"Anderer
Orten muß man das Bedeutende aufsuchen, hier werden wir davon
überdrängt und überfüllt. Wie man geht und steht, zeigt sich ein
landschaftliches Bild aller Art und Weise, Paläste und Ruinen, Gärten
und Wildnis, Fernen und Engen, Häuschen, Ställe, Triumphbögen und
Säulen, oft alles zusammen so nah, daß es auf ein Blatt gebracht werden
könnte. Man müßte mit tausend Griffeln schreiben, was soll hier eine
Feder! und dann ist man abends müde und erschöpft vom Schauen und
Staunen."
Goethe in Rom, 7. November 1786
Rechts und links der Kirche Wohnhäuser, unseres fast 500 Jahre alt, andere jüngeren Datums, vielleicht gerade mal 200 Jahre. Daran vorbei wälzt sich ein nicht zur Ruhe kommen wollender Strom von Römern und Touristen, intensivst verwickelt in ihre Zeit und ihre Sorgen.
Was genau ist Geschichte? Wir leben in ihr? Wo leben wir in ihr? Wie sehr sind wir in sie verwickelt? Wie sehr ist sie Teil von uns, bestimmt uns?
Hier liegen überall verschiedenste Zeiten über-, ineinander. "Wann?" ist eine Frage, die sich an diesem Ort nicht leicht beantworten läßt. In die Seitenwand eines mittelalterlichen Wohnhauses sind zwei dorische Säulen beiläufig eingebaut, die Reste einer römischen Therme bilden die Front einer Kirche aus dem 15. Jahrhundert , das um 120 n. Chr. fertiggestellte Pantheon, einst ein dem Kaiser Augustus gewidmeter römischer Tempel, ist seit nunmehr eintausenvierhundert Jahren eine christliche Kirche zu Ehren der Mutter des Sohnes des einzigen Gottes einer ganz anderen Religion.
Die Piazza de San Ignazius, auf der einen Seite ein elegantes, zierliches und verspieltes Rokoko-Ensemble, an einen sich wellenden Theatervorhang erinnernd, das geradezu darum bittet, dass man Goldoni darinnen spielt. Direkt gegenüber, die Kirche des Heiligen Ignatius, Gründer der Jesuiten, weißgrau, schwer und bedrohlich. Sie sollte eigentlich eine Kuppel bekommen, aber als es dazu nicht reichte, hat der jesuitische Freskenmaler die Decke perspektivisch so gestaltet, dass man denken könnte, es gäbe eine Kuppel.
Ignatius de Loyola:
Wer immer in unsrer Gesellschaft, die wir nach dem Namen Jesu benannt wissen möchten, unter der Fahne des Kreuzes für Gott streiten und allein dem Herrn und seinem Stellvertreter auf Erden, dem römischen Papste, dienen will, der soll sich nach dem feierlichen Gelübde ewiger Keuschheit folgendes vor Augen halten: Er ist Mitglied einer Gesellschaft, die hauptsächlich zu dem Zweck gegründet wurde, auf den Fortschritt der Seelen in christlichem Leben und christlicher Lehre und auf die Verbreitung des Glaubens durch öffentliche Predigten und Verwaltung des Wortes Gottes, durch geistliche Übungen und Werke der Liebe und namentlich durch Unterweisung der Kinder und Ungebildeten im Christentum sowie auf die geistliche Tröstung der Christgläubigen durch Beichthören auszugehen ...
Formula Instituti
http://www.philos-website.de/index_g.htm?autoren/ignatius%20von%20loyola_g.htm~main2
Carlo Goldoni:
Es lebe die Schokolade und der, der sie erfunden hat.
Hier (in Rom) ist alles schon immer und grade eben jetzt.
Und in den zahlreichen Souvenirläden strahlt der neue "bescheidene" Papst auf kitschigem Nippes jeder vorstellbaren Form.
Alle Wege führen nach Rom. Alle Wege kommen also von Rom?
Was macht, wenn es denn existiert, unser kollektives Gedächtnis aus?
http://de.wikipedia.org/wiki/Kollektives_Ged%C3%A4chtnis
http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/Tutorium/Themenkomplexe/Grundlagen/Was_ist_Geschichte/Kollektivitat/kollektivitat.html
"Wenn
man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und darüber alt
ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannigfaltig und vom Grund aus
verändert, und doch noch derselbe Boden, derselbe Berg, ja oft dieselbe
Säule und Mauer, und im Volke noch die Spuren des lateinischen
Charakters, so wird man ein Mitgenosse der großen Ratschlüsse des
Schicksals, und so wird es dem Betrachter von Anfang schwer zu
entwickeln, wie Rom auf Rom folgt, und nicht allein das neue auf das
alte, sondern die verschiedenen Epochen des alten und neuen selbst
aufeinander."
Goethe, aus seiner "ltalienischen Reise", erschienen 1816-17
Und ich erinnere mich genau, zurück im geliebten Berlin, an meinen verlegenen Blick aufs Brandenburger Tor und die Siegessäule. Ich verstand überhaupt nicht mehr, was es da für die Touris zu fotografieren gibt. Sowas steht in Rom doch in jeder Seitenstraße rum, so ganz natürlich, und ohne Gedöns, und dann noch in echt, richtig alt echtecht.
AntwortenLöschenParalelle Gedanken - habe gerade gestern für's nächste Wochenende ein paar Tage Rom gebucht. Werde auf dem Campo di Fiori über Goethe's Worte nachdenken!
AntwortenLöschenDanke.
Es kommt noch mehr heute Nacht. Man ist das eine schöne Stadt!
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