Sonntag, 14. April 2013

ABER


   ABER er hat ja gar nichts an!
    Des Kaisers neue Kleider von Hans Christian Andersen

   ABER ABER ABER ABER ABER ABER ABER ABER:

     Heut kommt der Hans zu mir
     freut sich die Liesl
     Ob er
ABER über Oberammergau     
     oder ABER über Unterammergau
     oder ABER überhaupt nicht kommt
     ist nicht gewiß. 


     Volkslied

     Hart ABER fair.
     Klein ABER oho.
     Klein ABER fein.
     Wasch mir den Pelz,
ABER mach mich nicht nass.
     Langsam ABER sicher.
     Ohne wenn und ABER
    
   ABER

    ABER.
    Ich glaube, ABER ist mein Lieblingswort.
    ABER manchmal mag ich mich auch gar nicht, weil ich fast immer
    und bei fast allem 
    ein ABER finden kann. Und manchmal mäkelt so ein ABER an der
    erwünschten
    Eindeutigkeit einer Antwort herum oder erschwert zumindest den 
    Verdrängunsprozess
    des Zweifels um ein Vielfaches. Oder es verunmöglicht ein
    klares Nein oder Ja und
    macht mich unentschieden und matt, ABER rettet mich damit oft 
    auch vor übereilten
    Urteilen und vorschnellen Entscheidungen.

    ABER wenn ich in einem Text auf ein unerwartetes, 
    überraschendes ABER treffe,
    eins das die Abdeckung wegreißt, den Dreck offenlegt, den 
    ABERwitz befreit, 
    dann könnte ich juchzen vor Freude und Aufregung.


 Der Erlkönig, Albert Sterner, ca. 1910

    Einmal hat mir mein Vater den "Erlkönig" erzählt und das 
    hastige alte Ding 
    (Erinnert sich noch jemand an die sächsische Variante von diesem etwas 
    kleingeratenen DDR-Komiker?) 
    verwandelte sich. 
    Meines Vaters Prämisse: dies ist die Geschichte
    eines Kindes, das mißbraucht worden ist, noch immer wird, und 
    versucht davon zu sprechen.  
    ABER es wird nicht gehört. Und plötzlich machten die 
    eiligen, drängenden Strophen Sinn, mir blieb fast das Herz 
    stehen. Furchtbar und wunderbar.


Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? —
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? —
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. —

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;
Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“ —

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? —
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. —

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“ —

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? —
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’ es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. —

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt.“ —
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! —

Dem Vater grauset’s; er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

Johann Wolfgang von Goethe


    Ein ABER kann eine Warnung sein, gut, ABER das ABER kann auch zur Ausrede 
    mutieren, mich geschickt dafür entschuldigen, keine eindeutige Haltung einzunehmen 
    und im schlimmsten Fall zur feigen, konfliktvermeidenden Handlungsunfähigkeit führen.

    Grimm's Wörterbuch: Weit häufiger geworden und vielfach verwickelt ist die anwendung 
    der conjunction aber, wie sie aus dem übergang des wieder in wider, des wiederholens in 
    ein entgegnen erwachsen ist; fast immer läszt ein solches aber sich auch durch ein 
    schleppenderes dagegen, hingegen, dahingegen verständigen. aber bezeichnet also   
    den auf eine behauptung unmittelbar folgenden einschränkenden gegensatz...

    Es gibt ABER viele andere, glücklichere ABER. Die ABER, die mir aus einer    
    Bredouille helfen, weil ich weiß, was ich tun muß, die ABER, die die befreien. 
    "Sie wollen Zustimmung, ABER die kann ich Ihnen nicht geben."
    Ich hoffe, dass ich nicht wie ein Moralapostel klinge, nichts wäre mir unangenehmer. Ich 
    spreche hier über Irritationen mit mir selbst, Dinge, bei denen ich mir selber auf die 
    Nerven gehe, weil ich es besser weiß und doch manchmal schlechter tue. ABER:


Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo ABER Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.

Aus: Hölderlin "Patmos"
 
ABER:


Reklame

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre
in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille

eintritt


Ingeborg Bachmann. Werke. Erster Band. © Ingeborg Bachmanns Erben Dr. Christian Moser Wien


Aber:

Der Deutsche sagt: Die Lage ist ernst, ABER nicht hoffnungslos.
Der Österreicher sagt: Die Lage ist hoffnungslos, ABER nicht ernst

12 Kommentare:

  1. (Situation in der schlechten Zeit, kurz nach dem Krieg)
    Der kleine Fritzel kommt nach Hause und verkündet: 'Wer bis morgen den Erlkönig von Goethe auswendig kann, bekommt einen Zentner Kartoffeln.'
    Vater: 'Fritl, geh gleich in Dein Zimmer und...' Fritzl: 'KLar, Vater'
    Nächster Tag
    Lehrer fragt:' Na, Kinder, wer will denn mit dem 'Erlkönig' beginnen?
    Fritzel(Schnippst mit seinen Fingern): 'Ich, Herr Lehrer!'

    'Also, Fritzl!', sagt der Lehrer.
    Fritzl: "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind
    es ist der Gaul mit seinem Kind...."

    Lehrer (unterbricht) 'Fritzl, wo bleibt denn der 'Vater'?

    Fritzl: 'Der steht draussen mit dem Leiterwagen und wartet auf die Kartoffeln.'

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  2. Die entwaffnendste Kritik auf der Probe:

    Schön, aber Scheiße ....

    Danach ist kaum noch ein anderes ABER möglich.

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  3. Schön, aber Scheiße - wäre das ein Oxymoron?

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    1. Ein Oxymoron kennt kein ABER.
      Das wäre also dann die Schönscheiße.

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  4. ABER - ich stelle fest: NEIN, ich mag es nicht!

    Es ist zu oft Ausdruck von Egozentrik, von Vorurteilen.
    Es rutscht mir raus, bevor ich wirklich zugehört und das fremde Argument hinreichend bedacht habe. Ich stelle meine vorgeprägte Haltung zu schnell vor die Chance des Neu-Denken.

    Viel lieber ist mir : JA, weil. Oder auch : NEIN, weil.
    ABER ist so ein glitschiges Amöbchen dazwischen. Das nicht Zuendegedachte.
    Es ist nicht mal das SOWOHL ALS AUCH, weil die eigene Aberposition dominiert.

    Dann lieber gleich das OXYMORON. Die Einheit der Gegensätze wird dabei nur durch die Position des Bestimmungsworts gefärbt. ( Haben wir heute schon Wintersommer oder noch Sommerwinter ? )

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  5. Aber ABER ist doch auch die Chance, dass das Schlechte wirklich auch etwas Gutes hat und vice versa? Und das Verdammungsurteile falsch sein können. Und "Aber sie dreht sich doch".

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  6. Wäre Dein / ein ABER tatsächlich so offen ? Ließe es Raum für das große JA oder NEIN neben der kleineren Einschränkung? Ist da nicht auch immer der Klang des heimlich Rechthaberischerischen und des Trotzigen dabei, zumindest im Untertext, der meist mit "der Idiot quatscht wieder so'n Scheiß" beginnt?


    Galilei (oder Giordano Bruno): Tamensi movetur ! / Eppur si muove !
    Ohne ein ABER. Ohne Einschränkung. Ohne Hintertür.

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  7. Ich denke ich habe, es gibt viele verschiedene ABERs. Also ist es wohl nicht das Wort, sondern die Haltung, die dahintersteht, es erzeugt. Oder?

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  8. Ich habe den Verdacht - zumindest bei mir selbst - dass das ABER der mickrige schlaue und feige und höfliche Bruder des NEIN und des JA ist.
    Deshalb, vermute ich, benutze ich es viel zu oft. Und durchschaue mich. Manchmal. Danach. Und ärgere mich, nicht NEIN gesagt zu haben. ( JA fällt meist leichter )

    Ich denke, bei existentiellen Angelegenheiten gibt es kein ABER :
    Ich liebe Dich, aber ...
    Na prima. Da hätte einer wohl das Wort oder das Gefühl missverstanden.

    Im Gegensatz zum aussagefähigeren OBWOHL oder TROTZDEM.
    Ich liebe Dich, obwohl du ein Dreckskerl bist.
    Ich liebe dich, trotzdem gehe ich.


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  9. Da muß wohl noch ein ABER Teil 2 folgen, was? Aber nicht gleich, erstmal nachdenken.

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  10. Einen Abend und allerlei Formulierungen später :
    Keine Ahnung, wie oft ich ABER gesagt und erst recht gedacht habe, a b e r sehr, sehr oft. Es ist wie Öl beim Formulieren.
    Heute denke ich, dass ich z w a r ( auch so ein Ding )immer noch meiner Meinung bin, dass a b e r das Sprechen / Schreiben ohne das ABER an Lebendigkeit, Spontaneität verlieren würde.

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