smile that they are wearied of. 
Ah sweet, albeit no love be sweet enough, 
Choose of two loves and cleave unto the best; 
Two loves at either blossom of thy breast 
Strive until one be under and one above. 
Their breath is fire upon the amorous air, 
Fire in thine eyes and where thy lips suspire: 
And whosoever hath seen thee, being so fair, 
Two things turn all his life and blood to fire; 
A strong desire begot on great despair, 
A great despair cast out by strong desire.

II. 
Where between sleep and life some brief space is, 
With love like gold bound round about the head, 
Sex to sweet sex with lips and limbs is wed, 
Turning the fruitful feud of hers and his 
To the waste wedlock of a sterile kiss; 
Yet from them something like as fire is shed 
That shall not be assuaged till death be dead, 
Though neither life nor sleep can find out this. 
Love made himself of flesh that perisheth 
A pleasure-house for all the loves his kin; 
But on the one side sat a man like death, 
And on the other a woman sat like sin. 
So with veiled eyes and sobs between his breath 
Love turned himself and would not enter in.

III. 
Love, is it love or sleep or shadow or light 
That lies between thine eyelids and thine eyes? 
Like a flower laid upon a flower it lies, 
Or like the night's dew laid upon the night. 
Love stands upon thy left hand and thy right, 
Yet by no sunset and by no moonrise 
Shall make thee man and ease a woman's sighs, 
Or make thee woman for a man's delight. 
To what strange end hath some strange god made fair 
The double blossom of two fruitless flowers? 
Hid love in all the folds of all thy hair, 
Fed thee on summers, watered thee with showers, 
Given all the gold that all the seasons wear 
To thee that art a thing of barren hours?

IV. 
Yea, love, I see; it is not love but fear. 
Nay, sweet, it is not fear but love, I know; 
Or wherefore should thy body's blossom blow 
So sweetly, or thine eyelids leave so clear 
Thy gracious eyes that never made a tear-- 
Though for their love our tears like blood should flow, 
Though love and life and death should come and go, 
So dreadful, so desirable, so dear? 
Yea, sweet, I know; I saw in what swift wise 
Beneath the woman's and the water's kiss 
Thy moist limbs melted into Salmacis, 
And the large light turned tender in thine eyes, 
And all thy boy's breath softened into sighs; 
But Love being blind, how should he know of this?

Au Musée du Louvre, Mars 1863.

Statuette of an androgynous figure. Bone, Seleucid artwork, Mesopotamia, 1st century BC/CE.
Eine Rundum Ansicht des Borghese Hermaphroditen:
http://www.youtube.com/watch?v=ZA8CrLnZpFE

Bukowski - Das lachende Herz - The laughing heart


Das Lachende Herz

dein Leben ist dein Leben
lass es nicht in klamme Unterwerfung prügeln.
sei wachsam.
da sind Auswege.
da ist ein Licht irgendwo.
es ist vielleicht nicht viel Licht aber
es ist besser als die Dunkelheit.
sei wachsam.
die Götter werden dir Angebote machen.
kenne sie.
nimm sie.
du kannst den Tod nicht besiegen aber
du kannst den Tod im Leben besiegen, manchmal
und je öfter du lernst das zu tun,
desto mehr Licht wird da sein.
dein Leben ist dein Leben.
kenne es solang du es hast.
du bist wunderbar
die Götter warten darauf sich an dir
zu erfreuen.

Wandgemälde aus Stabiae vor 79 n.Chr.

The Laughing Heart

your life is your life
don’t let it be clubbed into dank submission.
be on the watch.
there are ways out.
there is a light somewhere.
it may not be much light but
it beats the darkness.
be on the watch.
the gods will offer you chances.
know them.
take them.
you can’t beat death but
you can beat death in life, sometimes.
and the more often you learn to do it,
the more light there will be.
your life is your life.
know it while you have it.
you are marvelous
the gods wait to delight
in you.

Tom Waits liest das Gedicht.

Sonntag, 31. Juli 2011

Schimpfwörter - eine bedrohte Spezies

Affenarsch, Schafskopf, Missgeburt, Blödmann, Maulaffe, alter Bock, Drecksau, Trottel, Trunkenbold, Lustmolch, Schluckspecht, alte Schachtel, Muttersöhnchen, Dreckstück, Abschaum, Rabenaas, Mistvieh, Gauner, Heulboje, Flittchen, Nebelkrähe, Schlampe, Brillenschlange, Spatzenhirn, Brechmittel, Nichtsnutz, Backpfeifengesicht, Rindvieh, Mistkerl, Angsthase, Affenarsch (mit Ohren), Arschgeige, Arschkriecher, Trampel, Blöde Kuh, Büffelhüfte, Sackgesicht, Impotenter Wurzelzwerg, Kackarsch, Lustmolch, Nullnummer, Pissnelke, Schisser, Hasenfuß, Hosenscheißer, Zimperliese, Gewitterhexe, Komischer Kauz, Lotterweib, Milchgesicht, Nebelkrähe, Schießbudenfigur, Schreckschraube, Stinkstiefel, Vogelscheuche, Bohnenstange, Hosenscheißer, Fettsack, Fleischklops, Giftzwerg, Knilch, Laufender Meter, Doofnase, Fellfresse, Kotzbrocken, Hamsterbacke, Glubschauge, Milchgesicht, Pappnase, Pupsgesicht, Schnapsnase, Armleuchter, Bauerntölpel, Betonschädel, Blödhammel, Dämlack, Dödel, Doofbacke, Dummbatz, Flachkopf, Gehirnamputierter, Nichtsnutz, Hohlkopf, Intelligenzbestie, Klugscheißer, Knallerbse, Neunmalkluger, Hundesohn, Schlaumeier, Volltrottel, Aasgeier, Brechmittel, Halunke, Schandmaul, Schlappschwanz, Stinkstiefel und und und. 

Man sollte sie nicht unbedingt anderen Leuten ins Gesicht brüllen, auch wenn sie es verdient haben sollten, aber als Wortschatz für innere Auseinandersetzungen sind sie hilfreich und entspannend, besonders in Zusammensetzung mit einer langen Kette passender und unpassender Adjektive.



Die Katholiken können es besonders schön: Himmelherrgottkruzifixsakramenthallelujaalecktsmichamarschscheissverflixtermist!

Four Lions - Ein toller Film

Fünf Männer, in Großbritannien, Omar, der Anführer, Feisal, Waj, Hassan und Barry, sie wollen den Heiligen Krieg kämpfen, bezeichnen sich selbst als Mudjahedin und es ist ihr voller Ernst. 
Sie sind auch ganz gewöhnliche Arbeitnehmer des 20. Jahrhunderts, sie lieben Popsongs und ihre Kinder und große Brüste, haben Datschen und Handys. Und, und das ist wieder einmal auffällig, sie sehen auch so aus. 

Wie oft ärgere ich mich, weil in deutschen Filmen und Fernsehserien, die Schauspieler eben auch oft wie Schauspieler aussehen. Ich weiß, dass klingt blöd, ist aber doch so gemeint. Ich glaube denen nicht, dass sie Wachmänner, Postboten oder Lebensmittelverkäufer sind, sie wirken verkleidet und sozial bemüht. Stellt euch nur "Ganz oder gar nicht" (The Full Monty) vor, wenn es in der Hoffnung auf Publikumserfolg in Deutschland besetzt worden wäre, oder "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" oder " Mit Pauken und Trompeten" (Brassed off). Bloß nicht häßlich, nicht ausländisch, nicht verquer, wenn alt dann gut erhalten, immer schön im fiktiven deutschen Durchschnitt bleiben. Hierzu auch die Rede des Schauspielers Pierre Sanoussi Bliss auf dem Integrationsgipfel 2006 bei Angela Merkel!


Die fünf stürzen sich in den Djihad, stürzen, stolpern, fallen auf die Fresse, hauen sich gegenseitig in die selbige, diskutieren, streiten, planen, verwerfen, scheitern, liegen schon wieder auf der Nase und geben nicht auf. Eine Groteske, politisch inkorrekt bis zum Äußersten, liebevoll und letztendlich tragisch. 
Ich empfehle die Originalversion mit Untertiteln, die reden nämlich auch so schön und glaubwürdig, obwohl alles bis zum Irrwitz überzogen ist.


Regie: Christopher Morris
Buch: Christopher Morris und Simon Blackwell

Samstag, 30. Juli 2011

Und Jesus gingen die Augen über - Lazarus

Ich liebe Bibelgeschichten und die vielen Auslegungen, Gemälde, Anekdoten, scholastischen Interpretationen, die sie hervorbringen. Heute, einen Tag zu spät, die Geschichte des Lazarus von Bethanien, von dem, den Jesus von den Toten erweckt hat. Der 29. Juli ist für Katholiken, Protestanten und Anglikaner der Tag des Lazarus von Bethanien - Lazarus hebräisch:  Elʿāzār

אֶלְעָזָר

„Gott hat geholfen“

Die Auferweckung des Lazarus von Bethanien

Zuerst aus dem Johannes- Evangelium 11:

Es lag aber einer krank mit Namen Lazarus, von Bethanien, in dem Flecken Marias und ihrer Schwester Martha. (Maria aber war, die den HERRN gesalbt hat mit Salbe und seine Füße getrocknet mit ihrem Haar.) Da sandten seine Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: HERR, siehe, den du liebhast, der liegt krank. Da Jesus das hörte, sprach er: Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch geehrt werde. Jesus aber hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus.
Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er zwei Tage an dem Ort, da er war. Darnach spricht er zu seinen Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa ziehen! Seine Jünger sprachen zu ihm: Meister, jenes Mal wollten die Juden dich steinigen, und du willst wieder dahin ziehen? Jesus antwortete: Sind nicht des Tages zwölf Stunden? Wer des Tages wandelt, der stößt sich nicht; denn er sieht das Licht dieser Welt. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.
Solches sagte er, und darnach spricht er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, dass ich ihn auferwecke. Da sprachen seine Jünger: HERR, schläft er, so wird's besser mit ihm. Jesus aber sagte von seinem Tode; sie meinten aber, er redete vom leiblichen Schlaf. Da sagte es ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben; und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dagewesen bin, auf dass ihr glaubt. Aber lasst uns zu ihm ziehen! Da sprach Thomas, der genannt ist Zwilling, zu den Jüngern: Lasst uns mitziehen, dass wir mit ihm sterben!
Da kam Jesus und fand ihn, dass er schon vier Tage im Grabe gelegen hatte. Bethanien aber war nahe bei Jerusalem, bei fünfzehn Feld Weges; und viele Juden waren zu Martha und Maria gekommen, sie zu trösten über ihren Bruder. Als Martha nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen.  Da sprach Martha zu Jesus: HERR, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben! Aber ich weiß auch noch, dass, was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder soll auferstehen. Martha spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: HERR, ja, ich glaube, dass du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
Und da sie das gesagt hatte, ging sie hin und rief ihre Schwester Maria heimlich und sprach: Der Meister ist da und ruft dich. Dieselbe, als sie das hörte, stand sie eilend auf und kam zu ihm. (Denn Jesus war noch nicht in den Flecken gekommen, sondern war noch an dem Ort, da ihm Martha war entgegengekommen.) Die Juden, die bei ihr im Haus waren und sie trösteten, da sie sahen Maria, dass sie eilend aufstand und hinausging, folgten sie ihr nach und sprachen: Sie geht hin zum Grabe, dass sie daselbst weine.
Diego Velázquez Jesus im Haus von Martha und Maria
Als nun Maria kam, da Jesus war, und sah ihn, fiel sie zu seinen Füßen und sprach zu ihm: HERR, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!  Als Jesus sie sah weinen und die Juden auch weinen, die mit ihr kamen, ergrimmte er im Geist und betrübte sich selbst und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sprachen zu ihm: HERR, komm und sieh es!  Und Jesus gingen die Augen über. Da sprachen die Juden: Siehe, wie hat er ihn so liebgehabt! Etliche aber unter ihnen sprachen: Konnte, der den Blinden die Augen aufgetan hat, nicht verschaffen, dass auch dieser nicht stürbe? Da ergrimmte Jesus abermals in sich selbst und kam zum Grabe. Es war aber eine Kluft, und ein Stein daraufgelegt. Jesus sprach: Hebt den Stein ab! Spricht zu ihm Martha, die Schwester des Verstorbenen: HERR, er stinkt schon; denn er ist vier Tage gelegen. Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du würdest die Herrlichkeit Gottes sehen? Da hoben sie den Stein ab, da der Verstorbene lag. Jesus aber hob seine Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Doch ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, dass sie glauben, du habest mich gesandt. Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen und sein Angesicht verhüllt mit dem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löset ihn auf und lasset ihn gehen! Viele nun der Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.

Und dann, das sehr umstrittene Geheime Markusevangelium, wo sich, wenn man "naiv" liest, die Angelegenheit doch etwas anders darstellt. 

Es ist nur in zwei Fragmenten überliefert.
Beide finden sich in einem Clemens von Alexandria (etwa 150-215) zugeschriebenen Brief, der sich an einen unbekannten Theodoros richtet.

„Und sie kamen nach Bethanien, und eine gewisse Frau, deren Bruder gestorben war, war dort. Und herzu kommend, warf sie sich vor Jesus nieder und sagte zu ihm: 'Sohn Davids, habe Erbarmen mit mir.' Aber die Jünger wiesen sie zurück. Und Jesus, der in Wut geriet, ging mit ihr in den Garten, wo das Grab war, und sogleich wurde ein lauter Schrei aus dem Grab gehört. Und näher tretend, rollte Jesus den Stein vom Eingang des Grabes weg. Und sogleich ging er hinein, wo der Jüngling war, streckte seine Hand aus und zog ihn hoch, indem er dessen Hand ergriff. Aber der Jüngling, als er ihn ansah, liebte ihn und fing an, ihn anzuflehen, daß er bei ihm sein möge. Und sie gingen aus dem Grab heraus und kamen in das Haus des Jünglings, denn er war reich. Und nach sechs Tagen sagte ihm Jesus, was er tun solle, und am Abend kommt der Jüngling zu ihm, ein leinenes Tuch über [seinem] nackten [Körper] tragend. Und er blieb diese Nacht bei ihm, denn Jesus lehrte ihn das Geheimnis des Reiches Gottes. Und von da erhob er sich und ging auf die andere Seite des Jordans zurück.“
Michelangelo Merisi da Carravaggio 1609
Clemens von Alexandria schreibt als Kommentar dazu:

Nach diesen [Worten] folgt der Text "Und Jakobus und Johannes kommen zu ihm" und dieser ganze Abschnitt. Aber "nacker [Mann] mit nacktem [Mann]" und die anderen Dinge, über die du schriebst, werden nicht gefunden.

Und nach den [Wörtern] "Und er kommt nach Jericho" fügt das Geheime Evangelium nur hinzu [in Mk 10,46:]

"Und die Schwester des Jünglings, den Jesus liebte, und seine Mutter und Salome waren dort, und Jesus empfing sie nicht".

Aber die vielen anderen [Dinge, über] die du schriebst, scheinen falsch zu sein und sind Fälschungen.

Nun, die wahre Erklärung und das, was mit der wahren Weisheit übereinstimmt...

[Hier bricht der Text mitten auf der Seite ab.]

und Clemens schreibt auch:
Da aber die unreinen Geister immer auf die Zerstörung der Rasse der Menschen sinnen, machte sich Karpokrates, von ihnen unterrichtet und hinterlistige magische Künste gebrauchend, einen gewissen Presbyter der Kirche in Alexandria so gefügig, daß er von ihm eine Abschrift des Geheimen Evangeliums bekam, das er seiner blasphemischen und fleischlichen Doktrin entsprechend auslegte und es darüber hinaus beschmutzte, indem er den makellosen und heiligen Worten äußerst schamlose Lügen beimengte.

Juan de Flandes - Die Auferweckung des Lazarus 1500-1515
Vincent van Gogh Die Erweckung des Lazarus 1890

William Blake The House of Lazarus 1795



Am orthodoxen St. Lazarustag, das ist der Palmsonntag,  wird gebacken, hier das Rezept:

Freitag, 29. Juli 2011

Regen - André Kertész - Weil es schon wieder so doll regnet

Eigentlich liebe ich Regen, eigentlich. Aber nun finde ich kleine rötlich braune Flecken auf meiner Haut, langsam aber stetig größer werdend, rau und leicht körnig. Rost.
Machen wir es schlimmer, schmeißen wir uns ins Nasse, suhlen, planschen, jammern!

I am Kloot "Morning rain"
Tom Waits "It rains on me"
Joe Purdy "I love the rain the most"
Chet Baker "Here's that rainy day" (gräßliches Video, tolle Musik)
Alfred Deller "Heigh Ho, the Wind and the Rain"
Bob Dylan "A Hard Rain's a gonna fall"
Jerry Garcia & David Grisman "Dreadful Wind and Rain"
Everly Brothers "Crying in the rain"
Beth Orton & M. Ward Bob Dylan Cover "Buckets of rain"
Bright Eyes "Spent on rainy days"
Travis "Why does it always rain on me?"

"Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Place de la Concorde 1928
"Das Schiff heimwärts bringen" New York1944

"Ertrunkener Reiter" Washington Square Park Nach dem Regen 1970
"Taube sinniert über ertrunkenen Reiter" Square du vert-Galant on the Ile-de-la-Citie 1963
Tokio 1968

Donnerstag, 28. Juli 2011

Geld oder kein Geld


Als ich im letzten Jahrhundert anfing am Theater zu arbeiten, war es üblich, dass wir 
am Gehaltstag zur "Gehaltstelle" gingen, um dort unsere Monatsgage in einem 
bräunlichen Umschlag entgegenzunehmen. (Nicht das umweltfreundliche Bräunlich, sondern einfach bräunlich.)
Danach ging ich zu meinem Lieblings-Buchladen und kaufte ein Stapelchen Bücher, 
und der Rest reichte für das, was ich noch so brauchte, immer irgendwie. 
Bei Drehtagen war es der Produzent, der mir nach Drehschluß einen Umschlag 
in die Hand drückte. Am Ende des Jahres reichte ich dann beim Finanzamt einen eigenständig handgeschriebenen Zettel mit der Auflistung der freien Verdienste ein 
und das war's. Nur für außergewöhnliche Dinge wurden Schecks genutzt und 
die wurden auch vorher mit der Hand ausgefüllt. 
Das ist kein Versuch die DDR rückwirkend hübsch zu reden, sondern zum einen, eine Beschreibung der relativen Bedeutungslosigkeit von Geld in einer Mangel-und Man-muss-Beziehungen-haben-Gesellschaft und zum anderen eine Erinnerung an eine haptische Beziehung zum Geld, die heute in Europa vielleicht nur noch kleine Kinder mit ihren ersten Taschengeld-Euros empfinden.

Jetzt bin ich im Besitz einiger Karten aus Plaste (für die Menschen westdeutscher Herkunft: Plastik) und nutze Bargeld nur noch für kleinere Transaktionen, wie zum Beispiel, um einen Kaffee zu kaufen. Und das Geld hole ich mir zu diesem Zweck 
mit einer meiner Karten aus einem Geld-Automaten.

Nun erhielt ich vor ein paar Tagen einen Brief "meiner" Bank mit der Mitteilung meine Geldkarte sei gesperrt worden, weil sie "mittels unauffälliger Methoden ausgespäht worden wäre" und ich würde eine neue Karte erhalten. Heute fand ich heraus, dass mir fremde Menschen in Toronto und Bangok mit eben dieser Plastkkarte eingekauft haben. Ich bin versichert, ich kriege das Geld zurück, ich habe Anzeige bei der Polizei via Internet (!) erstattet, so weit so gut. Aber! 
Dann erreichte mich auch noch ein Informationsbescheid von der Deutschen Rentenversicherung bezüglich meiner möglicherweise zu erwartenden Regelsaltersrente, angefüllt mit: wenn...., dann..., aber wenn nicht...! Aber!

Was mir in dabei den Magen gefahren ist, ist die sinnliche Erkenntnis, dass ich einen Großteil meines materiellen Leben mit etwas nahezu Unsichtbarem bestreite. Gibt es dieses Geld überhaupt? Doch, sicher, denn ich kaufe ja Dinge davon, die ich anfassen kann, essen, trinken, verschenken, aber das macht nur einen Anteil 
"meines Geldes" aus, da sind noch Steuern und Sozialabgaben und Gebühren, Rentenabzüge, Inflation, Deflation, Kursverluste und und und. Eine imaginäre und 
doch irgendwann real erarbeitete Summe, von der ich nur wage weiss, wo sie sich befindet und was mit ihr geschieht. Bindet ein Lehmann Brothers Banker jetzt gerade 
eine Krawatte, die ich mitbezahlt habe? Würde ich mich sicherer fühlen, wenn ich, 
wie meine Magdeburger Großmutter, einen Schuhkarton mit "meinem Geld" 
unterm Bett hätte?  Werde ich unentwegt betrogen, betrüge ich mich selbst?

Paul Auster sagte in einem Interview mit der Zeitung DIE WELT: "Tatsache ist: Geld ist eine Fiktion. Es ist nicht wirklich, sondern etwas, woran wir glauben. Weil wir daran glauben, funktioniert es. Ich habe gelesen, dass die Investmentbanken Verbindlichkeiten bis zum Dreißigfachen ihres Kapitals hatten. Unwirkliches Geld, das noch mehr unwirkliches Geld einbrachte, aber das sind alles bloß Zahlen, nichts Konkretes. 
Eine Art Massen-Halluzination, nehme ich an." 

Was für eine Vorstellung! Wir alle gefangen in einem gigantischen Monopoly-Spiel mit Mitspielern, die wir nicht kennen und einem Spieleinsatz, der uns nur scheinbar bekannt ist. In Griechenland stand auf den Restaurantrechnungen unten (schon) ganz klein der Preis in Drachmen. Ich weiss, das sind alles keine neuen Gedanken, 
aber mein Kopf hat sie heute erst sinnlich begriffen.

Augenblickliche Globale Verschuldung um 21.32 Uhr (ungefähr):
42.755.538.988.453 $
Das sind: Zweiundvierzigbillionensiebenhundertfünfundfünfzigmilliardenfünfhundertachtund
dreissigmillionenneunhundertachtundachtzigtausendundvierhunderdreiundfünfzig 
Dollar.

Koi-Fisch aus einem Dollar-Schein von Won Park

Mittwoch, 27. Juli 2011

Was macht Dein Herz?


was macht dein herz?


durch meine schlimmsten zeiten
auf den parkbänken
in den gefängnissen
oder mit huren
lebend
hatte ich immer diese gewisse
zufriedenheit-
ich würde es nicht glück
nennen -
mehr eine eine art innerer
ausgeglichenheit
die hinnahm was
immer gerade geschah
und das half in den
fabriken
und wenn beziehungen
schief gingen
mit den
mädchen.

das half
durch die
kriege und die
katzenjammer
die strassenschlägereien
die
krankenhäuser.

aufzuwachen in einem billigen zimmer
in einer fremden stadt und
die jalousie hochziehen-
das war die verrückteste form von
zufriedenheit

und über den fussboden zu gehen
zu einer alten kommode mit einem
zersprungenen spiegel -
sehe mich, häßlich,
über all das grinsend.

das wichtigste ist
wie gut du
durchs das feuer 
gehst.
Charles Bukowski
-->
how is your heart?

during my worst times
on the park benches
in the jails
or living with
whores
I always had this certain
contentment-
I wouldn't call it
happiness-
it was more of an inner
balance
that settled for
whatever was occuring
and it helped in the
factories
and when relationships
went wrong
with the
girls.

it helped
through the
wars and the
hangovers
the backalley fights
the
hospitals.

to awaken in a cheap room
in a strange city and
pull up the shade-
this was the craziest kind of
contentment

and to walk across the floor
to an old dresser with a
cracked mirror-
see myself, ugly,
grinning at it all.

what matters most is
how well you
walk through the
fire.


Charles Bukowski