Mittwoch, 11. März 2015
Dagmar Manzel und Max Hopp an der Komischen Oper
Ein schnoddriges Berlinertum, Bachstelze, Erotik hinter tausend Vorhängen, Seidenkissen mit einem hitzigen Parfum, einen Eiskübel über den Kopf, ein helles Frauenlachen: Massary.
Kurt Tucholsky Die Schaubühne, 20.11.1913, Nr. 47
Besser kann man es fast nicht sagen, und es trifft auf die Manzel genau so zu!
Ein großer Abend.
Eine Wand mit einer Tür vor einem Vorhang, ein feines Orchester, Licht und zwei Schauspieler, die besser singen können, als anständig wäre und erlaubt ist.
Zwei, nur zwei Darsteller, aber die in circa zwanzig Rollen. Ein Vaudeville-Nummernprogramm mit wildem Tempo, Einfällen, die anderswo für fünf Inszenierungen reichen müßten und, Wunder über Wunder, man wird in den Glauben versetzt, dies sei alles ganz unanstrengend, aus der Hüfte geschossen, mal eben so hingeworfen. Man weiß, dass das nicht stimmt, aber die Illusion der Schwerelosigkeit ist herrlich.
Dagmar Manzel und Max Hopp, ganz und gar unterschiedlich und sich auf schönste Art ergänzend. Beide sind in spielerischer Personalunion Clowns und Kabarettisten und Sänger und Komiker und sehr heutige Menschen.
Der Regisseur des Abends ist übrigens Barrie Kosky, der Intendant der Komischen Oper.
Die Produktion wird wegen massiver Nachfrage in die nächste Spielzeit übernommen. Also früh Karten bestellen, fein anziehen, hingehen, geniessen und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht die restliche Nacht verbringen.
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Wiki schreibt:
Eine Frau, die weiß, was sie will (auch: Manon) ist eine musikalische Komödie in zwei Akten (fünf Bildern) nach Louis Verneuil. Das Buch stammt von Alfred Grünwald, die Musik schrieb Oscar Straus. Die Operette wurde am 1. September 1932 im Metropol-Theater (Damals im Gebäude der heutigen Komischen Oper befindlich!) in Berlin uraufgeführt. In der Uraufführung spielte Fritzi Massary die Titelrolle.
Louis Verneuil ist 1940 in die USA emigriert, 1952 kehrte er nach Frankreich zurück und beging noch im selben Jahr Selbstmord.
Alfred Grünwald wurde 1938 von der Gestapo verhaftet, 1940 gelang ihm die Flucht über Casablanca und Lissabon in die USA, wo er 1953 starb.
Oscar Straus mußte nach dem "Anschluß" Österreichs 1939 emigrieren, zuerst nach Paris, dann in die USA. Er kehrte 1950 zurück und starb 1954 in Bad Ischl.
Fritzi Massary floh 1932 aus Deutschland, spielte noch einige wenige Male in Wien und London, und verbrachte den Rest ihres Lebens in Los Angeles, ohne je wieder aufzutreten. Sie starb 1969.
Kurt Tucholsky zog 1929 schon nach Göteborg in Schweden, wo er 1935 mit Schlaftabletten aus dem Leben schied.
„Das ist bitter, zu erkennen. Ich weiß es seit 1929 – da habe ich eine Vortragsreise gemacht und „unsere Leute“ von Angesicht zu Angesicht gesehen, vor dem Podium, Gegner und Anhänger, und da habe ich es begriffen, und von da an bin ich immer stiller geworden. Mein Leben ist mir zu kostbar, mich unter einen Apfelbaum zu stellen und ihn zu bitten, Birnen zu produzieren. Ich nicht mehr. Ich habe mit diesem Land, dessen Sprache ich so wenig wie möglich spreche, nichts mehr zu schaffen. Möge es verrecken – möge es Rußland erobern – ich bin damit fertig.“
– Kurt Tucholsky: Politische Briefe. Reinbek 1984, S. 121
Fünf ausgewählte Kollateralschäden des tausendjährigen Irrsinns, und meiner festen Überzeugung nach Teil der Ursache unserer heutigen "Unterhaltungkunst"-Misere. Wir haben damals unseren Witz, unsere Ironie und unsere Fähigkeit über uns selbst zu lachen aus dem Land oder in den Selbstmord getrieben, in Konzentrationslagern umgebracht oder auf andere Art aus unserer Seele geschnitten. Und finden uns nun eingepfercht zwischen Comedy und Klamotte, dem Kichern nachhastend und meist nur einen Lacher fangend, ohne Leichtigkeit, nur mit Pointen.
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Fritzi Massary singt "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben"
https://www.youtube.com/watch?v=XAIWBgfeq2o
Tucholsky über die Massary
http://www.textlog.de/tucholsky-massary.html
Zeitartikel über den Tod von Louis Verneuil
http://www.zeit.de/1952/48/er-war-lustspieldichter
Zeitinterview mit Barrie Kosky
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky
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Michaela Misha Nabjinsky schrieb:
AntwortenLöschenGanz ganz großes Theater, was die zwei da machen. Ein Geschenk, direkt aus den roaring twenties herbeigebeamt. Und laut lachend heulen wir zugleich über alles was zunichte gemacht wurde.