Montag, 17. September 2018

Die Czsárdásfürstin in Wien

1915 wurde im Johann-Strauß-Theater in Wien eine Operette überaus erfolgreich uraufgeführt. Sie wurde von Emmerich Kálmán komponiert und Leo Stein und Bela Jenbach hatten das Libretto geschrieben. Vorgestern war die wohl hundertste Premiere dieses Kassenschlagers. 

Wien ist anders als Berlin, das Publikum der Wiener Volksoper anders als das der Komischen Oper. Ich habe am Samstag Abendgarderoben altersloser Greisinnen gesehen, die das Wort surreal nur schwach umschreiben würde. Rosa Kostüme mit riesigen falschen Juwelen besetzt, goldener Damast, der elegant 130 Kilo Körpergewicht umschlang, Minikleider, die variköse Beine nicht bedeckten, Liftings, die Gesichter begläntzen und zum ewigen Lächeln zwangen.

Die Czsárdásfürstin

Die Handlung spielt in Budapest und Wien, unmittelbar vor und nach des Beginns des Ersten Weltkriegs.  


Im Juli 1914 wurde die Arbeit an dem Werk für etwa ein Jahr lang unterbrochen, da nicht absehbar war, ob es in Wien in nächster Zeit überhaupt einen Theater- und Opernbetrieb geben würde, sagt Wiki.

Ein junger Adliger aus Wien verliebt sich in eine, zunächst rumänische, dann, nach Kriegsbeginn, ungarische Nachtclubentertainerin, die Liebe ist echt, Standesunterschiede machen Schwierigkeiten, Buffo-Paar bietet lustiges Spiegelbild, ein Hit folgt dem anderen und dann, ganz plötzlich, ist Krieg.

Peter Lund ist ein wahrer Profi, er weiß was er tut und tut es gut. Ulrike Reinhardt hat ein großes und leichtfüßiges Bühnenbild geschaffen, die Kostüme schwanken zwischen klar-schrill und gewohnt-historisch. Die Verhältnisse zwischen den Figuren sind in jedem Moment deutlich. Es wird schön gesungen und größtenteils entspannt und präzise gespielt. Spaß wird gehabt. 

Aber der Krieg. Wo ist der Krieg? Er wird angedeutet, aber, flüchtig, zaghaft.

Der verfluchte Krieg. Der Erste Weltkrieg. wie wir ihn nennen, damals war er ja nur ein Krieg. Der verwöhnte Fürstensohn wird eingezogen, die Chansonette geht auf Tournee in Amerika. Kehrtwende. Er desertiert, sie kehrt von Übersee zurück. Sie finden sich, das Buffo-Paar auch. Alles ist gut. Ist es das?

Aber der Krieg. Wo ist der Krieg? 

Tausend kleine Engel singen:
Habt euch lieb,
Süß im Herzen hörst du's klingen:
Habt euch lieb.
Komm, mein Wildfang
Schling' die Arme fest um mich,
Ach.. laß die ganze Welt versinken
Hab' ich dich.

Bilanz Erster Weltkrieg für Österreich-Ungarn

Gesamtmobilstand (Männer unter Waffen): 7.800.000
Gefallene und umgekommene Soldaten: 1.016.200
Verwundete Soldaten: 1.943.000
In Gefangenschaft geraten: 1.691.000
Zivile Opfer 467.000
Kriegsausgaben (1914 - 1918): 99 Milliarden Goldmark

https://www.nzz.ch/kriegserlebnis-und-dichtung-1.18228415

Wenn du hören könntest, wie bei jedem Stoss das Blut
Gurgelnd aus seinen schaumgefüllten Lungen läuft,
Ekelerregend wie der Krebs, bitter wie das Wiederkäuen
Von Auswurf, unheilbare Wunden auf unschuldigen Zungen,
Mein Freund, du erzähltest nicht mit so grosser Lust
Kindern, die nach einem verzweifelten Ruhmesplatz dürsten,
Die alte Lüge: Dulce et decorum est
Pro patria mori.

Wilfred Owen

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