Montag, 6. Februar 2017

Danke, für meine Arbeitsstelle ...

 
Danke, ach Herr, ich will dir danken,
Dass ich danken kann.
Martin Gotthard Schneider hat christliche Musik komponiert und auch Liedtexte geschrieben, sein "Danke für diesen Guten Morgen" war 1963 sogar in den Charts, heute ist er in Konstanz gestorben.


Danke für diesen guten Morgen

Danke, für diesen guten Morgen,
Danke, für jeden neuen Tag,
Danke, dass ich all' meine Sorgen
Auf dich werfen mag.

Danke, für alle guten Freunde,
Danke, o Herr, für jedermann,
Danke, wenn auch dem grössten Feinde
Ich verzeihen kann.

Danke, für meine Arbeitsstelle,
Danke, für jedes kleine Glück
Danke, für alles Frohe, Helle
Und für die Musik.

Danke, für manche Traurigkeiten,
Danke, für jedes gute Wort,
Danke, dass deine Hand mich leiten
Will an jedem Ort.

Danke, dass ich dein Wort verstehe,
Danke, dass deinen Geist du gibst,
Danke, dass in der Fern' und Nähe
Du die Menschen liebst.

Danke, dein Heil kennt keine Schranken,
Danke, ich halt' mich fest daran,
Danke, ach Herr, ich will dir danken,
Dass ich danken kann.

Text: Martin Gotthard Schneider 1930, deutscher Kirchenmusiker;
© Gustav Bosse Verlag, Kassel

Samstag, 4. Februar 2017

Political Correctness ist vorrauseilende Feigheit vor dem Feind

Unser Kollege aus Malawi hat erzählt, dass als Madonna, die in seiner Heimat durch ihre Stiftung "Raising Malawi" ein Kinderkrankenhaus bauen läßt, auf der Suche nach Kindern für eine Adoption, am Flughafen in der Hauptstadt Lilongwe eintraf, viele Einwohner sie begrüßten, die T-Shirts mit der Aufschrift "Madonna, please, adopt me!" trugen.

Unser Stück (Angst Essen Seele Auf) enthält das Wort Neger, eine Menge widerlich abfällige Bemerkungen über ausländische Mitbürger und üble rassistischen Witze. Das Spielensemble ist zu großen Teilen weiß, genauer deutsch aus Ost und West und Schwabenland, einer ist deutsch mit Vorfahren in der Türkei und einer stammt, wie erwähnt, aus Malawi. 

Wir haben, glaube ich, eine gute Zeit miteinander, reden viel, auch über Rassismus, den in uns, den anderer gegen uns und auch den zwischen den verschiedenen Stämmen Malawis. 

Eine Insel. In dieser mittelgroßen baden-württembergischen Stadt, verschont vom Krieg, teuer und sehr bürgerlich, in den Wochen vor Fastnacht, dürfen wir uns mit den Gefährdungen in uns selbst beschäftigen. 

Die meisten von uns hatten es weiß und leicht, und sind doch verschiedenst geprägt von unserer Herkunft aus Ost und West, Religionszugehörigkeit, dysfunktionaler Familie, ungestillter Liebessehnsucht. Unser muslimischer Mitspieler hat während des letzten Ramadams bei drückender Hitze im Sommerspektakel hochdiszipliniert einen christlichen Mönch gespielt und bekam von der aus Dessau stammenden Regieassistentin pünktlich zum Sonnenuntergang eine große Flasche gekühltes Wasser. Der Mann aus Malawi spielt die Hauptrolle, und zwar außerordentlich gut, und doch wird er, wieder in seiner Heimat, manchmal wochenlang ohne Essen auskommen müssen, es gibt dann halt Tee mit Zucker. 

Eine Insel. 

Das Konstanzer Theater leistet Erstaunliches durch solche Kooperationen zwischen den Kontinenten, und das bei minimalem Budget. 

Aber auch eine Insel, weil uns dieses "alte" Fassbinder-Stück von 1974 zwingt, uns ungeschützt, ohne Triggerwarnungen und politisch korrekte Weichzeichner, mit Realität zu konfrontieren. 

Einen schlechtes Deutsch stammelnden Pegida-Anhänger für blöd zu erklären, ist eine leichte Übung. Ich mach das mit links. Aber wenn man sowas spielen soll, während das Ziel des Hasses, der Vorurteile, der Fremde ganz ruhig daneben sitzt, dann verändert sich etwas. Zum Guten.

Der Schauspieler Mphundu Mjumira in einer anderen Produktion
Wiki sagt: Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale, die eine gemeinsame Abstammung vermuten lassen, als sogenannte "Rasse" kategorisiert und beurteilt werden. Die zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache - aber auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche - werden in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden.

Donnerstag, 2. Februar 2017

Willkommen bei den Hartmanns - Alles falsch und doch nicht falsch.

Boko Haram heißt "Bücher sind Sünde"

Boko Haram ist eine islamistische Gruppierung in Nigeria. Sie setzt sich für die Einführung der Scharia in ganz Nigeria und das Verbot westlicher Bildung ein; auch die Beteiligung an Wahlen lehnt sie ab. Boko Haram ist bekannt für die Ermordung von Christen und von Muslimen, sagt Wiki. 


Boko Haram entführt junge Schülerinnen, um sie daran zu hindern, zu lernen. Anstatt dessen sollen sie islamistischen Kämpfern als Vorgeschmack der versprochenenen 72 paradiesischen Jungfrauen dienen. Immer wieder panische egomanische Männer, die Frauen für das Elend der Welt verantwortlich machen und damit unerträgliche Gewalttaten rechtfertigen

Wieder einmal eine deutsche Komödie, ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich.

Alles falsch, weil die Hauptfiguren, eben diese Hartmanns eine ungewöhnlich wohlhabende deutsche Familie ohne die geringsten sozialen Probleme ist. Ihr Reichtum ist die Grundlage ihrer Nettigkeit. Der Flüchtling, ihr Flüchtling, Diallo Makabouri, ein nigerianischer Bürger mit wahrhaft schrecklichen Erinnerungen an die Gewaltaten des Boko Haram wird gespielt von Eric Kabongo, einem belgischen Musiker und Schauspieler, der hinreißend hübsch und hochcharmant ist. Elias M'Barek, erster östereichischer Star tunesischer Abstammung, ist ebenfalls gutaussehend und sehr lustig. Die Vertreter der staatlichen Gewalt haben den Schritt in die Gefilde des Idiotischen schon lange hinter sich gelassen. Und die Menge der behandelten Themen überschreitet bei weitem die Fassungskraft von 90 Filmminuten.
 

ABER doch nicht falsch, weil der Film als Film funktioniert, weil Senta Berger und Heiner Lauterbach ehrenhaft gealterte, ernsthafte gute Schauspieler sind, Simon Verhoeven ein sicheres Gefühl für Timing hat und sein Anstand stärker ist als seine Eitelkeit. Und weil ich froh bin, dass hier versucht wird, unser aller Verwirrung zwischen Merkels "Wir schaffen das" und unserer berechtigten privaten Ängstlichkeit, einen Raum zu geben.


Leider hat man auf dem Plakat bei der Aufzählung der Mitwirkenden irgendwie den Namen des belgischen Mitspielers, des zentralen Charakters, vergessen, ausgelassen.


What The Fuck?

Bücher sind Sünde, Wissen ist schlecht, Fakten sind unsicher. Das ist Methode. 
Ich glaube, wider alle Angriffe, an die Macht der Realität.

Montag, 30. Januar 2017

Fakten und Irrationalität

Inmitten eines Strudels von Fakten, Lügen, Meinungen, Provokationen, Hilflosigkeiten und Protesten, bin ich mir nur einer Sache wirklich sicher, es ändert sich gerade etwas ganz Grundsätzliches in unserer Welt. 

Vor vielen Jahren saß ich in einem Wagon der Bundesbahn einer jungen Frau gegenüber, die mir mit milder, mitfühlender Stimme mitteilte, dass es keine Evolution gegeben haben könne, weil wissenschaftlich nachgewiesen sei, dass Dinosaurier & Menschen zeitgleich gelebt hätten. Sie hatte Photos dabei, auf denen Fußabdrücke von Menschen & Sauriern übereinander lagen. 
In einem Ostberliner Cafe überhörte ich in den Neunzigern ein Gespräch zweier Eheleute, die die Familienzusammengehörigkeit im Dritten Reich priesen. Auf meinen Einwand, dass dieses Reich den gewalttätigen Tod von Millionen Juden verursacht habe, bekam ich die mitfühlende Antwort: "Die wären doch sowieso irgendwann gestorben."
Vielleicht verliere ich meinen Verstand. Vielleicht auch nicht.
Mein malawischer Kollege erzählt mir, wie China kontinuierlich den afrikanischen Kontinent aufkauft. Donald Trump bedauert, dass die USA nicht das Öl aus dem Irak mitgenommen habe, dass nun, so sagt er, ISIS ermöglicht. Er verbietet gestern schlagartig die Einreise von Menschen aus dem Irak, Syrien, Iran, Libyen, Somalia, Sudan und Jemen in die USA, aber Saudi-Arabiens Bürger bleiben wunderbarerweise verschont. Circa drei Millionen Frauen & Männer weltweit protestieren gegen erwartete Ungerechtigkeiten und der amerikanische Präsident tweetet wütend über Zuschauerzahlen bei seinem Amtsantritt. ISIS veröffentlicht Enthauptungs-Videos und Uber verliert einige Kunden wegen seiner Unterstützung von Trumps-Präsidentschaft. Netanjahu gratuliert Trump zum geplanten Mauerbau, ich bin Ost-Berliner! Eine Gruppe alter amerikanischer Männer beschließt, Zuschüsse für Organisationen zu streichen, die in der Dritten Welt, da wo wirkliche Armut herrscht, Sexualaufklärung und Verhütungsmethoden verbreiten. Der Papst, Chef aller Katholiken, und also nicht unbedingt ein typischer Revoluzzer, äußert sich warnend über den "unchristlichen" Trump und bekommt folgende Antwort: "Wenn der Vatikan vom IS angegriffen wird, was das Ziel der Terrormiliz ist, wird sich der Papst noch wünschen und dafür beten, dass Donald Trump Präsident ist.". Studenten angesehener Universitäten verlangen Trigger-Warnungen vor dem Lesen antiker Texte und ein bulgarischer Mann tritt wahllos einer ihm unbekannten Frau ins Rückgrat. Junge schwarze Männer werden erschossen, weil sie a priori als gefährlich betrachtet werden und weiße Menschen werden im Gegenzug als privilegiert und unfähig zur Empathie betrachtet. Deutsche Hunde werden vegan ernährt und Babies nicht geimpft. Türkische Schüler sollen in Zukunft nichts mehr über Darwin und seine wichtigen, wissenschaftlichen Erkenntnisse erfahren. Die Evolutionstheorie soll aus allen gymnasialen Lehrplänen gestrichen werden. 
Was ist passiert mit uns? Sind wir alle, Lemmingen gleich, irrsinnig geworden?

Der Begriff Aufklärung, auch für das "Aufklären" beliebiger Sachverhalte verwendet, bezeichnet seit etwa 1700 das gesamte Vorhaben, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden, sagt Wiki. 

Samstag, 28. Januar 2017

Nsima & Beouf Stroganoff

Mein Kollege aus Malawi hat heute für mich sein Nationalgericht gekocht: Nsima.

Nsima wird aus Maismehl und Wasser gekocht, indem das Mehl in gerade noch nicht kochendes Wasser geschüttelt wird, etwa 10 bis 15 Minuten gekocht, dabei oft umgerührt, und dann mit einem Holzlöffel gegen die Topfwand geschlagen wird, bis es die Konsistenz von Kartoffelbrei erreicht hat. Es werden keinerlei Gewürze zugefügt.
https://en.wikipedia.org/wiki/Nshima 
Und es schmeckt. Breiig und füllig und nahezu neutral mit einer leichten Süße, die perfekte Beilage für jedes würzige Gemüse- oder Fleischgericht.



Mein Anteil war Beouf Stroganoff für ein afrikanisch-russisches Gemeinschaftsprojekt, beides simpel, beides schmackhaft, die Möglichkeit einer guten Freundschaft war gegeben. Anstatt Mehl, habe ich zum Verdicken der Sauce Maismehl verwendet.
Wiki beschreibt es so: Zur Zubereitung werden die Filetspitzen gewürfelt und kurz in geklärter Butter bei hoher Hitze sautiert – das Fleisch muss innen noch blutig sein – und nach einer Ruhezeit mit dem sich absetzenden Fleischsaft in eine separat zubereitete Sauce aus goldgelb angebratenen Zwiebeln (oder Schalotten), Champignons und Gewürzgurken, Sauerrahm sowie Kalbsjus gegeben und kurz durchgeschwenkt. Abgeschmeckt wird mit Senf, Essig und Zitronensaft. Nach Zugabe des Fleisches zur Sauce darf die Sauce nicht mehr aufkochen, da das Fleisch zäh werden würde. Das Bœuf Stroganoff ist sofort zu servieren. 
In Malawi ißt man Nsima als kleine Kügelchen mit der rechten Hand, ein Schüsselchen mit lauwarmen Wasser zur Reinigung der Hände steht bereit. Die Beilage, das Relish wird gestippt oder in einer Aushöhlung der Kugel wie mit einem Löffel gegriffen.
Es wurde ein genüssliches völkerverbindendes Mahl.




Ein vereister See

Ich war heute, zum ersten Mal in meinem Leben, auf einem zugefrorenen See, der größer ist, als die durchschnittliche Brandenburger Pfütze. Die Bezeichnung stammt von einem Fischer in Buckow, der in den Masuren aufgewachsen ist. 
Also, ich und ein zauberhafter Schauspieler aus Malawi, Wintertemperaturen dort liegen um 15 Grad plus, haben heute nach der Probe zuerst Schnitzel gegessen, für ihn sichtbar ein gänzlich unbekannter Hochgenuß, besonders, wenn man bedenkt, dass er zuhause auch mal eine oder zwei Wochen ohne Essen auskommen muß, ein Fakt, den er nebenbei und ohne jede Klage mitteilte, was uns noch mehr bestürzte. Also Schnitzel und dann auf den zugefrorenen Gnadensee, der vermutlich ein Teil des Bodensees ist.


Mein erster Eindruck, wie ein Bild von Breughel - hunderte Menschen verstreut über das Eis, mit Schlittschuhen und Gleitern und Laufstöcken und Stühlen und Hockeyschlägern oder einfach nur zu Fuß.  



An Mpunduh aus Malawi, der gerade etwas besorgt ist, weil er hier, wegen der mangelnden Sonne, zunehmend blasser wird, glitt ein noch schwärzerer Schlittschuhläufer vorbei, der seiner Freundin in tiefstem Konstanzerisch von der Schönheit der Natur vorschwärmte. Mpunduh, der noch niemal Schnee und Eis erlebt hat und ich, die als Großstadtkind ein eher exotisches Verhältnis zur Natur im Allgemeinen habe, waren verzaubert und glücklich. 



VOM BÜBLEIN AUF DEM EIS

Vom Büblein auf dem Eis
Gefroren hat es heuer
noch gar kein festes Eis;
das Büblein steht am Weiher
und spricht so zu sich leis:
Ich will es einmal wagen,
das Eis, es muss doch tragen.-
Wer weiß?

Das Büblein stampft und hacket
mit seinem Stiefelein,
das Eis auf einmal knacket,
und Krach! Schon brichts hinein.
Das Büblein platscht und krabbelt
als wie ein Krebs und zappelt
mit Schreien.

O helft, ich muss versinken
in lauter Eis und Schnee!
O helft, ich muss ertrinken
im tiefen, tiefen See!
Wär nicht ein Mann gekommen,
der sich ein Herz genommen,
o weh!

Der packt es bei dem Schopfe
und zieht es dann heraus,
vom Fuß bis zu dem Kopfe
wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet,
der Vater hats geklopfet
zu Haus.

Friedrich Güll 1812-1879


Freitag, 27. Januar 2017

Haschen nach Wind

 
 Mosaik Pompeii 1. Jahrhundert

Kohelet oder Ekklesiastes oder Prediger Salomo oder ein Teil der Ketuvim, mein liebstes Buch im Alten Testament. Als ich es zum ersten Mal gelesen habe, war ich auf der Suche nach einem schönen Text für den Heiligabend, ein Fest, das in meiner jüdisch-kommunistischen Familie intensiv gefeiert wurde, und mein Vater, protestantischer Herkunft zwar, doch entschlossener Atheist, meinte man müsse doch wissen, was man da feiere und las uns die weihnachtsbezüglichen Stellen mit belehrenden Kommentaren und trockenem Witz nach jeder Bescherung vor. 
Mit etwa 16 ging diese Pflicht auf mich über und ich wollte diese Tradition, natürlich, umschmeißen, revolutionieren. Also neue Texte mußten her.
So kam ich zum Buch Kohelet und einem sehr heftigen Lachanfall. 

Folgende Vision: auf der Suche nach Trost, Erbauung oder Hoffnung schlägt man das Heilige Buch auf und liest Folgendes:  

Denk an deinen Schöpfer in deinen frühen Jahren, ehe die Tage der Krankheit kommen und die Jahre dich erreichen, von denen du sagen wirst: Ich mag sie nicht!, ehe Sonne und Licht und Mond und Sterne erlöschen und auch nach dem Regen wieder Wolken aufziehen: am Tag, da die Wächter des Hauses zittern, die starken Männer sich krümmen, die Müllerinnen ihre Arbeit einstellen, weil sie zu wenige sind, es dunkel wird bei den Frauen, die aus den Fenstern blicken, und das Tor zur Straße verschlossen wird; wenn das Geräusch der Mühle verstummt, steht man auf beim Zwitschern der Vögel, doch die Töne des Lieds verklingen; selbst vor der Anhöhe fürchtet man sich und vor den Schrecken am Weg; der Mandelbaum blüht, die Heuschrecke schleppt sich dahin, die Frucht der Kaper platzt, doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus und die Klagenden ziehen durch die Straßen - ja, ehe die silberne Schnur zerreißt, die goldene Schale bricht, der Krug an der Quelle zerschmettert wird, das Rad zerbrochen in die Grube fällt, der Staub auf die Erde zurückfällt als das, was er war, und der Atem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat. 

Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, das ist alles Windhauch.
oder im Talmud heißt es:
Hauch und nichtig, sprach Kohelet, das alles ist Hauch.

Wunderschön. Wunderschön, aber nicht wirklich aufmunternd. Ich liebe es. 

Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.

Mittwoch, 25. Januar 2017

Regt euch ab

Ohne die geringste Ahnung zu haben, wer nun wirklich weiß, wie es werden wird oder was gerade jetzt recht und richtig ist, gibt es nur wenig, dessen ich mir, bezüglich der momentanen politischen Weltlage, sicher bin. Und dieses Wenige ist, dass ich nur einmal vorher und zwar im Frühherbst 1989, um genau zu sein, solche Hysterie verspürt habe, nur war sie damals positiv aufgeladen. 
Jetzt schlägt mir panische Aggression entgegen. 
Obama war schlimmer als Trump. Trumps direkte Grobschlächtigkeit ist genau, was wir jetzt brauchen. Trumps Präsidentschaft läutet die Apokalypse ein. Trump ist der Antichrist. 
Und es hackt jeder auf jeden ein. 
Frauen demonstrieren in ungewöhnlich großer Menge. Frauen haben den Wahlsieg nicht verhindert. Frauen sind keine Frauen mehr.
Regt euch ab. Ich rege mich ab. 
Was wird jetzt passieren?
Wird die Welt untergehen? Wahrscheinlich nicht.
Die Welt hat die Mongolen überlebt, die Christianisierung, Mohamed, die Pest, die Sklaverei, Stalin & Hitler, esoterische Impfgegner und andere Dumpfbacken. Sie ist sehr geduldig. Den Klimawandel wird sie vielleicht nur unter Verlust ihrer Bevölkerung überleben. 
Treffen sich zwei Planeten im All, sagt der eine: "Wie geht es Dir?", antwortet der andere: "Nicht so gut, ich hab Menschen." Antwortet der andere: " Das hatte ich auch mal. Keine Angst, das geht vorbei."

Sonntag, 22. Januar 2017

Dass ich eine Schneeflocke wär


Weil es zur Jahreszeit passt, wir heute viel über DDR-Musik geschwätzt haben und es immer noch ein süßes Lied ist, obwohl ich "Auf der Wiese" noch mehr mag:

Dass ich eine Schneeflocke wär

Dass ich eine Schneeflocke wär,
irgendwo da rings um dich her.
Tanzte ich so wunderschön
bis Du bliebst stehn.
Und Dein Weib will dich weiterziehn.
'Lass sie tanzen, lass sie verblühn!'
Aber dir fällt etwas ein.
'Geh Weib, lass sein!
Will sie fangen mit der Stirn.
Sie erinnert mich an irgendwas.
Will nicht mehr als Herz und Hirn
soll'n mir sagen wie, wann, wo war das.'

Aber er erinnert sich nicht mehr -
Kinderzeit ist lange her.
Und das Schneehaus, das wir uns gebaut -
seit zehn Jahren fortgetaut.

Dass ich eine Schneeflocke wär,
käm ich auf die Stirn dir so schwer.
Dass die Wärme deiner Haut,
mich aufgetaut.
Und ich fließ' durch dein Gesicht
tränengleich und wie ein Spiegel klar.
Weißt Du denn noch immer nicht,
immer noch nicht, was ich dir mal war?

Aber er erinnert sich nicht mehr -
Kinderzeit ist lange her.
Und das Schneehaus, das wir uns gebaut -
seit zehn Jahren fortgetaut.

Aber er erinnert sich nicht mehr.
Kinderzeit ist lange her.
Und das Schneehaus, das wir uns gebaut -
seit zehn Jahren fortgetaut.
Kinderzeit ist lange her.

Franz Bartsch/Kurt Demmler 


Das Lied gewann 1975 „Erster Preis national“ beim Internationalen Schlagerfestival in Dresden, dann 1976 den Platz zehn in der DDR-Jahreshitparade .


Samstag, 21. Januar 2017

Das Opfer - Ein moderner Archetyp

Mir ist kein Opfer zu groß, das die anderen für mich tun können.
Schwäbisches Sprichwort 

 
Mir scheint, dass sich immer mehr Menschen lautstark als Opfer der Umstände, der Anderen überhaupt, oder einer Gruppe Anderer oder halt der "da oben" definieren und damit ihre Aggressionen, ihre Rachegelüste, ihren Neid, ihre Mißgunst, ihre Selbstüberschätzung rechtfertigen.  
X oder Y oder Z sind schuld daran, dass es uns schlecht geht oder zumindest nicht so gut, wie es uns zusteht, und deshalb dürfen, ja müssen wir sie hassen, bekämpfen, ausschließen.
Amerika hat allen alles gegeben und hat nun das Recht nur noch an sich zu denken. "Amerika first!"* 
Wir Deutsche sind Opfer ihrer uns von den Siegern aufgezwungenen Schuldkultur und müssen deshalb "eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad"** vollziehen, um wieder zu werden, was wir einst waren, ein wohlhabendes, friedfertiges Volk von Dichtern und Denken. 

So kann es, so darf es und so wird es nicht weiter gehen, liebe Freunde. Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstauflösung. Die gibt es nicht. Im Gegenteil, es gibt die moralische Pflicht, dieses Land, diese Kultur, seinen noch vorhandenen Wohlstand und seine noch vorhandene staatliche Wohlordnung an die kommende Generation weiter zu geben, das ist unsere moralische Pflicht. Wenn wir eine Zukunft haben wollen und wir wollen eine Zukunft haben und immer mehr Deutsche erkennen, dass auch sie eine Zukunft haben wollen, dann brauchen wir eine Vision. Eine Vision wird aber nur dann entstehen, wenn wir uns wieder selber finden, wenn wir uns wieder selbst entdecken. Wir müssen wieder wir selbst werden. Selber haben werden wir uns nur, wenn wir wieder eine positive Beziehung zu unserer Geschichte aufbauen... wir brauchen eine lebendige Erinnerungskultur, die uns vor allen Dingen und zu aller erst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt.
Björn Höcke 17.01.2017

Wenn ich schon das Wort Altvordere höre, schwillt mir der Kamm. Wer war denn das bitte? Wiki sagt: Altvordere oder Altvordern (mittelhochdeutsch altfordero, später ouldvorderen; niederländisch oudtvoirdern) bezeichnet alle Vorfahren (Ahnen), die den noch Lebenden vorausgingen. 
Alle? Alle unsere Ahnen und ihre großartigen Leistungen? Goethe, der Autor des Hexenhammers, Büchner, Lothar von Trotta, Herero-Massenmörder, Bach, Eichmann, Marx, Haarmann?
Wir tun uns schrecklich leid und zermöbeln schluchzend und selbstgerecht das Recht des jeweils anderen auf Empathie. 
Solidarität, Kooperation, Integration werden zu irgendwie schmuddeligen Wörtern, die Schwäche suggerieren.

Ich bin Amerikaner, Deutscher, Türke, Jude, Muslim, links, rechts, wertkonservativ, ehemaliges Stasi- oder jetziges AfDmitglied, ich bin sensibel, ich bin eine Frau, ich bin transgender, ich bin schwul, ich bin vegan. Kurz ich bin arm dran. Ärmer dran als X, Y und Z, obwohl ich besser, edler, schlauer, besonderer bin. Und da darf ich doch wohl X, Y oder Z mal kurz und kräftig in die Schnauze hauen. Das ist doch einsehbar und nur gerecht

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme
Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme
Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme 

To Germany
You are blind like us. Your hurt no man designed,
And no man claimed the conquest of your land.
But gropers both through fields of thought confined
We stumble and we do not understand.
You only saw your future bigly planned,
And we, the tapering paths of our own mind,
And in each other's dearest ways we stand,
And hiss and hate. And the blind fight the blind.
When it is peace, then we may view again
With new-won eyes each other's truer form
And wonder. Grown more loving-kind and warm
We'll grasp firm hands and laugh at the old pain,
When it is peace. But until peace, the storm,
The darkness and the thunder and the rain.

An Deutschland
 Ihr seid blind wie wir. Euren Schmerz hat kein Mensch geplant,
Und kein Mensch hat die Eroberung eures Landes geplant.
Aber gierige Grapscher, durch Gedankengebäude eingeengt,
Stolpern wir und wir verstehen nicht.
Ihr habt nur eure Zukunft gesehen, groß geplant,
Und wir, die sich zuspitzenden Pfade unseres Geistes,
Und wir stehen einander im liebsten Weg,
Und zischen und hassen. Und die Blinden bekämpfen die Blinden.
Wenn Frieden ist, werden wir unsere wirklichen Formen
wieder sehen können mit neu gewonnenen Augen
und uns wundern. Liebender und herzlich
Werden wir feste Hände greifen und über alten Schmerz lachen.
Wenn Frieden ist. Aber bis zum Frieden, der Sturm,
Die Dunkelheit und der Donner und der Regen.

Der Dichter Charles Hamilton Sorley (Jg. 1895) wuchs in Cambridge auf, Anfang 1914, ehe er sein Studium in Oxford aufnahm, reiste er für einige Monate nach Deutschland. Während eines Gastsemesters an der Universität Jena überraschte ihn der Ausbruch des Krieges. Nach kurzer Internierung in Trier gelang Sorley die Rückkehr nach Großbritannien. Sofort trat er als Offizier dem Suffolk Regiment bei. SeineErfahrungen ließen ihn nicht in das allgemeine Kriegsgeheul seiner Generation einstimmen und seine hohe Meinung über Deutschland machte es ihm unmöglich, den Feind zu hassen.Im September 1915 nahm Sorley, zum Hauptmann befördert an der Schlacht bei Loos teil. Eine deutsche Kugel tötete ihn am 13. Oktober 1915.

Opfer ist wie die meisten Wörter mit pf ein Fremdwort. Es ist abgeleitet von lateinisch operari 'tätig sein', hier im Sinn von 'ein gutes Werk tun'. Die Bedeutung ist aber beeinflusst von dem ähnlichen offere 'darbringen'.
http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/9sp-ecke/artikel/200/2008/08-04-22.htm

"Opfer" (auch "Opfa") wird in diesem Zusammenhang ohne Empathie für eventuell erlittenes Leid, sondern abwertend und verächtlich gebraucht. Der Begriff zielt auf Personen, die sich nicht ausreichend wehren können oder auf andere Weise Schwächen zeigen und allgemein nicht einem Konzept von harter, starker und wehrhafter Männlichkeit entsprechen. In diesem Sinn ist das Wort "Opfer" in etwa ein Synonym für Versager oder Loser. Der so Bezeichnete habe als Loser seine Randgruppenlage selbst verschuldet. 

* Donald Trump in der Rede zu seiner Amtseinführung
** Björn Höcke 17.01.2017