Donnerstag, 5. Januar 2017

John Höxter - Der Dante des Romanischen Cafes



Ich bin noch ein ungeübter Selbstmörder

Vom Romanischen Café ist nichts übrig, da wo Tauentzien und Budapester Straße zusammentreffen, gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, erhebt sich heute das Europa-Center.
John Höxter war einst ständiger Gast dieses Cafes. Er war ein nicht sehr fleissiger Dichter & Maler, ein Junkie, ein Talent, ein Schnorrer, ein Unikum, ein blasser Schatten unserer gemeinsamen Geschichte.
Nach den Novemberpogromen 1938 hängte sich John Höxter, deutscher Jude aus Hannover, um der "dauernd wachsenden Entwürdigung" zu entgehen, im Grunewald an einem Baum auf.


Wir sitzen im Café auf Verdacht
Wir wissen nicht, wo wir bleiben zur Nacht.
Wir schlafen uns in der Ringbahn aus; wo wir erwachen,
Sind wir zu Haus.
Aus "Apropoésies bohémiennes" 1927


Wenn ich wollte, was ich könnte,
Könnt' ich eher, was ich wollte;
Doch wie will ich wollen können,
Und wie kann ich können wollen
Ohne Muß zum Können wollen,
Da man wollen kann, wer muß!
Müßt' ich wirklich, was ich müssen wollte,
Könnt' ich sicher, was ich können muß.
Seht! Ein Mann, der manches können könnte,

Wenn der gute Mann nur wollen wollte.
Er verstummt und macht vorzeitig Schluß,
Weil (nach Nathan) kein Mensch müssen muß!


IGNORABIMUSELMANISCH

Ich will das Wie nicht wissen noch das Was;
Den Nießnutz nur von Ja und Nein (für Naß!),
Den echten Schein der Summe des Seins,
Der Dreiheit, der Zweiheit und der Eins.
(Die Drei dehnt des Denkens dunkle Dimension,
Zwei spiegelspaltet, Zwist und Zwang zum Lohn,
Die einsame Eins kann nichts weiter tun
Als im Ueberallhier immernun zu ruhn.)
Die Welt ward bestmöglich effektuiert,
Unterleibnitz hat nie Oberleibnitz geniert;
Ich vermißmutmaße in seinem Attest
Einen schwer zu tragenden, peinlichen Rest.
Gern verzicht’ ich auf Fichtes Weltvernicht-ichtung,
Aus Hegelexegese les’ ich Hexendichtung,
Der juvenile Absolütiti
Liegt mir so fern wie Otahaiti;
Indifferentier und kosmosaisch
Scheint die Kompr0misere mir höchst prosaisch!
Trotz des Erkenntnisbetriebes Ungewissensbissen
Sperrsitz’ ich fröhlich v o r den Weltkulissen.

SO LEBTEN WIR

Ende Oktober ließ der Jenaer Verein  POESIE SCHMECKT GUT e.V. vor dem neuen „Romanischen Cafe“ in Berlin mit Unterstützung der Initiative Stolpersteine Charlottenburg-Wilmersdorf einen Stolperstein für John Hoexter verlegen: „Im Anschluss an diese Verlegung besuchten wir den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee und wollten dort die Grabstätte von John Hoexter besuchen. In der Friedhofsverwaltung gab man uns einen detaillierten Plan, der es uns erst ermöglichte, die Begräbnisstelle überhaupt zu lokalisieren. Der Anblick, der sich bot, schockierte zutiefst. Tief erschüttert mussten wir feststellen, dass jede Spur von einem Grab nicht nur getilgt oder nie existent war, sondern dass direkt auf dem Fleck, unter dem John Hoexter begraben liegt, ein Müllcontainer für Grababfälle stand. Wir haben den Container entfernt und eine kleine provisorische Grabstätte hergerichtet. Dieses nur notdürftige Provisorium möchten wir nun gerne durch eine würdige Grabstelle ersetzt wissen." 


Friedrich Hollaender schrieb über Höxter diese Strophe 
(aus der Revue "Bei uns um die Gedächtniskirche rum"):
Ich pendle langsam zwischen allen Tischen.
Ab zwanzig Uhr beherrsch ich dieses Reich.
Ich will mir einen edlen Gönner fischen.
Vor mir sind Rassen und Parteien gleich.
Irrenärzte, Komödianten,
Junge Boxer, alte Tanten,
Jeder kommt mal an die Reihe
Jeder kriegt von mir die Weihe:
Könnse mir fünfzig Pfennige borgen?
Nur bis morgen?
Ehrenwort!
John Höxter Bildnis einer Dame mit Hut
Und Höxter hat das letzte Wort:
»Fremde Städte schaffen uns’re Moden
Ernten sammeln wir auf fremden Boden
Fremde Worte bilden uns’re Sprache
Fremde Nöte wurden uns’re Sache ...«

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