Samstag, 25. Juni 2011

Theater hat auch einen Intendanten


Am Hof des Barock ist der Intendant der Verwalter des Fundus, also der Kleiderkammer. Später bezeichnet der Titel berufene Steuereintreiber des Hofes, die ungeliebt von der unter der Steuerlast ächzenden Bevölkerung, durchs Land reisen, ihrem Herren das fürstliche Überleben zu sichern.

Und heute regiert der Intendant, ein Relikt feudaler Strukturen, als Fürst sein Theater. Doch ist er gleichzeitig Lakai städtischer Finanzherrscher, abhängig von der Milde oder Strenge der lokalen wirtschaftlichen Winde, Befrieder launischer orchestraler Sozialdespotie und Bittsteller der Gewerkschaften und ihrer Huld. Höfling und Fürst in Personalunion, das macht ihn zum Zwitterwesen mit im schlimmsten Fall schizophrenen Verhaltensmustern.

Es gibt ihn, der Titel leitet sich vom lateinischen intendere her: der der seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet, in vielerlei Unterarten. Da wäre zum Beispiel: der im Hintergrund wirkende Herr im grauen Anzug; der Striese; der Künstler, der unter harschen Last fiskaler Forderungen beinahe zusammenzubrechen droht; der Segelkumpan des örtlichen Bürgermeisters; der joviale (vom römischen Gott Jovis/Jupiter) Künstlerversteher; der Ehemann der ersten Charakterspielerin; der Nicker, der keine unangenehmen Entscheidungen treffen mag; der Regisseur, der keine Zeit tum Intendieren hat; der Peymann und ...

Was tut er? Er antichambriert in der Stadt, dem Land, bei den Rotariern, der Handwerkskammer, beim Intendantengipfeltreffen. Er hat, im seltenen besten Fall, einen guten Verwaltungschef, der Theater mag, ich kenne auch welche, die nie ins Theater gehen, und und er leitet.

Der Idealfall: umgeben von eifrigen, belesenen und publikumsinteressierten Dramaturgen analysiert er die Interessenlagen der Bevölkerung, die Arbeitskapazitäten der Gewerke, die Entwicklung der Dramatik und die seines Ensembles, er hört zu, fördert, übergibt Verantwortungen, er lobt, guckt genau und kritisiert hart und sachlich - Moment, ist er Gott? Ja, fast. Oder jedenfalls ein Gott, der leider, leider die Zeit für die Erschaffung der Welt auf fünf Tage kürzen muss, Dodo, Giraffe, Känguruh und ähnliche Nebensachen werden besser auch weggelassen, ach ja, und das "Es werde Licht!", bitte nur in der gewerkschaftlich festgelegten Arbeitszeit, und könnten wir das Ganze nicht ein bißchen aufpeppen? Mit 'nem guten Soundtrack? Aber rechtefrei, kosten darf er nix. Wenn man sich Schauspieler aus Lehm backen könnte! Kantine anstatt Garten Eden und wehe einer isst vom Baum des Mitspracherechts. Raus, sieh doch wie Du in der Wildnis der Freischaffenheit klarkommst.
Charles M. Schulz Die Peanuts

http://www.youtube.com/watch?v=JgoPl35n_AY
Vince Guaraldi - Linus und Lucy - Jazz

http://www.jumpforward.de/berufe/8384/Intendant-in.html

Intendanten koordinieren die Arbeiten sämtlicher Betriebsbereiche, also des künstlerischen Bereichs und der Verwaltung, aber auch der Werkstätten, der Schneiderei und der Technik. Eine wesentliche Aufgabe ist die langfristige Erstellung des Spielplans unter Berücksichtigung des Etats, der technischen Gegebenheiten des Hauses und der Möglichkeiten des Ensembles. In ihre Entscheidungen zum Spielplan beziehen sie Vorschläge der Dramaturgen und Dramaturginnen sowie eigene Ideen mit ein. Die Spielplankonzeption stimmen sie mit anderen Führungskräften ab. Manche Intendanten und Intendantinnen übernehmen auch selbst Inszenierungen. Sie sind außerdem für eine solide Finanzplanung zuständig und entscheiden über die Freigabe von Geldern, beispielsweise für Neuinszenierungen. Im Bereich Personalführung gehören die Einstellung von Führungskräften, Künstlern, weiteren Fachleuten und das Verhandeln über Gagen und Vertragszeiträume zu ihren Aufgaben. Dabei arbeiten sie eng mit den Regisseuren und Regisseurinnen zusammen und versuchen, deren Personalwünsche weitgehend zu berücksichtigen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit bzw. die Zusammenarbeit mit den Medien (Presse, Hörfunk, Fernsehen) fallen häufig in ihren Arbeitsbereich. Je nach Größe des Hauses bzw. je nach Regelungen und Dienstvertrag können einzelne Kompetenzen im Innenverhältnis an andere Fachkräfte delegiert sein. Die Außenvertretung des Hauses verbleibt jedoch beim Intendanten bzw. bei der Intendantin.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Rilke übersetzt Elizabeth Barrett-Browning - Sonette aus dem Portugiesischen 1

Elizabeth Barrett-Browning wurde 1809 in England geboren und starb 1861 im Casa Guidi in Florenz. 52 Jahre zwischen Geburt und Tod, eine Lebensgeschichte, romantischer, als manche Werke ihrer Zeitgenossen - der Romantiker.

1805 beschloss Edward Moulton-Barrett, Besitzer vieler Sklaven und einer großen jamaikanischen Zuckerrohrplantage, seinen Besitz einem Verwalter zu übergeben, mit seiner Familie, bestehend aus elf Kindern und einer Frau, nach England zu ziehen und dort ein Landgut zu kaufen. So kam es, dass Elizabeth in England geboren wurde und in mehr als "behaglichen" Verhältnissen in Coxhoe Hall in Durham aufwuchs. 
Sie wurde, was üblich war, zu Hause geschult, las früh und viel, schrieb mit 10 erste eigene Gedichte, erkrankte mit 14 an einem nicht näher bezeichneten Lungen- oder Nervenleiden, ein Jahr später folgte ein Reitunfall mit Rückgratverletzung und somit waren alle Vorraussetzungen für ein tragisches Schicksal gesetzt.
Abwarten.
Sie lernte Latein, Griechisch und Hebräisch, schrieb, schrieb, war rege in Bibel- und Missionarsgesellschaften tätig und veröffentlichte 1826 erste Gedichte. Ach ja, 1822 verschrieb ein Doktor für oder gegen ihre nervösen Störungen Opium, von dem sie bis an ihr Lebensende abhängig blieb. Eine kleinere Liebesgeschichte mit einem blinden (!) Gelehrten mittleren Alters ging schnell vorbei, die Mutter starb 1828. Der Niedergang der Barrettschen Besitzungen durch Mißwirtschaft und den anwachsenden erfolgreichen Kampf gegen die Sklaverei in Jamaika, führte zum Verkauf der Plantage und den wirtschaftlichen Niedergang der Familie. Das Landgut ging drauf, Elizabeth und ihr Vater zogen in eine Wohnung in London, wo sie 1837 einen Blutsturz in der ohnehin schwachen Lunge erlitt, 1838 brachte sie einen Band Gedichte heraus, musste dann für ein Jahr zur Rehabilitation ans Meer, nach Torquai, wo Jahre später Agatha Christie für ein Jahr verschwand, dort ertrank ihr Lieblingsbruder beim Baden. 
Tragisch? Abwarten.
Die nächsten Fünf Jahre verbrachte sie abgeschnitten von der Welt, mit ihrem zunehmend besitzergreifenden und tyrannischen Vater im Londoner Haus in der Wimpole Street, die meiste Zeit bettlägerig. Und schrieb, und schrieb. 1844 erschien die zweite Gedichtssammlung "Poems". Edgar Allen Poe schrieb das Vorwort zur amerikanischen Ausgabe, das Buch war sehr erfolgreich und machte sie berühmt. Aber sie blieb einsam und krank.
1845 erhält sie ein Telegramm: "I love your verses with all my heart, dear Miss Barrett. I do, as I say, love these books with all my heart--and I love you too."

Auftritt Robert Browning. 

Michele Gordigiani, Robert Browning (1858)
Elizabeth war 39, sozusagen eine alte Jungfer, kränklich und scheu. Robert 6 Jahre jünger als sie, gutaussehend, wohlhabend, erfolgreich. Die beiden sahen sich im Somer 45 zum ersten Mal, ein einjähriger intensiver Briefwechsel folgte. Elizabeths Vater widersetzte sich der Beziehung heftigst, er ließ nichts unversucht, die beiden auseinander zu bringen. Nach ihrer Heirat, von der sie dem Vater erst eine Woche nach der Hochzeit erzählte, enterbte er sie, sie wird nie wieder ein Wort mit ihm wechseln. Er hat übrigens alle Kinder enterbt, die ohne seine Einwilligung geheiratet haben und er gab nie seine Einwilligung.
Das nicht so junge Ehepaar zog nach Italien, es soll eine sehr glückliche Ehe gewesen sein, beide arbeiteten viel, sie bekamen einen Sohn, 1861 starb sie in den Armen ihres Mannes. Robert hat nicht wieder geheiratet.




XLIII

How do I love thee? Let me count the ways.
I love thee to the depth and breadth and height
My soul can reach, when feeling out of sight
For the ends of Being and ideal Grace.

I love thee to the level of everyday's
Most quiet need, by sun and candle-light.
I love thee freely, as men strive for Right;
I love thee purely, as they turn from Praise.

I love thee with a passion put to use
In my old griefs, and with my childhood's faith.
I love thee with a love I seemed to lose

With my lost saints, --- I love thee with the breath,
Smiles, tears, of all my life! --- and, if God choose,
I shall but love thee better after death.  
Elizabeth Barret-Browning, 1850




XLIII

Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.

Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.

Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.  
Rainer Maria Rilke, 1908

Rilke übersetzt Elizabeth Barrett-Browning - Sonette aus dem Portugiesischen 2



XXXIX

Because thou hast the power and own'st the grace
To look through and behind this mask of me
(Against which years have beat thus blanchingly
With their rains), and behold my soul's true face,

The dim and weary witness of life's race,---
Because thou hast the faith and love to see,
Through that same soul's distracting lethargy,
The patient angel waiting for a place

In the new Heavens,---because nor sin nor woe,
Nor God's infliction, nor death's neighbourhood,
Nor all which others viewing, turn to go,

Nor all which makes me tired of all, self-viewed,---
Nothing repels thee, . . . Dearest, teach me so
To pour out gratitude, as thou dost, good!  
Elizabeth Barrett-Browning, 1850



XXXIX

Weil du die Macht hast und die Gnade, hinter
die Maske hinzuschauen und durch sie
(die still verblich im Regen vieler Winter)
und meiner Seele Antlitz findest, wie

es dieses Lebens Wettlauf müd begleitet, -
weil du, vom Glauben liebevoll geleitet,
auch noch durch dieser Seele Lethargie
hindurch den Engel siehst: geduldig, nie

an neuen Himmeln zweifelnd, - weil nicht leicht
Elend und Gottes Zorn und Nachbarschaft
des Todes und was sonst die andern schreckt

und was man, müde, in sich selbst entdeckt, -
dich irgend abstößt: ... lehre mich die Kraft
zur Dankbarkeit, die deiner Güte gleicht.  
Rainer Maria Rilke, 1908


 
Porträt E. Barrett-Browning von Michele Gordigiani

Rilke übersetzt Elizabeth Barrett-Browning - Sonette aus dem Portugiesischen 3


Sonnets from the Portuguese - Sonette aus dem Portugiesischen







XIV

If thou must love me, let it be for nought
Except for love's sake only. Do not say
'I love her for her smile---her look---her way
Of speaking gently,---for a trick of thought

That falls in well with mine, and certes brought
A sense of pleasant ease on such a day'---
For these things in themselves, Belovèd, may
Be changed, or change for thee,---and love, so wrought,

May be unwrought so. Neither love me for
Thine own dear pity's wiping my cheeks dry,---
A creature might forget to weep, who bore

Thy comfort long, and lose thy love thereby!
But love me for love's sake, that evermore
Thou mayst love on, through love's eternity.

Elizabeth Barrett-Browning, 1850






XIV

Wenn du mich lieben mußt, so soll es nur
der Liebe wergen sein. Sag nicht im stillen:
»Ich liebe sie um ihres Lächelns willen,
für ihren Blick, ihr Mildsein, für die Spur,

die ihres Denkens leichter Griff in mir
zurückläßt, solche Tage zu umrändern«. -
Denn diese Dinge wechseln leicht in dir,
Geliebter, wenn sie nicht sich selbst verändern.

Wer also nährt, der weiß auch, wie man trennt.
Leg auch dein Mitleid nicht zu Grund, womit
du meine Wangen trocknest; wer den Schritt

aus deinem Trost heraus nicht tut, verkennt
die Tränen schließlich und verliert mit ihnen
der Liebe Ewigkeit: ihr sollst du dienen.

Rainer Maria Rilke, 1908


Das Wintermärchen im Hexenkessel Hoftheater und Il Paride - Eine Barockoper in Sancoussi


Zwei Abende, zwei Theaterwelten.

"Das Wintermärchen" von Shakespeare, für mich eines der makabersten und magischsten Shakespearestücke und ziemlich ungeeignet für eine Freilichtproduktion, wenn auch, wie hier, in einem frei nachempfundenen Globe-Theater.
Einige ganz starke Bilder, feine Kostüme, aber wenn es bitter hätte werden müssen, musste geschrien werden und gerannt und dann hielt man sich doch lieber an die berühmte Regieanweisung im zweiten Akt: "Er rennt ab, verfolgt von einem Bären." Claudia Graue, wie nahezu immer, außerordentlich. Präzise und verrückt, lustig und gräßlich. Toll. Ansonsten eher unbefriedigend.
Aber es ist ein garstiges, ein herrliches Stück, zweimal beginnen Akte ganz zierlich und heiter und kippen urplötzlich in grausamen Terror von Vätern gegen ihre Familien. Der Schluss ist nur dann ein Happyend, wenn man ganz doll die Augen zusammenkneift und nicht hört, was nicht gesagt wird. Ich mache das im nächsten Jahr, ihr werdet also noch öfter davon hören.
Vor dem Theater direkt an der Spree ein Biergarten mit Tanzfläche, zu Swing und altem Tango tanzen Generationen in unterschiedlichster Zusammenstellung, ganz perfekt oder zauberhaft bemüht. Ein seltenes Bild. Nicht nur für Junge, nicht nur für Gesellschaftstänzer, nicht nur für ... irgendwen, sondern für jeden, der tanzen mag.

Heute im Schloßtheater im Neuen Palais in Sancoussi eine Barockoper.
Giovanni Andrea Bontempi, eigentlich G. A. Angelini war ein italienischer (merkt man ja schon am Namen) Kastrat und Komponist. Von 1657 bis 1664 war er Vizekapellmeister der Hofkapelle in Dresden unter Heinrich Schütz. Er schrieb nur drei Opern, "Il Paride" oder "Das Spiel von der Liebe in Musik gesetzt" wurde am 3. November 1662 Dresden vor 2500 Gästen, anläßlich einer hochadligen Hochzeit uraufgeführt und diese Aufführung kostete damals 300 739 Taler!
Man muss sich das vorstellen, die gesamte mechanische und sonstige Zauberkunst des höfischen Barocktheaters im Einsatz, mit Schifffahrt (drei f!), Sturm, Götterball, Flugwerk etc., ich würde Einiges dafür geben, sowas mal zu sehen. Selbst die kleinere Variante im wunderbar erhaltenen Theater in Bad Lauchstädt hat mich vor Jahren tief beeindruckt: hölzerne Zahnräder für lautlose Versenkungen, bemalte Illusions-Prospekte, drehbare Spiegel zur Lichtregulierung. Und bei solch einem Anlass, wie einer Hochzeit, haben sie sicher aus dem Vollen geschöpft.
Im Schloßtheater arbeiten sie mit Andeutungen. Ganz schön. Aber die Musik hat mich umgehauen und wurde wunderbar gespielt. Christina Pluhar als Dirigentin und gleichzeitig an der Theorbe, dazu Erzlaute, Barockgitarre, Barockharfe, Cembalo, Viola da Gamba, Violincello - die Instrumentennamen klingen schon ein wenig wie die Musik.

Eine Theorbe - Charles Mellin
La Paix et les Arts, 1627
Die Handlung ist leicht wirr und eigentlich schrecklich: Liebe kommt wie eine Krankheit über die Menschen, die aber in der Form des Barocks gefesselt sind und die Musik zwingt sie Ungeheuerlichkeiten ganz streng und gemessen zu äußern. Qualvoll und faszinierend. Früher wurden alle weiblichen Rollen von Kastraten gesungen und heute ist es nur noch der Paris, die Titelrolle, der ist natürlich Countertenor und nicht kastriert (hoffentlich). Das ist schon merkwürdig, wenn da so ein kräftiger junger Australier auftritt und öffnet den Mund und ... Er ist der "Liebhaber" und klingt wie eine hochartifizielle Frau. Wahnsinn.
Vor Jahren bin ich in jede Händeloper mit Jochen Kowalski gerannt, weil mich diese über-natürliche Künstlichkeit so fasziniert hat.

http://www.youtube.com/watch?v=cZG1m2vjDDE

Dienstag, 21. Juni 2011

Grimms Märchen - Blutwurst und Leberwurst

Die wunderliche Gasterei

Auf eine Zeit lebte eine Blutwurst und eine Leberwurst in Freundschaft, und die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Wie es Essenszeit war, ging die Leberwurst auch ganz vergnügt zu der Blutwurst, als sie aber in die Haustüre trat, sah sie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder Stiege der Treppe, deren viele waren, immer etwas anderes, da war etwa ein Besen und eine Schippe, die sich miteinander schlugen, dann ein Affe mit einer großen Wunde am Kopf und dergleichen mehr.
Die Leberwurst war ganz erschrocken und bestürzt darüber, doch nahm sie sich ein Herz, trat in die Stube und wurde von der Blutwurst freundschaftlich empfangen. Die Leberwurst hub an, sich nach den seltsamen Dingen zu erkundigen, die draußen auf der Treppe wären, die Blutwurst tat aber, als hörte sie es nicht, oder als sei es nicht der Mühe wert davon zu sprechen, aber sie sagte etwa von der Schippe und dem Besen: "Es wird meine Magd gewesen sein, die auf der Treppe mit jemand geschwätzt hat", und brachte die Rede auf etwas anderes.
Die Blutwurst ging darauf hinaus und sagte, sie müsse in der Küche nach dem Essen sehen, ob alles ordentlich angerichtet werde, und nichts in die Asche geworfen. Wie die Leberwurst derweil in der Stube auf- und abging und immer die wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam jemand, ich weiß nicht, wer's gewesen ist, herein und sagte: "Ich warne dich, Leberwurst, du bist in einer Blut- und Mörderhöhle, mach dich eilig fort, wenn dir dein Leben lieb ist." Die Leberwurst besann sich nicht lang, schlich zur Tür hinaus und lief, was sie konnte; sie stand auch nicht eher still, bis sie aus dem Haus mitten auf der Straße war. Da blickte sie sich um, und sah die Blutwurst oben im Bodenloch stehen mit einem langen, langen Messer, das blinkte, als wär's frisch gewetzt, und damit drohte sie, und rief herab: "Hätt' ich dich, so wollt ich dich!"

Grimms Märchen - Der gescheite Hans - von Winnie Böwe vorgeschlagen

Brüder Grimm - Der gescheite Hans


Hansens Mutter fragt 'wohin, Hans?' Hans antwortet 'zur Gretel.' 'Machs gut, Hans.' 'Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag, Hans. Was bringst du Gutes?' 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel schenkt dem Hans eine Nadel. Hans spricht 'adies, Gretel.' 'Adies, Hans.'

Hans nimmt die Nadel, steckt sie in einen Heuwagen und geht hinter dem Wagen her nach Haus. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?, 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?, 'Nichts gebracht, gegeben hat.' 'Was hat dir Gretel gegeben?' 'Nadel gegeben.' 'Wo hast du die Nadel, Hans?' 'In Heuwagen gesteckt.' 'Das hast du dumm gemacht, Hans, mußtest die Nadel an den Ärmel stecken.' 'Tut nichts, besser machen.'

'Wohin, Hans?, 'Zur Gretel, Mutter.' 'Machs gut, Hans.' 'Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag, Hans. Was bringst du Gutes?' 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel schenkt dem Hans ein Messer. 'Adies, Gretel.' 'Adies Hans.'

Hans nimmt das Messer, steckts an den Ärmel und geht nach Haus. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?, 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?, 'Nichts gebracht, gegeben hat.' 'Was hat dir Gretel gegeben?' 'Messer gegeben.' 'Wo hast das Messer, Hans?' 'An den Ärmel gesteckt.' 'Das hast du dumm gemacht' Hans, mußtest das Messer in die Tasche stecken.' 'Tut nichts, besser machen.' 'Wohin' Hans?' 'Zur Gretel, Mutter.' 'Machs gut, Hans.' Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag, Hans. Was bringst du Gutes?' 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel schenkt dem Hans eine junge Ziege. 'Adies, Gretel.' 'Adies, Hans.'

Hans nimmt die Ziege, bindet ihr die Beine und steckt sie in die Tasche. Wie er nach Hause kommt, ist sie erstickt. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?' 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?' 'Nichts gebracht, gegeben hat.' 'Was hat dir Gretel gegeben?, 'Ziege gegeben.' 'Wo hast du die Ziege, Hans?' 'In die Tasche gesteckt.' 'Das hast du dumm gemacht, Hans, mußtest die Ziege an ein Seil binden.' 'Tut nichts, besser machen.'

'Wohin, Hans?, 'Zur Gretel, Mutter.' 'Machs gut, Hans.' 'Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag, Hans. Was bringst du Gutes?, 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel schenkt dem Hans ein Stück Speck. 'Adies, Gretel.' 'Adies, Hans.'

Hans nimmt den Speck, bindet ihn an ein Seil und schleifts hinter sich her. Die Hunde kommen und fressen den Speck ab. Wie er nach Haus kommt, hat er das Seil an der Hand, und ist nichts mehr daran. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?, 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?' 'Nichts gebracht, gegeben hat.' 'Was hat dir Gretel gegeben?, 'Stück Speck gegeben.' 'Wo hast du den Speck, Hans?' 'Ans Seil gebunden, heim geführt, Hunde weggeholt.' 'Das hast du dumm gemacht, Hans, mußtest den Speck auf dem Kopf tragen.' 'Tut nichts, besser machen.'

'Wohin, Hans?, 'Zur Gretel, Mutter.' 'Machs gut, Hans.' 'Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag, Hans. Was bringst du Gutes?' 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel schenkt dem Hans ein Kalb. 'Adies, Gretel.' 'Adies, Hans.'

Hans nimmt das Kalb, setzt es auf den Kopf, und das Kalb zertritt ihm das Gesicht. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?' 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?' 'Nichts gebracht, gegeben hat.' 'Was hat dir Gretel gegeben?' 'Kalb gegeben.' 'Wo hast du das Kalb, Hans?, 'Auf den Kopf gesetzt, Gesicht zertreten.' 'Das hast du dumm gemacht, Hans, mußtest das Kalb leiten und an die Raufe stellen.' 'Tut nichts, besser machen.'

'Wohin, Hans?' 'Zur Gretel, Mutter.' 'Machs gut, Hans.' 'Schon gut machen. Adies, Mutter.' 'Adies, Hans.'

Hans kommt zur Gretel. 'Guten Tag, Gretel.' 'Guten Tag' Hans. Was bringst du Gutes?' 'Bring nichts, gegeben han.' Gretel sagt zum Hans 'ich will mit dir gehn.'

Hans nimmt die Gretel, bindet sie an ein Seil, leitet sie, führt sie vor die Raufe und knüpft sie fest. Darauf geht Hans zu seiner Mutter. 'Guten Abend, Mutter.' 'Guten Abend, Hans. Wo bist du gewesen?, 'Bei der Gretel gewesen.' 'Was hast du ihr gebracht?' 'Nichts gebracht.' 'Was hat dir Gretel gegeben?' 'Nichts gegeben, mitgegangen.' 'Wo hast du die Gretel gelassen?, 'Am Seil geleitet, vor die Raufe gebunden, Gras vorgeworfen.' 'Das hast du dumm gemacht, Hans, mußtest ihr freundliche Augen zuwerfen.' 'Tut nichts, besser machen.'

Hans geht in den Stall, sticht allen Kälbern und Schafen die Augen aus und wirft sie der Gretel ins Gesicht. Da wird Gretel böse, reißt sich los und läuft fort, und ist Hansens Braut gewesen.

Grimms Märchen - für Kinder nicht geeignet

Wie Kinder Schlachtens mit einander gespielt haben (1812)
II.


Einstmals hat ein Hausvater ein Schwein geschlachtet, das haben seine Kinder gesehen; als sie nun Nachmittag mit einander spielen wollen, hat das eine Kind zum andern gesagt: „du sollst das Schweinchen und ich der Metzger seyn;“ hat darauf ein bloß Messer genommen, und es seinem Brüderchen in den Hals gestoßen. Die Mutter, welche oben in der Stube saß und ihr jüngstes Kindlein in einem Zuber badete, hörte das Schreien ihres anderen Kindes, lief alsbald hinunter, und als sie sah, was vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus dem Hals und stieß es im Zorn, dem andern Kind, welches der Metzger gewesen, ins Herz. Darauf lief sie alsbald nach der Stube und wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber mache, aber es war unterdessen in dem Bad ertrunken; deßwegen dann die Frau so voller Angst ward, daß sie in Verzweifelung gerieth, sich von ihrem Gesinde nicht wollte trösten lassen, sondern sich selbst erhängte. Der Mann kam vom Felde und als er dies alles gesehen, hat er sich so betrübt, daß er kurz darauf gestorben ist.


Montag, 20. Juni 2011

Als wir uns trennten - George Gordon Noel Byron


Als wir uns trennten...

Als wir uns trennten
Schweigend, mit Schmerz,
Das Band zerschnitten,
Halbgebrochen das Herz,

Blass Deine Wange, kalt,
Kälter dein Kuss,
Die Stunde wusste, dass bald,
Leid kommen muss.

Der Tau auf dem Morgen,
Wurde Frost auf dem Lid,
Vorbote dessen
Was jetzt mir geschieht.

Deine Eide gebrochen,
Grinsend, hör ich, voll Gram
Deinen Namen gesprochen,
Und zittre vor Scham.

Ihr Lästern beschämt mich,
Grabgeläut für mein Ohr;
Schauder überläuft mich-
Warum liebt ich Dich so?

Keiner weiß von uns beiden,
Nur ich weiß zu viel,
Lang, lang werde ich leiden,
Für Dich war es Spiel. 

Nur heimlich besessen,
Nur lautlos beweint,
Dein Herz hat vergessen,
Deine Seele verneint.

Und treffe ich Dich
Nach sehr langer Zeit,
Wie grüße ich Dich?
Schweigend mit Leid.

Edward Munch Trennung 1900

When we two parted...
When we two parted
In silence and tears,
Half broken-hearted
To sever for years,

Pale grew thy cheek and cold,
colder they kiss,
Truly that hour foretold
Sorrow to this.

The dew of the morning
Sunk chill on my brow-
It felt like the warning
Of what I feel now.
Thy vows are all broken,
And light is thy fame;
I hear thy name spoken,
And share in its shame.

They name thee before me,
A knell to mine ear;
A shudder comes o'er me-
Why wert thou so dear?
They know not I knew thee,
Who knew thee too well -
Long, long shall I rue thee,
Too deeply to tell.
In secret we met -
In silence I grieve
That thy heart could forget,
Thy spirit deceive.
If I should meet thee
After long years,
How should I greet thee?
With silence and tears.

Rene Magritte Die Liebenden um 1928

Als wir uns trennten

Als wir uns trennten
In Schweigen und Leid,
Brechenden Herzens,
Für lange Zeit,

Bleich war die Wang' und kalt,
Kälter der Kuß, -
Wahrlich, mein Ahnen galt
Bitterem Schluß.

Der Tau fiel schaurig
Im Morgenrot;
Mein Herz war traurig
Von künft'ger Not.

Dein Schwur ist verweht nun,
Dein Nam' ist entehrt,
Ich hör' ihn geschmäht nun,
Bis Scham mich verzehrt.

Sie nennen den Namen,
Da schaudert' es mich, -
Mein Herz will erlahmen, -
So liebte ich dich!

Sie flüstern und scherzen,
Sie kennen ja nicht
Den Gram hier im Herzen,
Den Schmerz, der nicht spricht.

Geheim, wie die Lust war,
Geheim ist der Schmerz,
Daß falsch deine Brust war,
Und treulos dein Herz.

Und säh ich dich wieder
Nach langer Zeit, -
Wie sollt' ich dich grüßen?
In Schweigen und Leid.

1808 übersetzt von Otto Gildemeister 1823-1902
  
Als sich mit Schmerzen

Als sich mit Schmerzen,
In Tränen und stumm,
Trennten die Herzen,
Wer sagt, warum? -

Kalt dein Gesicht und blass,
Kälter dein Kuss;
O damals ahnt ich, was
Nun kommen muss.

Es taute der Morgen

So schaurig kühl,
Mich warnte verborgen
Ein Vorgefühl.

Die Schwüre verwehten,
Die Ehre zerbrach,
Dein Ruf ist zertreten
Und mein deine Schmach.

Dein Name umklingt mich

Wie Totengeläut.
Ein Schauer durchdringt mich,
Als liebt ich noch heut.

Wie gut ich dich kannte,
Wem ist es bewusst?
Wer weiß, wie mir brannte
Von Reue die Brust?

Verstohlen besessen,

Verstohlen beweint,
Dass du mich vergessen,
Verraten den Freund!

Nach langem Büßen,
Wenn Jahre herum,
Wie soll ich dich grüßen? -
In Tränen und stumm.
 
aus dem Englischen von Paul Heyse

George Gordon Noel Byron (1788-1824)