Donnerstag, 12. März 2015

Vivian Maier & Birdman & Frau von Stein



And did you get what
you wanted from this life, even so?
I did.
And what did you want?
To call myself beloved, to feel myself
beloved on the earth.

Raymond Carver A New Path to the Waterfall
 
Und hast du bekommen, was
du vom Leben wolltest, trotz allem?
Hab ich.
Und was wolltest du?
Mich geliebt fühlen, mich geliebt fühlen in der Welt.
 
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In diesen Tagen beschäftige ich mich der Liebe zwischen Frau von Stein und Herrn von Goethe, mit Peter Hacks und der deutschen Klassik unter rabiat-marxistischen Aspekten, und zwischendurch im Willy-Brandt-Haus mit Vivian Maiers Bildern von Menschen auf den Strassen Chicagos und New Yorks in den Sechzigern, und dann abends im Kreuzberger Babylon mit "Birdman".
Das Hirn wankt und schwankt, aber Carvers Zitat setzt eine Klammer, die etwas beruhigt.


Undatiert © Vivian Maier/Maloof, in der Ausstellung abphotographiert
Was hat sie gesehen, was ertragen müssen? 
Woher hat sie die riesige Herrenarmbanduhr? 
Sie ist, in meinen Augen, fast unerträglich schön.

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Birdman. Ein alternder Hollywoodstar spielt einen alternden Hollywoodstar, der sich im Theater als Regisseur/Autor/Hauptdarsteller neu erfinden will. Versimpelt: Riggan Thomson,
vor zwanzig Jahren gefeierter Filmstar, gealtert und gefangen im Image des Superhelddarstellers, adaptiert eine Kurzgeschichte Carvers, What We Talk About When We Talk About Love - Worüber wir sprechen, wenn wir von Liebe sprechen, für die Bühne und hofft auf Erlösung durch das Theater. Drei Voraufführungen und eine Premiere, vier Tage und Nächte.

Später wird ein Mann Macbeths großen Monolog nächtens durch die Strassen schreien.

Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild,
Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht
Sein Stündchen auf der Bühn und dann nicht mehr
Vernommen wird; ein Märchen ist's, erzählt
Von einem Idioten, voll von Klang und Wut,
Das nichts bedeutet.

"Der nackte Wahnsinn" unter heutigen New Yorker Bedingungen. 
Regisseur/Drehbuchautor/Produzent Alejandro González Iñárritu und sein Kameramann Emmanuel Lubezki gaukeln uns auf eleganteste Art und Weise eine Geschichte in nur einer fortlaufenden Einstellung vor. Die Welt dieses Films ist ein architektonisch verwirrendes Labyrinth von Backstage-Gängen, dem Broadway menschengefüllt und menschenleer, von oben, mittendrin und seitwärts. Die Bühne auf der das Carverstück gespielt wird, sehen wir aus der Sicht der Spieler, aus der Seitengasse, von hinten im Bühnenbild. Versatzstücke von typischen Superhelden-Effekten und/oder Mitteln des magischen Realismus schnipseln hier und da, dann zunehmend öfter, in die Handlung hinein. Anstatt des Klavieres der Stummfilme, untermalt, schiebt, verzieht, treibt Schlagzeugsound die Szenen (Antonio Sanchez!), ja manchmal schwenkt die Kamera sogar beiläufig über den trommelnden Mann hinweg.
Das ist durch die Bank toll gespielt, exzessiv und mit krassen Überraschungskippern von der Satire in die Tragödie und retour. Und es ist spannend. 
Es bleibt ein kleiner ungenauer Rest von selbstreferentieller Eitelkeit, aber das kann auch an meiner ningeligen Natur liegen.

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Brief 42 von Goethe an Charlotte von Stein
Warum soll ich dich plagen! Liebstes Geschöpf! – Warum mich betrügen und dich plagen und so fort. – Wir können einander nichts seyn und sind einander zu viel – Glaub mir wenn ich so klar wie Faden mit dir redte, du bist mit mir in allem einig. – Aber eben weil ich die Sachen nur seh wie sie sind, das macht mich rasend. Gute Nacht Engel und guten Morgen. Ich will dich nicht wiedersehn – Nur – du weisst alles – Ich hab mein Herz – Es ist alles dumm was ich sagen könnte. – Ich seh dich eben künftig wie man Sterne sieht! – denck das durch.
Wahrscheinlich geschrieben am 15. April 1776
 
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Hochinteressanter Zeitartikel über Peter Hacks:

1 Kommentar:

  1. Der Artikel über Peter Hacks in der Zeit:
    Wer sich ein Bild machen will, wie pervers im Kopf dieser Schriftsteller in seiner dekadenten aristokratischen Scheinwelt die DDR-Realität betrachtete, sollte den Link öffnen.

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