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Donnerstag, 24. April 2014

Meerwind, in Vorahnung auf den Sommer




WIND VOM MEER




Andrew Wyeth 
1947



Lied vom Meer

Uraltes Wehn vom Meer,
Meerwind bei Nacht:
du kommst zu keinem her;
wenn einer wacht,
so muß er sehn, wie er
dich übersteht:
uraltes Wehn vom Meer,
welches weht
nur wie für Ur-Gestein,
lauter Raum
reißend von weit herein…
O wie fühlt dich ein
treibender Feigenbaum
oben im Mondschein.

Rainer Maria Rilke


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Das Gas Dimethylsulfid, das von Algen produziert wird, soll für den typischen Geruch an der Küste verantwortlich sein

Dimethylsulfid - in Wolken, im Meer und in Trüffeln

Und Meerwasser enthält Salz, also Natriumchlorid. Im aufgelösten Zustand
trennt sich das Natrium Kation vom Chlor Anion, diese Ionen sind im Wasser freibeweglich, 

sind aber an das Wasser gebunden. Wenn sich sich ein Chlor Ion
aus der Hydrathülle befreit, verwandelt es sich in ein Chlormolekül und wird
für uns riechbar. Wie unromantisch.

Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr. 
(Titel einer Revue des Hamburger Theaterschiffes)


Sonntag, 30. März 2014

Die Brust der Venus


Diese Brust ist so vorwitzig,
dass selbst ihre Besitzerin davon etwas überrascht zu sein scheint.


DIE SIEGREICHE VENUS 
oder Venus Victrix,
gemalt von Michele Tosini
genannt Michele di Ridolfo del Ghirlandaio,
der von 1503 bis 1577 gelebt hat.

ALS ER IHRE BRÜSTE KÜSSTE

Blondine deiner Brüste Kuß
Hegt mehr von süßen Uberfluß
- Als tausend Zucker-Fladen
- Und theure Marmeladen
Mehr Süßigkeit quilt aus dem Schnee
Der Brüste als aus Hyblens Klee
- Die Feige wird zur Schleen
- Kein Honig kan bestehen
Daß nicht zu Gall und Wermuth wird
Wenn es der Brust wird beygeführt.
- Der Wein wird schlechte Pfütze
- Das Manna Haber Grütze
Dem Ambrosin und Nectar Safft
Benimmt dein Busen alle Krafft
- Dein unbefleckte Brüste
- Die Zinsen Himmels-Lüste.

Celander um 1700


Samstag, 29. März 2014

Noah läßt sich volllaufen und verflucht seinen Sohn



Giovanni Bellini 
Noahs Trunkenheit
1515



Die folgende Geschichte soll sich nach der Flut, also auch nach der Schiffsreise, zugetragen haben, nur acht Menschen einer Familie hatten die gewaltigen Wasser überlebt. 
Vater Noah hat dann Wein gepflanzt, gekeltert und getrunken, wohl eine ganze Menge davon und ist besinnungslos in seinem Zelt eingeschlafen. Sein Jüngster (oder Mittlerer, da gibt es Diskussionen) sieht ihn entblößt und komatös dort liegen und, jetzt gehen die Interpretationen auseinander, vergewaltigt den schlafenden Vater oder kastriert ihn oder schläft mit dessen Frau, seiner eigenen Mutter, oder er holt nur seine beiden Brüder, damit sie auch über den Anblick des betrunkenen Familienoberhauptes lachen können. 
Die Brüder zeigen sich feinfühliger als Ham und bedecken die Blöße des Vaters mit abgewendeten Augen. Als Noah erwacht und erfährt, was vorgefallen ist (Wer hat es ihm erzählt?), wird er, wohl aus Scham, wütend und verflucht Ham und seine Kinder, die Hamiten, auf grausamste Art. 

Jahrtausende später begründen Sklavenhändler ihr Recht auf den Handel mit afrikanischen Frauen, Männern und Kindern, angeblich Abkömmlingen dieses Ham, mit eben jenem Fluch.

GENESIS 9.20 - 27

Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er's seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht sähen. Als nun Noah erwachte von seinem Rausch und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte, sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte! Und sprach weiter: Gelobt sei der HERR, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht! Gott breite Jafet aus und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems und Kanaan sei sein Knecht!

Und LEVITICUS 18.8

Du sollst deines Vaters Weibes Blöße nicht aufdecken; denn sie ist deines Vaters Blöße.
 
 Der betrunkene Noah mit seinen Söhnen aus der Schedel’schen Weltchronik, 1493

Wiki sagt: Der Hintergrund des Fluches ist umstritten. Die meisten klassischen Bibelübersetzungen in moderne Sprachen legen nahe, dass Ham seinen betrunkenen Vater Noah zufällig nackt gesehen habe und dafür verflucht wurde. Heutige Forscher übersetzen die hebräische Originalpassage allerdings in der Regel ganz anders und gehen davon aus, dass Ham seinen bewusstlosen Vater nicht etwa nur "nackt gesehen", sondern vielmehr mit ihm geschlafen habe (vgl. auch die deutsche Wendung "er erkannte sein Weib"). Danach habe Ham seinen beiden Brüdern von seiner Tat erzählt. Diese Lesart war bereits in der Antike verbreitet; so wird im Talmud diskutiert, ob Ham Noah nur vergewaltigt oder auch (!) kastriert habe.

Sonntag, 9. März 2014

Piero della Francesca - Jesus schläft



  JESUS SCHLÄFT, 
WAS SOLL ICH HOFFEN?

Detail
Pala Montefeltro, auch genannt Pala di Brera oder 
Madonna mit Kind und Heiligen und dem Stifter Federico da Montefeltro

Geht leise
Geht leise
Es ist müd von der Reise!
Es kommt weit her:
Vom Himmel übers Meer,
Vom Meer den dunklen Weg ins Land,
Bis es die kleine Wiege fand –
Geht leise!
Paula Dehmel
Jesu schläft, was soll ich hoffen? Johann Sebastian Bach

Die Pala Montefeltro ist ein Altarbild des italienischen Malers Piero della Francesca. 
Das Bild zeigt eine sogenannte Sacra Conversazione: die Madonna mit dem schlafenden Kind, umgeben von sechs Heiligen und vier Engeln zusammen mit dem Stifter des Bildes, Federico da Montefeltro.
Wiki 

Das ganze Bild. Eine starre, fast erfroren wirkende Gruppevon Anbetenden, 
nur das Kind, wenn auch prekär auf den Kniender säulenartigen Mutter liegend, 
schläft. Ganz weich, ganz tief.

Über allem hängt ein Ei an einer güldenen Kette.

Ein weiteres Symbol für Maria ist das, an einer Goldkette aufgehängte Straußenei. 
Das Ei ist in ein in vielen Religionen übliches Symbol mit einer Vielzahl
von Bedeutungen. Im alten Ägypten war das Ei Symbol für das Leben nach dem Tod,
der Kirchenvater Augustinus deutet es als Symbol der Hoffnung. Für den Theologen
Hugo von Sankt Viktor ist das Straußenei Symbol für Christi Tod und Auferstehung. 
Manche Interpreten deuten das Straußenei in Pieros Bild als Zeichen für die
Unbefleckte Empfängnis Mariens.
Wiki

 Horst Antes 1974
Das Ei des Piero della Francesca


Samstag, 1. März 2014

Political Correctness bei der Arbeit!


 Omnia vincit amor et nos cedamus amori
Vergil aus der Ekloge Nº 10

Gemalt 1602 für Marchese Vincenzo Giustiniani

 
BERLINER ZEITUNG 28.02.2014

Kunst unter Pädophilieverdacht

Caravaggios anstößiger Amor


Von INGEBORG RUTHE

Kunst unter Verdacht! Besorgte Sittenwächter verlangen, dass die Berliner Gemäldegalerie Alte Meister ihren weltberühmten „Amor als Sieger“ 1602 von Caravaggio gemalt, ins Depot verbannt - wegen der aktuellen Pädophilie-Debatte um den Fall Edathy.
Stopp dem Irrsinn! Soeben wird in der aktuellen, durch den Fall des Ex-Bundestagspolitikers Edathy ausgelösten – und gesellschaftlich auch dringend notwendigen! – Debatte über Kinderpornografie sozusagen das nackte Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Die Affäre des Politikers um verdächtige (Nackt-)Kinderfotos in seinem Besitz verlässt nämlich den gesellschaftspolitisch-moralischen, möglicherweise auch juristischen Raum, in den sie zweifellos gehört. Denn nun blasen Sittenwächter zum Gefecht wider die Kunst. Eine jahrhundertealte wohlgemerkt. Und sei es, als von der Kunstgeschichte längst als Weltkunsterbe geadelte Allegorie, als Gestalt unserer abendländischen Mythologie. Es geht um Amor, der in ungenierter Pose sagt: Ich bin der kleine Gott der großen Liebe. Meinem Pfeil kann keiner entkommen.

Offener Brief an die Galerie

Ein offener Brief an die Berliner Gemäldegalerie Alter Meister richtet allergrößte Bedenken gegen Caravaggios Meisterwerk „Amor als Sieger“, gemalt 1602 und schon seit der Erwerbung aus der Sammlung Giustiani 1815 ein weltberühmtes und vielbeneidetes Juwel der preußischen Museen. Das Bild soll nun, ginge es nach den Briefschreibern, wegen seiner „unnatürlichen und aufreizenden Position“ schleunigst von der Wand. Die „ausdrücklich obszöne Szene“ diene „zweifellos der Erregung des Betrachters“. Auch unter Rücksicht auf das Alter des „Modells“ sei dieses „künstlerische Produkt“ höchst verwerflich. Es könnten Pädophile ihre perversen Neigungen darauf projizieren.
Auf solch eine Idee kam nicht mal der prüde Kaiser Wilhelm, derweil er Realisten und Impressionisten „Rinnsteinkünstler“ schimpfte. Und nahm etwa die Barock-Epoche all ihre Putten-Bildnisse (auch in Kirchen) mit obszönen Hintergedanken auf? Kunst gerät unter Verdacht. So müssten nun gar alle Museen – von Dresden über Prag, Paris bis London – ihre Bildwerke mit nackten Kindern verbannen.

Kommentar:


Samstag, 22. Februar 2014

Rom, Nachbetrachtung - Die Versuchung des Heiligen Antonius



Einige der Gründe dafür, warum mir Religion Angst macht und mir letztendlich unverständlich bleibt, auch wenn sie eine Quelle für großartige Kunst ist.


TÖTE DICH TÄGLICH SELBST AB.


Bernardo Parentino

Auszug aus der Antoniusregel, die dem Heiligen Antonius zugeordnet wird, aber wohl nicht von ihm stammt:

Eine Frau darf nicht zu den Mönchen kommen, denn der Zorn geht nämlich hinter ihr drein.
Entzünde deine Lampe mit dem Öle deiner Augen, nämlich den Thränen.
Sei immer traurig wegen deiner Sünden, als hättest du ständig einen Toten in deinem Hause.
Schlafe nur wenig und mäßig, und die Engel werden zu dir kommen.
Töte dich täglich ab.





Die Versuchung des Heiligen Antonius
Martin Schongauer 1450-1491
Kopiert vom jungen Michelangelo



Die Versuchung des Heiligen Antonius
Martin Schongauer 1450-1491


Leben und Wandel unseres frommen Vaters Antonius, verfasst und abgesandt an die Mönche in der Fremde von unserem heiligen Vater Athanasius, Bischof in Alexandria.

...Als aber der böse Feind seine Schwäche gegenüber dem festen Entschluß des Antonius sah, ja als er merkte, wie er niedergerungen wurde durch seine Festigkeit, zur Flucht gezwungen durch seinen starken Glauben und niedergeworfen durch sein beständiges Gebet, da setzte er sein Vertrauen auf die Waffen "am Nabel seines Bauches", und voll Stolz darauf - denn es sind seine ersten Fallstricke für Jünglinge -, stürmte er heran gegen ihn, den Jüngling; er bedrängte ihn nachts und setzte ihm am Tage so zu, daß auch die, welche den Antonius sahen, den Zweikampf zwischen ihm und dem Teufel bemerkten. Der Teufel gab ihm schmutzige Gedanken ein, Antonius verscheuchte sie durch sein Gebet; jener stachelte ihn an, er aber, gleichsam errötend, schirmte seinen Leib durch den Glauben, durch Gebet und Fasten. Der arme Teufel ließ sich sogar herbei, ihm nachts als Weib zu erscheinen und alles mögliche nachzumachen, nur um den Antonius zu verführen. Dieser aber dachte an Christus und den durch ihn erlangten Adel der Seele, an ihre geistige Art, und erstickte die glühende Kohle seines Wahnes. Dann wieder stellte ihm der böse Feind die Annehmlichkeit der Lust vor, er aber, voll Zorn und Schmerz, erwog bei sich die Drohung des ewigen Feuers und die Plage des Wurmes; dies hielt er ihm entgegen und ging aus den Versuchungen unversehrt hervor. So lief das alles zur Schande für den schlimmen Feind ab. Denn er, der sich vermessen hatte, Gott gleich zu werden, wurde nun zum Spott durch einen jungen Mann, und er, der voll Prahlerei Fleisch und Blut verachtete, wurde überwunden von einem Menschen, der im Fleische lebte. Denn diesem half der Herr, der für uns Fleisch geworden ist und der dem Leibe den Sieg gegen den Teufel gegeben, so daß jeder, der in Wahrheit kämpft, sagen kann: "Nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir"...
Aus: Des Heiligen Athanasius Leben des Heiligen Antonius, aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Hans Mertel (= Bibliothek der Kirchenväter Kempten / München 1917)

In Antonius’ Leben zeigt sich die tiefste Berührung zwischen Natur und Gnade. Wo der Mensch in unbeirrter Aszese seine unfreie, begrenzte Natur Gott zum Pfande gibt, da erhält er eine geläuterte begnadete Natur zurück, die zwar dem Leibe nach an gewisse Grenzen gebunden bleibt, aber doch eine bewundernswerte, das Leben geistig umgestaltende Freiheit ihr eigen nennen darf. In dieser Freiheit des konsequenten glaubensmutigen Denkens und der unerschrockenen Hingabe an die Gottes- und Menschenliebe liegt das Vorbildliche der Heiligen für den Alltagschristen. Es tritt ihm aber erst nahe, wenn zuvor kritische Arbeit den Vorhang mystischer Heimsuchungen gelüftet und die Seele eines Heiligen in ihrer starken unbeirrten Haltung gegenüber den schwersten Prüfungen enthüllt hat.

Aus: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ein Beitrag zur Geschichte der Mystik. Von Repetent Dr. Jos. Stoffels, Bonn. 1910


Sonntag, 12. Januar 2014

O Fallada



"O du Falada, da du hangest"
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen."



Karl Blechen "Karrengaul" 1825/1828


O Fallada, die du hangest! 
Ein Pferd klagt an

Ich zog meine Fuhre trotz meiner Schwäche
Ich kam bis zur Frankfurter Allee.
Dort denke ich noch: O je!
Diese Schwäche! Wenn ich mich gehenlasse
Kann 's mir passieren, daß ich zusammenbreche.
Zehn Minuten später lagen nur noch meine Knochen auf der Straße.

Kaum war ich da nämlich zusammengebrochen
(Der Kutscher lief zum Telefon)
Da stürzten aus den Häusern schon
Hungrige Menschen, um ein Pfund Fleisch zu erben
Rissen mit Messern mir das Fleisch von den Knochen
Und ich lebte überhaupt noch und war gar nicht fertig
mit dem Sterben.

Aber die kannt' ich doch von früher, die Leute!
Die brachten mir Säcke gegen die Fliegen doch
Schenkten mir altes Brot und ermahnten
Meinen Kutscher, sanft mit mir umzugehen.
Einst mir so freundlich und mir so feindlich heute!
Plötzlich waren sie wie ausgewechselt! Ach, was war
mit ihnen geschehen?

Da fragte ich mich: Was für eine Kälte
Muß über die Leute gekommen sein!
Wer schlägt da so auf sie ein
Daß sie jetzt so durch und durch erkaltet?
So helft ihnen doch! Und tut das in Bälde!
Sonst passiert euch etwas, was ihr nicht für möglich haltet!


Die Gänsemagd.
1815 Erstausgabe
 
Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben und sie hatte eine schöne Tochter, wie die erwuchs, wurde sie weit über Feld auch an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel köstliches Geräth und Geschmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem königlichen Brautschatz gehörte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Hände des Bräutigams überliefern sollte und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten; darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: „liebes Kind verwahr sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.“
Also nahmen beide von einander betrübten Abschied, das Läppchen steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Bräutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und rief ihrer Kammerjungfer: steig ab und schöpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich möchte gern einmal trinken. „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte sich über das Wässerlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.“ Aber die Königsbraut war gar demüthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmüthiger: „wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Königstochter hernieder vor großem Durst und legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum: „wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerfrau hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht über die Braut bekäme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau: „auf Falada gehör’ ich und auf meinen Gaul gehörst du“ und das mußte sie sich gefallen lassen, außerdem hieß sie die Kammerfrau auch noch die königlichen Kleider ausziehen und ihre schlechten anlegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwören, daß sie am königlichen Hof keinem Menschen nichts davon sprechen wollte, und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt hätte, wäre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahm’s wohl in Acht.
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem königlichen Schloß eintrafen, da war große Freude über ihre Ankunft, und der Königssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie wäre seine Gemahlin und sie wurde die Treppe hinaufgeführt, die wahre Königstochter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte König am Fenster und sah sie im Hofe halten, nun war sie fein und zart und sehr schön, ging hin ins königliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich hätte und da unten im Hofe stände, und wer sie wäre? „ei, die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht müßig steht.“ Aber der alte König hatte keine Arbeit für sie und wußte nichts, als daß er sagte: „da hab’ ich so einen kleinen Jungen, der hütet die Gänse, dem mag sie helfen!“ Der Junge hieß Kürdchen, (Conrädchen) dem mußte die wahre Braut helfen Gänse hüten.
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen König: „liebster Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen!“ Er antwortete: „das will ich gerne thun.“ „Nun so laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geärgert hat;“ eigentlich aber fürchtete sie sich, daß das Pferd sprechen möchte, wie sie mit der Königstochter umgegangen wäre. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Königstochter zu Ohr und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes, finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gänsen durch mußte, „unter das finstere Thor möchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihn doch noch als einmal sehen könnte.“ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Thor fest.
Des Morgens früh, als sie und Kürdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vorbeigehen:
o du Falada, da du hangest,
da antwortete der Kopf:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz thät ihr zerspringen!
da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie trieben die Gänse auf’s Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kürdchen sah sie und freute sich, wie sie glänzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da sprach sie:

weh’! weh’! Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen wegwehte über alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr, und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend wurde, dann fuhren sie nach Haus.
Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau:
o du Falada, da du hangest,
es antwortete:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen!
und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte darnach greifen, da sprach sie schnell:
weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kürdchen sein Hütchen

und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie längst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie hüteten die Gänse bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kürdchen vor den alten König und sagte: „mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten.“ Warum denn? sprach der alte König. „Ei, das ärgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte König, zu erzählen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kürdchen: „des Morgens wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:
Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf:
o du Königsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen!“
und so erzählte Kürdchen weiter was auf der Ganswiese geschähe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen müßte.
Der alte König befahl ihm aber, den nächsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich hinter das finstere Thor und hörte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen, wie die Gänsemagd und der Gänsejung die Heerde getrieben brachten und nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder:
weh’! weh’! Windchen,
Faß Kürdchen sein Hütchen
und laß’n sich mit jagen,
bis daß ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
da kam ein Windstoß und fuhr mit Kürdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kämmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte König alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zurück und als Abends die Gänsemagd heim kam, rief er sie bei Seite und fragte: warum sie dem allem so thäte? „das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen, denn so hab’ ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich sonst um mein Leben wäre gekommen.“ Er aber drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, „willst du mir’s nicht erzählen,“ sagte der alte König endlich, „so darfst du’s doch dem Kachelofen erzählen.“ „Ja, das will ich wohl“ antwortete sie. Damit mußte sie in den Ofen kriechen und schüttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie sie von der bösen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte König zu und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Königskleider wurden ihr alsbald angethan und es schien ein Wunder, wie sie so schön war; der alte König rief seinen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche Braut hätte, die wäre ein bloßes Kammermädchen, die wahre aber stände hier, als die gewesene Gänsemagd. Der junge König aber war herzensfroh, als er ihre Schönheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan saß der Bräutigam, die Königstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und erkannte jene nicht mehr in dem glänzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte König der Kammerfrau ein Räthsel auf: was eine solche werth wäre, die den Herrn so und so betrogen hätte, erzählte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches Urtheils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: „die ist nichts bessers werth, als splinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor gespannt müssen sie Gaß auf Gaß ab zu Tode schleifen!“ „Das bist du, sprach der alte König, und dein eigen Urtheil hast du gefunden und darnach soll die widerfahren,“ welches auch vollzogen wurde; der junge König vermählte sich aber mit seiner rechten Gemahlin und beide regirten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.

Aus Brüder Grimm Kinder- und Haus-Märchen Band 2, Große Ausgabe.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Christus Höllenfahrt


CHRISTUS ABSTIEG IN DIE HÖLLE

Im Stil von Hieronymus Bosch
Niederlande, ca. 1550–60

Als Höllenfahrt Christi (lat. Descensus Christi ad Inferos) bezeichnet man die traditionelle christliche Vorstellung, dass Jesus in der Nacht nach seiner Kreuzigung in die Hölle hinabgestiegen sei und dort bzw. in der Vorhölle, dem „Schoß Abrahams“, die Seelen der Gerechten seit Adam befreit habe.
Apokryphisches Nikodemus-Evangelium
Aus dem Bericht der Wiederauferstandenen über Jesus Abstieg in die Hölle
 
Wir waren also in der Unterwelt mit allen von Anfang der Welt an Verstorbenen. Zu mitternächtlicher Stunde drang nun in die dortige Finsternis etwas wie Sonnenlichtund glänzte,und erleuchtet wurden wir alle, und wir sahen einander...
Der Prophet Jesaja, der dort anwesend war, sprach: Dieses Leuchten kommt vom Vater und vom Sohn und vom Heiligen Geist...
 Da nun alle in solcher Freude waren,kam Satan, der Erbe der Finsternis, und spricht zu Hades: Unersättlicher, Allesverschlinger, höre meine Worte! Da gibt es einen aus dem Judenvolk,der Jesus heißt und sich Gottes Sohn nennt...
Er hat mir viel Böses in der Welt droben angetan,als er mit den Sterblichen umherschweifte...
Dann befahl Hades seinen Dienern: Befestigt gut und sicher die ehernen Tore und die eisernen Querbalken,und behaltet meine Verschlüsse in der Gewalt, und habt alles im Blick, gerade dastehend! Denn wenn er hereinkommt, wird Wehe über uns kommen..



...
Sofort schrie Hades: Wir wurden besiegt, wehe uns! Aber wer bist du, der da hat solche Vollmacht und Gewalt?
... 

Ans Kreuz wurdest du genagelt und ins Grab gelegt, und eben erst frei geworden, hast du unsere ganze Macht zerbrochen.
Da packte der König der Herrlichkeit den Obersatrapen Satan am Kopfeund übergab Ihn den Engeln mit den Worten: Mit Eisenketten fesselt ihm Hände und Füße, Hals und Mund!
Dann übergab er Ihn Hades und sprach: Nimm Ihn und halte Ihn fest bis zu meiner zweiten Ankunft!
Und Hades nahm Satan in Empfang und sprach zu ihm: Beelzebul, Erbe des Feuers und der Pein, Feind der Heiligen, was zwang dich, den Kreuzestod des Königs der Herrlichkeit zu veranstalten, so daß er hierhin kam und uns entmachtete? 

...
Während Hades so mit Satan sprach,streckte der König der Herrlichkeit seine rechte Hand aus und ergriff Ihn und erweckte den Urvater Adam.
Dann wandte er sich auch zu den übrigen und sprach:Her zu mir alle, die ihr durch das Holz, nach dem dieser griff, sterben mußtet!Denn siehe: wieder will durch das Holz des Kreuzes euch alle ich aufrichten.
Darauf ließ er sie alle hinaus. Und der Urvater Adam, dem man ansah, daß er voller Freude war, sprach: Ich danke deiner Großherzigkeit, Herr,daß du mich aus der tiefsten Unterwelt hinaufgeführt hast. 



Samstag, 7. Dezember 2013

Bethlehem im tiefen Winter


PIETER BREUGHEL DER ÄLTERE
oder Bauernbruegel; Pieter, der Drollige; Pieter, der Lustige
1566 

VOLKSZÄHLUNG IN BETLEHEM ODER IGENDWO IN BRABANT

„Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben. Diese Einschreibung geschah als erste, als Cyrenius Statthalter von Syrien war. Und alle gingen hin, um sich einschreiben zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Es ging aber auch Josef von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in Davids Stadt, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war, um sich einschreiben zu lassen mit Maria, seiner Verlobten, die schwanger war.“
Lukas 1, 2-5

Ein Dorf,

in einem hohlen Baum werden wärmende Getränke verkauft,

 Josef hat sein Tischlerwerkzeug dabei, Maria friert,

Manche Meteorologen nennen die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts den Beginn der sogenannten Kleinen Eiszeit, die bis ca. 1850 andauerte.  
Pieter Bruegel der Ältere malte seine ersten Winterlandschaften in Folge des sehr harten Winters von 1565.

 Steuereintreiber treiben Geld ein,

 Diese Volkszählung ist eigentlich eine Steuereintreibung. 
Die  Niederlande älitten im 17. Jahrhundert unter der Habsburger Okkupation,
der habsburgische Doppeladler hängt als Wappenschild am Wirtshaus. 

Wiki schreibt:
5. April 1566: Petition des niederländischen Adels an Margarethe von Parma um Milderung der Religionsedikte und Aufhebung der Inquisition
10. August 1566: Als Auftakt zum niederländischen Unabhängigkeitskrieg zerstören Protestanten religiöse Bilder in einer Kapelle in Steenvoorde. Dem Beispiel folgen bis zum Oktober anhaltende weitere Aktionen in katholischen Kirchen in Flandern.

 Männer schleppen Lasten,

ein Schwein wird geschlachtet, die Pfanne steht bereit, um das Fett aufzufangen,

und Kinder spielen auf dem Eis. Sie schlittern auf den Wangenknochen von Rindern. Und da läuft noch ein Paar.

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Winter bei Pissarro und in Rostock



DEZEMBER IN ROSTOCK


DIE REALITÄT


Mittwoch 00:00
Bedeckt bei 3 ºC
Niederschlag 0 %
Luftfeuchte 85 %
Wind 18 km/h

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DER TRAUM


Camille Pissaro Winter 1872

Jacob Abraham Camille Pissarro 
* 10. Juli 1830 in Charlotte Amalie, Dänisch-Westindien; † 12. November 1903 in Paris, war einer der bedeutendsten und produktivsten Maler des Impressionismus. (Wiki)

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DEZEMBER

Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.

Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.

Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, daß man's versteht.

Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.

Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.

Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
"Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht." 

 
Erich Kästner

Donnerstag, 28. November 2013

PAUL CADMUS & MASCHA KALEKO in NEW YORK


        Paul Cadmus

        * 17. Dezember 1904 in New York City; † 12. Dezember 1999 in Weston, Connecticut 

        war ein US-amerikanischer Maler.
        Ein Künstler. Ein schwuler Künstler. Ein Künstler.



Greenwich Village Cafeteria
1934. Oil on canvas.
The Museum of Modern Art, New York
 Extended loan from United States Public Works of Art Project.
       
       Man beachte die Hand, bzw. den Handschuh mittig auf dem Boden, den einladenden
       Blick des Herrenmit lackierten Fingernägeln rechts, der gerade auf die Toilette geht,
       den Mann mit grünem Hut und deutlicher Erregung, den unauffälligen Mann, der
       links einer Frau etwas ins Ohr flüstert und so viele wilde Beine und auch viele gelbe
       Kleiderhaken. 



Eine Rent-Party oder House-Rent-Party war eine soziale Veranstaltungsform des Jazz
in den 1920er Jahren im New Yorker Stadtteil Harlem, in Chicago und anderen Städten.
Hintergrund solcher Haus-Partys war die ökonomische Situation vieler afroamerikanischer Familien. Die Mieten waren trotz häufig überbelegter Wohnungen überteuert. Eine Möglichkeit, das Geld für die Miete zu beschaffen, war die rent party, ein Ausdruck der zuerst um 1920 aufkam. Man sparte, um ein Klavier anzuschaffen und stellte dann einen Musiker, meist einen Pianisten oder eine Band ein und lud Freunde, Bekannte und Nachbarn zu sich ein. Wer zu diesen Partys kam, musste Eintritt zahlen – dieses Geld
erhielt dann der Musiker oder diese ließen „den Hut herumgehen“ . (Wiki)

 Bar Italia 1953
Smithsonian American Art Museum

Manikins, 1951
Courtesy DC Moore Gallery, NYC



Momentaufnahmen eines Zeitgenossen

Wenn unsereins „se längvitsch“ spricht,
so geht er wie auf Eiern.
Der Satzbau wackelt, und die „grammar“ hinkt.
Und wenn uns etwa ein „ti-ehtsch“ gelingt,
das ist ein Grund zum Feiern.

Nicht so der Herr, den ich im Auge habe.
Oder besser gesagt: uffm Kieker.
Dem ist alles Emigrantische fremd.
Er ist der geborene Inglisch-Spieker.
Der Forrenlängvitsch-Göttin Auserkorner.
Kommt es drauf an, so spricht der Mann
selbst Esperanto wie ein Eingeborner.

Befreit vom Zwang, gebüldet zu parlieren,
im engen Kreis, wo man einander kennt,
fährt diese Ausgeburt an Sprachtalent
des „Königs Englisch“ hoch zu Roß spazieren,
in seinem Oxford-(second hand) Akzent.

Se pörfekt Lord. Ich kenn ihn noch aus Sachsen.
Da sprach er auch des „Geenigs“ ABC.
Wie war das heimatliche weiche B
in Leibzich ihm zurzeit ans Herz gewachsen!
Den Untertanenstolz aus königstreuen Tagen
hat er auf achtundvierzig Staaten übertragen.
Der kroch in Preußen schon auf allen vieren.
Hier sinds die angelsächsischen Manieren.

Wer mit den Wölfen heult, der heult mit allen Tieren.
 
Mascha Kaléko
1945