Gestern war ich, während der Langen Nacht der Museen, zum ersten Mal im
ehemaligen geheimen Staatssicherheits - Untersuchungsgefängnis in Berlin
Hohenschönhausen.
Erst Großküche der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, dann Speziallager
Nr. 3 der Sowjetischen Armee, ab 1946/47 zentrales Untersuchungs-
gefängnis der sowjetischen Besatzungsmacht für Deutschland, wurde es
1951 von der Staatssicherheit übernommen, zunächst noch unter
sowjetischer Kontrolle, ab 1953 selbstverwaltet.
Ich muß, auch wenn es nur der Besuch einer Gedenkstätte war, das Wort
Grauen benutzen, ja, man weiß das alles längst und hat Freunde berichten
gehört und Bücher gelesen, doch der Körper hat eine eigene Art Erfahrungen
zu machen.
Nachdem wir einem Rundgang-Führer entflohen waren, der versuchte den
Schrecken durch schnoddriges und ungenaues Gequatsche zu bannen, sind
wir zwei Stunden mit einem anderen durch die Gebäude gegangen, der
mit unpathetischer Genauigkeit und respektvoller Empathie über das
Unerträgliche sprach.
Er kam immer wieder auf die "Inszenierung" der Demütigung zu sprechen.
Die Staatssicherheit hat sehr viel mit theatralischen Mitteln gearbeitet, und
ihre Mitarbeiter haben regelrecht szenischen Unterricht gehabt. Wer hat
die unterrichtet? Theater des Grauens bekommt hier ein anderes, häßliches
Gesicht.
Sicher, ich weiß, dass Geheimdienste zu vielen Orten und Zeiten, solche
Methoden angewendet haben. Aber dies hier, war da, wo ich wohnte, in der
Zeit, in der ich lebte, Menschen angetan, mit denen ich das Land teilte,
auch Freunden, Liebsten.
ERMUTIGUNG
Du, laß dich nicht verhärten
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.
Du, laß dich nicht verbittern
in dieser bittren Zeit.
Die Herrschenden erzittern
- sitzt du erst hinter Gittern -
doch nicht vor deinem Leid.
Du, laß dich nicht erschrecken
in dieser Schreckenszeit.
Das wolln sie doch bezwecken
daß wir die Waffen strecken
schon vor dem großen Streit.
Du, laß dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen
grad deine Heiterkeit.
in dieser bittren Zeit.
Die Herrschenden erzittern
- sitzt du erst hinter Gittern -
doch nicht vor deinem Leid.
Du, laß dich nicht erschrecken
in dieser Schreckenszeit.
Das wolln sie doch bezwecken
daß wir die Waffen strecken
schon vor dem großen Streit.
Du, laß dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen
grad deine Heiterkeit.
Wir wolln es nicht verschweigen
in dieser Schweigezeit.
Das Grün bricht aus den Zweigen,
wir wolln das allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid
in dieser Schweigezeit.
Das Grün bricht aus den Zweigen,
wir wolln das allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid
Wolf Biermann
Von der Website der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen über:
KURT MÜLLER
Kurt Müller war einer der ranghöchsten kommunistischen Führer in
Deutschland, die im Zuge der stalinistischen Säuberungen in der DDR in
Haft kamen. 1903 in Berlin geboren, trat der gelernte Werkzeugmacher
1920 in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein, für deren
Jugendverband er im In- und Ausland als hauptamtlicher Funktionär tätig
war. 1932 wurde er als Mitglied einer angeblich "parteifeindlichen
Gruppe" aller Funktionen enthoben und als Arbeiter in das sowjetische
Autowerk Gorki verschickt. Nach seiner Rückkehr leitete er einige Monate
die illegale Arbeit der KPD in Südwestdeutschland. 1934 wurde er durch
die Geheime Staatspolizei (Gestapo) verhaftet und saß bis 1945 in
verschiedenen Zuchthäusern und Konzentrationslagern ein, die letzten
fünf Jahre im KZ Sachsenhausen. Nach seiner Freilassung wurde Müller
stellvertretender Vorsitzender der KPD in Westdeutschland und kam 1949
in den ersten Deutschen Bundestag. Im März 1950 beorderte ihn die
Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) nach
Ost-Berlin und ließ ihn unter Missachtung seiner parlamentarischen
Immunität vom DDR-Staatssicherheitsdienst verhaften. Er kam zunächst in
die Untersuchungshaftanstalt in der Albrechtstraße in Berlin-Mitte, wo
er zeitweise vom damaligen Staatssekretär im Ministerium für
Staatssicherheit (MfS) Erich Mielke persönlich verhört wurde. Im August
1950 wurde er dem sowjetischen Ministerium für Staatssicherheit (MGB)
übergeben und in deren zentrales Untersuchungsgefängnis in
Berlin-Hohenschönhausen, das so genannte U-Boot, überführt. 1951 kam er
schließlich in das neue sowjetische Zentralgefängnis in
Berlin-Karlshorst. In monatelangen Verhören und unter Anwendung
verschiedener Foltermethoden sollte Müller zu einem der Hauptangeklagten
eines geplanten Schauprozesses in der DDR gemacht werden. Unter anderem
sollte er zugeben, Agent der Gestapo gewesen zu sein und im Auftrag
Trotzkis Terrorakte gegen Stalin und andere sowjetische Parteiführer
vorbereitet zu haben. Außerdem sollte er erklären, Spionageaufträge
Titos und des englischen und amerikanischen Geheimdienstes ausgeführt zu
haben. Der Schauprozess wurde jedoch – unter anderem aufgrund von
Stalins Tod – nicht durchgeführt. Ein Sondergericht in Moskau
verurteilte Müller 1955 statt dessen per Fernurteil zu 25 Jahren Haft.
Im Zusammenhang mit der Freilassung der letzten deutschen Kriegs- und
Zivilgefangenen durch die Sowjetunion konnte Müller einige Zeit später
in die Bundesrepublik zurückkehren. In einem offenen Brief an den
damaligen DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl prangerte er 1956 die
unmenschlichen Haftbedingungen in Berlin-Hohenschönhausen an und
forderte vergeblich seine Rehabilitierung sowie die Bestrafung der
Verantwortlichen. 1957 trat er der SPD bei und arbeitete bis ins hohe
Alter als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Kurt Müller starb 1990 in Konstanz.
Brief Kurt Müllers 1956 an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl
"Meine Verhaftung am 22. März 1950 in Berlin und die gegen mich durchgeführten Maßnahmen der „Untersuchung“, wie der Strafvollstreckung, stellen Verbrechen dar. Dieser Verbrechen haben sich Funktionäre des Staatsapparates und andere schuldig gemacht."
Danke.
AntwortenLöschenJa, Danke Frau Schall!
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