Samstag, 21. Januar 2017

Das Opfer - Ein moderner Archetyp

Mir ist kein Opfer zu groß, das die anderen für mich tun können.
Schwäbisches Sprichwort 

 
Mir scheint, dass sich immer mehr Menschen lautstark als Opfer der Umstände, der Anderen überhaupt, oder einer Gruppe Anderer oder halt der "da oben" definieren und damit ihre Aggressionen, ihre Rachegelüste, ihren Neid, ihre Mißgunst, ihre Selbstüberschätzung rechtfertigen.  
X oder Y oder Z sind schuld daran, dass es uns schlecht geht oder zumindest nicht so gut, wie es uns zusteht, und deshalb dürfen, ja müssen wir sie hassen, bekämpfen, ausschließen.
Amerika hat allen alles gegeben und hat nun das Recht nur noch an sich zu denken. "Amerika first!"* 
Wir Deutsche sind Opfer ihrer uns von den Siegern aufgezwungenen Schuldkultur und müssen deshalb "eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad"** vollziehen, um wieder zu werden, was wir einst waren, ein wohlhabendes, friedfertiges Volk von Dichtern und Denken. 

So kann es, so darf es und so wird es nicht weiter gehen, liebe Freunde. Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstauflösung. Die gibt es nicht. Im Gegenteil, es gibt die moralische Pflicht, dieses Land, diese Kultur, seinen noch vorhandenen Wohlstand und seine noch vorhandene staatliche Wohlordnung an die kommende Generation weiter zu geben, das ist unsere moralische Pflicht. Wenn wir eine Zukunft haben wollen und wir wollen eine Zukunft haben und immer mehr Deutsche erkennen, dass auch sie eine Zukunft haben wollen, dann brauchen wir eine Vision. Eine Vision wird aber nur dann entstehen, wenn wir uns wieder selber finden, wenn wir uns wieder selbst entdecken. Wir müssen wieder wir selbst werden. Selber haben werden wir uns nur, wenn wir wieder eine positive Beziehung zu unserer Geschichte aufbauen... wir brauchen eine lebendige Erinnerungskultur, die uns vor allen Dingen und zu aller erst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt.
Björn Höcke 17.01.2017

Wenn ich schon das Wort Altvordere höre, schwillt mir der Kamm. Wer war denn das bitte? Wiki sagt: Altvordere oder Altvordern (mittelhochdeutsch altfordero, später ouldvorderen; niederländisch oudtvoirdern) bezeichnet alle Vorfahren (Ahnen), die den noch Lebenden vorausgingen. 
Alle? Alle unsere Ahnen und ihre großartigen Leistungen? Goethe, der Autor des Hexenhammers, Büchner, Lothar von Trotta, Herero-Massenmörder, Bach, Eichmann, Marx, Haarmann?
Wir tun uns schrecklich leid und zermöbeln schluchzend und selbstgerecht das Recht des jeweils anderen auf Empathie. 
Solidarität, Kooperation, Integration werden zu irgendwie schmuddeligen Wörtern, die Schwäche suggerieren.

Ich bin Amerikaner, Deutscher, Türke, Jude, Muslim, links, rechts, wertkonservativ, ehemaliges Stasi- oder jetziges AfDmitglied, ich bin sensibel, ich bin eine Frau, ich bin transgender, ich bin schwul, ich bin vegan. Kurz ich bin arm dran. Ärmer dran als X, Y und Z, obwohl ich besser, edler, schlauer, besonderer bin. Und da darf ich doch wohl X, Y oder Z mal kurz und kräftig in die Schnauze hauen. Das ist doch einsehbar und nur gerecht

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Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme
Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme
Maximilian Zirkowitsch, SPÖ-Bezirksratskandidat, übt mit Satireprojekt Kritik am Wahlkampf Wien – Mit einer ungewöhnlichen Kampagne auf Facebook und Twitter versucht Maximilian "#bezirkowitsch" Zirkowitsch (SPÖ) Stimmen bei den Wahlen in Wien für die SPÖ zu gewinnen. "Als Mann des Volkes spreche ich Volkes Sprache", lässt er auf Facebook wissen. Seine Aufforderung zur Stimmabgabe lautet daher: "Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!" - derstandard.at/2000022233577/Du-Opfa-gib-Stimme 

To Germany
You are blind like us. Your hurt no man designed,
And no man claimed the conquest of your land.
But gropers both through fields of thought confined
We stumble and we do not understand.
You only saw your future bigly planned,
And we, the tapering paths of our own mind,
And in each other's dearest ways we stand,
And hiss and hate. And the blind fight the blind.
When it is peace, then we may view again
With new-won eyes each other's truer form
And wonder. Grown more loving-kind and warm
We'll grasp firm hands and laugh at the old pain,
When it is peace. But until peace, the storm,
The darkness and the thunder and the rain.

An Deutschland
 Ihr seid blind wie wir. Euren Schmerz hat kein Mensch geplant,
Und kein Mensch hat die Eroberung eures Landes geplant.
Aber gierige Grapscher, durch Gedankengebäude eingeengt,
Stolpern wir und wir verstehen nicht.
Ihr habt nur eure Zukunft gesehen, groß geplant,
Und wir, die sich zuspitzenden Pfade unseres Geistes,
Und wir stehen einander im liebsten Weg,
Und zischen und hassen. Und die Blinden bekämpfen die Blinden.
Wenn Frieden ist, werden wir unsere wirklichen Formen
wieder sehen können mit neu gewonnenen Augen
und uns wundern. Liebender und herzlich
Werden wir feste Hände greifen und über alten Schmerz lachen.
Wenn Frieden ist. Aber bis zum Frieden, der Sturm,
Die Dunkelheit und der Donner und der Regen.

Der Dichter Charles Hamilton Sorley (Jg. 1895) wuchs in Cambridge auf, Anfang 1914, ehe er sein Studium in Oxford aufnahm, reiste er für einige Monate nach Deutschland. Während eines Gastsemesters an der Universität Jena überraschte ihn der Ausbruch des Krieges. Nach kurzer Internierung in Trier gelang Sorley die Rückkehr nach Großbritannien. Sofort trat er als Offizier dem Suffolk Regiment bei. SeineErfahrungen ließen ihn nicht in das allgemeine Kriegsgeheul seiner Generation einstimmen und seine hohe Meinung über Deutschland machte es ihm unmöglich, den Feind zu hassen.Im September 1915 nahm Sorley, zum Hauptmann befördert an der Schlacht bei Loos teil. Eine deutsche Kugel tötete ihn am 13. Oktober 1915.

Opfer ist wie die meisten Wörter mit pf ein Fremdwort. Es ist abgeleitet von lateinisch operari 'tätig sein', hier im Sinn von 'ein gutes Werk tun'. Die Bedeutung ist aber beeinflusst von dem ähnlichen offere 'darbringen'.
http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/9sp-ecke/artikel/200/2008/08-04-22.htm

"Opfer" (auch "Opfa") wird in diesem Zusammenhang ohne Empathie für eventuell erlittenes Leid, sondern abwertend und verächtlich gebraucht. Der Begriff zielt auf Personen, die sich nicht ausreichend wehren können oder auf andere Weise Schwächen zeigen und allgemein nicht einem Konzept von harter, starker und wehrhafter Männlichkeit entsprechen. In diesem Sinn ist das Wort "Opfer" in etwa ein Synonym für Versager oder Loser. Der so Bezeichnete habe als Loser seine Randgruppenlage selbst verschuldet. 

* Donald Trump in der Rede zu seiner Amtseinführung
** Björn Höcke 17.01.2017 

TRUMP, HÖCKE und ICH

Hätte Moses solch eine Rede gehalten, ER hätte ihn unterbrochen: Blitz, Donner, Wolkenbruch und eine Stimme aus den Wolken: "Mal schön den Ball flach halten!" 
What the fuck! 
Vor drei Tagen die Rede von Höcke, dem Dreckskerl, in Dresden und heute spricht Trump in Washington, der erstere hat, Gott sei Dank, das Charisma einer toten Qualle, der andere ist jetzt Präsident eines sehr mächtigen Landes. Was passiert hier? Muß ich Angst haben? Vernünftig wäre es. Aber ich will nicht. Ich will nicht.
Ich verstehe diese Worte auch schlecht, weil es mir, einerseits, an jedem Funken von patriotischem Gefühl mangelt und ich mir, andererseits, immer noch sicher bin, dass zuerst das Essen und dann die Moral kommt. 
Was ist das überhaupt, dieses "liebe Deutschland" von dem Höcke redet oder dieses "Amerika" Trumps, das doch nur ein Teil der nördlichen Hälfte eines Kontinents ist? 
Ein verbissener deutscher Geschichtslehrer bejammert, dass wir den Gemütszustand eines total besiegten Volkes haben. Ja, da hat er recht, weil wir in dem von uns begonnen "totalen Krieg" besiegt worden sind. Ein Fakt, der mich sehr froh macht, weil ich sonst nie geboren worden wäre. 
Und ein amerikanischer Multimillionär behauptet, dass die USA, er nennt sein Land kurz und falsch Amerika, praktisch allen anderen Ländern der Welt zum Wohlstand verholfen habe, und dabei selbst leer ausgegangen sei und sich nun in einem Zustand völligen Verfalls befinde, und, dass der einzige Ausweg sei, von nun an Amerikas Belange, vor die aller anderen Nationen zu stellen. 
Ich glaube nicht wirklich, dass es früher besser war, aber es schien mir doch eine nicht ausgesprochene Vereinbarung zu geben, dass wilde Gier und rabiate Selbstsucht nicht offen zugegeben wurden, nicht als Qualität herausgestellt wurden. Diese Vereinbarung ist wohl nunmehr nichtig: von heute an wird es nur ICH und die, wie ICH sind, zuerst sein.


Zitate:

January 20, 2017 will be remembered as the day the people became the rulers of this nation again.

Der 20. Januar wird erinnert werden, als der Tag an dem das Volk wieder Herrscher dieser Nation wurde.

This American carnage stops right here and stops right now. We are one nation and their pain is our pain. Their dreams are our dreams and their success will be our success. We share one heart, one home and one glorious destiny.
The oath of office I take today is an oath of allegiance to all Americans. For many decades, we have enriched foreign industry at the expense of American industry, subsidised the armies of other countries while allowing for the very sad depletion of our military. We have defended other nations' borders while refusing to defend our own. And spent trillions and trillions of dollars overseas while America's infrastructure has fallen into disrepair and decay. We’ve made other countries rich while the wealth, strength and confidence of our country has dissipated over the horizon.


Dieses amerikanische Blutbad hört genau hier auf, und hört genau jetzt auf. Wir sind eine Nation und ihr Schmerz ist unser Schmerz. Ihre Träume sind unsere Träume und ihr Erfolg wird unser Erfolg sein. Wir teilen ein Herz, ein Heim und eine ruhmreiche Bestimmung. Der Amtseid den ich heute leiste, ist ein Eid der Loyalität zu allen Amerikanern. Viele Jahrzehnte lang haben wir ausländische Industrien reich gemacht auf Kosten der amerikanischen Industrie, die Armeen anderer Länder finanziell unterstützt, während wir die sehr schmerzliche Auszehrung unseres Militärs zugelassen haben. Wir haben die Grenzen anderer Länder verteidigt, während wir uns geweigert haben, unsere eigenen zu verteidigen. Wir haben Trillionen und Trillionen von Dollars in Übersee ausgegeben, während Amerikas Infrastruktur verfiel und verfaulte. Wir haben andere Länder reich gemacht, während der Wohlstand, die Kraft und das Selbstvertrauen unseres Landes am Horizont verschwunden ist. 

From this day forward, it's going to be only America first, America first.
Protection will lead to great prosperity and strength. I will fight for you with every breath in my body. And I will never ever let you down. America will start winning again, winning like never before.




Von heute an, wird es nur Amerika zuerst sein, Amerika zuerst.
Schutz wird zu großem Wohlstand und Kraft führen. Ich werde für euch mit jedem Atemzug in meinem Körper kämpfen. Und ich werde euch nie enttäuschen. Amerika wird wieder beginnen, zu gewinnen, zu gewinnen, wie nie zuvor.
 

We will be protected by the great men and women of our military and law enforcement. And most importantly, we will be protected by God.


Wir werden beschützt werden von den großartigen Männern und Frauen unseres Militärs und der Ordnungskräfte. Und, am wichtigsten, wir werden beschützt von Gott.

So to all Americans in every city near and far, small and large, from mountain to mountain, from ocean to ocean, hear these words, you will never be ignored again.


So, zu allen Amerikanern in allen Städten nah und fern, klein und groß, von Berg zu Berg, von Ozean zu Ozean, hört diese Worte, ihr werdet nie wieder mißachtet werden.

http://www.psychose.de/therapie-von-psychosen-54.html

Donnerstag, 12. Januar 2017

Belanglose Hollywoodfilme

Die Probebühne hier liegt recht weit weg in einem Industriegebiet, also probieren wir, wenn es möglich ist, nur einmal und dafür länger, demzufolge sind eine Menge Abende frei. Was tun? Arbeiten. Lesen. Mir alles angucken, was am Theater läuft. Ins Kino gehen.
La La Land startet erst am Donnerstag, Arrival habe ich schon gesehen, Animationsfilme gucke ich nur mit der Lieblingsnichte, übrigens sehr zu empfehlen Pets, und in Vier Gegen Die Bank würde mich nur das Versprechen ewigen Lebens bringen und selbst dann würde ich nochmal ernsthaft abwägen müssen.
Es blieb, da das hiesige zentrale feine Programmkino einem Einkaufcenter weichen mußte und das andere, kleinere nur recht selten spielt, Passengers und Assassin's Creed und The Accountant.
The Accountant zuerst: Eins zu eins Thriller, Affleck ein bisschen aufgequollen, aber sehenswert, ein Polizeichef von Law and Order auf der größeren Leinwand und sehr gut, Autismus, Geldwäsche, Nahkampf und etwas Liebe, ok und weiter nichts.
Passengers: Science Fiction Kitsch mit zwei guten Darstellern (Jennifer Lawrence und Chris Pratt), deren Chemie, der eines billigen Chemiebaukastens für Fünftklässler gleicht. Glatt, öde, ununterhaltend. Schon vergessen.
Assassin's Creed: Science-Mittelalter Kitsch mit einer tollen Verfolgungsjagd. Justin Kurzel, der Regisseur, ist es schon in Macbeth gelungen Marion Cottillard und Michael Fassbender davon zu überzeugen, das lange ernste Blicke mit strengen Stirnfalten (er) und Tränen die am unteren Lidrand hängen (sie), sichere Zeichen großer Schauspielkunst sind. Verrückt, wie zwei wirklich gute Spieler auf solch pseudobedeutungsschwangeren Mumpitz reinfallen können. Beide haben Filme gemacht, in denen ich die Not ihrer Figuren fasziniert aus kaum sichtbaren Zeichen herausschälen mußte. Da war ich am arbeiten. Ich war der Entdecker der Verzweiflung. Und ich war glücklich. Shame oder Der Geschmack von Rost und Knochen zum Beispiel. Oder sie haben Spaßfilme gemacht, lustig, oberfächlich und genau, das, was mir versprochen wurde - X-Men oder The Dark Knight Rises. Und dann kommt so ein Herr Kurzel und findet scheinbar ihren schwachen Punkt und sie spielen für ihn was der Klischeebaukasten hergibt. Verrückt. 
Ich hab so sehr gern geweint auf der Bühne und hatte glücklicherweise das Glück, oft auf Regisseure zu treffen, die gesagt haben: "Schön, aber mach was anderes!"

http://johannaschall.blogspot.de/2015/12/macbeth-der-film-ein-gefuhlsporno.html

Samstag, 7. Januar 2017

Königsberger Klopse - Mhmmm!

DAS REZEPT
von einer mir unbekannten Oma Gertrud Stöcker, die schmeckbar, eine gute Köchin war.

Ick sitze da und esse Klops.
Uff eenmal kloppt's.
Ick sitze, kieke, wundre mir,

uff eenmal is se uff de Tür.
Nanu denk ick, ick denk nanu!
Jetzt is se uff erst war sie zu.
Und ick geh raus und kieke.
Und wer steht draußen?
Icke.


Das grenzt ans Philosophische. Wer ist dieser Icke? Wer öffnet die Tür? War da jemand? Bekloppt!

Sieht, zugegebenermaßen, ein wenig blass aus, aber der Geschmack ist subtil und erfreuend.
 
Das Klopslied ist ein Musikstück von Kurt Weill aus dem Jahre 1925, das er für eine Sopran- oder Tenorstimme komponierte. Begleitet wird die Stimme von zwei Piccoloflöten und einem Fagott. Bei dem Text handelt es sich um einen alten volkstümlichen nicht datierbaren Reim in Berliner Mundart. (Wiki)

https://www.youtube.com/watch?v=RInWl9p38BA 

Was sagt Wiki? Königsberger Klopse, auch Saure Klopse, Kapernklopse, Soßklopse oder in der DDR Kochklopse genannt, sind eine ostpreußische Spezialität aus gekochten Fleischklößen in weißer Sauce mit Kapern.
KOCHKLOPS. Was für ein scheußliches Wort, aber das Zeug in der Schulspeisung schmeckte so, wie das Wort klingt. Ich dachte bisher, das sei Krankenhausnahrung, Diät für zarte Mägen, ein Irrtum, das schmeckt, obwohl ich gestehen muß, dass die Verwendung von Kalbsgehacktem, muß bestellt werden und ist teuerer, geholfen hat. Die weitverbreitete Arme-Leute-Variant arbeitet mit Rinder- und Schweinehack halbehalbe und ersetzt die Sardellen durch Salzhering.

Fakten zu den Königsberger Klopsen 

Ostpreußenhlied

Sie sagen all, du bist nicht schön
mein trautes Heimatland;
Du trägst nicht stolze Bergeshöh'n,
nicht rebengrün Gewand;
In deinen Lüften rauscht kein Aar,
es grüßt kein Palmenbaum,
doch glänzt der Vorzeit Träne klar
an deiner Küste Saum.

1884 Johanna Ambrosius

Das Ende des Kalten Krieges hat uns die Chance eines neuen, unverkrampften Zugangs eröffnet. Als Folge von Flucht und Vertreibung und des Kalten Krieges waren die deutschen Erinnerungsorte im Osten politisiert und instrumentalisiert. Es gab aber auch so viel Schmerz bei diesem Thema, dass vieles tabu war. Seit die jüngeren Generationen frei dorthin reisen, nehmen sie auch den heutigen Reichtum der Region wahr. Da wird dann nicht mehr einfach das von Eltern oder Großeltern projizierte Bild der verlorenen Heimat abgerufen, es entsteht etwas Eigenes, sehr Spannendes, indem man Polen, Tschechen, Ukrainer, Russen kennenlernt, die heute dort leben. Bei vielen deutsch-polnischen oder deutsch-tschechischen Initiativen sind überproportional viele Nachkommen von Vertriebenen dabei.  
...
Wer hat unser Ostpreußenbild bestimmt? Sowohl vor dem Krieg als auch bis in die achtziger Jahre waren das fast ausschließlich Adlige - Marion Gräfin Dönhoff, Hans Graf von Lehndorff, Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten, Esther Gräfin von Schwerin. Dadurch haben wir die Vorstellung, dass Adlige durch ostpreußische Landschaften reiten, liebevoll-paternalistisch mit ihren Untertanen sprechen, die Gutsherren sorgen für Ordnung. 
Osteuropahistoriker Andreas Kossert


http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelgeschichte/d-76574289.html

Freitag, 6. Januar 2017

Leidenschaft ist sexy

http://www.prosieben.de/tv/galileo/videos/2016203-der-weltbeste-espresso-clip

Katsu Tanaka führt einen kleinen Kaffeeausschank in Tokio und serviert, so wird behauptet, den besten Espresso der Welt. Wie auch immer, er liebt es Kaffee zu brühen, tut es mit Leidenschaft. Und wahre Leidenschaft finde ich enorm sexy.

Wiki definiert das so: Leidenschaft (gesteigert, aber als Begriff abkommend: Inbrunst) ist eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion. Sie umfasst Formen der Liebe und des Hasses, wird aber auch für religiösen, moralischen oder politischen Enthusiasmus benutzt und beschreibt die intensive Verfolgung von Zielen von beispielsweise Kunstliebhabern, Sammlern oder von Tierfreunden. Im ursprünglichen Sinn schwingt der Beilaut von etwas Zerstörerischem oder Leiden Schaffendem mit. Im heutigen Alltagssprachgebrauch hat der Begriff diese Konnotation eher selten; 'Leidenschaft' wird oft wertfrei oder positiv konnotiert (siehe auch Liebesbeziehung).

Meine Blogfreundin Silvia ist leidenschaftliche Amateurastronomin, sie gerät regelmäßig, wenn sie darüber schreibt, in den Bereich der Poesie. Die Lieblingsnichte ist begeisterte Reiterin und kein Wetter, keine Zeitnot, keine Zusatzpflicht entringt ihr je ein Wort der Beschwerde. Meine beste Freundin hat im tiefsten Winter in einer ungeheizten usbekischen Schule Siebenjährige unterrichtet, und sie dabei unentwegt in Bewegung gehalten, um frühkindliches Erfrieren zu verhindern, und hatte Spaß dabei. Mein Vater hat noch mit 60 vor jeder Vorstellung eine Stunde Körpertraining und noch eine mit Stimmübungen absolviert. Leider sind auch Terroristen sehr leidenschaftlich.

Welches Glück ist es, wenn man seine Leidenschaft findet und sie nicht von der zerstörerischen Art ist.

Ich wäre ein mittelmäßiger Arzt geworden, ein nicht wirklich fleissiger Physiker und ein mittelmäßig lahmarschiger Lehrer, aber bei dem was ich liebe, bin ich überaus fleissig, brennend interessiert und habe selten das Gefühl, besondere Anstrengung & Mühe aufbringen zu müssen. Ein Glücksfall! Ich kann nix anderes, ich will nix anderes, und solange man mir die Möglichkeit gibt, tue ich nix anderes. Und in meiner Freizeit gucke ich dann auch noch nix anderes. Theater.

Leidenschaft ist, leider, nicht mit Begabung oder Talent zu verwechseln, manche großen Liebhaber waren totale Katastrophen. Für ihre Umwelt. Aber sie waren tief innen glücklich, trotz aller Zweifel. Wahre Liebe ist halt wettbewerbsuntauglich.



Der letzte Satz den Florence Foster Jenkins, die völlig gesangstalentfreie aber leidenschaftliche Opernsängerin in der Verfilmung von Stephen Frears spricht, bringt es auf den Punkt: 
"They can say that I coudn't sing, but they can't say that I didn't sing."
"Sie können sagen, dass ich nicht singen konnte, aber sie können nicht sagen, dass ich nicht gesungen habe."

Donnerstag, 5. Januar 2017

John Höxter - Der Dante des Romanischen Cafes



Ich bin noch ein ungeübter Selbstmörder

Vom Romanischen Café ist nichts übrig, da wo Tauentzien und Budapester Straße zusammentreffen, gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, erhebt sich heute das Europa-Center.
John Höxter war einst ständiger Gast dieses Cafes. Er war ein nicht sehr fleissiger Dichter & Maler, ein Junkie, ein Talent, ein Schnorrer, ein Unikum, ein blasser Schatten unserer gemeinsamen Geschichte.
Nach den Novemberpogromen 1938 hängte sich John Höxter, deutscher Jude aus Hannover, um der "dauernd wachsenden Entwürdigung" zu entgehen, im Grunewald an einem Baum auf.


Wir sitzen im Café auf Verdacht
Wir wissen nicht, wo wir bleiben zur Nacht.
Wir schlafen uns in der Ringbahn aus; wo wir erwachen,
Sind wir zu Haus.
Aus "Apropoésies bohémiennes" 1927


Wenn ich wollte, was ich könnte,
Könnt' ich eher, was ich wollte;
Doch wie will ich wollen können,
Und wie kann ich können wollen
Ohne Muß zum Können wollen,
Da man wollen kann, wer muß!
Müßt' ich wirklich, was ich müssen wollte,
Könnt' ich sicher, was ich können muß.
Seht! Ein Mann, der manches können könnte,

Wenn der gute Mann nur wollen wollte.
Er verstummt und macht vorzeitig Schluß,
Weil (nach Nathan) kein Mensch müssen muß!


IGNORABIMUSELMANISCH

Ich will das Wie nicht wissen noch das Was;
Den Nießnutz nur von Ja und Nein (für Naß!),
Den echten Schein der Summe des Seins,
Der Dreiheit, der Zweiheit und der Eins.
(Die Drei dehnt des Denkens dunkle Dimension,
Zwei spiegelspaltet, Zwist und Zwang zum Lohn,
Die einsame Eins kann nichts weiter tun
Als im Ueberallhier immernun zu ruhn.)
Die Welt ward bestmöglich effektuiert,
Unterleibnitz hat nie Oberleibnitz geniert;
Ich vermißmutmaße in seinem Attest
Einen schwer zu tragenden, peinlichen Rest.
Gern verzicht’ ich auf Fichtes Weltvernicht-ichtung,
Aus Hegelexegese les’ ich Hexendichtung,
Der juvenile Absolütiti
Liegt mir so fern wie Otahaiti;
Indifferentier und kosmosaisch
Scheint die Kompr0misere mir höchst prosaisch!
Trotz des Erkenntnisbetriebes Ungewissensbissen
Sperrsitz’ ich fröhlich v o r den Weltkulissen.

SO LEBTEN WIR

Ende Oktober ließ der Jenaer Verein  POESIE SCHMECKT GUT e.V. vor dem neuen „Romanischen Cafe“ in Berlin mit Unterstützung der Initiative Stolpersteine Charlottenburg-Wilmersdorf einen Stolperstein für John Hoexter verlegen: „Im Anschluss an diese Verlegung besuchten wir den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee und wollten dort die Grabstätte von John Hoexter besuchen. In der Friedhofsverwaltung gab man uns einen detaillierten Plan, der es uns erst ermöglichte, die Begräbnisstelle überhaupt zu lokalisieren. Der Anblick, der sich bot, schockierte zutiefst. Tief erschüttert mussten wir feststellen, dass jede Spur von einem Grab nicht nur getilgt oder nie existent war, sondern dass direkt auf dem Fleck, unter dem John Hoexter begraben liegt, ein Müllcontainer für Grababfälle stand. Wir haben den Container entfernt und eine kleine provisorische Grabstätte hergerichtet. Dieses nur notdürftige Provisorium möchten wir nun gerne durch eine würdige Grabstelle ersetzt wissen." 


Friedrich Hollaender schrieb über Höxter diese Strophe 
(aus der Revue "Bei uns um die Gedächtniskirche rum"):
Ich pendle langsam zwischen allen Tischen.
Ab zwanzig Uhr beherrsch ich dieses Reich.
Ich will mir einen edlen Gönner fischen.
Vor mir sind Rassen und Parteien gleich.
Irrenärzte, Komödianten,
Junge Boxer, alte Tanten,
Jeder kommt mal an die Reihe
Jeder kriegt von mir die Weihe:
Könnse mir fünfzig Pfennige borgen?
Nur bis morgen?
Ehrenwort!
John Höxter Bildnis einer Dame mit Hut
Und Höxter hat das letzte Wort:
»Fremde Städte schaffen uns’re Moden
Ernten sammeln wir auf fremden Boden
Fremde Worte bilden uns’re Sprache
Fremde Nöte wurden uns’re Sache ...«

BUCKOWER ELEGIEN - Traurig


Deutschland - Ostgebiete - 1953 und 1954

Ein nicht mehr junger Dichter sitzt an einem wunderschönen Ort im Brandenburgischen und schreibt Gedichte. Er hat bis dahin ein anstrengendes Leben geführt. Aus der Kleinstadt in die Großstadt, aus der Heimat vertrieben in die Fremde, die ihn nicht willkommen heißt, und dann wieder zurück nach Hause mit großer Hoffnung, vielleicht auch wider besseres Wissen. Und nun, kurz vor seinem Tod, von dem er noch nichts weiß, aber vielleicht eine Ahnung hat, das Herz schlägt schneller, will er wahrhaftig sein, ideologiefrei, doch angstvoll und vorsichtig. Denn der Verlust der Hoffnung wäre wahrhaft tödlich.

1

DER BLUMENGARTEN
Am See, tief zwischen Tann und Silberpappel
Beschirmt von Mauer und Gesträuch ein Garten
So weise angelegt mit monatlichen Blumen
Daß er vom März bis zum Oktober blüht.
Hier, in der Früh, nicht allzu häufig, sitz ich
Und wünsche mir, auch ich mög allezeit
In den verschiedenen Wettern, guten, schlechten
Dies oder jenes Angenehme zeigen.

2

GEWOHNHEITEN, NOCH IMMER
Die Teller werden hart hingestellt
Daß die Suppe überschwappt.
Mit schriller Stimme
Ertönt das Kommando: Zum Essen!
Der preußische Adler
Den Jungen hackt er
Das Futter in die Mäulchen.

3

RUDERN, GESPRÄCHE
Es ist Abend. Vorbei gleiten
Zwei Faltboote, darinnen
Zwei nackte junge Männer.
Nebeneinander rudernd Sprechen sie. Sprechend
Rudern sie nebeneinander.

4

DER RAUCH
Das kleine Haus unter Bäumen am See
Vom Dach steigt Rauch
Fehlte er
Wie trostlos dann wären
Haus, Bäume und See.

5

HEISSER TAG
Auf den Knien die Schreibmappe
Sitze ich im Pavillon. Ein grüner Kahn
Kommt durch die Weide in Sicht. Im Heck
Eine dicke Nonne, dick gekleidet. Vor ihr
Ein ältlicher Mensch im Schwimmanzug, wahrscheinlich ein Priester.
An der Ruderbank, aus vollen Kräften rudernd
Ein Kind. Wie in alten Zeiten! denke ich
Wie in alten Zeiten!

6

BEI DER LEKTÜRE EINES SOWJETISCHEN BUCHES
Die Wolga, lese ich, zu bezwingen
Wird keine leichte Aufgabe sein. Sie wird
Ihre Töchter zu Hilfe rufen, die Oka, Kama, Unsha, Wetluga
Und ihre Enkelinnen, die Tschussowaja, die Wjatka.
Alle ihre Kräfte wird sie sammeln, mit den Wassern aus siebentausend Nebenflüssen
Wird sie sich zornerfüllt auf den Stalingrader Staudamm stürzen.
Dieses erfinderische Genie, mit dem teuflischen Spürsinn
Des Griechen Odysseus, wird alle Erdspalten ausnützen
Rechts ausbiegen, links vorbeigehn, unterm Boden
Sich verkriechen - aber, lese ich, die Sowjetmenschen
Die sie lieben, die sie besingen, haben sie
Neuerdings studiert und werden sie
Noch vor dem Jahre 1958 bezwingen.
Und die schwarzen Gefilde der Kaspischen Niederung
Die dürren, die Stiefkinder
Werden es ihnen mit Brot vergüten.

7

GINGE DA IN WIND
Könnte ich ein Segel stellen.
Wäre da kein Segel
Machte ich eines aus Stecken und Plane.

8

DER RADWECHSEL
Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?

9

DIE LÖSUNG
Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?

10

BÖSER MORGEN
Die Silberpappel, eine ortsbekannte Schönheit
Heut eine alte Vettel. Der See
Eine Lache Abwaschwasser, nicht rühren!
Die Fuchsien unter dem Löwenmaul billig und eitel.
Warum?
Heut nacht im Traum sah ich Finger, auf mich deutend
Wie auf einen Aussätzigen. Sie waren zerarbeitet und
Sie waren gebrochen.
Unwissende! schrie ich
Schuldbewußt.

11

DIE NEUE MUNDART
Als sie einst mit ihren Weibern über Zwiebeln sprachen
Die Läden waren wieder einmal leer
Verstanden sie noch die Seufzer, die Flüche, die Witze
Mit denen das unerträgliche Leben
In der Tiefe dennoch gelebt wird.
Jetzt
Herrschen sie und sprechen eine neue Mundart
Nur ihnen selber verständlich, das Kaderwelsch
Welches mit drohender und belehrender Stimme gesprochen wird
Und die Läden füllt – ohne Zwiebeln.
Dem, der Kaderwelsch hört
Vergeht das Essen.
Dem, der es spricht
Vergeht das Hören.

12

GROSSE ZEIT, VERTAN
Ich habe gewußt, daß Städte gebaut wurden
Ich bin nicht hingefahren.
Das gehört in die Statistik, dachte ich
Nicht in die Geschichte.
Was sind schon Städte, gebaut
Ohne die Weisheit des Volkes?

13

DER EINARMIGE IM GEHÖLZ
Schweißtriefend bückt er sich
Nach dem dürren Reisig. Die Stechmücken
Verjagt er durch Kopf schütteln. Zwischenden Knieen
Bündelt er mühsam das Brennholz. Ächzend
Richtet er sich auf, streckt die Hand hoch, zu spüren
Ob es regnet. Die Hand hoch
Der gefürchtete S. S. Mann.

14

LEBENSMITTEL ZUM ZWECK
An Kanonen gelehnt
Teilen die Söhne Mac Carthys Schmalz aus.
Und in unendbarem Zug, auf Rädern, zu Fuß
Eine Völkerwanderung aus dem innersten Sachsen.
Wenn das Kalb vernachlässigt ist
Drängt es zu jeder schmeichelnden Hand, auch
Der Hand seines Metzgers.

15

BEI DER LEKTÜRE EINES SPÄTGRIECHISCHEN DICHTERS
In den Tagen, als ihr Fall gewiß war
Auf den Mauern begann schon die Totenklage
Richteten die Troer Stückchen grade, Stückchen
In den dreifachen Holztoren, Stückchen.
Und begannen Mut zu haben und gute Hoffnung.
Auch die Troer also ...

16

TANNEN
In der Frühe
Sind die Tannen kupfern.
So sah ich sie
Vor einem halben Jahrhundert
Vor zwei Weltkriegen
Mit jungen Augen.

17

DER HIMMEL DIESES SOMMERS
Hoch über dem See fliegt ein Bomber.
Von den Ruderbooten auf
Schauen Kinder, Frauen, ein Greis.
Von weitem
Gleichen sie jungen Staren, die Schnäbel aufreißend
Der Nahrung entgegen.

18

LAUTE
Später, im Herbst
Hausen in den Silberpappeln große Schwärme von Krähen
Aber den ganzen Sommer durch höre ich
Da die Gegend vogellos ist
Nur Laute von Menschen rührend.
Ich bin's zufrieden.

19


DIE MUSEN
Wenn der Eiserne sie prügelt
Singen die Musen lauter.
Aus gebläuten Augen Himmeln sie ihn hündisch an.
Der Hintern zuckt vor Schmerz
Die Scham vor Begierde.

20

VOR ACHT JAHREN
Da war eine Zeit
Da war alles hier anders
Die Metzgerfrau weiß es.
Der Postbote hat einen aufrechten Gang.
Und was war der Elektriker?
 


Bertolt Brecht: Buckower Elegien
In: Bertolt Brecht: Gedichte 2. Sammlungen 1938-1956. Berlin, Weimar, Frankfurt am Main 1988. S. 305-315. Kommentar S. 444-450
Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Herausgegeben von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. Band 12

Dienstag, 3. Januar 2017

SELIG - ein echt chinesisches Restaurant

In der Kantstraße 51, in 10625 Berlin, befindet sich das

SELIG,

ein chinesisches Restaurant, das außerordentlich schmackhafte Hunan-Küche anbietet und zwar solche, die auch Chinesen mit Genuß essen würden, bewiesen durch die ungewöhnlich große Anzahl von chinesisch-aussehenden Gästen. Ich hoffe, hier handelt es sich meinerseits nicht um "racial profiling". 
Hunan ist übrigens die Heimatprovinz von Mao Zedong, dem üblen Namensgeber des Maoismus, deshalb hängt wohl ein Portrait des großen Vorsitzenden an zentraler Position.
Das Dekor und die Einrichtung sind gemütlich, aber schlampig, für mich ein indirekter, aber schlagender Beweis für die Qualität der Küche. Ob in London, Toronto oder anderswo, schicke, stylische Chinesen hatten immer miese Küche, mit nur einer Ausnahme, und ich habe sehr viele Restaurants ausprobiert.
Der Service ist schnell, freundlich und freundlich willig, die Gerichte näher zu erklären. 
Wir haben unsere Bestellung einfach in die Hände unserer Kellnerin gelegt: "Bringen sie uns, was auch sie gerne essen würden, alles außer Hühnerfüße." 
Ich esse übrigens fast alles, Ausnahmen sind: Schafsaugen, die mir einst auf einem bulgarischen Hochzeitsfest als Ehrengast angeboten wurden, Fischmäuler und Hühnerfüße, Bestandteile einer sagenhaften chinesischen Suppe in New York, und wie ich beobachten konnte, Lieblingssnack chinesischer Gäste des Selig, Lungenhaschee und Flecken.
Jedes Gericht hier schmeckte ganz eigen, unverwechselbar. Scharf, knusprig, unerwartet gemischt, frisch und gebraten, alles kam vor und als ich nicht mehr konnte, haben meine Mitesser beim Nachtisch, frittierter Sahne, beseligt wie kleine Kinder, die Augen verdreht.
Beseligt im Selig. 


Wenn ihr gegessen und getrunken habt, seid ihr wie neu geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu eurem Geschäft.
Johann Wolfgang von Goethe im Götz von Berlichingen 

http://images.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fberlinfoodstories.com%2Fwp-content%2Fuploads%2F2016%2F03%2FSelig-Berlin-Chinese.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fberlinfoodstories.com%2F2016%2F03%2F08%2Fselig%2F&h=1600&w=2400&tbnid=UoAon7wwN57wsM%3A&vet=1&docid=BkEOeJ7HBH-TgM&ei=swtsWJnAI4b6UurEtMgB&tbm=isch&client=firefox-b&iact=rc&uact=3&dur=2906&page=0&start=0&ndsp=17&ved=0ahUKEwjZ5bOs6qbRAhUGvRQKHWoiDRkQMwgfKAUwBQ&bih=573&biw=1192
 
Hunan liegt am Mittellauf des Jangtsekiang. Im Süden wird Hunan durch die Nan Ling genannten Gebirge von Guangdong begrenzt. Den Namen trägt die Provinz aufgrund ihrer Lage südlich der Seenregion an der Grenze zu Hubei entlang des Jangtsekiang, sagt Wiki. 

Sonntag, 1. Januar 2017

Ein Käfig ging einen Vogel suchen

Es gibt Abende, an denen alles stimmt und die doch, für mich, nicht wirklich funktionieren.

Ein Mann, zu sechst, im panischen Hamsterkäfig. Ein Bühnenbild vom Feinsten, wabenartig gestapelte Räume, schiefwinklig, einander ähnelnd, die 80er grüßen. Die Spieler tragen perfekt funktionierende Ganzgesichtsmasken, die aber freie Bewegung des Mundes zulassen. Toller Effekt, und sicher schweißtreibend für die Darsteller. Sechs Männerdarsteller, von denen eine eine Frau ist, eine Erzählerin, Nele Rosetz, und ein weibliches Zwillingspaar, Laura Goldfarb und Lisa Quarg, dass sein Vorbild offensichtlich in Kubricks "Shining" hat. Perfekte Choreographie, für Momente sogar umwerfend, dazu kommt eine hochprofessionelle Sprachbehandlung in enormem Tempo.

Aber durchgehende gleichbleibende Geschwindigkeit läßt die Spieler einander im Laufe des Abends ähnlicher werden, "Alle Männer werden zu einem Mann", sie erschöpft die Ohren und Ironie ist, ein Kühlmittel für mein Herz. Ein wenig mehr Geduld, ein bisschen mehr zweifelnde Empathie wären hilfreich gewesen, denke ich. Man sollte vielleicht als Regisseur nicht darauf bestehen, dass man in jeder Minute schlauer ist, als die Figuren. Ein gefälltes Urteil, auch wenn es gerecht ist, erweckt irgendwie den Eindruck von kühlem Besserwissen. Eine Befragung, unsicher, gefährdet, läßt mich ein.


Das sind die Kafkaerzählungen, die ich erkannt habe:

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Der Bau

Schakale und Araber