Mittwoch, 6. April 2011

Diane Arbus





Diane Arbus: 1923 in New York als Diane Nemirow geboren, 1971 begeht sie in New York Selbstmord.

Als sie Norman Mailer photographiert hatte, war seine Reaktion: "D. A. eine Kamera in die Hand zu geben, ist wie einem Baby eine Handgranate zu geben."

Susan Sonntag sagt über sie in ihrem Essay Über Fotografie: „Die Menschen, die in Arbus’ Welt angesiedelt sind, enthüllen sich immer selbst. Hier gibt es keinen ‚entscheidenden Moment‘. […] Statt sie zu überreden, eine ‚natürliche‘ oder typische Haltung einzunehmen, ermunterte sie ihre Modelle, unbeholfen zu wirken – das heißt, zu posieren. Wenn sie so steif dastehen oder dasitzen, wirken sie bereits wie Abbilder ihrer selbst.“ und "Airbus' Photographien sugerrieren eine Naivität...basierend auf Distanz, auf Privileg, auf einem Gefühl, dass das was der Betrachter anschauen soll wirklich anders ist...Das es eine andere Welt gibt."

  

April - Rose Ausländer

April

Da kommt er
wirft Luftlappen ins Gesicht
drückt Sonne auf den Rücken
lacht überlaut wickelt den
Park in grünen Taft zerreißt
ihn wieder stellenweise
pufft die Kinder spielt mit den
Röcken erschreckter
Gouvernanten
drückt alle Regenhebel
macht los die Nordhunde von den Ketten
und
lässt sie laufen nach Windlust
Ein toller Geselle
eine Art Eulenspiegel
auch gangsterhafte Gesten hat er
(jaja mein Lieber du
machst es uns nicht leicht
dich lieb zu haben)
und doch und doch
im Großen und Ganzen
ein prächtiger Kerl
dieser April



Wer bin ich
Wenn ich verzweifelt bin
schreib ich Gedichte
Bin ich fröhlich
schreiben sich die Gedichte
in mich
Wer bin ich
wenn ich nicht
schreibe


Dienstag, 5. April 2011

Theater ist Verbeugung und Applaus

Mein erster Theaterbesuch in Kanada. Leider keine Ahnung mehr was es war (Jetlag!), aber ich weiss noch, es war nicht zu schlimm, auch nicht toll. Am Ende: Applaus, 5 Sekunden und Schluss. Ich saß, leicht brüskiert, mit noch zum Klatschen erhobenen Händen und sah zu, wie der Saal sich blitzschnell leerte. Beim nächsten Theaterbesuch das gleiche, eigentlich immer das gleiche, außer manchmal bei Musicals, Filmtarschauspielerauftritten auf Bühnenbrettern und zweimal bei internationalen Gastspielen. Ein Kulturschock.
Wie anders hier.
Es wird viel geklatscht, gepfiffen, heute zeigt das Begeisterung, früher war es Auspfeifen, Bravo gebrüllt, stehend geklatscht, obwohl das manchmal auch bloß so scheint, weil die Leute eigentlich gehen wollten und im Rausgehen, von einem weiteren Vorhang erwischt wurden.
Um das klar zu sagen, ich liebe Applaus, aber er ist ein höchst ungenauer Gradmesser. Nichtzustimmende Äußerungen sind viel seltener zu hören, als sie gefühlt und gedacht werden, man klatscht dann halt höflich so mit. Ein Buh bedarf großen Mutes oder überwältigenden Zornes. (Ich liebe den Genitiv!) Und mitten aus der Reihe rausstürmen, ist peinlich.
Ist der Regisseur gerade im Trend, ist es scheinbar eh egal, wie gut der jeweilige Abend war. Der Kenner, Trendsetter beweist sich durch Lungenkapazität und Handschlagkraft und manchmal wirkt es, als würde leises Unbehagen einfach weggebravot. Früher nannte man das Claque, heute Insider (Siehe Artikel in der letzten "Theater der Zeit" von Martin Linzer) Dies ist besonders irritierend, wenn man noch eine Viertelstunde vorher beobachten konnte, wie ein gutes Viertel des Publikums unbequem aber selig schlummerte.



Und das Verbeugen der Darsteller, oh, eine Inszenierung in sich, reichend von "bin beinahe zu erschöpft, um den Applaus noch ertragen zu können", bis zu "ihr seid eh zu blöd, um wirklich ermessen zu können, was sich hier heute zugetragen hat". Es scheint auch üblich zu werden, dass sich die Schauspieler miteinander unterhalten, während sie sich, zum Beweis der intensiven Ensemblearbeit, in Gruppe verbeugen. Sehr beliebt im Kontrast dazu, der bescheidene zusammenzuckende Erstaunverbeuger des Protagonisten: "Was? Das alles für mich?" Da kriege ich meistens abrupt Armlähmung.

Dazu zwei Anekdoten aus der Familie: Ernst Busch wollte sich ums Verrecken nicht verbeugen, daraufhin von der Weigel die kühle Frage: "Worauf sind Sie so bescheiden?". Aber auch: "Mutter Courage" das Publikum tobt, die Weigel allein auf der Bühne, sehr scheu, sehr zerbrechlich, der Applaus braust noch höher, sie breitet, wie hilfesuchend, die Hände nach links und rechts in Richtung Gasse: "Helft mir doch, bitte!". Der damals noch sehr junge Schauspieler E. Schall kommt ihr zu Hilfe und bekommt, nachdem man wieder in der Gasse angekommen ist, eine gelangt: "Das war mein Vorhang!". Man muss es halt können, dann geht alles.

Wie macht man es richtig? Keine Ahnung! Es wurde Arbeit geleistet und im besten Fall wird Freude ausgetauscht. Ich liebe die 'Grosse Französische' sehr, die habe ich mir bei Thomas Langhoff abgeguckt, ein sehr formeller Kniefall der Spieler, der keineswegs demütig, sondern sogar stolz wirkt. Und es ist so herrlich altmodisch und darum verwirrend, das mag ich.
Aber oft, besonders nach sehr gelungenen Inszenierungen, löst sich beim Verbeugen die strenge Ordnung des Abends in Nichts auf, und alles rennt heiter verwirrt irgendwie hin und her. Auch merkwürdig, jedoch manchmal erfrischend.
Musik unterm Applaus ist in Deutschland, außer bei Musicals, übrigens streng verboten! Blumenwerfen gibt es auch nur noch selten.
Und es gibt unendliche Varianten der gemeinen Verbeugung. Der verklemmte Knicks, der herablassende Kopfnicker, der athletische Nase-an-Knie Zusammenschnapper (das ist meiner), der im Vorbeirennen fast verpasste Schnellzucker, die Ballerina-Imitation und und und. Und sehr selten den grandiosen den-Zusammenbruch-gerade-noch-vermeidenden Divaverbeuger.
Ich bin noch von einer wirklichen Diva, nämlich von Inge Keller persönlich, zum Verbeugen-Üben gezwungen worden, kann es jetzt halbwegs und hasse es immer noch, besonders zur Premiere als Regisseur. Man hat an dem Abend ja nichts getan und auch wenn ich es intelektuell begreife, fühlt es sich unpassend an.

Amsterdam - Klabund

Die Harfenjule 1927

Zu Amsterdam
Zu Amsterdam bin ich geboren, meine Mutter war ein Mädchen ums Geld. Mein Vater hat ihr die Ehe geschworen, war aber weit gefehlt.

In einer dunklen Gasse, sah ich zum erstenmal das Sonnenlicht. Ich wollte es mit meinen Händen fassen, und konnt' es aber nicht.

Ein junger Mann kam eines Tages, und küßte mich und rief mich seinen Schatz. Sie legten bald ihn in den Schragen, ein anderer nahm seinen Platz.

Wir sind im Frühling durch den Wald gegangen und sahen Hirsch und Reh. Die Bäume blühten und die Vögel sangen, vierblättrig stand der Klee.

Ein jeder hat mir Treu' in Ewigkeit geschworen, war aber weit gefehlt. Zu Amsterdam hab' ich mein' Ehr' verloren, ich bin ein Mädchen um's Geld.

Montag, 4. April 2011

Amsterdam selbst erlebt


Ist das eine schöne Stadt! Klein, ohne kleinstädtisch zu sein, ziemlich alt und ganz neu. Und obwohl ich weiss, dass auch Holland den xenophoben, rechtshinkenden Weg entlangstapft, den sich scheinbar ganz Europa zum beliebtesten Trampelpfad auserwählt hat, so spürt man doch, bei so kurzem Aufenthalt nichts davon. Die Paare und Gruppen (die Ein- heimischen, nicht die Touristen) sind gemischt in Farben und Geschlecht, es wird viel geküsst, immer ein gutes Zeichen und gut gegessen, dito.

Es erstaunt mich allerdings immer wieder, wie wenig ich über die Geschichte selbst unserer nächsten Nachbarländer weiss, von Asien und Afrika erst gar nicht zu reden. Da war ich gestern in einer geheimen katholischen Kirche, denn nach dem Sieg der Reformation, in diesem Fall des Calvinismus, 1648 wurde zwar Religionsfreiheit ausgerufen, aber die Katholiken kurzerhand ihrer Kirchen entledigt, die wurden erst bildergestürmt und dann in reformierte Kirchen umgewandelt. Also haben die Katholischen, für circa 200 Jahre, heimliche Kirchen besucht, auf Dachböden, in Wohnungen und so. Wie ungewöhnlich für Katholiken, meist war es doch andersrum. Und die, ihrer Statuen, Heiligenbilder und figurengeschmückten Fensterscheiben entzogenen Kirchen, haben eine ganz eigene Wirkung, nicht eigentlich kalt, aber sehr ernst und würdevoll.
Calvinismus muss eine recht anstrengende Religionsrichtung sein: die in vielen holländischen Wohnungen nicht vorhandenen Vorhänge, haben ihre Ursache in der verlangten Einsehbarkeit allen Tuns, nichts sollte verborgen bleiben, sodass es keine heimliche Sünde geben konnte. Und bis vor einigen Jahren wurden auf dem flachen Land noch die Fenster der Läden am Sonntag verhängt, damit auf dem Weg zur Kirche nichts vom Spirituellen des heiligen Tages ablenkt. Das ist schon eigenartig, bedenkend das Herr Calvin meinte, dass sowieso schon vor der Erschaffung des Menschen festgelegt worden war, wer "erwählt" ist und wer halt nicht. Wozu dann noch die ganzen Sicherheitsmaßnahmen? Die Erwählten kann man unter anderem auch an ihrem enormen Fleiss und wirtschaftlichem Erfolg erkennen, hört! hört!
Und trotzdem wirkt die Stadt Amsterdam ganz lustvoll und unangestrengt vergnügt und das liegt nicht nur an den Coffeeshops, Stonerhimmelchen inclusive Kaffeegenuss.
Kurzum: Frühlingssonne, viel Laufen, eine herrliche Ausstellung mit vergleichenden Kupferstichen von Lukas von Leyden und Rembrandt, sehr gute Pommes, belgische, das sind die besten, indonesische Reistafel in 35 kleinen Schälchen und dann "The Kings Speech" in einem 90 Jahre alten Kino. Ein Herr Tuschinski hat es gebaut und wie einen 30er Jahre Hollywoodtraum ausgestattet, er ist daran bankrott gegangen. 1941 wurde er in Ausschwitz vergast. Das Kino verfiel und wurde von der Pathe Gruppe restauriert, inclusive nachgewebten Teppichen. Ein Traum mit Separees und plüschigen Sitzgelegenheiten, so muss Kino sein, früher durfte man sogar noch trinken und rauchen, früher.

Quentin Massys
The Money Changer and His Wife




"The Kings Speech", ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal einen Film mit so viel Wörtern und so langen Einstellungen gesehen habe. Vor Colin Firth und Geoffrey Rush will ich mich verbeugen. Natürlich ist der Film von leicht rührseliger Aussage, aber so schön gespielt!

Sonntag, 3. April 2011

Amsterdam - Jacques Brel

Nur soviel: Ich bin in Amsterdam! Eine wunderschoene grosse Kleinstadt. Surinamisches Essen ist "lekker", wie man hier sagt.



Jacques Brel - Amsterdam

Im Hafen Amsterdams
Singen die Seeleute von
Den Träumen, die sie umtreiben
Weit draußen auf See - vor Amsterdam
Im Hafen Amsterdams
Schlafen die Seeleute
Hingestreckt wie Standarten
Entlang trister Uferböschungen
Im Hafen Amsterdams
Sterben die Seeleute
Voll von Bier und Tragödien
Im ersten Morgenlicht
Aber im Hafen Amsterdams
Werden auch Seeleute geboren
In der brütenden Hitze
Ozeanischen Fernwehs

Im Hafen Amsterdams
Essen die Seeleute
Von viel zu weißen Tischdecken
Triefendnasse Fische
Sie zeigen euch Zähne
Wie gemacht das Glück zu knacken
Den Mond abzureißen
Und Taue zu fressen
Und er duftet der Kabeljau,
Bis ins Herz der Fritten,
Welche ihre grobschlächtigen Hände einladen,
Für einen Nachschlag wiederzukommen
Danach stehen sie lachend auf
In stürmischem Getöse
Machen ihren Hosenschlitz wieder zu
Und gehen rülpsend hinaus

Im Hafen Amsterdams
Tanzen die Seeleute
Und reiben ihre Leiber
an denen der Weiber
Sie tanzen und drehen sich
Wie hinausgeschleuderte Sonnen
Im quäkenden Klang
Eines ranzigen Akkordeons
Sie verrenken sich den Hals,
Um sich besser lachen zu hören
Bis urplötzlich
Das Akkordeon verhallt
Dann mit großer Geste
Und mit stolzem Blick
Kehren sie ihre batavische Herkunft
Heraus ins helle Licht

Im Hafen Amsterdams
Trinken die Seeleute
Und trinken und trinken
Und trinken immer wieder
Sie trinken auf das Wohl
Der Huren Amsterdams,
Hamburgs oder von anderswo
Schließlich trinken sie auf die Damen
Die ihnen ihren hübschen Körper feilbieten,
Die ihnen ihre Tugendhaftigkeit preisgeben,
Für eine goldene Münze
Und wenn sie genug gesoffen haben,
Pflanzen sie sich hin, die Nase zum Himmel
Gestreckt, schnäuzen sich gen Sternenzelt
Und pissen, so wie ich Tränen vergieße,
Auf die untreuen Weiber
Im Hafen Amsterdams
Im Hafen Amsterdams

Samstag, 2. April 2011

Lord Byron


George Gordon Noel Byron, 6. Baron Byron of Rochdale, 1788 - 1824

Eine seiner Geliebten sagte über ihn: "He is mad, bad and dangerous to know."
Der eigentlicher Vertreter der englischen Romantik, ein Leben wie ein tragischer Kitschfilm. Noch heute wird ein schöner, geheimnisumwitterter, leidenschaftlicher, von Unglück verfolgter Mann als "Byronic Hero" bezeichnet.

England im 18. Jahrhundert, die Krone verliert die Kolonie "Amerika" an die Befreiungsbewegung, die industrielle Revolution beginnt mit der Entwicklung von dampfbetrieben Maschinen, innenpolitisch starke politische und soziale Reformbewegungen, mit heftigeren Gegenattacken.

Grossvater: John "Jack Foulweather" Byron, Vize-Admiral der britischen Navy (John "Jack Schlechtwetter" Byron), Seefahrer, Eroberer, Gouverneur von Neufundland, In Australien ist Kap Byron nach ihm benannt.
Vater: Captain John "Mad Jack" Byron, vielfach verheiratet, brachte das Geld von Byron's Mutter durch und verließ sie, starb ein Jahr danach an TBC oder an einer Überdosis, Byron behauptete, er hätte sich die Kehle durchgeschnitten.
Mutter: manisch depressiv, musste Land und Titel verkaufen, um die Schulden des Ehemannes zu bezahlen.
1798 erbt Byron, durch den Tod des 5. Baron Byron, der der "Wicked Lord" (der "böse" Lord) genannt wurde, Titel und Grundbesitz, es folgt der Umzug von Schottland nach London, er ist jetzt der 6. Baron Byron und 10 Jahre alt. Es wird behauptet, dass seine Gouvernante ihn als Kind verführt und geschlagen hätte. Er sagte später, dies hätte ihn zum Melancholiker gemacht. Er wurde zum Liebenden in verzweifelter Passion: Frauen, Männer, Halbschwestern, verheiratete Damen, Jünglinge - Dramen, Tragödien und Skandale und immer das Schreiben.
Eine seiner Geliebten, Lady Caroline Lamb, verfolgt ihn nach Beendigung der Affaire seinerseits, unter anderem, indem sie nachts in Männerkleidung in sein Haus einbricht. Sie stirbt nach unzähligen anderen Affairen, als Alkoholikerin und Junkie im Jahr 1827.
Als Aristrokrat war er natürlich auch Mitglied des Oberhauses des Parlaments und trat als Sozialreformer, Kirchenkritiker und Gegner der Todesstrafe auf. Das Wort "auftreten" bezieht sich auf die Theatralik seiner Reden und seiner Erscheinung.


  When we two parted
  In silence and tears,
  Half broken-hearted,
  To sever for years,
  Pale grew thy cheek and cold,
  Colder thy kiss;
  Truly that hour foretold
  Sorrow to this!
  The dew of the morning
  Sunk chill on my brow;
  It felt like the warning
  Of what I feel now.
  Thy vows are all broken,
  And light is thy fame:
  I hear thy name spoken
  And share in its shame.

  They name thee before me,
  A knell to mine ear;
  A shudder comes o'er me­
  Why wert thou so dear?
  They know not I knew thee
  Who knew thee too well:
  Long, long shall I rue thee
  Too deeply to tell.

  In secret we met:
  In silence I grieve
  That thy heart could forget,
  If I should meet thee
  After long years,
  How should I greet thee?­
  With silence and tears.

  Als wir uns trennten
  In Schweigen und Leid,
  Brechenden Herzens,
  Für lange Zeit,
  Bleich war die Wang' und kalt,
  Kälter der Kuß, -
  Wahrlich, mein Ahnen galt
  Bitterem Schluß.

  Der Tau fiel schaurig
  Im Morgenrot;
  Mein Herz war traurig
  Von künft'ger Not.
  Dein Schwur ist verweht nun,
  Dein Nam' ist entehrt,
  Ich hör' ihn geschmäht nun,
  Bis Scham mich verzehrt.

  Sie nennen den Namen,
  Da schaudert' es mich, -
  Mein Herz will erlahmen, -
  So liebte ich dich!
  Sie flüstern und scherzen,
  Sie kennen ja nicht
  Den Gram hier im Herzen,
  Den Schmerz, der nicht spricht.

  Geheim, wie die Lust war,
  Geheim ist der Schmerz,
  Daß falsch deine Brust war,
  Und treulos dein Herz.
  Und säh ich dich wieder
  Nach langer Zeit, -
  Wie sollt' ich dich grüßen?
  In Schweigen und Leid.

 
1808
  Übersetzt von Otto Gildemeister 1823-1902
  Aus: Lord Byrons Werke In sechs Bänden


Als sich die Wolke der Gerüchte und Anschuldigungen immer enger um ihn zusammenzog, verließ er England endgültig und reiste, nach Zwischenaufenthalten in Deutschland und der Schweiz, nach Italien. In Venedig traf er die Shelleys und ihre Freunde. Während dreier regnerischer Tage und Nächte entsanden dort Mary Shelley's "Frankenstein" und Pollidori's "Vampyre" (der Vorläufer aller Vampirgeschichten, inspiriert durch eine Idee Byrons). Byron selbst schrieb unablässig. Wunderbare Texte, von denen nur wenige die Übersetzung ins Deutsche überleben.
Er reiste weiter und kam schließlich nach Griechenland, wo er sich dem Befreiungskampf der Griechen gegen die türkischen Besetzer, das Ottomanische Reich, anschloß. Es wird behauptet, dass er, hätte er überlebt, nach der Befreiung, König von Griechenland hätte werden können. Er starb an Unterkühlung, verschlimmert durch zu starke Aderlässe, 1824. Ein unromantischer Tod.


 So we'll go no more a-roving
 So late into the night,
 Though the heart still be as loving,
 And the moon still be as bright.

 For the sword outwears its sheath,
 And the soul outwears the breast,
 And the heart must pause to breathe,
 And love itself have rest.

 Though the night was made for loving,
 And the day returns too soon,
 Yet we'll go no more a-roving
 By the light of the moon.

 So werden wir nicht mehr schweifen
 Umher in der späten Nacht,
 Wenn das Herz auch noch verliebt ist
 Und der Mond noch immer lacht.

 Denn das Schwert verschleißt seine Scheide
 Und die Seele verschleißt die Brust,
 Und das Herz muß ruhn um zu atmen
 Und Liebe rasten von Lust.

 Ist die Nacht auch gemacht für die Liebe
 Und der Tag folgt zu schnell der Nacht,
 So werden wir doch nicht mehr schweifen,
 Wenn der Mond vom Himmel lacht.

Ambrose Bierce - Wörterbuch des Teufels

Ambrose Gwinnett Bierce 1842 - 1914, Bauernsohn aus Ohio, Soldat, Landvermesser, Journalist; unternahm als 70jähriger eine Reise nach Mexiko, um die mexikanische Revolution zu beobachten, wurde noch im Gefolge Pancho Villas gesehen und verschwand dann. Wurde vermutlich standrechtlich erschossen.
"Mein Ruf als unbekannter Autor ist weltweit."
Er hat u.a. eine wunderschöne Erzählung geschrieben: "Zwischenfall an der Owl Creek Bridge (oder Eulenfluss Brücke). Da ein grosser Teil der Wirkung der Kurzgeschichte auf ihrem unerwarteten Ende beruht, kann ich sie hier leider nicht nacherzählen. Leider habe ich nur ein Link zum Text in Englisch gefunden. Die Amis und Britten setzen viel mehr literarische Texte ins Netz, deren Rechte freigeworden sind. Seltsam.


Aus dem Wörterbuch des Teufels geschrieben 1911.

Abendland: Jener Teil der Welt, der westlich (bzw. östlich) des Morgenlandes liegt. Größtenteils bewohnt von Christen, einem mächtigen Unterstamm der Hypokriten, dessen wichtigste Gewerbe Mord und Betrug sind, von ihnen gern ’Krieg’ und ’Handel’ genannt. Dies sind auch die wichtigsten Gewerbe des Morgenlands. - Occident,  n. The part of the world lying west (or east) of the Orient. It is largely inhabited by Christians, a powerful subtribe of the Hypocrites, whose principal industries are murder and cheating, which they are pleased to call ‘war’ and ‘commerce’. These, also, are the principal industries of the Orient.

Applaus, der [Subst.], Das Echo einer Platitüde. - Applause, n. The echo of a platitude.
 
Begeisterung, die [Subst], ist eine Jugendkrankheit; heilbar durch Reue in kleinen Dosen, verbunden mit äußerlicher Anwendung von Erfahrung.

Christ: Einer, der daran glaubt, dass das Neue Testament ein göttlich inspiriertes Buch ist, bestens den geistlichen Bedürfnissen seines Nächsten angemessen. Einer, der die Lehren Christi befolgt, soweit diese nicht mit einem sündhaften Leben unvereinbar sind. - CHRISTIAN, n.: One who believes that the New Testament is a divinely inspired book admirably suited to the spiritual needs of his neighbor. One who follows the teachings of Christ so long as they are not inconsistent with a life of sin.

Diskussion: Eine Methode, andere in ihren Irrtümern zu bestärken.

Emanzipation, die [Subst.], ist der Übergang eines Sklaven aus der Unterdrückung durch einen anderen in die Unterdrückung durch sich selbst.

Glaube: Dinge für wahr halten, für die es keine Parallele und keinen Beweis gibt und die jemand verkündet, der über kein Wissen verfügt.

Kritiker: jemand, der sich damit brüstet, dass er schwer zufriedenzustellen sei, weil niemand versucht, ihn zufriedenzustellen." - Critic, n. A person who boasts himself hard to please because nobody tries to please him.

Lärm, der [Subst.], Gestank im Ohr. Ungezähmte Musik. Das Hauptergebnis und Bestätigungszeugnis der Zivilisation. - Noise, n. A stench in the ear. Undomesticated music. The chief product and authenticating sign of civilization.

Patriot: Jemand, dem die Interessen eines Teils über die Interessen des Ganzen gehen. Der Gimpel der Politiker und das Werkzeug der Eroberer.

Radikalismus, der [Subst.]: der Konservatismus von morgen als Injektion in die Angelegenheiten von heute.

Realismus, der [Subst.]: die Kunst einer Naturdarstellung aus der Krötenschau: der Zauber einer Landschaft, wie sie ein Maulwurf malt, die Geschichte, wie sie eine Spannerlarve schreibt. - Realism, n. The art of depicting nature as it is seen by toads. The charm suffusing a landscape painted by a mole, or a story written by a measuring-worm.


Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, daß es keinen Sinn hat, sich aufzuregen.


Ungläubiger: in New York: jemand, der nicht an die christliche Religion glaubt; in Istambul: jemand, der an sie glaubt.

Vorurteil: Streunende Meinung ohne erkennbaren Lebensunterhalt.

Werbung ist der Versuch, das Denkvermögen des Menschen so lange außer Takt zu setzen, bis er genügend Geld ausgegeben hat.

Zukunft, die [Subst.], jene Zeit, in der unsere Geschäfte gut gehen, unsere Freunde treu sind und unser Glück gesichert ist. - Future, n. That period of time in which our affairs prosper, our friends are true and our happiness is assured.

 
Zukunft, der [Subst.], ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten. - Cynic, n. A blackguard whose faulty vision sees things as they are, not as they ought to be.


Freitag, 1. April 2011

Buster Keaton

Schaut die riesigen Hände an. Und solche Schönheit.
Samuel Beckett hat einen Kurzfilm für ihn geschrieben. Der Film heisst "Film".
Ein kleinerer Film Keaton's "The Loveable Cheat" in dem er immerwährend auf die Rückkehr seines Partners wartet, dessen Name Godot ist, soll die Inspiration für Beckett's Stück "Warten auf ..." gewesen sein.

Donnerstag, 31. März 2011

Theater ist vergänglich


Leipzig 1996, meine erste Premiere als Regisseurin auf einer großen Bühne, „Frühlingserwachen“; meine persönliche Fangruppe bestehend aus Mutter und Vater (also muss ich sie mit meiner Schwester, der Kostümbildnerin, teilen) ist angereist, sehr aufgeregt und rührenderweise sehr  stolz. Viele der Darsteller sind Schauspielstudenten und mein Vater wandert nach der Vorstellung durch das Foyer und gratuliert, meine Mutter kurz hinter ihm, nutzt Pausen, um erklärend einzuwerfen: „Er ist vom Fach!“ Sie will dem Lob dadurch größeren Wert geben, aber es schließt ein, dass viele der Kleinen noch nie von Ekkehard Schall gehört haben.
Na klar, Bühnenruhm ist gebunden an das Auf-der-Bühne-sein, die aktuellen Theatermoden und die Launen des Feuilletons. Weiß jeder. Schmerzhaft ist es trotzdem. Und immerhin er hat gespielt bis zum Schluss. Gott sei Dank.

Eine traurige Geschichte
(Überliefert von Klaus Piontek einem ganz wunderbaren, schrägen Schauspieler und Freund, der leider 1998 zu früh, viel zu früh verstorben ist.)


Circa 1958/59 war Klaus in Halberstadt engagiert, die übliche Provinztour der damaligen Zeit. Die Opernsparte hatte einen Chor und in diesem gab es einen Chorsänger, versoffen, schlecht riechend, unzuverlässig. Er wurde geduldet, jemandem zu kündigen war damals fast unmöglich. Eines Tages erscheint er nicht zur Probe, auch am nächsten nicht. Am dritten Tag entschließt man sich, nach ihm zu schauen. Die Wohnung oder eher das Zimmer wird aufgebrochen und man findet ihn tot vor. Die Einrichtung: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank. Auf dem Schrank ein abgenutzter Koffer. In dem Koffer – ein Leben. Theaterzettel, Programmhefte, vergilbte Kritiken, alte Verträge. Der jetzt Tote hatte einst große Rollen an der Met gesungen, war gefeiert und angehimmelt worden.
Wir könnten von Kränzen reden, die niemand flicht, müssen es aber nicht. Die Glorie des Theaters ist seine Unmittelbarkeit, der Moment des Spielens und der Moment des Zuschauens und Erlebens fallen zusammen. Da liegt die Kraft und die Erotik der alten Dame Theater, da liegt der Grund für ihr schlechtes Gedächtnis.
Aus: Wallenstein/Prolog
Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798
...
Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus.
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.
...
Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.
  
Für die, die ihn nicht mehr kennengelernt haben Ekkehard Schall:







Noch ein Tipp:
Historische Tondokumente aus der Geschichte des Deutschen Theaters in Berlin
Drei CDs. Zweiundvierzig Historische Ton-Aufnahmen deutscher Theatergeschichte der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Es knistert und knackt mehr als drei Stunden von alten Schellackplatten, gar von einer Edison- Wachswalze ist Josef Kainz zu hören - im berühmtesten aller Monologe- Sein oder Nichtsein? - Moissi als Franz Moor, Paul Wegener als Nathan, Tilla Durieux als Klytemnestra, Bassermann als Michael Kramer, als Attinghausen und als Striese aus dem "Raub der Sabinnjerinnen", die Bergner als Fräulein Else, Jannings als Dorfrichter Adam, Heinrich George als Jean Jaurès, Werner Krauss als Wallenstein und als Falstaff, Paul Wegener als Kottwitz, Käthe Dorsch als Katharina, die Widerspenstige, gezähmte? ... Kortner und Bois berichten amüsant und sehr persönlich von ihrer Begegnung mit dem großen Reinhardt. Einer der Höhepunkte - Max Reinhardt selbst - "Über den Schauspieler", ein Redeausschnitt aus dem Jahre 1929.
Die CDNR1, CDNR2 und die CDNR3 werden in Kleinauflage herausgegeben von der schauspieleragentur frank splanemann/ berlin (www.splanemann.de)