Samstag, 3. Dezember 2016

Blauer Würger und Rondo Melange

Heute war ich auf einer ungewöhnlich angenehmen Geburtstagsfeier mit wirklich interessanten Gästen, Ostbiographien trafen auf westliche und vice versa.

Das Gespräch kam, warum weiß ich nicht mehr, auf Getränke und Lebensmittel in der DDR. 
Zuerst die alkoholischen Getränke: Rosenthaler Kardaker war mir nur bekannt unter dem Spitznamen "Schlüpferstürmer", denn wer immer den mitbrachte, hatte klar verständliche Absichten. Sambalita, ein Maracuja Likör (Igitt!) beförderte, im unklimatisierten Tourneebus des Deutschen Theaters, der uns zu einem Westgastspiel in Hamburg transportieren sollte, im überaus heißen Sommer 1988, zwei hochtalentierte Kollegen nahezu ins Delirium. Und dann der berüchtigte Blaue Würger!
Kristall Wodka, der zu den schlichteren Schnapsarten aus dem DDR-Angebot zählte, verdankte seinem Spitznamen "Blauer Würger" seinem blauen Etikett. Böse Zungen behaupteten, dass man nach Einsendung von hundert solcher blauen Etiketten bei der Krankenkasse einen Blindenhund gestellt bekam. Kristall Wodka war keine Bückware, sondern ging Kartonweise über den Ladentisch. Diese Produkt ging sogar in das Liedgut der DDR ein, wie etwa durch den Texter Christian Koch, der 1984 das Lied vom Blauen Würger und dem Blindenhund schrieb: Eine Flasche Blauen Würger, trinken wir im handumdrehn, und für jeden ganz normalen Bürger, kostet der nur vierzehn-zehn, eine Flasche Blauen Würger, trinken wir, der macht nicht fett, im Gegenteil, jeder Bürger, sieht dann aus wie's Etikett. Die zweite Flasche Blauen Würger, trinken wir im fußverdrehn, und jeder ganz normale Bürger, kann dann nicht mehr richtig stehn, die zweite Flasche Blauer Würger, die wirkt ganz unverzagt, man sagt dann solche heißen Sachen, die man sonst wohl niemals sagt. Die dritte Flasche Blauen Würger, trinken wir kaum noch im stehn, und jeder ganz normale Bürger, kann dann nicht mehr richtig sehn, die nächsten Flaschen Blauen Würger trinken wir und denken uns nichts bei, denn für jeden ganz normalen Bürger, gibt's den Blindenhund dann frei.
Quelle: http://www.ddr-brauwesen.de/glossar-k.php
Und dann natürlich Nordhäuser Doppelkorn! Und der fast mystische, weil mir nicht zugängliche "Kumpeltod". 
Wiki sagt:
Zu beziehen war ein Liter Trinkbranntwein für Bergarbeiter steuerfrei zu einem Preis von 1,60 Mark über Berechtigungsscheine, die in der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut auch als Talons bezeichnet wurden. Abgefüllt wurde er in Flaschen zu jeweils 0,5, 0,7 oder 1,0 Liter. Hergestellt wurde der Branntwein mit einem Alkoholgehalt von 32 Vol.-% meist in Brennereien, die in der Nähe von Bergbaubetrieben lagen, wie zum Beispiel in Nordhausen, Senftenberg, Lübben oder Lauter. Jedem Bergmann standen monatlich zwei, über Tage Beschäftigten ein Liter des Branntweins zu. Bei Normerfüllung oder -übererfüllung erhöhte sich die bezugsberechtigte Menge.
In der SAG Wismut standen ab 1947 den Arbeitern über Tage ein Liter und Arbeitern unter Tage zwei Liter im Monat zu. Später bekamen die Bergleute der SDAG Wismut im Streckenvortrieb oder im Abbau bis zu 6 Liter im Monat.
Bei den Bergleuten (übertage), die in den Braunkohle-Tagbauen arbeiteten, gab es im Winter zwei Liter pro Monat und im Sommer einen Liter „Kumpeltod“ pro Monat.
Ebenfalls war der Trinkbranntwein zum Beispiel die für Arbeiter und Angestellten des VEB Erdöl-Erdgas Grimmen oder auch für Schiffsbesatzungen der Handelsmarine der DDR verfügbar.
Der Weiterverkauf des Branntweins oder der Berechtigungsscheine war verboten und ein Verstoß gegen dieses Verbot wurde strafrechtlich verfolgt.
 
Es folgte im Gespräch die uns alle betreffende Schulspeisung. Blutwurst alias "Tote Oma" und süße Milchnudeln und apfelloser Milchreis und Jägerschnitzel (eine Scheibe gebratener Jagdwurst) und in ultimo: Spinat, von dem ich damals dachte, er wäre von Natur aus braun. Dieser braune breiige Gemüsebrei wurde stets mit hartem Rührei und chemisch geschälten zuvor in großen Plastiksäcken gelieferten Kartoffeln serviert.
Noch heute denke ich, dass mein Körper durch eben diese brutale Vergiftung, immun ist gegen jedwede Intoleranz. Ich habe einfach keinerlei Überemfindlichkeiten, weil ich schon a priori chemisch ausgegelastet bin.
Kaffee. Teuer, ja das war er. Ich habe nicht "Mona" sondern "Rondo" getrunken. Noch heute brühe ich, maschinenlos, Kaffee, jetzt Dallmayr Prodomo, in der Tasse mit kochendheißem Wasser auf. Polnischer Campingkaffee ist der beste und verlangt keine Aluminiumkapseln und keine Maschine.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaffeekrise_in_der_DDR 
Weihnachtliches Marzipan, wurde aus Mangel an Mandeln nicht angeboten, dafür gab es Persipan.

Persipan ist eine dem Marzipan ähnliche Süßware, die aus Pfirsich- oder Aprikosenkernen hergestellt wird, und ein wenig herb-bitter schmeckt. Der Name ist ein Kunstwort aus lateinisch ‚persicus‘ (Pfirsich) und ‚Pan‘ von lat. ‚Brot‘. Aprikosen zur Herstellung von Persipan werden speziell gezüchtet und sind nicht genießbar. So beschreibt es Wiki.
 

Wir haben als gut trainierte Balkonraucher die Zigaretten ausgelassen. Und dabei wäre das ein interessantes Thema gewesen. Duett-Raucher oder Cabinett? F6 oder Karo filterlos und nur wenn gar kein Geld zur Verfügung stand? Meine Zunge, mein Magen, meine Leber, meine Lunge haben die ruchlose DDR überlebt. Was kann mir noch etwas antun?

http://www.ziltendorf.com/service/Rezepte/DDR/preise.htm 

DDR - Markennamen für Lebensmittel

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Markennamen_und_Produkten_in_der_DDR 

ernst jandl mensch - für claudia


mensch     mensch
dreh n     um
meusch     meusch
dreh u     um
mensch     mensch
dreh n     um
meusch     meusch
dreh u     um
mensch     mensch


Dienstag, 29. November 2016

Weihnachtsplätzchen auch für die, die nicht backen können

Backwahn, einer der vielen Kosenamen meiner Mutter. Meine Mutter buk nicht, sie backte. Sie fing allerdings erst mit 40 zu kochen an und mit ungefähr 50 überkam sie die Backlust. Brote, Kuchen, herrliche Torten. Experimente, verunglückte Hartholzklumpen, köstliche Cremebomben. Gespräche waren nur selten möglich, denn meistens lief die Küchenmachine und man hatte sowieso den Mund voll. Weihnachten, oder besser Vorweihnachten war ultimate Stresszeit, 70 bis 80 Stollen für Familienmitglieder und Freunde in der ganzen Welt, Originalrezept, ohne Rosinen, koscher, je nach Wunsch. Sie lagen auf einem Tapetentisch, wurden mit zerlassener Butter bestrichen, dann in Backpapier und Küchenhandtücher sorgsam eingewickelt und per Post in alle Welt verschickt. Die Stollen vermisse ich auch sehr.

Butterkekse

Je 250 g Haferflocken, Zucker & Butter.
Haferflocken & Zucker zerreiben, dann die Butter einkneten.
Backbrett mit Mehl bestreuen, Hälfte des Teiges ausrollen, ausstechen, dann den restlichen Teig.
Backblech mit Schrotmehl bestäuben und die Kekse 10 bis 15 Minuten bei mittlerer Hitze backen.
Mhhhhhhhhmmmmmmm!

Vielliebchen

250 g Butter
100 g einfacher Zucker
25 g Vanillezucker
eine gute Prise Salz
300 g Mehl
50 g gehackte Nüsse
miteinander verrühren

(Die doppelte Menge ist besser, sonst werden es zu wenige Vielliebchen.)

Den Teig zwei Stunden im Eisschrank ruhen lassen, dann dünn ausrollen
und mit einem Glas ausstechen. Plätzchen mit verquirltem Ei bestreichen
und kurz abbacken, dann noch warm mit einer Seite in Vanillezucker tunken
Himbeermarmelade auf einen Keks streichen und einen anderen draufsetzen.


Husarenkrapferl






Wiener Vanillekipferl




Lübecker Kokosmakrönchen




Das Wort Plätzchen hat seine Wurzel im lateinischen Placenta - Kuchen und gibt einen feinen Unterschied zwischen Plätzchen und Keksen.

Plätzchen - ein kleines, süßes Gebäck

Früher aßen die feinen Herrschaften zu ihrem Kaffee und Tee gerne kleine Gebäckstücke. Diese waren nicht unbedingt nahrhaft wohl aber sehr zuckerhaltig. Vor allem zu Weihnachten wurden sie hergestellt und mit Konfitüre, Schokolade, Marzipan oder Nüssen verfeinert. Diese Gebäckstücke nannte man Plätzchen. Das Wort geht auf das Lateinische Wort "Plazenta" zurück. Das bedeutet Kuchen. Bis heute wird süßes Hefebrot noch kurz "Platz" genannt. Und diese köstlichen kleinen gebackenen Süßigkeiten erhielten den Namen kleiner Platz: Plätzchen.

Kekse - ein kleines, flaches, haltbares Gebäck

Der Keks ist auf andere Weise zu uns gekommen. Nämlich auf britischen Schiffen: Wenn englische Reisende früher lange auf Schiffen unterwegs waren, gab es eine bestimmte Art Schiffszwieback. Dieses Gebäck war sehr nahrhaft und lange haltbar. Es war unter der Bezeichnung "English cake" bekannt. Im 19. Jahrhundert stellte dann ein deutscher Kaufmann nach englischem Vorbild selber solche "English cakes" her. Und aus cakes wurde Keks.

http://www.wdr.de/tv/wissenmachtah/bibliothek/kekse.php5

http://www.derwesten.de/waz-info/keks-oder-plaetzchen-gute-frage-id2284091.html

Sonntag, 27. November 2016

ADVENT

Tannenkränze mit vier Kerzen, Stollen in Form eines eingewickelten Babies, Kekse, Adventskalender, Schwibbögen, und ab jetzt darf man Weihnachtslieder singen, ohne Unglück herbeizurufen. Das tut es nämlich, wenn man diese Weisen außerhalb der Vorweihnachtszeit singt, summt, pfeift.

November 1982 oder 83 in der Drogerie gegenüber meiner damaligen Wohnung in Berlin-Friedrichshain: eine zierliche alte Dame will die Kerzen für ihren Adventskranz kaufen und bekommt von der Verkäuferin den Bescheid, dass da Kerzenmangel herrsche, ein Engpaß, jedem Bürger dieses Jahr nur drei Kerzen zuständen. Die Frau bricht in Tränen aus und stottert unter Schluchzern: " Aber ich hatte sogar 45 vier Kerzen!"

Advenire ist das lateinische Wort für ankommen, adventus heißt also Ankunft.
Adventus Domini, die Ankunft des Herren. Die Zeit vor seiner Geburt oder seiner Wiederkunft (tolles Wort - Wiederkehr und Kunft mittelhochdeutsch für Kommen, Zukunft, Ankunft, Nahen, Rückkehr, Wiederkehr - also künftige Wiederkehr).
Die vier Sonntage, von einem Papst festgelegt,  stehen symbolisch für die viertausend Jahre, welche die Menschen gemäß kirchlicher Geschichtsschreibung nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten mussten. (Wiki)
Da der Advent immer in der Heiligen Nacht gipfelt, verschiebt sich der erste Sonntag, manchmal ist der Advent vier Wochen, manchmal fünf, manchmal was dazwischen.

Sagt der Tochter Zion:
Siehe, dein König kommt zu dir,
sanft, und auf einem Esel reitend,
auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.

Matth. 21.1 - 11

Viermaliges Feiern in Vorfreude auf einen Geburtstag. Er kommt und er wird wiederkommen, auf einem kleinen Esel. Unwahrscheinlich, aber ein schönes Bild.

Samstag, 26. November 2016

Ich, Daniel Blake ein Film von Ken Loach



Der Film Ich, Daniel Blake mit Dave Johns als Daniel Blake und Hayley Squires als Katie, ist ein nachtschwarzes realistisches Märchen - es ist jetzt und als sie dann gestorben sind - die Art von Nachtschwarz bei der man aus Angst singen muß. 
Daniel ist ein verwitwter Schreiner, der nach einem Herzinfarkt von einem Arzt mitgeteilt bekommt, dass er längere Zeit lang nicht wird arbeiten dürfen. Das Sozialamt hat aber die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit an eine amerikanische Firma "outgesourced", die ihn als arbeitsfähig einstuft. (Die unter Schwarzbild laufende Befragung durch eine Gesundheitsfürsorge-Mitarbeiterin ist erstklassige Comedy.) So steht er tropfnass und frierend zwischen Regen und Traufe und gerät immer tiefer in die Reißmühlen der Bürokratie, der durchgeregelten auswegslosen Unmenschlichkeit. Er kämpft, er reißt Witze, er hilft anderen, er versucht den Aufstand, er unterliegt. Sehr viele hilfsbereite, reizende Leute begegnen ihm, aber das hilft gar nichts. Es gibt keine Lösungen, niemand ist wirklich schuld, die vollständige Entfremdung zwischen Staat und Bürger ist unüberwindbar.
Ich habe geweint, aber nicht aus Sentimentalität. Wenn ich über Armut nicht mehr weine, sollte ich mir wahrscheinlich einen Strick nehmen. Und dann noch Armut in unseren reichen Ländern. Wir haben keine Ausrede. Wenn hier Menschen hungern, ist es auch unser Verschulden. 
Heute nachmittag war ich in der Suppenküche in Pankow und habe lauter Daniel Blakes gesehen. Manche sind Trinker, Junkies und völlig verwahrlost, manche bemühen sich ihre äußere Erscheinung so akkurat wie irgend möglich zu halten. Alle sind arm. 
http://franziskaner.net/werke/suppenkuecheberlin/ 

Franziskanerkloster Pankow
(Berliner Volksbank)
IBAN: DE32 1009 0000 1277 5560 02
BIC: BEVODEBB

 
Wiki definiert Armut so:
Armut bezeichnet primär die mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Kleidung, Nahrung, Wohnung und Erhaltung des Lebens. Im weiteren und übertragenen Sinn ist Armut allgemein ein Mangel.
und
Die Herkunft des zugrundeliegenden Adjektivs arm ist zwar umstritten, wird aber mehrheitlich auf die germanische Wurzel *arҍma- zurückgeführt, das "vereinsamt, verwaist, verlassen" bedeutet und mit griech. erḗmos (ἐρῆμος) „einsam“ in Verbindung gebracht wird.
Gewiss, der Film spielt in England, und ein deutscher Film dieser Leichtigkeit und gnadenlosen Härte ist unvorstellbar, aber was er über Alleingelassenwerden in höchster Not, durch Ämter, Paragraphen, den STAAT, der doch uns allen dienen sollte, erzählt ist unerträglich und wahr. Kapitalismuskritik, ich wage mich kaum das Wort zu verwenden, aber es trifft genau. Was können wir tun?
 
Zitat aus der Kritik in der Süddeutschen: Wenn man der Arbeiterklasse ein filmisches Denkmal errichten wollte - so sähe es aus.

Freigabebescheinigung
FSK FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE DER FILMWIRTSCHAFT GmbH
Prüf-Nr.: 163356/K Kino
Der Film Ich, Daniel Blake
Originaltitel I, DANIEL BLAKE
Verleiher Prokino Filmverleih GmbH, München
Herstellungsland GB
Herstellungsjahr 2016
Laufzeit 24fps: 100:32 25fps: 096:31
wurde im Auftrag der Obersten Landesjugendbehörden von der FSK Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH nach § 11 i.V.m.§ 14 JuSchG geprüft. Die Prüfung hatte das Ergebnis, dass der Film zur öffentlichen Vorführung für die Altersstufe an allen Tagen des Jahres (einschließlich der gesetzlich geschützten Stillen Feiertage)freigegeben werden kann.
„Freigegeben ab 6 (sechs) Jahren“
Wiesbaden, den 24.10.2016
  
http://www.sueddeutsche.de/kultur/neu-im-kino-ich-daniel-blake-ist-eine-bittere-anklage-gegen-den-britischen-sozialstaat-1.3262567 

Unsre Heimat - Ein gutes schlechtes Lied

Ein Lied der Thälmann-Pioniere und ich mochte es trotzdem. Propagandascheiß mit der hypnotischen Kraft eines Volksliedes. Ehrlich gesagt, habe ich die letzten drei Zeilen scheinbar präventiv ausgeblendet.
Das Horst-Wessel-Lied oder Auf auf zum Kampf, zwei zueinander diametral stehende Texte zur gleichen Melodie haben eine ähnliche Wirkung auf mich. Singt sich gut, bleibt hängen, ein Ohrwurm.
Gräßlich, dass Musik im wahrsten Sinne des Wortes politisch inkorrekt, entgegen jedweder Überzeugung, Wirkung hervorrufen kann. 
 


Buckow in der Märkischen Schweiz, ist das was meinem Begriff von Heimat am nähesten kommt. Buckow und, auf immer und ewig unsere verquere deutsche Sprache.

Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer,
unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald.
Unsre Heimat ist das Gras auf der Wiese,
das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft
und die Tiere der Erde
und die Fische im Fluß sind die Heimat.
Und wir lieben die Heimat, die schöne
und wir schützen sie,
weil sie dem Volke gehört,
weil sie unserem Volke gehört.

https://www.youtube.com/watch?v=x3BXXSzA2oQ

Unsere Heimat, auch Unsre Heimat ist ein Lied der Pionierorganisation Ernst Thälmann. Der Liedtext stammt von Herbert Keller und die Komposition von Hans Naumilkat. Das Lied entstand 1951. Angelika Weiz schrieb und sang 1989 eine kritische Erweiterung des Textes. Das Lied erschien auf der Langspielplatte Heimat, die jedoch aufgrund des Textes zurückgezogen wurde. Wiki

Was ist denn von alledem geblieben, 
Wo die schöne Heimat, die wir lieben,
Was soll denn geschehen, 
Wenn uns die Träume vergehen, in dem Land der Paläste, 
Wo wir jedes Jahr ein Stück von dem, was uns heilig war, verderben sehen,
Und was sollen wir unseren Kindern sagen,
Wenn sie uns nach ihrer Heimat fragen,
Ein jedes Volk schützt seine Welt,
Die ihm gehört, bis sie in Scherben fällt. 

 https://www.youtube.com/watch?v=9WJAgQq5dDI

Vitamin B - Beziehungen in der DDR - ein interessanter Artikel:
http://www.berliner-zeitung.de/die-saengerin-angelika-weiz-war-die-beste-freundin-von-tamara-danz-ostbraeute-16501168

Freitag, 25. November 2016

Theaterwohnung 12

Zuhause versus Dasewigimmergleiche

Zuhause weiß ich im Dunkeln, wie der Weg zur Toilette geht. Beim Kochen greift meine Hand ohne Zögern nach dem Salzstreuer. Das alte Sofa kennt die Form meines Hinterns und ich weiß, dass die Vögel auf dem naheliegenden Friedhof gegen fünf Uhr mit dem Singen beginnen.
In der Theaterwohnung ist meine tägliche aktive Anpassung an die vorgegebenen Umstände gefordert. Wenn ich in der Dusche hocken möchte, öffnet mein Hinterteil die Glastür, am Schreibtisch haut mein Knie gegen die Tischplatte, der Wasserkocher benötigt länger für das Erhitzen des lebensnotwendigen Kaffeewassers und sächsische Trinker klingen geradezu exotisch um zwei Uhr nachts auf ihrem schwankenden Gang heimwärts.
Alles Kleinkram, "Jammern auf höchstem Niveau", Petitessen. 
Nur bin ich ein Gewohnheitstier und ein Nester und nicht sicher, ob ich der steten Irritation durch neue Umstände für das Wachhalten meines alternden Hirns danken, oder die Sehnsucht nach meinem Zuhause als erschöpfende Mangelerscheinung fürchten soll.
Das Bekannte, Gewohnte ist für viele Menschen eine Last, nichtendenwollende Repetition der immergleichen Abläufe. Aber ich, die ich von Theaterwohnung zu Theaterwohnung wandere, ist mein Zuhause ein Ort der Entspannung. Ich muß nix Neues lernen, nicht anpassungsfähig sein, nicht das Beste aus etwas machen. Ich kann mich gänzlich gehen lassen.
Meine Oma hat mich bis zu meinem 12. Lebensjahr, in dem sie leider verstarb,  nahezu jedes Wochenende in ihren Wartburg gepackt und nach Buckow verfrachtet und dort haben wir 2x24 Stunden mit Faulenzen verbracht: nichts als Schwimmen, Pilze sammeln (sie fand, ich nicht), Kochen, Essen, manchmal Reden, oft nicht, Lesen, Schlafen und herrliches Verschlampen. Ein Geschenk. Noch heute kann ich abrupt, übergangslos in diesen Erholungsmodus verfallen. Arbeiten, arbeiten, arbeiten und dann - loslassen. Ein lebensrettendes Geschenk. Und damals war es Buckow, das es für mich nicht mehr gibt, heute ist es mein ZUHAUSE.

   Buckow in der Märkischen Schweiz, hier die Arbeit eines mittelmäßigen den Nazis zugeneigten Steinmetzes.

Donnerstag, 24. November 2016

Ich habe Angst.

Bin ich hysterisch oder klarsehend? Ist Trumps Wahlsieg ein Umschlagpunkt verständlicher Quantitäten in eine neue angsteinflößende Qualität, oder ein erschreckender Treppenwitz? Ist meine momentane Furcht berechtigt, oder bin ich medial überfüttert? Ist die Realität reaktionärer, weil fremdenfeindlicher,  demokratisch gewählter Regierungen in Polen, Tschechien, Ungarn und den baltischen Staaten und, vielleicht auch bald in Frankreich, nur eine Phase, eine temporäre Anormalität, oder ein Warnzeichen künftiger faschistoid ausgerichteter Staaten? Ist unsere Welt, die "Erste" Welt, die der es vergleichsweise sehr gut geht, auf dem Weg ins mittelalterliche christliche Kaliphat? Ich weiß es nicht, aber ich habe Angst. Bin ich dumm?


Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte. Das sagte Martin Niemöller

Freitag, 18. November 2016

TRUMP - TRUMPF - TRIUMPH

Ich lese.

Ich lese Hillbilly Elegy, eine autobiographische Analyse der weißen amerikanischen Armut, des "white trash" und auch Ta-Nehisi Coates' Buch über die Erfahrungen der ebenso armen schwarzen Besitzlosen, die in der niederdrückenden Gewißheit von Rassismus und relativer Chancenlosigkeit aufwachsen.
Ich lese über eine Mittelschicht, der die Sicherheit auf ein mittleres gutes Leben genommen wurde. 
Ich lese über eine Gesellschaft, die in immer kleinere und nach außen vollständig abgeschlossene Gruppen zerteilt wurde, die einander haßerfüllt mißtrauen.
Ich lese über Rassismus verschiedenster Begründungen, über Wut, über Trotz, über Unbildung und unfaßbare Dummheit.
Ich lese über 'evangelikanische' Homophobie und Hass auf Frauen, die sich Begründungen aus Bibel, Talmud und Koran grabschen und das dunkle Mittelalter zur goldenen Zukunft erklären.
Über tollwütigen Anti-Semitismus, der sich in als sachlich behaupteten Argumenten verbirgt  und jüdischen Hochmut, der den Holocaust mißbraucht, um sich vor jeder Kritik zu schützen.
Ich lese über Anti-Darwinismus, alias intelligentes Design, was nichts anderes meint als Wissenschaftshass in der übelriechenden Verkleidung von christlichen dummdreisten Lügen.
Ich lese über Boni für Banker und Börsenmakler die mehr Nullen nach der Zahl haben, als ich zählen kann.

Ich lese über Menschen, denen es schlechter geht als mir und andere, denen es, zumindest finanziell, viel besser geht. Über Idioten, Verzeifelte und hochintelligente Psychopathen. 
Über reaktionäre Christen in Ohio und sich patriotisch gebärende Dresdner. 
Über Latinos, die für Trump stimmen und Neu-Koellner Schüler, die dagen sind, das Flüchtlinge aufgenommen werden, weil die "uns unser Hartz Vier wegnehmen".
Ich lese und finde Hass und kein Mitgefühl.

Ich lese und versuche, zu begreifen, was passiert. Dort in den USA und hier bei mir in Deutschland. Und in Frankreich und in Polen, Ungarn, Tschechien und und und...
Alle diese Länder nennen sich Demokratien, einige haben die Last sozialistischer Diktatur erst vor nicht allzu langer Zeit abgeschüttelt.
Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?
Was geht hier vor? Was kann ich tun? Was wird passieren?


Donnerstag, 17. November 2016

Amazon, Google & Wikipedia

Eine Beichte: 
Ich kaufe bei Amazon, suche im Web mit Google und beginne viele meiner   Informationsreisen mit Wikipedia. 
Das Kind verachtet Amazon, ich halte dagegen, dass ich bisher exzellenten Service erlebt habe, pünktliche Lieferungen, (wenn auch der Bote nie klingelt, sondern immer gleich im Laden unten links abgibt), die versprochene Qualität, unkomplizierte Rückgabe, wenn ich mich geirrt habe und Amazon Prime lohnt sich für unentwegt Reisende wie mich. Die Berichte über die Arbeitsbedingungen in den Auslieferungslagern klingen nicht gut, aber leider auch nicht schlimmer als das, was ich von anderswo höre.
Google arbeitet, wird behauptet an der Weltherrschaft. Hmm. Vielleicht lieber Google als mancher Andere. Sie forschen ins Größenwahnsinnige und erwarten Zukunft. 
Wiki ist äußerst fehlerhaft, das haben demokratische Unternehmungen so an sich, aber es ist in ständiger Überarbeitung, und es gibt auch genügend andere Quellen für Überprüfungen.
Es ist heraus.
Bin ich ein tumber Net-Zombie? Eine asoziale Konsumentin? 
Ist die Panik vor Neuem, der ich begegne, eine diffuse Angst vor Veränderung überhaupt. "Das essen wir in Augsburg nicht", soll mein Großvater gesagt haben, wenn eine ihm unbekannte Speise auf den Tisch kam. Dinge, die wir lieb hatten, vergehen, gehen unter, andere, neue übernehmen. Ist das immer schlecht? Als das Kindle aufkam, grassierte im Netz die Prophezeiung des Untergangs des Buches aus Papier. Heute wissen wir, dass Buch und digitalisierte Literatur ziemlich friedlich koexistieren können. Ja, die Grundgeschwindigkeit hat sich erhöht. Ja, mein alter Kopf muß arbeiten, damit er nicht den Anschluß verliert. Ja, da ist ein Trend zum Anspruch auf Marktalleinherrschaft, den ich nicht wirklich beurteilen kann. 
Aber, aber, aber - meine Freundin kann ihre liebste Musik, nachdem die Vinylvariante in Folge heftigen Gebrauches völlig zerkratzt war, nun auf einer taufrischen CD anhören, tausende Menschen versuchen Wiki auf dem neuesten Stand zu halten und den Mißbrauch einzudämmen, abstruse Lieder aus dem 14. Jahrhundert sind findbar, wenn man die richtigen Suchbegriffe findet, ohne dass man durch in aller Welt verteilte Bibliotheken wühlen muß, es gibt Crowdfunding für hoffnungsvolle Projekte, die sonst vielleicht nie Realität werden würden, und die Möglichkeit Protestbewegungen via Internet zu stärken. Untaten werden weiter begangen, aber sind nun oft dokumentierbar. Wir sind auf neue Art verbunden und es liegt in unserer Macht wie wir dieses Werkzeug nutzen.
Manipulation ist unvermeidbar.