Freitag, 22. Mai 2015

Die Gärtnerin von Versailles - A Little Chaos - Ein öder Film



Galaxy Quest

Alan Rickman spricht das Sonett 130 von W. Shakespeare
https://www.youtube.com/watch?v=uAc_YuI9cLE

Alan Rickman in "Truly Madly Deeply" mit Juliet Stevenson
https://www.youtube.com/watch?v=AZ52td1GMT0

Alan Rickman in "Dogma"
https://www.youtube.com/watch?v=vnyo5T32LKk

Alan Rickman als Hans Gruber, Bösewicht in "Die Hard"
https://www.youtube.com/watch?v=TSdpRP_bVOM 

Alan Rickman, Alan Rickman, Alan Rickman...
Die Stimme, die Augen, das Timing...

 Sinn und Sinnlichkeit

All dies vorangestellt, muß ich zu meinem großen Bedauern sagen, dass sein zweiter Film als Drehbuchschreiber, Regisseur und Hauptdarsteller ein prätentiöses, unrhytmisches, langweiliges, ungelenkes Ding geworden ist. Schöne Bilder, schöne Kostüme, schöne Menschen, schöne Pflanzen können nichts gegen die überwältigende Humorlosigkeit und die Angestrengtheit schwitzenden Dialoge ausrichten. 
Ein großartiger Schauspieler nach dem anderen, kommt ins Bild, intoniert hölzern banale Sentenzen, chargiert tiefe Blicke und noch tiefere Pausen, man könnte sie auch Löcher nennen, und verkümmert. Da es ein Film über Gärtner ist, wäre, er geht ein wie eine Primel wohl genauer. Erstaunlich! 
Kate Winslet ist durchgehend bekümmert, Matthias Schoenaerts pausenlos melancholisch, Jennifer Ehle unentwegt spitzmündig und Alan, ja Alan ist wie ein blasser matter Schatten seiner selbst. 
Der Hof Ludwig des XIV. als eine Art Vorabendserienfamilie. Alle eigentlich lieb, nur sehr traurig. Wenn ich da an "Der König tanzt" denke. 
Und ich weiß nicht einmal wo der Film ursprünglich hinwollte, mit seinen irgendwie vagen, aber Bedeutung behauptenden Dialogen - "Wie hat du ihn angelegt? - Hintergründig!"
Echofetzen aus skandinavischen Beziehungsdramen oder Jasmin Reza, wenn sie schlecht übersetzt wird, schwer beschreibbar, aber erschöpfend und manchmal sogar (unfreiwillig) komisch. Wenn Kate Winslet eine sabotierte Schleuse zu schließen versucht, ins Wasser fällt und beinah ertrinkt, erwartet man unwillkürlich, dass Leonardo vorbeigeschwommen kommt. Wäre er doch.

Ach, Alan.



Robin Hood

Die Eisheiligen, die gar nicht eisig sind.


DIE EISHEILIGEN - DIE GESTRENGEN HERREN


  
Pankraz, Servaz, Bonifaz 
machen erst dem Sommer Platz.

Meine Freundin weiß, von ihren Eltern, dass erst nach der Kalten Sophie, Mitte Mai, Gurken, Erbsen, Bohnen gesät werden dürfen und vorher Geranien draußen erfrieren könnten.

 
Pankraz und Servaz sind zwei böse Brüder, 
was der Frühling gebracht, zerstören sie wieder.

Die Eisheiligen finden vom 11. Mai bis zum 15. Mai statt. Aber liegen eigentlich
zwischen dem 20. und 24. Mai!!! So ein Schlamassel!

Mamertus – Montag, 11. Mai 2015
Pankratius – Dienstag, 12. Mai 2015
Servatius – Mittwoch, 13. Mai 2015
Bonifatius – Donnerstag, 14. Mai 2015
Sophia von Rom - Kalte Sophie – Freitag, 15. Mai 2015

Vor Nachtfrost du nie sicher bist, 
bis Sophie vorüber ist.

Da sich die alten Bauernregeln auf den Julianischen Kalender beziehen und sich seit der Gregorianischen Kalenderreform 1582 die Daten verschoben haben, finden heutzutage die Kälteeinbrüche um mehr als eine Woche nach hinten verschoben statt, also erst ab ungefähr dem 20. Mai. Die Namenstage der Heiligen sind aber dennoch auf ihren alten Platz im Kalender verblieben.

http://www.eisheilige.info/
 
 Wetterstatistisch sind die Tage mit häufiger Nord-/Nordost-Wetterlage vom 21. Mai bis 23. Mai. Während dieser Wetterlage strömt Kaltluft von Nord oder Nordost. (Wiki)

Servaz muss vorüber sein, willst vor Nachtfrost sicher sein.

DIE EISHEILIGEN

Die Eisheiligen stehen mit steif gefrorenen Bärten,

aus denen der kalte Wind Schneekörner kämmt,

früh plötzlich in den blühenden Frühlingsgärten,

Nachzügler, Tross vom Winter, einsam, fremd.


Eine kurze Weile nur sind sie hilflos, betroffen,

dann stürzt die Meute auf den Blumenpfad.

Sie können nicht, sich lang zu halten, hoffen;

so wüsten sie in sinnlos böser Tat.



Von den Kastanien reißen sie die Kerzen

und trampeln tot der Beete bunten Kranz,

dem zarten, unschuldsvollen Knospenglück

bereiten sie hohnlachend Schmerzen,

zerstampfen junges Grün in geisterhaft verbissenem Kriegestanz.



Plötzlich mitten in all dem Toben und Rasen

ist ihre Kraft vertan,

und die ersten warmen Winde blasen

aus der Welt den kurzen Wahn.

Max Herrmann-Neisse

Mittwoch, 20. Mai 2015

Niemand ist eine Insel


NO MAN IS AN ILAND 
KEIN MENSCH IST EINE INSEL
KEIN MENSCH IST EIN ICHLAND

Donnes Porträt von 1595 gemalt von einem Unbekannten.
Hier lieg ich von der Lieb erschlagen



JOHN DONNE
Aus seiner Meditation über den folgenden Satz:
 
Nun, die Glocke sanft schlagend für einen andren, sagt mir, Du mußt sterben.
Nunc lento sonitu dicunt, morieris

Now, this Bell tolling softly for another, saies to me, Thou must die.  
 
Niemand ist eine Insel ganz für sich allein. Jedermann ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des festen Landes. Wäscht das Meer eine Scholle fort, wird ganz Europa ärmer, so, als ob eine Landzunge verschlungen würde oder ein Schloss, das deinen Freunden gehört oder dir selbst. Jedermanns Tod macht mich ärmer, denn ich bin hineinverstrickt in die Menschenwelt. Und deshalb verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt immer für dich.

No man is an island entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main. If a clod be washed away by the sea, Europe is the less, as well as if a promontory were, as well as in a manor of thy friend’s or of thine own were: any man's death diminishes me, because I am involved in mankind, and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee.

Übersetzung Johannes Mario Simmel. In Zweiundzwanzig Zentimeter Zärtlichkeit und andere Geschichten. Droemer Knaur 1979
Das "s" in island wurde erst in späterer Zeit dazugefügt.

Martin Droeshout
Einige Jahre vor seinem Tod 1631 gab Donne dieses Portrait in Auftrag,
wie er möglicherweise bei der Wiederauferstehung aussehen würde, im Totenhemd.


 


Kein Mensch ist eine Insel, ganz für sich allein;
jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Ganzen.
Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird, wird Europa weniger,
genauso als wenn’s eine Landzunge wäre,
oder das Haus deines Freundes oder dein eigenes.
Jedermanns Tod macht mich geringer, denn ich bin verstrickt in das Schicksal aller;
und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt;
sie schlägt für dich.

Übersetzer unbekannt 

Dienstag, 19. Mai 2015

BAAL & FAUST - ZORN & KONSUM


Und wenn Baal nur Leichen um sich sah
War die Wollust immer doppelt groß.
Man hat Platz, sagt Baal, es sind nicht viele da.
Man hat Platz, sagt Baal, in dieses Weibes Schoß.

b.b.


Vorgestern. "Baal" in der Inszenierung von Frank Castorf, nein, ich bin nicht die Brecht-Erbin, noch nicht, möge meine Mutter noch lange leben, gestern "Faust" im BE. Der eine Abend ist von großer Art, übervoll, zu lang, nicht lang genug. Da geht ein Riß durch die Welt und der wird hier nicht geleugnet werden. "Geschichten, die man versteht, sind nur schlecht erzählt." Eine Welt die erklärbar und erträglich ist, muß eine erlogene Welt sein. Der andere löst die Art persönlich peinlichen Ekel aus, den man vermutlich fühlt, wenn man mit leicht angelutschten Gummibären bespuckt werden würde. Hübsch. Nice. Schlimmer geht nicht.

Zwei kostspielige Bühnenbilder, das eine ein undurchdringlicher Zitatendschungel für Hochleistungsschauspieler, die selbst kurz vor dem physischen Kollaps noch in der Lage sind, klare und intelligente Kommentare zu ihrer Situation in eben diesem Abend zu liefern, das andere hochglänzender Background für nicht wirklich perfekt trainierte und, ob ihrer Austauschbarkeit, vermutlich ungeliebte Marionettendarsteller. Nur einer bekommt Raum, und nutzt ihn, Christopher Nel als, na, natürlich als Mephistopheles.

  Illustrationen aus einem Physiognomiebuch des 19. Jahrhunderts, 
Eusserste Verzweiflung & Zorn mit Forcht vermischt

Einerseits: Castorf aka "Frank Bertolt Brecht", hält die Welt nicht aus. Er ist Baal und all die andern. Theweleits Männerphantasien erobern die Bühne und ich bin Opfer und Mitarbeiter, Bewunderer und Kumpan. Castorf, einer, der politisches Theater macht, krasse, unrealisierbare humanistische Ansprüche stellt und an seiner Unfähigkeit damit aufzuhören, in Zeiten des politisch korrekten, larmoyanten, und damit garnichtsmeinenden, allgemeinmenschlichen und authentischen Theaters, verzweifelt, und doch nicht aufhört gegen den Konsens anzuschreien. Und es gelingt ihm, unvorstellbarer Weise sogar, dabei nicht den Humor zu verlieren. Andererseits - entläßt mich der Faust, zugegebenermaßen schon zur Pause, länger ging nicht, das Leben ist zu kurz, als zwischen Abneigung und Mitleid schwankende Gestalt, die möglichst schnell Abstand gewinnen will. Abneigung, weil so viel für so wenig vergeudet wird, Mitleid, weil sich hier ein großartiges Talent für eine uninteressante Matschproduktion verschwendet.

Und jedermann erwartet sich ein Fest.
Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen
Gelassen da und möchten gern erstaunen.
Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt;
Doch so verlegen bin ich nie gewesen:
Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,
Allein sie haben schrecklich viel gelesen.
Wie machen wir's, daß alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefällig sei?

Goethe Faust I 

"Baal" - Kritik in der BZ von Uwe Seidler 
"Faust" - Kritik von Uwe Seidler ebenda 

Samstag, 16. Mai 2015

Ich bin ein Alien - Hi, Hitler im BKA


Hi, Hitler

Lucie Pohl wurde mit einem Schnurrbart geboren. Ein zarter weicher brauner Flaum auf einer deutschen Babyoberlippe. Im zarten Alter von vier Jahren wollte sie als Hitler zum Kinderfasching gehen und wurde von ihrer jüdischen Mutter erschrocken, doch zartfühlend dazu überredet, es doch lieber als lebende Colaflasche zu versuchen.
Lucie Pohl ist ein erstklassiger, bilingualer und ziemlich unerschrockener Clown. 
Heute und morgen gastiert sie im BKA, vom 19. bis 23. Mai in Recklinghausen und am 25. & 26. Mai in Hamburg. Sie hat schon ungefähr 50 dieser Shows gespielt, in New York, in London & Edinburgh. Sie, ein Stuhl und ein paar Musikeinspielungen. Sie ist schnell, genau, grob und rabiat.
Ein Abend über den Pohl-Zirkus, ihre Familie, Versprengte und Heimatsuchende, Schwankende und Verschworene. Wo ist Heimat? Wo fühle ich mich zu Hause? Warum bin ich anders, als ...
Sie heult gern vor dem Spiegel, sie imitiert präzise die unterschiedlichsten Typen, sei es die chinesische Vermieterin in Soho, die zartbeschwingte Schwester oder die betrunkene Regisseurin in Berlin. Sie möchte, oh sie möchte sein, wie all die anderen, die Normalen. Die vermutlich auch heimlich das Gefühl haben, sie wären anders, als ...


Die Aliens sind wir selber

Eine Einfrau-Show in Englisch, in Deutsch, in mensch. 

Der Alien ist uns allen geläufig, als Bezeichnung für grünhäutige Besucher aus dem All, die die unsere Erde aus uns unbekannten Gründen mit Hilfe ihrer UFOs besuchen. Meine Eltern haben vor Jahren einen solchen Besuch  vorbereitet, als sie über dem ländlichen Brandenburg ein ovales Lichtgebilde am Himmel sichteten, sie haben eine Viertelstunden lang ernst und schwerwiegend überlegt, wie dieser "Erste Kontakt" zu gestalten sei, und waren dann schwer enttäuscht, als sich herausstellte, dass es sich nur um einen russischen Militärhubschrauber handelte. 
Ich habe in jugendlicher Faszination, die Bücher von Erich von Däniken verschlungen, und auch den Film "Erinnerungen an die Zukunft", der in den Siebzigern in der DDR im Kino lief, wie es dazu kam, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben, habe ich glaubenwollend und unkritisch in mich aufgesogen. Die Hoffnung auf etwas Fremdes, das besser wäre, als das, was ich kannte, ließ mich mein kritisches Urteilsvermögen leichtfertig übergehen.

Erinnerungen an die Zukunft ist ein deutscher Dokumentarfilm von Harald Reinl aus dem Jahr 1969 und basiert auf dem gleichnamigen Buch von Erich von Däniken. Der Film war 1971 für den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm nominiert. Die Erstaufführung war am 26. April 1970 in Deutschland und am 20. April 1973 in der DDR. Im Jahr 1986 erfolgte die Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung, mit neuen Kommentaren. (Wiki)



Alien, der Fremde, der Ausländer, der Außerirdische.

Lucie findet ihre Sicherheit endlich, als die USA ihr den Status eines "Aliens of extraordinary ability", eines Fremden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zugesteht. Sie ist immer noch ein Fremder, aber einer, der gewollt wird. Kann sie zaubern? Kann sie unheilbare Krankheiten heilen? Nein. Sie kann Menschen zum Lachen bringen. Hi! Hitler!

Alien of extraordinary ability is an alien classification by United States Citizenship and Immigration Services. The United States may grant a priority visa to an alien who is able to demonstrate “extraordinary ability in the sciences, arts, education, business, or athletics”, or through some other extraordinary career achievements.
It is known colloquially as a “genius visa” or "artists' visa" (many of the recipients are artists). It can be granted on non-immigrant or immigrant basis.

http://www.luciepohl.com/#!solo-show/c1u87

Dienstag, 12. Mai 2015

A Life Backward - Wer war Stuart Shorter?


Stuart Shorter, geboren als Stuart Clive Turner, am 19. of September 1968 in Cambridge, starb am 6. Juli 2002 in Waterbeach, Cambridgeshire, wahrscheinlich durch Selbstmord.

Ein Film, auf einer realen Lebensgeschichte basierend, über einen heroinsüchtigen, obdachlosen, zur heftigen Gewalttätigkeit neigenden Obdachlosen, der mich zum Heulen gebracht hat. 
Verfluchter Dreck, habe ich ein gesegnetes Leben.
Ich weiß nicht, wie gut die Synchronisation ist, der schlechte deutsche Titel läßt nichts Gutes ahnen, aber das Gucken lohnt sich auf jeden Fall. 
Warum können Briten sozial glaubhafte, nicht moralisierende und erschreckende Geschichten erzählen und wir nicht? Jeder Obdachlose in einem deutschen Film, scheint lautlos die Größe seines Talents, die ihm diese Darstellung ermöglicht, mitzuerzählen. Die Zähne sind weiß, das Kostüm sorgfältig verschmutzt, die Sprache leicht dialektgefärbt, aber gut verständlich. Sabber, Pisse und böser Witz kommen nicht vor.
Tom Hardy lallt zu Zeiten bis zur Unverständlichkeit, die Bomberjacke, die er trägt, gleicht derjenigen, die der Obdachlose vor meinem REWE auch hat. Er ist schlau und ekelig, unverfroren und er weiß genau, was wir von ihm denken.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Alexander Masters.
Masters zeigt sich darin weniger als ein außergewöhnlich guter Schriftsteller denn als ein außergewöhnlich mutiger Chronist, der aus seiner eigenen Hilflosigkeit nie einen Hehl macht. Es ist dieselbe Hilflosigkeit, die im gesellschaftlichen Umgang mit Obdachlosen ansonsten nur allzugern verschwiegen wird. 
FAZ
 


A Life Backward - Wer war Stuart Shorter?
Drama, GB 2007
Wie wurde ich, was ich bin?


"Ich war wirklich überrascht, als ich dich getroffen habe, Alexander. Ich dachte immer, mit Leuten aus der Mittelschicht ist irgendwas nicht in Ordnung. Aber die sind ganz normal. Das hat mich echt geschockt." 
"Das kurze Leben des Stuart Shorter" ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Schriftsteller und Illustrator ("ein Mittelschichts-Arschloch, wenn man ehrlich ist, Alexander") und einem chaotischen Obdachlosen, den er bei einer Kampagne kennen lernt, die zwei Sozialarbeiter aus dem Gefängnis befreien soll. Damit verwoben ist Stuarts Bekenntnis: die Geschichte seines Lebens, ganz unten. Mit Witz und Mitgefühl arbeitet sich Masters durch Postüberfälle und Gefängniskrawalle zurück bis zu dem Tag, an dem Stuart die Gewalt für sich entdeckt - um zu begreifen, warum sich ein fröhlicher kleiner Junge in eine drogen- und alkoholsüchtige Dr.Jekyll-und-Mr.Hyde-Persönlichkeit verwandelt hat. Alexander Masters ist ein ungewöhnliches Buch gelungen, eine Biografie, die die Besonderheit eines Lebens erzählt und einen Einblick in Verhältnisse gewährt, die für immer mehr Menschen Realität sind. 
Eine Mischung aus mehreren Rezensionen

Rezension des zugrundeliegenden Buches, Unbedingt leseswert!
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/wer-war-stuart-shorter-1386395.html 
 

Montag, 11. Mai 2015

Petrichor - Der Geruch des Regens auf trockener Erde


Es gibt Worte, die sagen, was nicht zu sagen ist.

Petrichor 
 
Ruhe. Trockenheit. Süße. Hitze. Erde. Dichte. Unbeweglichkeit. Durst
trifft auf 
Leichtigkeit. Eile. Helligkeit. Auflösung, Geruchlosigkeit. Sättigung. Feuchtigkeit.

Festigkeit auf Tropfen.
Fläche auf kleinste Teile.
Schoß auf Sättigung. 
Erwartung auf Erfüllung.
  


Petrichor

Wiki schreibt:
Der Begriff Petrichor bezeichnet den Geruch von Regen auf trockener Erde. Das Wort leitet sich aus dem Griechischen ab. Das Wort petros bedeutet Stein und ist kombiniert mit Ichor, der Flüssigkeit, die, nach der griechischen Mythologie, in den Adern der griechischen Götter fließt.
Der Begriff wurde 1964 von zwei australischen Forschern, I.J. Bear und R.G. Thomas, in einem Artikel für die Fachzeitschrift Nature geprägt. Im Artikel beschreiben die Autoren, wie der Geruch durch ein Öl entsteht, das bestimmte Pflanzen während Trockenperioden absondern, welches wiederum von Tonböden und Gesteinen adsorbiert wird. Während des Regens wird das Öl, zusammen mit einer anderen Verbindung namens Geosmin, in die Luft freigesetzt. Durch die Verbindung entsteht der markante Geruch. In einem Folgebericht zeigten Bear und Thomas 1965, dass das Öl die Keimung von Samen und das frühe Pflanzenwachstum verzögert.
 
http://www.zeit.de/2015/05/geruch-regen-stimmts 

Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin


Vorrede auf dem Theater:

Estragon: 
Wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi? 
Wladimir: 
Ja, ja. Wir sind Zauberer.
 Samuel Beckett "Warten auf Godot"


Arnold Schönberg
Moses und Aron 
Oper in drei Akten
1923 – 1937

Vorausgeschickt: obwohl ich wenig von moderner klassischer Musik verstehe, ihr sogar eher ängstlich begegne, habe ich heute in der Komischen Oper fast zwei Stunden fasziniert zugehört und -gesehen. Das hatte ich nicht erwartet und macht mich ziemlich froh. Es war anstrengend, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Textmitlesen und dem Bühnengeschehen zu folgen, hin und her springen mußte. Aber es war aufregend. Nicht, dass ich mit allen assoziativen Bildern glücklich war, aber ich hatte immerzu interessante Reibungspunkte. 
Mit mir waren fünf Studenten, vier Kanadier und eine Türkin, und wir haben im Anschluß fast zwei Stunden gestritten und haben dabei sogar unsere sehr unterschiedlichen Eindrücke einander verständlich mache können. Selten und großartig. 
Und der Chor ist unglaublich! Einhundert Sänger die, während sie diese komplizierte Musik singen, in jedem Augenblick die Spannung halten und offensichtlich immer genau wissen, was sie gerade denken, welche Haltung sie warum einnehmen. Intelligent choreographiert und intensiv gespielt. Bis zur ersten Stückprobe hatten sie bereits 100 musikalische Proben! 100!

Der Riß zwischen der Idee und ihrer Realisation, der Einbruch der Propaganda in die Utopie, der unüberbrückbare Graben zwischen dem Gedanken und seiner Wirklichwerdung - die Geschichte des letzten Jahrhunderts, und des jetzigen, als Fundus des Schreckens. 
Die Tödlichkeit der Ismusse. Faschismus, Stalinismus, Fundamentalismus - ein Reigen des Tötens.

MOSES 
Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!

Die letzten Worte die Moses in der Aufführung singspricht. 

Schönberg hat die Oper in Berlin geschrieben. Es ist ein Berlinstück, obwohl er ein jüdischer Österreicher durch und durch war. Er hat den letzten Takt von "Moses und Aron" in Berlin komponiert, kurz danach ging er 1933 ins Exil. Er hat die Oper im hereinbrechenden Schatten des Dritten Reichs geschrieben.
Barrie Kosky

Schönberg am 20. April 1923 in einem Brief an Kandinsky:

Was ich im letzten Jahr zu lernen erzwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert, und werde es nicht wieder vergessen. Dass ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin (wenigsten ziehen die Europäer die schlechtesten ihrer Rasse mir vor), sondern, dass ich Jude bin. Ich habe gehört, dass auch ein Kandinsky in den Handlungen der Juden nur Schlechtes und in ihren schlechten Handlungen nur das Jüdische sieht, und da gebe ich die Hoffnung auf Verständigung auf. Es war ein Traum. Wir sind zweierlei Menschen. Definitiv!"
Zwei Wochen später schrieb er abermals an Kandinsky:  


"Und da tun Sie mit und lehnen mich als Juden ab. Habe ich mich Ihnen denn angetragen ... Wie kann ein Kandinsky ... es unterlassen eine Weltanschauung zu bekämpfen, deren Ziel Bartholomäusnächte sind!" 
http://www.zeit.de/1964/44/die-erde-ist-kein-vergnuegungslokal 

Kurze Zusammenfassung der in der Oper zitierten biblischen Moses & Aaron Geschichte:
Nachdem Mose von Gott am brennenden Dornbusch zum Führer und Befreier Israels berufen worden war, kehrt er nach Ägypten zurück und trifft dort auf seinen Bruder. Gott macht Aaron zu Moses Sprecher und gemeinsam treten die Brüder vor den Pharao, um von ihm die Freiheit der Hebräer zu fordern. Anfangs wirkt er durch seinen Stab einige Wunder : Als er den Stab zu Boden wirft, wird dieser zur Schlange und verschlingt die Stab-Schlangen der ägyptischen Magier, er macht durch den Stab das Wasser des Nils zu Blut und läst die Frosch- und Stechmückenplage aus. Später ist nur noch berichtet, dass Moses so einen Stab hat, mit dem er Wunder vollbringt. Verglichen mit seinem dynamischen Bruder ist Aaron keine Führerpersönlichkeit. Nur an einer Stelle wird sein Name zuerst genannt, obwohl er der ältere Sohn ist, und nur zweimal spricht Gott direkt zu ihm. Zwar handelt Aaron zweimal auch unabhängig von Mose - doch beide Male geht es gründlich schief: Als Mose sehr lange auf dem Berg Sinai bleibt, wo er die 10 Gebote erhält, gibt Aaron dem Drängen des Volkes nach und errichtet ein goldenes Stierbild, das von den Hebräern als Götze angebetet wird. Von seinem Bruder zur Rede gestellt, schiebt Aaron alle Schuld dem Volk zu ....
Aus: In 18 Monaten durch die Bibel
http://www.its-gospel-time.de/index.php?option=com_glossary&func=view&Itemid=433&catid=124&term=Aaron 

Interview mit dem Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky.
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky 

Moses und Aron Chorprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=cFYvIYkDECE 

Sonntag, 10. Mai 2015

e.e. cummings - falls es himmel geben sollte wird meine mutter - if there are any heavens my mother



falls es himmel geben sollte wird meine mutter


Rebecca Haswell Clarke Cummings
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falls es himmel geben sollte wird meine mutter(ganz für sich)
einen haben. Es wird kein stiefmütterchenhimmel auch
kein zerbrechlicher himmel voller maiglöckchen sondern
es wird ein schwarzroter rosenhimmel sein.

mein vater wird(tief wie eine rose
hoch wie eine rose)sein

stehend nah meiner

(wiegend über ihr
still)
mit augen die wirklich blumenblätter sind und sehen

nichts mit dem gesicht eines dichters wirklich das
eine blume ist und nicht ein gesicht mit
händen
die wispern
dies ist mein geliebte meine

(plötzlich im sonnenlicht

wird er sich verneigen,

& und der ganze garten wird sich verneigen.
 
 Black Baccara Rose


if there are any heavens my mother will(all by herself)have
one. It will not be a pansy heaven nor
a fragile heaven of lilies-of-the-valley but
it will be a heaven of blackred roses

my father will be(deep like a rose
tall like a rose)

standing near my

(swaying over her
silent)
with eyes which are really petals and see

nothing with the face of a poet really which
is a flower and not a face with
hands
which whisper
This is my beloved my

(suddenly in sunlight

he will bow,

& the whole garden will bow) 

 
e.e. cummings 

Samstag, 9. Mai 2015

Theater hat auch Wirkung (auf mich)


Ich bin Mitte 50 (Wie ist das passiert?) und gehe immer noch oft und oft gern ins Theater. Ein Junkie, süchtig, nicht belehrbar. 
Im Lauf der Jahre haben sich Grundmuster für Theaterabende herausgeschält, die, verallgemeinernd, aber doch recht präzise, beschreiben, wie ich einem Theaterabend begegne und was er mit mir anstellt. (Ausnahmen sind erwünscht!)



1. Ich habe Spaß, lächle oder lache und weiß, wenige Stunden später, nicht mehr ganz genau was ich eigentlich gesehen habe. Pointen, Arrangements, Gesten bleiben hängen, der Zusammenhang löst sich schnell ins angenehm Vage auf. Habe ich ein schlechtes Gedächtnis? Sind zwei Stunden Vergnügen ein schätzenswerter Zeitraum? Oder vergeude ich hier Lebenszeit für Oberflächliches? Ist Lachen an sich ein Wert? Zwei Stunden waren meine Mundwinkel gravitationsgeschützt. Ist das genug? Muß es genug sein? Ist Amüsement ein Wert an sich? Manchmal - ja. Ja. 
In der zweiten Vorstellung "Der Spanischen Fliege" in der Volksbühne war der Spaß am Bühnenirrwitz beinah genauso groß, wie die Lust daran, den um mich herum sitzenden Berliner Intellektuellen, bei der Entscheidung zwischen Lachkrampf und vergeistigter Zurückhaltung zuzusehen.

2. Ich bin ein zu prüfender Student in einer Prüfung, von der ich nicht weiß, welches Fach angesetzt ist. Bin ich sensibel/schlau/offen/tief genug, zu verstehen, was verlangt wird? Der Prüfungsdruck ist erheblich. Kafka hätte seine Freude. Oft falle ich durch. Bin ich zu blöd/alt/verbohrt oder ist der Theaterabend nicht genügend? Will mich der Regisseur auf die Probe stellen? Will ich geprüft werden? Beweise ich mein Lebensrecht als Mensch/Kunstkonsument durch die bestandende Prüfung? Oder kann mich das arrogante Arschloch von Regisseur einfach mal am mir eigenen Arsch lecken? Ich bin gekommen, habe meine Karte bezahlt und muß mich erniedrigen/verachten lassen? Oder bin ich einfach denkfaul? Man will doch so gern dazugehören, zu denen die "IN" sind, trendy, up to date sind. Wie schütze ich mich vor der eigenen Harmoniesucht? 
Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst hieße es Wunst.
Aber, andererseits, die Gefährdung bequem, selbstgerecht und öde zu werden, ist nicht zu unterschätzen. 
Bob Wilson leicht und sicher abgelegt unter Design, veränderte sich unter der Erfahrung der Rekonstruktion seiner ersten großen Operninszenierung von "Einstein on the Beach". Auch wenn ich noch immer denke, dass er zu viel und zu selbstsicher und selbstzitierend arbeitet. 



3. Ich weiß eine halbe Stunde, im schlimmsten Fall zwei Stunden vorher, was stattfinden wird, 
und die Mühe meine Augenlider davon abzuhalten, sich zu senken, bzw. die Anstrengung meinen unabwendbaren Schlaf als intensives Nachdenken zu tarnen, erschöpfen mich vollständig.
Die Beispiele sind zahllos. Ich bin wohl ein arrogantes Arschloch oder habe einfach zuviel Theater gesehen.

4. Ich bin einverstanden. Nicht gut. Nicht schlimm. Nichts weiter. Manchmal ist es dann ein einzelner Spieler, eine Szene, die mich packt, weckt und tragisch verloren im Gesamtramsch ersäuft.

5. Ich bin ahnungslos, fassungslos, urteilslos und atemlos. Froh. Jahre später springen unerwartet Bilder, Szenen auf und erklären mir Welt oder zumindest mein eigenes wirres Verhalten. Menschen spielen, es wurde neu gedacht. "Das Trunkene Schiff" & "Othello" von Castorf, Armin Petras "Das Käthchen von Heilbronn", "Minna von Barnhelm" und und und. ... "Ödipus Stadt" am DT, "Onkel Wanja" in Ingolstadt, "Struwelpeter" von den Tiger Lillies, Vieles, sehr vieles als ich jung, naiv und ahnungslos war. Gott sei Dank gibt es das immer wieder, erhofft & ungeahnt.

Das ist geblieben: Das Zentrum der Theaterkunst ist der Spieler oder pc: die SpielerIn. Die postdramatische Situation ist eine von Dramaturgen erdachte, wir leben weiter dramatisch. Authentizität auf der Bühne ist eine pornographische Phantasie. Wir müssen selber leben. Auf der Bühne kann nur aus voller Seele lügend nach der Wahrheit gehascht werden. Ein Zipfel Wahrheit wird gepackt, ein Zipfel, gebt mir den Zipfel!
Gebt mir Fragen, Schönheit, Erkennbarkeit & Solidarität mit meiner Not. Gebt mir den Zipfel.

Ich sehe überall Konzepttheater. Zugunsten von Konzepten hat man den Schauspielern ihre ganze Wildheit, Kühnheit und Brillanz ausgetrieben! Herbert Fritsch



 Alle Photographien © Eolo Perfido

P.S. 
6. Ein unbenennbares Gefühl betrogen zu werden, läßt mich nicht los. Ist das Kunst oder Mist?