"Diese Welt ist so, wie sie gemacht ist, nicht zu ertragen."
Heute Nachmittag in Clärchens Ballhaus, der Spiegelsaal, absichtsvoll unrestauriert, gemütlich, geschichtsbeladen.
Am Abend im neuen BE - CALIGULA - Camus verzweifeltes Erstlingsdrama auf die Bühne gesetzt von Antú Romero Nunes mit Constanze Becker in der Titelrolle und anderen hochbegabten Spielern. Böse Clowns, die sich ihrer Wirkung nur allzu sicher sind. Es wird intensiv ironisiert. Aufwendig. Mit gigantischer Windmaschine, ästhetischem Regen, viel Nebel und einem nahezu unbespielten Bühnenbild von überdimensionalen Orgelpfeifen in der zweiten Stückhälfte. Und jede Menge Spritzblut gab es auch.
Ich mag diese Effekte, wenn sie klug eingesetzt werden. Ich bewundere Constanze Becker, die immer die Übersicht behält, ihre Mittel im Griff hat, spielend denkt und nix gucken läßt. Felix Rech ist so erstaunlich präsent, wie er es immer ist. Aljoscha Stadelmann chargiert selbstbewußt und Oliver Kraushaar zeigt maskuline Stärke. Und die von mir verehrte Annika Meyer, versucht dem Ganzen einen Hauch von existentieller Not hinzuzufügen.
Vor Jahren im Maxim-Gorki-Theater saß ich auf der Stuhlkante bei Nunes' Räubern. Heute saß ich ganz bequem und leicht ermüdet. Ironie bietet keine ernsthafte Konfrontation.
Heute? Worum geht es? Warum das Ganze? Wen kümmert es? Ich weiß es nicht.
Auf dem Heimweg die Begegnung mit einer kleinen schwarzhäutigen Frau auf Droge mit dem Armband der psychiatrischen Tagesklinik. Sie changierte zwischen Kommunikation und aggressiven Ausbrüchen. Ich habe die Polizei gerufen. Die kamen nach zwanzig Minuten und verhielten sich hilflos. Sie wurde mit Handschellen gefesselt und ihre verzweifelten Schreie in Französisch hallen in meinen Ohren. Was hat sie erlebt, überlebt? Ein Krankenwagen hat sie weggefahren. Ich hoffe, dass ihr geholfen werden kann. Sie hatte keine Kraft für Ironie.
Wiki definiert Ironie so: Ironie (altgriechisch εἰρωνεία eirōneía, wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“) bezeichnet zunächst eine rhetorische Figur (auch als rhetorische Ironie oder instrumentelle Ironie bezeichnet).
Dabei behauptet der Sprecher etwas, das seiner wahren Einstellung oder
Überzeugung nicht entspricht, diese jedoch für ein bestimmtes Publikum
ganz oder teilweise durchscheinen lässt. Sie kann dazu dienen, sich von
den zitierten Haltungen zu distanzieren oder sie in polemischer Absicht
gegen angesprochene Personen zu wenden.
Mittwoch, 18. Oktober 2017
Montag, 16. Oktober 2017
Ich auch! - Me too!
Im Netz schlägt, in Reaktion auf den heftig propagierten Harvey Weinstein Skandal, eine Aufforderung an Frauen, sich zu eigenem Erleben von sexuellem Mißbrauch, oder besser Machtmißbrauch zum Zwecke sexueller egoistischer Interessen, hohe Wellen.
Keiner hat etwas gewußt. Alle wußten es, aber niemand hat sich getraut, etwas zu sagen.
Niemand?
Und jetzt diese hohe Welle. Me, too! Oder, verdeutscht, Ich, auch! Auch mir ist Schreckliches geschehen.
Ich könnte problemlos einstimmen in diesen vielstimmigen weibichen Chor.
Mistkerle haben keine Skrupel und Angst ist ein mächtiges Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger Ziele.
ABER.
Aber mich irritiert Zweierlei.
Erstens werden hier, so scheint es mir, sehr verschiedene Dinge in einen brodelnden politischen Topf geworfen - wirklicher Mißbrauch, aber auch Ungeschicklichkeit, wie z.B. ungelenke Komplimente oder veraltete Umgangsformen & in der Reaktion, Gefühle, die in der eigenen jugendlichen Unsicherheit wurzeln & oder im nachträglich defensiven Blick auf die eigene Geschichte.
Ja, anteilig sind zu viele Männer in mächtigen Positionen und Frauen werden immer noch, bei gleicher Arbeit, schlechter bezahlt. Das ist ungeheuerlich ungerecht.
Aber, zweitens, warum eilen wir Frauen jetzt übereifrig zur Stelle und erklären uns zu Opfern der Männerwelt? Ist es wirklich die hilflose Opferposition, aus der wir kämpfen wollen?
Harvey Weinstein ist, höchstwahrscheinlich, ein mieses Schwein. Aber nicht jeder Mann, der meine Schönheit bemerkte, als ich schön war, wollte mir Böses. Und ich, als Frau, habe manchesmal meine frauliche Wirkung benutzt, Asche auf mein Haupt, um zu erreichen, was ich wollte.
Nein. Nicht jeder Moment in dem ich mich in meinem Frausein unwohl fühlte war das Ergebnis männlicher Manipulation. Manche ja. Aber nicht jeder.
Skandal bezeichnet ein Aufsehen erregendes Ärgernis und die damit zusammenhängenden Ereignisse oder Verhaltensweisen. Das Wort ist im Deutschen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Es wurde aus dem gleichbedeutenden französischen scandale entlehnt, das auf das kirchenlateinische scandalum zurückgeht, dieses wiederum auf das griechische skandalon „Fallstrick, Anstoß, Ärgernis“. (Wiki)
Irritation ist der Zustand, dass jemand verwirrt und erregt ist und/oder sich ärgert. (ebenfalls Wiki)
Das Wort Opfer tritt ungefähr seit den 2000er Jahren im deutschen Sprachraum auch als Schimpfwort auf. Abweichend vom traditionellen Sprachgebrauch drückt es eine abwertende und verächtliche Haltung jemandem gegenüber aus. Inzwischen wird es unter Umständen auch abgeschwächt im Sinne von „uncool“, „langweilig“, „dumm“ verwandt, seltener als ironisch-freundliche Anrede. (und wieder Wiki)
Keiner hat etwas gewußt. Alle wußten es, aber niemand hat sich getraut, etwas zu sagen.
Niemand?
Und jetzt diese hohe Welle. Me, too! Oder, verdeutscht, Ich, auch! Auch mir ist Schreckliches geschehen.
Ich könnte problemlos einstimmen in diesen vielstimmigen weibichen Chor.
Mistkerle haben keine Skrupel und Angst ist ein mächtiges Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger Ziele.
ABER.
Aber mich irritiert Zweierlei.
Erstens werden hier, so scheint es mir, sehr verschiedene Dinge in einen brodelnden politischen Topf geworfen - wirklicher Mißbrauch, aber auch Ungeschicklichkeit, wie z.B. ungelenke Komplimente oder veraltete Umgangsformen & in der Reaktion, Gefühle, die in der eigenen jugendlichen Unsicherheit wurzeln & oder im nachträglich defensiven Blick auf die eigene Geschichte.
Ja, anteilig sind zu viele Männer in mächtigen Positionen und Frauen werden immer noch, bei gleicher Arbeit, schlechter bezahlt. Das ist ungeheuerlich ungerecht.
Aber, zweitens, warum eilen wir Frauen jetzt übereifrig zur Stelle und erklären uns zu Opfern der Männerwelt? Ist es wirklich die hilflose Opferposition, aus der wir kämpfen wollen?
Harvey Weinstein ist, höchstwahrscheinlich, ein mieses Schwein. Aber nicht jeder Mann, der meine Schönheit bemerkte, als ich schön war, wollte mir Böses. Und ich, als Frau, habe manchesmal meine frauliche Wirkung benutzt, Asche auf mein Haupt, um zu erreichen, was ich wollte.
Nein. Nicht jeder Moment in dem ich mich in meinem Frausein unwohl fühlte war das Ergebnis männlicher Manipulation. Manche ja. Aber nicht jeder.
Skandal bezeichnet ein Aufsehen erregendes Ärgernis und die damit zusammenhängenden Ereignisse oder Verhaltensweisen. Das Wort ist im Deutschen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Es wurde aus dem gleichbedeutenden französischen scandale entlehnt, das auf das kirchenlateinische scandalum zurückgeht, dieses wiederum auf das griechische skandalon „Fallstrick, Anstoß, Ärgernis“. (Wiki)
Irritation ist der Zustand, dass jemand verwirrt und erregt ist und/oder sich ärgert. (ebenfalls Wiki)
Das Wort Opfer tritt ungefähr seit den 2000er Jahren im deutschen Sprachraum auch als Schimpfwort auf. Abweichend vom traditionellen Sprachgebrauch drückt es eine abwertende und verächtliche Haltung jemandem gegenüber aus. Inzwischen wird es unter Umständen auch abgeschwächt im Sinne von „uncool“, „langweilig“, „dumm“ verwandt, seltener als ironisch-freundliche Anrede. (und wieder Wiki)
Mann, bin ich müde. Ich.
Ein verrückter Ego-Trip.
Seit September letzten Jahres bin ich nur im März für längere Zeit zuhause gewesen, und da habe ich am nächsten Projekt geschrieben und circa zwei laufende Meter theologischer Texte zu verstehen versucht. Hier scheint mir ein durchaus ernstgemeintes Dankeschön an meinen persönlichen theologischen Berater angebracht. Die Bibliothek der theologischen Fakultät wäre mir, ohne Dich, nur ein undurchsichtiges Labyrinth geblieben. Widerspruch tut gut. Ja.
Was für eine wilde Sause - Penthesilea & Fassbinder, ein Bibel-Projekt und eine scheinbar harmlose französische Komödie. Kontraste, Kontraste und vielerlei Erstaunliches zwischendurch.
Hey, wer hat mit fast Sechzig noch ein so abwechslungsreiches Leben?
Ich mußte die unangenehmste, dümmste, verdorbenste Schauspielerin meines bisherigen und, hoffentlich, auch künftigen Theaterlebens kennenlernen, traf aber auch auf viele ungewöhnlich spielfreudige, lustige, ernsthafte, fleißige und begeisterbare Mit-Arbeiter.
Meine großartige Compagnonin und ich haben uns durch das Alte Testament gewühlt und dabei viel über unsere Welt und uns selbst begriffen. Sie ist immer noch freundlicher als ich und mich hat die Arbeit zur radikalisierten Atheistin geformt. Solch eine intensive Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft hatte ich selten. Probieren und über den Sinn des Lebens sprechen können, was für ein Luxus.
Mpundu Mjumira aus Malawi hat meine Geduld auf die Probe gestellt und mein Herz berührt. Nicole hat den nötige Abstand ermöglicht und Betty hat sich weit mehr eingelassen, als man erwarten kann.
http://www.theaterkonstanz.de/tkn/veranstaltung/07948/index.html
In Toronto durfte ich in Donald Trump Maske Shakespeare Text sprechen und in Rostock habe ich französische Musik gehört. Und Susanne hat mir den Rücken frei gehalten.
Jetzt, Mitte Oktober, bin ich froh und müde. Müde. Froh. Und traurig.
Ach, Horst. Du fehlst mir noch weit mehr als ich erwartet hätte. Aber die Rostocker Gewerke sind für Dich über sich hinaus gewachsen.
Ferien. Freie Zeit. Frei von Pflichten. Zeit. Verrückt. Toll. Wunderbar. Wenn man weiß, dass es irgendwann wieder anders sein wird. Kochen. Theater gucken. Kino. Bücher ohne Absicht lesen. Freunde wieder neu kennenlernen, verreisen. Verlangsamen und absichtliches verblöden.
Faulsein mein höchstpersönliches Projekt.
Meine Oma hat mich die Genüsse des Faulseins gelehrt und dafür danke ich ihr. Sie war die Woche über eine äußerst effiziente Intendantin und Schauspielerin und verwandelte sich schlagartig am Samstag in eine herrlich schlamperte Ökotante. "Laid back" beschreibt es, locker ist keine gute Übersetzung. Schwimmen, essen, Pilze sammeln, quatschen.
Jetzt werde ich Fenster putzen lassen und meine Küche renovieren, blutdrünstige Krimis lesen und Theater sehen, das andere Menschen erdacht haben, Kunst angucken und viel guten Kaffee trinken.
Seit September letzten Jahres bin ich nur im März für längere Zeit zuhause gewesen, und da habe ich am nächsten Projekt geschrieben und circa zwei laufende Meter theologischer Texte zu verstehen versucht. Hier scheint mir ein durchaus ernstgemeintes Dankeschön an meinen persönlichen theologischen Berater angebracht. Die Bibliothek der theologischen Fakultät wäre mir, ohne Dich, nur ein undurchsichtiges Labyrinth geblieben. Widerspruch tut gut. Ja.
Was für eine wilde Sause - Penthesilea & Fassbinder, ein Bibel-Projekt und eine scheinbar harmlose französische Komödie. Kontraste, Kontraste und vielerlei Erstaunliches zwischendurch.
Hey, wer hat mit fast Sechzig noch ein so abwechslungsreiches Leben?
Ich mußte die unangenehmste, dümmste, verdorbenste Schauspielerin meines bisherigen und, hoffentlich, auch künftigen Theaterlebens kennenlernen, traf aber auch auf viele ungewöhnlich spielfreudige, lustige, ernsthafte, fleißige und begeisterbare Mit-Arbeiter.
Meine großartige Compagnonin und ich haben uns durch das Alte Testament gewühlt und dabei viel über unsere Welt und uns selbst begriffen. Sie ist immer noch freundlicher als ich und mich hat die Arbeit zur radikalisierten Atheistin geformt. Solch eine intensive Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft hatte ich selten. Probieren und über den Sinn des Lebens sprechen können, was für ein Luxus.
Mpundu Mjumira aus Malawi hat meine Geduld auf die Probe gestellt und mein Herz berührt. Nicole hat den nötige Abstand ermöglicht und Betty hat sich weit mehr eingelassen, als man erwarten kann.
http://www.theaterkonstanz.de/tkn/veranstaltung/07948/index.html
In Toronto durfte ich in Donald Trump Maske Shakespeare Text sprechen und in Rostock habe ich französische Musik gehört. Und Susanne hat mir den Rücken frei gehalten.
Jetzt, Mitte Oktober, bin ich froh und müde. Müde. Froh. Und traurig.
Ach, Horst. Du fehlst mir noch weit mehr als ich erwartet hätte. Aber die Rostocker Gewerke sind für Dich über sich hinaus gewachsen.
Ferien. Freie Zeit. Frei von Pflichten. Zeit. Verrückt. Toll. Wunderbar. Wenn man weiß, dass es irgendwann wieder anders sein wird. Kochen. Theater gucken. Kino. Bücher ohne Absicht lesen. Freunde wieder neu kennenlernen, verreisen. Verlangsamen und absichtliches verblöden.
Faulsein mein höchstpersönliches Projekt.
Meine Oma hat mich die Genüsse des Faulseins gelehrt und dafür danke ich ihr. Sie war die Woche über eine äußerst effiziente Intendantin und Schauspielerin und verwandelte sich schlagartig am Samstag in eine herrlich schlamperte Ökotante. "Laid back" beschreibt es, locker ist keine gute Übersetzung. Schwimmen, essen, Pilze sammeln, quatschen.
Jetzt werde ich Fenster putzen lassen und meine Küche renovieren, blutdrünstige Krimis lesen und Theater sehen, das andere Menschen erdacht haben, Kunst angucken und viel guten Kaffee trinken.
Mittwoch, 11. Oktober 2017
BLADERUNNER
Unter vielem anderem, der schönste, aufwühlendste Filmtod aller meiner Zeiten.
Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkel, nahe dem Thannhäuser-Tor. All diese Momente werden verloren sein... in der Zeit, so wie... Tränen im Regen. Zeit zu sterben.
Was für ein herrlicher, herzzerreißender, aufwühlender Film!
Ich habe alle Schnittversionen gesehen, die mit dem kruden Happy-End, die mittlere gemäßigte und die wirklich gute, ich habe alle geliebt.
Eine Zukunft, die ich fürchte und begreife, Leute, Menschen und Androiden, die ich verstehe. Bilder, die mich geprägt haben. Nicht nur mich, sondern nahezu alle Sci-Fi Filmer nach ihm, nach Ridley Scott.
Wir wußten nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt. Aber egal, wer tut das schon.
Wenige Worte, schwärzliche, gräuliche Bilder, die in mein Langzeitgedächtnis einegespeichert sind. Dauerregen, Schirme mit beleuchteten Stielen, großflächige digitale Werbung allüberall, tausende Händler für jedes erdenkliche Bedürfnis, alles ist möglich, nichts ist freundlich, ein Mann stirbt im Regen. Weint er, oder sind es doch nur Wassertropfen? Eine Taube kommentiert flatternd seinen Tod. Das Gesicht von Harrison Ford, außerordentlich gewöhnlich, und sich dadurch jeder Interpretation hingebend. Ein wahrer Jedermann durchlebt eine große Tragödie. Und Daryl Hannah, Sean Young, Edward James Olmos, William Sanderson.
Ein Einhorn, geträumt und als Origami. Traum und/oder Wahrheit. Hoffnung oder keine?
Rutger Hauer, ein durchschnittlicher holländischer Spieler, überschreitet, überspringt seine Möglichkeiten, gelangt durch glücklichste Umstände in die Liga der Erinnerbaren, derer, die wir von nun an für immer kennen werden.
Eine beachtliche Erfahrung, wenn man in Furcht leben muss... so ist es wenn man ein Sklave ist!
Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt eben nur halb so lang.
Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkel, nahe dem Thannhäuser-Tor. All diese Momente werden verloren sein... in der Zeit, so wie... Tränen im Regen. Zeit zu sterben.
Was für ein herrlicher, herzzerreißender, aufwühlender Film!
Ich habe alle Schnittversionen gesehen, die mit dem kruden Happy-End, die mittlere gemäßigte und die wirklich gute, ich habe alle geliebt.
Eine Zukunft, die ich fürchte und begreife, Leute, Menschen und Androiden, die ich verstehe. Bilder, die mich geprägt haben. Nicht nur mich, sondern nahezu alle Sci-Fi Filmer nach ihm, nach Ridley Scott.
Wir wußten nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt. Aber egal, wer tut das schon.
Wenige Worte, schwärzliche, gräuliche Bilder, die in mein Langzeitgedächtnis einegespeichert sind. Dauerregen, Schirme mit beleuchteten Stielen, großflächige digitale Werbung allüberall, tausende Händler für jedes erdenkliche Bedürfnis, alles ist möglich, nichts ist freundlich, ein Mann stirbt im Regen. Weint er, oder sind es doch nur Wassertropfen? Eine Taube kommentiert flatternd seinen Tod. Das Gesicht von Harrison Ford, außerordentlich gewöhnlich, und sich dadurch jeder Interpretation hingebend. Ein wahrer Jedermann durchlebt eine große Tragödie. Und Daryl Hannah, Sean Young, Edward James Olmos, William Sanderson.
Ein Einhorn, geträumt und als Origami. Traum und/oder Wahrheit. Hoffnung oder keine?
Rutger Hauer, ein durchschnittlicher holländischer Spieler, überschreitet, überspringt seine Möglichkeiten, gelangt durch glücklichste Umstände in die Liga der Erinnerbaren, derer, die wir von nun an für immer kennen werden.
Eine beachtliche Erfahrung, wenn man in Furcht leben muss... so ist es wenn man ein Sklave ist!
Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt eben nur halb so lang.
Samstag, 7. Oktober 2017
ES
I would there were no age between sixteen and
three-and-twenty, or that youth would sleep out the
rest; for there is nothing in the between but
getting wenches with child, wronging the ancientry,
stealing, fighting...
Ich wollte, es gäbe kein Alter zwischen sechzehn und
dreiundzwanzig und die jungen Leute verschliefen
den Rest; denn dazwischen ist nichts, als
Mädchen Kinder machen, die Alten ärgern,
stehlen und kämpfen...
Ein Wintermärchen, W. Shakespeare
ES
Ich hatte den Roman nie gelesen und kannte auch die Fernsehverfilmung von 1990 mit dem von mir verehrten Tim Curry (aka Dr. Frank N Furter) nicht.
Ich mag Horrorfilme eigentlich nicht und bin doch ihr einfachstes Opfer. Ich zucke. Ich quieke. Ich greife panisch nach dem nächsten erreichbaren Arm, ob der nun zu einer mir bekannten Person gehört oder nicht. Meine Mutter war genauso, was beim Weißen Hai zu zwei fetten Stirnbeulen führte, nachdem unsere sich schreckhaft einander zuwendenden Köpfe ungeplant zusammenprallten, während meine Schwester entspannt grinsend daneben saß.
Weil ein alter Bekannter gehen wollte, war ich am Tag der Einheit aber trotzdem im Kino.
ES.
Gott sei Dank saß ich, links und rechts, sicher eingehüllt zwischen zwei Freunden, die allerdings viel Vergnügen an meiner idiotischen, kindlichen, sehr körperlichen Ängstlichkeit hatten.
It, Es Oder Id?
Mein Übersetzungsprogramm übersetzt Id aus dem Lateinischen mit Es. Was in Englisch wiederum It wäre.
Wiki sagt: Dem Freudschen Modell der Psyche zufolge, umfaßt das Id/Es/It unser unkoordiniertes instinktives Begehren; das Super-Ego/Über-Ich spielt den kritischen und moralisierenden Part; und das Ego/Ich ist der organisierte, realistische Teil, der zwischen den beiden anderen vermittelt.
„Das Id ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
Sigmund Freud, Neue Folge der Vorlesungen
It, das Monster, der Clown Pennywise jagt pubertäre Kinder, ernährt sich von ihren Ängsten, verschlingt sie und erweckt gleichzeitig neue widerständige Kräfte in seinen erwählten Opfern.
Pubertät
Pubertät. Meine Erinnerungen sind vage. Emotionale Achterbahnfahrten, abrupte Wechsel zwischen unangreifbarem Selbstbewußtsein und angstschlotternder Unsicherheit. Nie wieder war ich meiner Meinungen so sicher und wußte so wenig über mich. Und die existentiellen Verwirrungen meines sexuellen Ichs lasse ich hier mal beiseite.
ES. Ein kluger Horrorfilm. Wow! Mit hochbegabten Kinderschauspielern. Nicht den robotisierten, dressierten Niedlichkeitsmaschinen deutscher Filmproduktionen, sondern glaubhaften, leicht zugespitzte, wiedererkennbare 12-jährige Menschen.
three-and-twenty, or that youth would sleep out the
rest; for there is nothing in the between but
getting wenches with child, wronging the ancientry,
stealing, fighting...
Ich wollte, es gäbe kein Alter zwischen sechzehn und
dreiundzwanzig und die jungen Leute verschliefen
den Rest; denn dazwischen ist nichts, als
Mädchen Kinder machen, die Alten ärgern,
stehlen und kämpfen...
Ein Wintermärchen, W. Shakespeare
ES
Ich hatte den Roman nie gelesen und kannte auch die Fernsehverfilmung von 1990 mit dem von mir verehrten Tim Curry (aka Dr. Frank N Furter) nicht.
Ich mag Horrorfilme eigentlich nicht und bin doch ihr einfachstes Opfer. Ich zucke. Ich quieke. Ich greife panisch nach dem nächsten erreichbaren Arm, ob der nun zu einer mir bekannten Person gehört oder nicht. Meine Mutter war genauso, was beim Weißen Hai zu zwei fetten Stirnbeulen führte, nachdem unsere sich schreckhaft einander zuwendenden Köpfe ungeplant zusammenprallten, während meine Schwester entspannt grinsend daneben saß.
Weil ein alter Bekannter gehen wollte, war ich am Tag der Einheit aber trotzdem im Kino.
ES.
Gott sei Dank saß ich, links und rechts, sicher eingehüllt zwischen zwei Freunden, die allerdings viel Vergnügen an meiner idiotischen, kindlichen, sehr körperlichen Ängstlichkeit hatten.
It, Es Oder Id?
Mein Übersetzungsprogramm übersetzt Id aus dem Lateinischen mit Es. Was in Englisch wiederum It wäre.
Wiki sagt: Dem Freudschen Modell der Psyche zufolge, umfaßt das Id/Es/It unser unkoordiniertes instinktives Begehren; das Super-Ego/Über-Ich spielt den kritischen und moralisierenden Part; und das Ego/Ich ist der organisierte, realistische Teil, der zwischen den beiden anderen vermittelt.
„Das Id ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
Sigmund Freud, Neue Folge der Vorlesungen
It, das Monster, der Clown Pennywise jagt pubertäre Kinder, ernährt sich von ihren Ängsten, verschlingt sie und erweckt gleichzeitig neue widerständige Kräfte in seinen erwählten Opfern.
Pubertät
Pubertät. Meine Erinnerungen sind vage. Emotionale Achterbahnfahrten, abrupte Wechsel zwischen unangreifbarem Selbstbewußtsein und angstschlotternder Unsicherheit. Nie wieder war ich meiner Meinungen so sicher und wußte so wenig über mich. Und die existentiellen Verwirrungen meines sexuellen Ichs lasse ich hier mal beiseite.
ES. Ein kluger Horrorfilm. Wow! Mit hochbegabten Kinderschauspielern. Nicht den robotisierten, dressierten Niedlichkeitsmaschinen deutscher Filmproduktionen, sondern glaubhaften, leicht zugespitzte, wiedererkennbare 12-jährige Menschen.
Mittwoch, 4. Oktober 2017
Horst, mein Freund, ist tot.
HORST VOGELGESANG - MEIN NACHRUF
Horst hat mir viele, viele Jahre lang die Sicht offen und den Rücken frei gehalten. Seit 1996, seit mehr als 20 Jahren. Damals waren wir beide jung.
Wir. Dieses wir sind, Horst, der Bühnenbildner, Jenny, meine Schwester und Kostümbildnerin und ich, haben sehr gute Abende hingelegt und sind heftigst gescheitert. Und immer gemeinsam.
Horst wurde mir als wortkarg angekündigt und hat auf unserer ersten gemeinsamen Fahrt nach Leipzig geredet wie ein Wasserfall.
Hunderte Autofahrstunden, unzählige Abende in Theaterwohnungen, Nudeln in unerwarteten Variationen, gräßlicher Kantinenfraß und lange, sehr lange, augenlichtverwirrende Beleuchtungsproben, 50 Premieren und noch mehr absurde Stadttheaterverwicklungen haben wir zusammen erlebt und überlebt, und nun hat ihn, der sehr alt werden wollte, der harte wahllose Tod geholt.
Warum? Weil er es konnte.
Alles was ich über Beleuchtung weiß, habe ich von Horst gelernt.
Und viel über seinen schrägen Humor. Ja, Sachsen haben Humor!
Horst hat mit über 60 nochmal studiert, um ein Brandenburger Theater-Festival buchhalterisch zu unterstützen. Horst konnte Sushi rollen und Brot backen. Horst war Dresdener mit Herz und Seele, und nie waren wir einem Streit näher, als an dem Tag, als ich die Dresdener Schweigeminute in Erinnerung der Bombardierung in Frage stellte. Horst hat viel Zeitung gelesen und mehr gearbeitet, als irgendjemand den ich kenne. Horst war ein eleganter Tänzer. Und ein cooler Klamottenträger. Keine Sportschuhe niemals!
Manchmal war er mißgelaunt und meckerig, und viel öfter sanft und hilfreich.
Horst und ich sind durch Deutschland gejockelt. Von Nord nach Süd und hin und her. Detmold, Esslingen, Leipzig, Greifswald, Senftenberg, Rostock, Magdeburg, Ingolstadt, Heilbronn, Konstanz, Berlin. Groß und nicht ganz so groß, es war egal. Alles war im Angebot. Alkoholabhängige Chefbeleuchter, Bühnenmeister kurz vor der Rente, oft zu wenig Geld, Schauspieler mit Talent und welche ohne jegliches, das falsche Rot und das genau richtige, hilflose Requisiteure und gewiefte Bastler. Theater halt.
Horst hat seine Krankheit als Aufgabe begriffen, die es anzugehen galt. Kein leichtes Nachgeben, kein depressives Unterordnen, ein Widerstandsplan wurde entwickelt. Ich weiß nicht, ob ich diese Stärke hätte. Er hatte sie.
Jetzt bin ich hier in Rostock und beleuchte, ohne ihn, ein Bühnenbild, dass er entworfen und auf den Weg gebracht hat. Die Gewerke arbeiten mit großer Zärtlichkeit. Sie mögen ihn. Er war ein Künstler und ein Handwerker, ein Kollege.
WHAT THE FUCK?
Er sollte jetzt hier sein und ist es nicht. Der Mistkerl. Es ist nicht seine Schuld. Ich werde ihn vermissen. Eine lange Zeit.
Horst hat mir viele, viele Jahre lang die Sicht offen und den Rücken frei gehalten. Seit 1996, seit mehr als 20 Jahren. Damals waren wir beide jung.
Wir. Dieses wir sind, Horst, der Bühnenbildner, Jenny, meine Schwester und Kostümbildnerin und ich, haben sehr gute Abende hingelegt und sind heftigst gescheitert. Und immer gemeinsam.
Horst wurde mir als wortkarg angekündigt und hat auf unserer ersten gemeinsamen Fahrt nach Leipzig geredet wie ein Wasserfall.
Hunderte Autofahrstunden, unzählige Abende in Theaterwohnungen, Nudeln in unerwarteten Variationen, gräßlicher Kantinenfraß und lange, sehr lange, augenlichtverwirrende Beleuchtungsproben, 50 Premieren und noch mehr absurde Stadttheaterverwicklungen haben wir zusammen erlebt und überlebt, und nun hat ihn, der sehr alt werden wollte, der harte wahllose Tod geholt.
Warum? Weil er es konnte.
Alles was ich über Beleuchtung weiß, habe ich von Horst gelernt.
Und viel über seinen schrägen Humor. Ja, Sachsen haben Humor!
Horst hat mit über 60 nochmal studiert, um ein Brandenburger Theater-Festival buchhalterisch zu unterstützen. Horst konnte Sushi rollen und Brot backen. Horst war Dresdener mit Herz und Seele, und nie waren wir einem Streit näher, als an dem Tag, als ich die Dresdener Schweigeminute in Erinnerung der Bombardierung in Frage stellte. Horst hat viel Zeitung gelesen und mehr gearbeitet, als irgendjemand den ich kenne. Horst war ein eleganter Tänzer. Und ein cooler Klamottenträger. Keine Sportschuhe niemals!
Manchmal war er mißgelaunt und meckerig, und viel öfter sanft und hilfreich.
Horst und ich sind durch Deutschland gejockelt. Von Nord nach Süd und hin und her. Detmold, Esslingen, Leipzig, Greifswald, Senftenberg, Rostock, Magdeburg, Ingolstadt, Heilbronn, Konstanz, Berlin. Groß und nicht ganz so groß, es war egal. Alles war im Angebot. Alkoholabhängige Chefbeleuchter, Bühnenmeister kurz vor der Rente, oft zu wenig Geld, Schauspieler mit Talent und welche ohne jegliches, das falsche Rot und das genau richtige, hilflose Requisiteure und gewiefte Bastler. Theater halt.
Horst hat seine Krankheit als Aufgabe begriffen, die es anzugehen galt. Kein leichtes Nachgeben, kein depressives Unterordnen, ein Widerstandsplan wurde entwickelt. Ich weiß nicht, ob ich diese Stärke hätte. Er hatte sie.
Jetzt bin ich hier in Rostock und beleuchte, ohne ihn, ein Bühnenbild, dass er entworfen und auf den Weg gebracht hat. Die Gewerke arbeiten mit großer Zärtlichkeit. Sie mögen ihn. Er war ein Künstler und ein Handwerker, ein Kollege.
WHAT THE FUCK?
Er sollte jetzt hier sein und ist es nicht. Der Mistkerl. Es ist nicht seine Schuld. Ich werde ihn vermissen. Eine lange Zeit.
MENSCHENFEIND VON MOLIERE IN KARLSRUHE, eine frühe Zusammenarbeit.
Freitag, 29. September 2017
Sterben ist für nix gut
Der Tod ist der brutalste Demokrat. Wahllos, unvermeidbar, endgültig, unvermeidbar. Jeder stirbt. Und keiner weiß wann.
Wir umgeben den Tod mit hoffnungsvoller Bedeutung. Aber das nützt uns nix.
Er ist das Ende unserer aktiven Teilnahme am Leben. Unsere Genüsse und unsere Interessen werden uns entrissen. Vielleicht, hoffentlich, bleibt unsere Liebe.
Ein guter Freund liegt im Sterben.
Er liebt das Leben. Er kocht gern. Seine Nudelgerichte sind phänomenal. Er ist anständig. Er ist Sachse. Er ist lustig. Er ist ein pragmatischer Künstler. So, wie viele von uns, die im deutschen Stadttheatersystem ihrer Leidenschaft nachgehen. Er hat nicht aufgehört, Neues zu lernen. Seine sächsische Trockenheit ist herzerwärmend verläßlich. Er hat versucht uns seine Krankheit leicht zu machen. Solange er noch Witze machen konnte, mussten wir uns nicht zu sehr sorgen. Er wollte 100 Jahre alt werden und ließ sich, nach seiner Krebsdiagnose auf 80 Jahre runterhandeln.
Da ist der Haken. "There's the rub."
Arschlöcher, Lebensfaule, Bösewichte werden alt. Gute Leute sterben vor ihrer Zeit.
Es macht keinen Sinn.
Es macht keinen Sinn.
Wir umgeben den Tod mit hoffnungsvoller Bedeutung. Aber das nützt uns nix.
Er ist das Ende unserer aktiven Teilnahme am Leben. Unsere Genüsse und unsere Interessen werden uns entrissen. Vielleicht, hoffentlich, bleibt unsere Liebe.
Ein guter Freund liegt im Sterben.
Er liebt das Leben. Er kocht gern. Seine Nudelgerichte sind phänomenal. Er ist anständig. Er ist Sachse. Er ist lustig. Er ist ein pragmatischer Künstler. So, wie viele von uns, die im deutschen Stadttheatersystem ihrer Leidenschaft nachgehen. Er hat nicht aufgehört, Neues zu lernen. Seine sächsische Trockenheit ist herzerwärmend verläßlich. Er hat versucht uns seine Krankheit leicht zu machen. Solange er noch Witze machen konnte, mussten wir uns nicht zu sehr sorgen. Er wollte 100 Jahre alt werden und ließ sich, nach seiner Krebsdiagnose auf 80 Jahre runterhandeln.
Da ist der Haken. "There's the rub."
Arschlöcher, Lebensfaule, Bösewichte werden alt. Gute Leute sterben vor ihrer Zeit.
Es macht keinen Sinn.
Es macht keinen Sinn.
Sonntag, 24. September 2017
Wir werden sie jagen. Unsere Wahl 2017
Ich kann nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.
Max Liebermann spricht zu mir aus den Tiefen meiner Seele. Ich mag mein Land grad nicht, aber ich bin deutsch und hab nix anderes. Der Jude in mir weint, aber auf deutsch.
Demokratie ist die schlimmste Regierungsform, nur dass alle anderen schlimmer sind.
Beide Zitate werden Winston Churchill zugeschrieben.
Klar. Einfach. Einleuchtend.
Wer in Not ist, dem muß geholfen werden, wenn es uns nur irgendwie möglich ist. Ich vermisse meine Mutter sehr und bin froh, dass sie die Zahlen dieser Wahl, nicht mehr miterleben mußte.
Letztendlich ist Politik eine höchst persönliche Erfahrung, gelenkt und übertüncht von Indoktrination, Manipulation und dem uns imanenten Streben nach Anpassung, erschwert durch zweifelndes, verzweifeltes, anstrengtes Suchen nach der Wahrheit.
Mein bisheriges Leben macht es mir, zum Beispiel, unmöglich die LINKE zu wählen.
Denkfaulheit, Prügelknabensuche, Sehnsucht nach einfachen Lösungen komplizierter Probleme und die verführerische Hoffnung auf einen, der es richten wird, tun das Ihrige.
Und nun stehen wir da, die Hosen sind runter, unser Hintern hängt im kalten Wind und wir grinsen beschämt.
Ich habe eine gute Stunde vor meinem Briefwahlzettel gesessen und versucht, mich zwischen den möglichen Varianten von pragmatischen Kreuzen zu entscheiden. Dreissig Jahre Zone ohne Wahl und nun nur die Wahl zwischen verschiedenenen Übeln?
Seit 2015 ist der Riss in unserem Land tiefer und scharfkantiger geworden.
Horror video - Angelika Merkel in Heidenau - ein politischer Diskurs der dritten Art
Wir sitzen alle in einem Boot.
Das Boot ist voll.
Boote kentern im Mittelmeer und anderswo.
Heute haben wir gewählt. Heute haben wir gewählt.
Schuld an allem ist das Kapital. Aber wer ist das? Das sind auch Leute, will sagen Menschen. Das Geld selbst hat keine Interessen. Warum tuen wir uns das an?
Alexander Gauland über die künftige Bundesregierung:
Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.
Alexander Gauland zur Flüchtlingspolitik:
Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.
Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen...
Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill sind, haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.
CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt nach der Wahl:
Wir haben verstanden, dass wir die rechte Flanke schließen müssen.
Max Liebermann spricht zu mir aus den Tiefen meiner Seele. Ich mag mein Land grad nicht, aber ich bin deutsch und hab nix anderes. Der Jude in mir weint, aber auf deutsch.
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Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit dem durchschnittlichen Wähler.Demokratie ist die schlimmste Regierungsform, nur dass alle anderen schlimmer sind.
Beide Zitate werden Winston Churchill zugeschrieben.
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Vor zwei Jahren hatten meine Mutter und ich ein ungewöhnliches Gespräch. Ich wohnte bei ihr und war spät noch am Arbeiten, als sie klopfte, in mein Zimmer kam und unvermittelt sagte: "Gut, dass wir die Flüchtlinge alle reinlassen." Ich habe, überrascht, wohl mit "Warum?" geantwortet. "Na, ich wäre tot, wenn uns damals niemand aufgenommen hätte."Klar. Einfach. Einleuchtend.
Wer in Not ist, dem muß geholfen werden, wenn es uns nur irgendwie möglich ist. Ich vermisse meine Mutter sehr und bin froh, dass sie die Zahlen dieser Wahl, nicht mehr miterleben mußte.
Letztendlich ist Politik eine höchst persönliche Erfahrung, gelenkt und übertüncht von Indoktrination, Manipulation und dem uns imanenten Streben nach Anpassung, erschwert durch zweifelndes, verzweifeltes, anstrengtes Suchen nach der Wahrheit.
Mein bisheriges Leben macht es mir, zum Beispiel, unmöglich die LINKE zu wählen.
Denkfaulheit, Prügelknabensuche, Sehnsucht nach einfachen Lösungen komplizierter Probleme und die verführerische Hoffnung auf einen, der es richten wird, tun das Ihrige.
Und nun stehen wir da, die Hosen sind runter, unser Hintern hängt im kalten Wind und wir grinsen beschämt.
Ich habe eine gute Stunde vor meinem Briefwahlzettel gesessen und versucht, mich zwischen den möglichen Varianten von pragmatischen Kreuzen zu entscheiden. Dreissig Jahre Zone ohne Wahl und nun nur die Wahl zwischen verschiedenenen Übeln?
Seit 2015 ist der Riss in unserem Land tiefer und scharfkantiger geworden.
Horror video - Angelika Merkel in Heidenau - ein politischer Diskurs der dritten Art
Wir sitzen alle in einem Boot.
Das Boot ist voll.
Boote kentern im Mittelmeer und anderswo.
Heute haben wir gewählt. Heute haben wir gewählt.
Schuld an allem ist das Kapital. Aber wer ist das? Das sind auch Leute, will sagen Menschen. Das Geld selbst hat keine Interessen. Warum tuen wir uns das an?
Alexander Gauland über die künftige Bundesregierung:
Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.
Alexander Gauland zur Flüchtlingspolitik:
Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.
Man
Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen
unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns
nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Man
Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen
unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns
nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Man
Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen
unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns
nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.
Alexander Gauland zur nationalsozialistischen Epoche:Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen...
Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill sind, haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.
CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt nach der Wahl:
Wir haben verstanden, dass wir die rechte Flanke schließen müssen.
Sonntag, 17. September 2017
Auf eure Gesundheit!
In Erwägung, dass mein lieber Freund gerade eine verdammt harte Zeit durchlebt und irgendwie auch meines mich selbst verblüffenden Alters - gesund sein ist großartig.
Lebendig sein ist ok und tot sein ist, (vermute ich,) auch ok, aber ein Leben in Krankheit ist Dreck. Wozu soll das gut sein? Kommt mir bloß nicht mit "Leiden macht stark". Macht es nicht. Wie sollte es? Leben ist schwierig genug, wenn man es kerngesund durchläuft, man benötigt jedes Quentchen Kraft dass man zur Verfügung hat, um manchesmal nicht klein beizugeben. Wer braucht da noch Krebs und AIDS und MS und all diese anderen Scheußlichkeiten?
Gott sei Dank glaube ich nicht an Gott, sonst würde ich ihn einen humorlosen Sadisten nennen.
Mein Freund und ich hatten während einer langen Autofahrt beschlossen, einhundert Jahre alt zu werden. Mein Herz hat gestottert, als er nach seiner Diagnose sagte, er würde sich jetzt auf achtzig Jahre runterhandeln lassen.
Lebendig sein ist ok und tot sein ist, (vermute ich,) auch ok, aber ein Leben in Krankheit ist Dreck. Wozu soll das gut sein? Kommt mir bloß nicht mit "Leiden macht stark". Macht es nicht. Wie sollte es? Leben ist schwierig genug, wenn man es kerngesund durchläuft, man benötigt jedes Quentchen Kraft dass man zur Verfügung hat, um manchesmal nicht klein beizugeben. Wer braucht da noch Krebs und AIDS und MS und all diese anderen Scheußlichkeiten?
Gott sei Dank glaube ich nicht an Gott, sonst würde ich ihn einen humorlosen Sadisten nennen.
Mein Freund und ich hatten während einer langen Autofahrt beschlossen, einhundert Jahre alt zu werden. Mein Herz hat gestottert, als er nach seiner Diagnose sagte, er würde sich jetzt auf achtzig Jahre runterhandeln lassen.
MENSCHEN GETROFFEN
Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben −
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Babendererde“ −
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen −
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.
Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben −
„Fräulein Christian“ antworteten und dann:
„wie der Vorname“, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie „Popiol“ oder „Babendererde“ −
„wie der Vorname“ – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!
Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen −
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.
Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
Gottfried Benn
Samstag, 16. September 2017
Oscar Wilde - Die Seele des Menschen im Sozialismus
AUSZUG AUS
DIE SEELE DES MENSCHEN IM SOZIALISMUS von OSCAR WILDE
...
Die meisten Menschen vergeuden ihr Leben durch einen ungesunden und übertriebenen Altruismus, ja, sind sogar genötigt, es zu vergeuden. Sie finden sich umgeben von scheußlicher Armut, von scheußlicher Hässlichkeit, von scheußlichem Hunger. Es ist unvermeidlich, dass ihr Gefühlsleben davon erschüttert wird. Die Empfindungen des Menschen werden rascher erregt als sein Verstand; und es ist, ... sehr viel leichter, Mitgefühl für das Leiden zu hegen als Sympathie für das Denken. Daher tritt man mit bewundernswerten, jedoch irregeleiteten Absichten sehr ernsthaft und sehr sentimental an die Aufgabe heran, die sichtbaren Übel zu heilen. Aber diese Heilmittel heilen die Krankheit nicht: sie verlängern sie bloß. In der Tat sind sie ein Teil der Krankheit selbst.
DIE SEELE DES MENSCHEN IM SOZIALISMUS von OSCAR WILDE
...
Die meisten Menschen vergeuden ihr Leben durch einen ungesunden und übertriebenen Altruismus, ja, sind sogar genötigt, es zu vergeuden. Sie finden sich umgeben von scheußlicher Armut, von scheußlicher Hässlichkeit, von scheußlichem Hunger. Es ist unvermeidlich, dass ihr Gefühlsleben davon erschüttert wird. Die Empfindungen des Menschen werden rascher erregt als sein Verstand; und es ist, ... sehr viel leichter, Mitgefühl für das Leiden zu hegen als Sympathie für das Denken. Daher tritt man mit bewundernswerten, jedoch irregeleiteten Absichten sehr ernsthaft und sehr sentimental an die Aufgabe heran, die sichtbaren Übel zu heilen. Aber diese Heilmittel heilen die Krankheit nicht: sie verlängern sie bloß. In der Tat sind sie ein Teil der Krankheit selbst.
Man versucht zum Beispiel
das Problem der Armut zu lösen, indem man die Armen am Leben erhält; oder, wie
es eine sehr fortgeschrittene Schule vorschlägt, indem man sie amüsiert.
Aber das ist keine Lösung;
es verschlimmert die Schwierigkeit. Das wahre Ziel heißt, die Gesellschaft auf
einer Grundlage neu zu errichten, die die Armut ausschließt. Und die
altruistischen Tugenden haben wirklich die Erreichung dieses Zieles verhindert.
Gerade wie die ärgsten Sklavenhalter diejenigen waren, die ihre Sklaven
wohlwollend behandelten und dadurch verhindert haben, dass die Greuel des
Systems von denen, die darunter litten, erkannt und von denen, die darüber
nachdachten, verstanden wurden, so richten beim gegenwärtigen Stand der Dinge
in England jene den größten Schaden an, die versuchen, Gutes zu tun; ... Aus der Barmherzigkeit entstehen
viele Sünden.
Es ist auch noch folgendes
zu sagen. Es ist amoralisch, Privateigentum zur Milderung der schrecklichen
Übelstände zu verwenden, die aus der Einrichtung des Privateigentums
entspringen. Es ist nicht nur amoralisch, sondern auch unehrlich.
Unter dem Sozialismus wird
sich das alles selbstverständlich ändern. Es wird keine Menschen mehr geben,
die in stinkenden Höhlen mit stinkenden Fetzen bekleidet wohnen und kränkliche,
durch den Hunger verkümmerte Kinder inmitten einer unmöglichen, widerwärtigen
Umgebung großziehn. Die Sicherheit der Gesellschaft wird nicht mehr, wie es
jetzt der Fall ist, vom Stande des Wetters abhängen. Wenn Frost kommt, werden
nicht mehr hunderttausend Männer ihre Arbeit verlieren und im Zustand
abscheulichen Elends durch die Straßen irren oder ihre Nachbarn um ein Almosen
anbetteln oder sich vor den Toren der ekelhaften Asyle drängen, um sich ein
Stück Brot oder ein verwahrlostes Obdach für die Nacht zu sichern. jedes
Mitglied der Gesellschaft wird an dem allgemeinen Wohlstand und Glück teilhaben,
und wenn Frost hereinbricht, so wird er niemandem Schaden zufügen.
Auf der anderen Seite wird
der Sozialismus einfach deshalb von Wert sein, weil er zum Individualismus
führt.
Der Sozialismus, Kommunismus
oder wie immer man ihn benennen will, wird durch die Umwandlung des
Privateigentums in allgemeinen Wohlstand und indem er anstelle des Wettbewerbs
die Kooperation setzt, der Gesellschaft den ihr angemessenen Zustand eines
gesunden Organismus wiedergeben und das materielle Wohl eines jeden Mitgliedes
der Gemeinschaft sichern. In der Tat wird er dem Leben seine richtige Grundlage
und seine richtige Umgebung verschaffen. Um aber das Leben zu seiner höchsten
Vollendung zu bringen, bedarf es noch eines anderen. Es bedarf des
Individualismus. Wenn der Sozialismus autoritär ist, wenn Regierungen mit
ökonomischer Macht ausgestattet werden, so wie sie jetzt mit politischer Macht
ausgestattet sind, wenn wir mit einem Wort eine Industrietyrannis bekommen
sollten, dann wäre der neue Status des Menschen schlimmer als der bisherige.
...
Man mag die Tugenden der Armen
bereitwillig anerkennen, und doch muss man sie sehr bedauern. Wir bekommen oft
zu hören, die Armen seien für Wohltaten dankbar. Einige von ihnen sind es ohne
Zweifel, aber die besten unter den Armen sind niemals dankbar. Sie sind
undankbar, unzufrieden, ungehorsam und rebellisch. Sie sind es mit vollem
Recht. Die Mildtätigkeit empfinden sie als lächerlich unzulängliches Mittel
einer Teilrückerstattung oder als sentimentale Almosen, gewöhnlich mit dem
unverschämten Versuch des sentimentalen Spenders verbunden, über ihr
Privatleben zu herrschen. Warum sollten sie dankbar sein für die Krumen, die
vom Tisch des Reichen fallen? Sie selbst sollten beim Mahle sitzen, das
beginnen sie jetzt zu begreifen. Was die Unzufriedenheit anbelangt, wer mit
einer solchen Umgebung und einer so dürftigen Lebensführung nicht unzufrieden
ist, müsste vollkommen abgestumpft sein. Wer die Geschichte gelesen hat, weiß,
dass Ungehorsam die ursprüngliche Tugend des Menschen ist. Durch Ungehorsam ist
der Fortschritt geweckt worden, durch Ungehorsam und durch Rebellion.
...
Was die tugendsamen Armen betrifft,
so kann man sie natürlich bedauern, aber keinesfalls bewundern. Sie haben mit
dem Feinde gemeinsame Sache gemacht und haben ihr Erstgeburtsrecht für eine
sehr schlechte Suppe verkauft. Sie müssen außerdem äußerst dumm sein. Ich
begreife wohl, dass ein Mann Gesetze annimmt, die das Privateigentum schützen
und seine Anhäufung gestatten, solange er unter diesen Bedingungen seinem Leben
eine gewisse Schönheit und Geistigkeit zu geben vermag. Doch ist es mir beinahe
unverständlich, wie jemand, dessen Leben durch diese Gesetze zerstört und
verunstaltet wird, ihren Fortbestand ruhig mit ansehen kann.
...
Es ist also klar, dass der
autoritäre Sozialismus zu nichts führt. Denn während unter dem gegenwärtigen
System eine sehr große Zahl von Menschen ihrem Leben eine gewisse Fülle von
Freiheit und Ausdruck und Glück zu verleihen vermag, würde unter einem
industriellen Kasernensystem oder einem System der ökonomischen Tyrannei
niemandem mehr eine solche Freiheit verbleiben. Es ist bedauerlich, dass ein
Teil unserer Gemeinschaft tatsächlich in einem Zustand der Sklaverei dahinlebt,
aber es wäre kindisch, das Problem dadurch lösen zu wollen, dass man die
gesamte Gemeinschaft versklavt.
...
Doch ich
gestehe, dass viele sozialistische Anschauungen, denen ich begegnet bin, mir
mit Vorstellungen von Autorität oder gar unmittelbarem Zwang vergiftet
scheinen. Autorität und Zwang kommen selbstverständlich nicht in Betracht.
jeder Zusammenschluss muss völlig freiwillig vor sich gehen. Nur wenn er sich
freiwillig zusammenschließt, bewahrt der Mensch seine Würde.
...
Die moderne Welt hat Pläne. Sie schlägt vor,
die Armut und das daraus erwachsende Leiden zu beseitigen. Sie will sich vom
Schmerz und den daraus fließenden Qualen befreien. Sie vertraut dem Sozialismus
und der Wissenschaft als ihren Methoden. Ihr Ziel ist ein Individualismus, der
sich durch Freude ausdrückt. Dieser Individualismus wird weiter, reicher,
herrlicher als jede bisherige Form des Individualismus sein. Der Schmerz ist
nicht die letzte Stufe der Vollendung. Er ist bloß ein vorläufiger Zustand und
ein Protest. Er steht im Zusammenhang mit falschen, ungesunden, ungerechten
Verhältnissen. Wenn die Schlechtigkeit, die Krankheit und die Ungerechtigkeit
aus der Welt verschwunden sind, dann wird er keinen Platz mehr haben. Er hat
ein großes Werk vollbracht, aber es ist fast beendet. Sein Wirkungskreis wird
von Tag zu Tag geringer.
Auch wird ihn niemand entbehren. Denn was der Mensch
erstrebt hat, das ist in der Tat weder Schmerz noch Vergnügen, sondern einfach
Leben. Der Mensch verlangt danach, intensiv, ganz und vollkommen zu leben. Wenn
er das vermag, ohne auf andere Zwang auszuüben oder selbst Zwang zu erleiden
und wenn ihn alle seine Arbeiten befriedigen, dann wird er geistig gesünder,
stärker, zivilisierter und mehr er selbst sein. In der Freude drückt sich die
Natur aus, ihr stimmt sie zu. Wenn der Mensch glücklich ist, lebt er im
Einklang mit sich und seiner Umgebung. Der neue Individualismus, in dessen
Diensten der Sozialismus wirkt, ob er es wahrhaben will oder nicht, wird
vollkommene Harmonie sein. Er wird die Erfüllung dessen sein, wonach sich die
Griechen sehnten und was sie nur in Gedanken vollkommen zu verwirklichen
vermochten, weil sie sich Sklaven hielten und sie ernährten; er wird die
Erfüllung dessen sein, wonach sich die Renaissance sehnte, aber nur in der
Kunst wahrhaft verwirklichen konnte, weil sie sich Sklaven hielt und sie
verhungern ließ. Er wird vollkommen sein, und durch ihn wird jeder Mensch zu
seiner Vollkommenheit gelangen. Der neue Individualismus ist der neue
Hellenismus.
The Soul of Man under Socialism, 1891 in The
Fortnightly Review erschienen.
Diese Übersetzung stammt wohl von Gustav
Landauer.
Mit Dank von "Besuche Oscar Wilde" kopiert.
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