MICHELANGELO:
AN GIOVANNI VON PISTOIA,
ALS DER AUTOR DIE DECKE DER SISTINA MALTE.
1509.
In diesem Elend wuchs mir schon ein Kropf
So wie den Katzen im Lombardenreich
Vom Wasser, oder wo auch sonst noch gleich,
So dass der Bauch zu haften scheint am Kopf.
Der Bart steht himmelan, es wächst der Schopf
Am Buckel fest, die Brust Harpyen gleich,
Mein Pinsel, abwärts träufelnd, farbenreich.
Bemalt mit Mosaik mich armen Tropf.
Die Niere presst sich in die Brust; das Kreuz
Drück ich heraus, im Gleichgewicht zu steh'n,
Der Fuss, den nicht das Auge lenkt, geht quer.
Vorn längt sich mir die Haut, und andrerseits
Kürzt sie im Rücken sich vom Einwärtsdrehn,
Gekrümmt wie'n Syrer-Bogen atm' ich schwer.
Nun wird auch mehr und mehr
Mein Urteil schief, im schiefen Haupt erzeugt;
Aus krummem Rohr schiesst fehl man allzuleicht.
Drum, Freund, steh' du mir bei,
Und sag der Welt, dass ich kein Maler sei,
Und nicht am rechten Platz; das sage frei!
Uebersetzung von Sophie Hasenclever
Zwar circa 20 Jahre später gemalt, aber doch passend:
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Detail aus dem "Jüngsten Gericht" in der Sixtinischen Kapelle, der Heilige Bartholomäus hält das Messer seines Märtyriums, das Gesicht auf der menschlichen Haut ist vermutlich das von Michelangelo. |
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1532, also circa 20 Jahre nach Fertigstellung des Deckengemäldes, beauftragte Clemens der VII. Michelangelo mit der Herstellung eines Altargemäldes für die Sixtinische Kapelle, dessen Thema das Jüngste Gericht seien sollte. Der Papst stirbt, sein Nachfolger Paul III. hält den Auftrag aufrecht. 1535 begonnen, arbeitete M. sieben Jahre bis 1541, und es wird vermutet, vornehmlich allein daran, er war nunmehr 66 Jahre alt.
Ich habe leider kein originale Fassung des Gedichts im Netz finden können, denn die, die es gibt ist offensichtlich fehlerhaft. Wenn jemand sie hat, dann her damit.
Michelangelo: To Giovanni da Pistoia
When the Author Was Painting the Vault of the Sistine Chapel 1509
I've already grown a goiter from this torture,
hunched up here like a cat in Lombardy
(or anywhere else where the stagnant water's poison).
My stomach's squashed under my chin, my beard's
pointing at heaven, my brain's crushed in a casket,
my breast twists like a harpy's. My brush,
above me all the time, dribbles paint
so my face makes a fine floor for droppings!
My haunches are grinding into my guts,
my poor ass strains to work as a counterweight,
every gesture I make is blind and aimless.
My skin hangs loose below me, my spine's
all knotted from folding over itself.
I'm bent taut as a Syrian bow.
Because I'm stuck like this, my thoughts
are crazy, perfidious tripe:
anyone shoots badly through a crooked blowpipe.
My painting is dead.
Defend it for me, Giovanni, protect my honor.
I am not in the right place—I am not a painter.
Gail Mazur
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Judith und Holofernes, Ausschnitt aus dem Deckengemälde der Kapelle, der Kopf stellt vermutlich wiederum Michelangelo dar. |
A goiter it seems I got from this backward craning
like the cats get there in Lombardy, or wherever
—bad water, they say, from lapping their fetid river.
My belly, tugged under my chin, 's all out of whack.
Beard points like a finger at heaven. Near the back
of my neck, skull scrapes where a hunchback's lump would be.
I'm pigeon-breasted, a harpy! Face dribbled—see?—
like a Byzantine floor, mosaic. From all this straining
my guts and my hambones tangle, pretty near.
Thank God I can swivel my butt about for ballast.
Feet are out of sight; they just scuffle around, erratic.
Up front my hide's tight elastic; in the rear
it's slack and droopy, except where crimps have callused.
I'm bent like a bow, half-round, type Asiatic.
Not odd that what's on my mind,
when expressed, comes out weird, jumbled. Don't berate;
no gun with its barrel screwy can shoot straight.
Giovanni, come agitate
for my pride, my poor dead art! I don't belong!
Who's a painter? Me? No way! They've got me wrong.
John Frederick Nims
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Jacopino del Conte 1535 Porträt des Michelangelo |
Satirisches Schweifsonett Michelangelos
...über seine Arbeit an der Decke der Sixtinischen Kapelle
An Giovanni aus Pistoia
Schon wächst ein Kropf mir über diesem Placken,
Wie Katzen vom lombard'schen Wasser auch
In andern Ländern mehr, wo Kröpfe Brauch;
Ans Kinn ist mir der Leib wie angebacken.
Den Bart reck' ich gen Himmel, mit dem Nacken
Rückwärts gelehnt, und mit Harpyien-Bauch,
Derweil der Pinsel, immer überm Aug',
Ein schön Mosaik kleckt auf die Backen.
Die Lenden kriechen tief mir in den Ranzen,
Den Steiß ball' ich zum Knäul als Widerlage,
Nicht einen Strich seh' ich, den ich gezogen.
Nach hinten schrumpft das Leder mir zu Fransen,
Je mehr ich vorn mich auszudehnen plage,
Und krümme mich als wie ein Syrer-Bogen.
Weshalb doch sehr erlogen
Die Meinung scheint, und wie erdacht von Toren,
Daß man nicht schieß' aus krummen Blaserohren.
Giovann', mein totgeboren
Bild nun verteid'ge du, und meine Ehre!
Der Ort taugt nichts, wenn ich auch Maler wäre.
Übertragen von G. Regis