Mittwoch, 20. April 2011

Theater hat auch eine Schule

Es ist das Jahr 2011. Kabale und Liebe erster Akt, vierte Szene zum 33 467 899. Mal. Es ist das Jahr 2011.

Schauspielschulen, Wien, zum Beispiel, hat acht, neben dem Reinhardseminar auch das Schauspielstudio ACT & FUN.
In den drei deutschsprachigen Ländern gibt es etwa neunzig Schauspielschulen, staatliche und staatlich anerkannte private mit schätzungsweise vierhundert Absolventen im Jahr. Allein die Staatlichen Schulen schubsen jedes Jahr fast zweihundert junge hungrige Spieler auf einen immer
kleiner werdenden Markt.
 
 
Es beginnt mit einem Traum. Der Klassenclown träumt, die Schüchterne mit Zahnspange, Akne und Brille träumt, der, der so schön Gitarre spielen kann, träumt. Manche von der Bühne, einige vom Fernsehen, viele von Hollywood. Wer hat noch nie das "und der Oscar geht an...." Spiel gespielt? 
Vorsprechen, Vorsprechen. 
Ich kannte eine, die hat 27 Mal vorgesprochen, bevor sie dann für 500 Euro im Monat an einer Privatschule angenommen wurde. Sie war da schon 27. Und einen Meter achtzig. Da sind die Chancen für ein Engagement nach vier Jahren, wollen wir es höflich formulieren, begrenzt.
Vorsprechen geschafft, alles neu, alles aufregend, überwältigend. Schauspielschüler in den ersten Semestern gestikulieren deutlich mehr als andere Menschen, sie sprechen lauter, sie sind hinreißend und sie nerven. 
Vorspiel. Habe ich mir gerade an meiner alten Schule zwei Tage lang angesehen. Zweites Studienjahr, Klassiker, 24 Studenten, 5 Stunden Spieldauer. 

Ist schon merkwürdig, da steht dann so ein Zwanzigjähriger und sagt:  "Wer kann den Bund zwoer Herzen lösen oder die Töne eines Akkords auseinander reißen? – Ich bin ein Edelmann – Lass doch sehen, ob mein Adelbrief älter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gültiger als die Handschrift des Himmels in Luisens Augen: Dieses Weib ist für diesen Mann? – Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer als die Liebe kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird? ... Ich fürchte nichts – nichts – als die Grenzen deiner Liebe. Lass auch Hindernisse wie Gebürge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen. – Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst – ich will über dir wachen wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde – Mir vertraue dich. Du brauchst keinen Engel mehr ..." Und je nach Talentlage und Dozentenpflege tut das so oder so, für ihn ist es das erste Mal, für mich das - weiss gar nicht wie oft ich das schon gesehen habe. Er kann vielleicht schon recht gut sprechen, weiss wohin mit seinen Händen, idealerweise spielt er auch noch mit seiner Partnerin, aber was kümmert den jungen Mann der Landeswucher? Karl-Theodozu Guttenberg ist wahrscheinlich einer der wenigen Adligen von denen er je gehört hat. Bürgerlich - mit Zwanzig ist es doch hoffentlich das Letzte, was man seien will. Die Sprache, Pathos und Poesie, und so viele Worte.
Wo ist seine Welt in dem Text, seine Angst, sein gebrochenes Herz, seine Wut über die Ungerechtigkeit in der Welt? Oder ist alles nur Theater?

Es ist das Jahr 2011. Kabale und Liebe erster Akt, vierte Szene zum 33 467 899. Mal. Es ist das Jahr 2011. 

Bühnenverein Theaterstatistik 2004/05 2077 Schauspieler im Festengagement an deutschen Bühnen, heute sind es weniger. Die Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung (ZBF) in Köln verzeichnet circa 6000 Schauspieler, die "zielorientiert in Arbeit" zu bringen sind. Und das sind die "gemeldeten".

Hermann Hesse

Kleiner Knabe

Hat man mich gestraft,
Halt ich meinen Mund,
Weine mich in Schlaf,
Wache auf gesund.

Hat man mich gestraft,
Heißt man mich den Kleinen,
Will ich nicht mehr weinen,
Lache mich in Schlaf.

Große Leute sterben,
Onkel, Großpapa,
Aber ich, ich bleibe
Immer, immer da.

Hermann Hesse



Der Mann von fünfzig Jahren

Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.
Auch die Zähne gehen flöten,
und statt daß wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vorm Ende
will ich so ein Kind mir fangen,
Augen hell und Locken kraus,
nehm´s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

Hermann Hesse

Dienstag, 19. April 2011

Epikur - BRIEF AN MENOIKEUS

"Gewöhne dich an den Gedanken, daß der Tod uns nichts angeht. Denn alles Gute und Schlimme beruht auf der Wahrnehmung. Der Tod aber ist der Verlust der Wahrnehmung. Darum macht die rechte Einsicht, daß der Tod uns nichts angeht, die Sterblichkeit des Lebens genußreich, indem sie uns nicht eine unbegrenzte Zeit dazugibt, sondern die Sehnsucht nach der Unsterblichkeit wegnimmt. Denn im Leben gibt es für den nichts Schreckliches, der in echter Weise begriffen hat, daß es im Nichtleben nichts Schreckliches gibt. Darum ist jener einfältig, der sagt, er fürchte den Tod nicht, weil er schmerzen wird, wenn er da ist, sondern weil er jetzt schmerzt, wenn man ihn erwartet. Denn was uns nicht belästigt, wenn es wirklich da ist, kann nur einen nichtigen Schmerz bereiten, wenn man es bloß erwartet.
Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr. Er geht also weder die Lebenden an noch die Toten; denn die einen geht er nicht an, und die anderen existieren nicht mehr. Die Menge freilich flieht bald den Tod als das ärgste der Übel, bald sucht sie ihn als Erholung von den Übeln im Leben. Der Weise dagegen lehnt weder das Leben ab noch fürchtet er das Nichtleben. Denn weder belästigt ihn das Leben, noch meint er, das Nichtleben sei ein Übel. Wie er bei der Speise nicht einfach die größte Menge vorzieht, sondern das Wohlschmeckendste, so wird er auch nicht eine möglichst lange, sondern eine möglichst angenehme Zeit zu genießen trachten."

(überliefert in der Epikur-Biographie im 10. Buch der ca. 220 n. Chr. entstandenen antiken Philosophiegeschichte "Leben und Lehren berühmter Philosophen" von Diogenes Laertios; Ü: Olof Gigon)

Epikur * um 341 v. Chr. auf Samos; † 271 oder 270 v. Chr. in Athen

Am Eingang des Gartens Kepos wurden seine Gäste mit folgender Inschrift begrüßt: Tritt ein, Fremder! Ein freundlicher Gastgeber wartet dir auf mit Brot und mit Wasser im Überfluss, denn hier werden deine Begierden nicht gereizt, sondern gestillt.

e.e. cummings - sterben ist in ordnung

Sterben ist in ordnung)aber Tod
?o
kleine
ich
würde Tod
nicht mögen wenn Tod
gut
wäre:weil

wenn(anstatt aufzuhören zu denken)du
anfängst es zu fühlen,sterben
ist wunderbar
warum?wei

l sterben ist
völlig natürlich;
völlig
um es vorsichtig
auszudrücken lebendig(aber


Tod
ist ausschliesslich wissenschaftlich
& künstlich

& böse & gesetzlich erlaubt

wir danken dir
Gott
allmächtig für das sterben
(vergib uns,o leben! die sünde des Todes 



dying is fine)but Death 
?o 
baby 

wouldn't like 
Death if Death 
were 
good:for 

when(instead of stopping to think)you 
begin to feel of it,dying 
's miraculous 
why?be 

cause dying is 
perfectly natural;
perfectly 
putting 
it mildly lively(but 

Death 
is strictly scientific 
& artificial 

& evil & legal) 

we thank thee 
god 
almighty for dying 
(forgive us,o life!the sin of Death

Montag, 18. April 2011

Geschichten - Indie-Filme aus den USA


Blue Valentine und Winters Bone und als Extra: The Believer
Zwei Filme in blaugrau und einer in schwarz

Blue Valentine 2009 Regie: Derek Cianfrance  mit Ryan Gosling (The Notebook) und Michelle Williams (Dawson’s Creek); spielt in New York N.Y.

Winter’s Bone 2009 Roman von Daniel Woodrell Regie: Debra Granik mit Jennifer Lawrence;
spielt in  den Ozark Mountains in Missouri, Südstaaten der USA

The Believer 2001 Regie: Henry Bean mit Ryan Gosling, spielt in New York

Drei Filme ganz unterscheidbar und eigen, haben eines gemeinsam, sie hatten ihre Premieren auf dem Sundance-Festival, das 1978, unter anderem von Robert Redford begründet wurde (Butch Cassidy and the Sundance Kid, der Film mit der erotischsten Fahrradfahrszene, die mir bekannt ist!), und das sich in das wichtigste Indie-Film Festival der USA entwickelt hat. Auf diesem Festival in  Utah treffen sich amerikanische Filmemacher die außerhalb und weitgehend unabhängig von Hollywood arbeiten und Filmleute aus aller Welt, um ihre Filme vorzustellen und Hollywood reist an, um zu gucken und einzukaufen. Z.B. Soderbergh, Tarantino, Jarmusch, Aronovsky haben hier ihre ersten Erfolge gefeiert, um dann gen Hollywood zu wandern. Unabhängig Filme zu produzieren heisst in den USA, dass junge Regisseure, Produzenten ihr Haus verpfänden, nahezu ohne Geld und Drehgenehmigungen rasch und hoffentlich unerwischt drehen und die Schauspieler für beinah Nix mitarbeiten.
Natürlich entsteht da auch einiges an bedeutungsschwangerer Kunstlast, aber eben auch solche Filme, wie die, von denen hier die Rede seien soll.
Blue Valentine: Mädchen und Junge verlieben sich, sehr, das Mädchen ist von einem anderen schwanger, Junge will sie trotzdem heiraten, ihr Traum von einem Medizinstudium hat sich nun erledigt. Sprung, circa 5 Jahre später, eine schreckliche Ehe. Ein Valentinstag aus der "normalen" Beziehungshölle. Ganz langsam, ganz unaufwändig, viele fast zu intime Grossaufnahmen, tolles Spiel, Mitgefühl anstatt Mitleid.
Winter's Bone: Ein Mädchen, kein Junge. Armut im Mittleren Westen, Crack als entscheidender Wirtschaftsfaktor, herbe Landschaft, Eichhörnchen und noch mehr Landschaft, wenig Worte, eine archaische Clanstruktur verschlossen und verhärtet in gemeinsamer Hoffnungslosigkeit.
Bedrückend, ohne belästigend zu werden. Harsch.


The Believer: Einer meiner persönlichen Lieblingsfilme war lange nicht in Deutschland erhältlich, weil die Geschichte so gar nicht in unser Geschichtsbild zu passen scheint, obwohl er auf einer realen Biographie basiert.
Ein junger Mann, als orthodoxer Jude in New York aufgewachsen, beginnt unter der Last der Geschichte, mit seinem Judentum zu hadern. Warum haben sich die deutschen Juden nicht mehr gewehrt? Warum so wenig Widerstand? Er denkt diese Fragen bis ins Extrem, beschließt, Antisemit zu werden und tritt einer amerikanischen Naziorganisation bei. Selbsthaß bis zu Äußersten getrieben.  All das klingt propagandistisch und gewollt provokativ, ist es aber nicht. 
Vor allem durch die Erstaunlichkeit des Hauptdarstellers Ryan Gosling.


Sonntag, 17. April 2011

Theater ist absurd


Ein Bühne, die Vorstellung läuft, "Adam und Eva" von Peter Hacks, zwei Herren mittleren Alters, beide großartige Schauspieler, verkörpern einen Engel und die Schlange. Ohne erkennbaren Anlass beginnt einer der beiden gurgelnd zu kichern, er kämpft dagegen an, doch das Lachen ist stärker, es bahnt sich trotz aller Bemühung seine Bahn, schwillt an, das Publikum lacht mit, ist aber verwirrt, der Schauspieler wird mittlerweile von Lachkrämpfen geschüttelt - der Vorhang muß fallen, etwa 5 Minuten dauert es, bis der Kollege Schlange wieder in der Lage ist zu sprechen.
Auf die Frage:"Warum? keucht er, mit lachtränenüberströmten Gesicht und unter Schluckauf hervor:" Einen Moment lang, habe ich klar gesehen, was wir hier tun. Du bist 40, ich bin 50, du trägst Flügel mit Wattetupfern und ich schlängele die ganze Zeit."
Sie haben die Vorstellung dann noch zu Ende gespielt.
Ich habe nur selten solche Momente des kalt von außen auf das Spiel Guckens erlebt. Gott sei Dank. Nicht, dass ich die ganze Zeit in Trance dahinschwanke und man muß ja genug praktische Dinge mitbedenken während man auf der Bühne leidet, liebt, argumentiert, trickst und stirbt. Wovon ich spreche, ist als wenn man den Geliebten einen Moment lang ohne Liebe ansähe. Ganz kalt und distanziert. Oh.
Da ist dann Lachen noch das beste was einem passieren kann.

Theater ist zeitaufwändig


"Wie merken Sie sich bloss den ganzen Text!" Immer wieder gern gefragt, immer wieder ungern gehört. 

Die Fakten: Proben sind in den meisten Fällen von 10 bis 2 und 7 bis 10 Montag bis Freitag, Samstags, außer in der Vorprobenzeit nur vormittags. Text lernen findet davor, dazwischen, danach statt. Vorstellungen gibt es sieben Tage die Woche, und an einem durchschnittlichen Stadttheater kommt man im Jahr schon auf mehr als 120 davon, dazu vielleicht 5 Neuproduktionen mit Probenzeiten zwischen 5 und 9 Wochen. Garantiert frei sind der 1. Mai (immer noch?), der 24. Dezember und der 1. Januar. Packen wir noch Matineen, Soireen, Anproben, Maskenproben dazu, kommt da einiges zusammen. Und manche Spieler sind ehrgeizig genug, auch noch Zeit auf Körpertraining, Gesangsunterricht oder Verwandtes zu verschwenden. Das müssen sie oft auch noch selber finanzieren, da die Theater, es sich entweder nicht leisten können oder wollen.
Nach vier Jahren Hochschulstudium verdient der Absolvent 1650 Euro brutto. Und das nur, wenn er ein Festengagement ergattern konnte. Ich spreche hier vom Stadttheater. Nebenjobs sind schon wegen der Arbeitsmenge nahezu unmöglich. Die Gagenerhöhungen der nächsten Jahre sind meist hart erkämpft und gering.
Und deshalb hier einmal ein Loblied auf den Schauspieler:

Striese: Schmierentheater! Hören Sie, jetzt läuft mir die Galle über. Wissen Sie denn überhaupt, was eine Schmiere ist? Es ist wahr, wir ziehen von einem Ort zum andern, aber mein erhabener Kollege, der Herzog von Meiningen, macht es ja ebenso. — Es ist wahr, daß ich meinen Schauspielern fast gar keine Gage bezahlen kann, aber dafür leisten sie desto mehr. Da ist zum Beispiel mein erster Held — ein früherer Apotheker, — das ist ein Beleuchtungsinspektor, wie Sie ihn suchen können; mit Hilfe einer einzigen Petroleumlampe und einer roten Glasscheibe läßt Ihnen der die Sonne untergehen, daß es Ih­nen nur so vor den Augen flimmert. Und dabei das Familien­leben unter meinen Leuten! Meine Frau kocht für die ganze Gesellschaft, damit meine Sozietäre sich an Entbehrungen gewöhnen. Der Charakterspieler ist nicht zu stolz, die Kartoffeln zu schälen, und mein Jüngster kann gar nicht ein­schlafen, wenn nicht der Intrigant, der gute Kerl, ihn vorher eine Stunde lang in der Stube herumträgt. Und wie anhänglich mir die Leute sind. Meine jugendlich-naive Liebhaberin ist nun bald 18 Jahre bei mir, sie denkt gar nicht daran, wegzugehen. Und was schließlich meine Frau anbelangt ------ nicht nur, daß sie das Kassenwesen besorgt, den Schauspielern die Haare brennt, in der Stadt die Requisiten zusammenborgt und abends die größten Rollen spielt, nein, sie hat trotz dieser Überbürdung im Laufe der Jahre noch Zeit gefunden, mich mit einer Schar lieblicher Kinder zu beschenken. Sehen Sie, Herr Doktor, das wird an einer Schmiere geleistet, und ich bin der Direktor! Empfehle mich!

Samstag, 16. April 2011

Nan Goldin


Nan Goldin geboren am 12.9.1953 in Washington D.C. 

The Ballad of Sexual Dependency - Nan Goldin and The Tiger Lilies (Arles Festival 2009)
http://www.youtube.com/watch?v=cxbxTRtiZtI

Smoky car 1979

Misty and Jimmy Paulette in a taxi, NYC

Nan Goldin one month after being attacked 1984

Ryan in the tub 1975


                                                            Yogo in the mirror 1992

Freitag, 15. April 2011

William Butler Yeats

Had I the heavens' embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

Hätt ich die bestickten Himmelstücher
Durchwirkt mit goldnem und silbernem Licht
Die blauen und fahlen und dunklen Tücher
Von Nacht und Licht und Dämmerlicht,
Ich breitete die Tücher unter deine Füße:
Aber ich, der ich arm bin, habe nur meine Träume;
So breite ich meine Träume unter deine Füße;
Tritt leicht, denn du trittst auf meine Träume.

    W.B. Yeats Portrait von Augustus John

Theater hat einen Kritiker 3


Haben Sie im Theater schon einmal neben jemandem gesessen, der sich, während der Vorstellung, meist natürlich einer Premiere, mit einem Stift nebst eingebauter Lampe, Notizen machte? Das war ein Kritiker, mit a) sehr schlechtem Kurzzeitgedächtnis, b) Egoproblemen, oder c) einer, der seine Wochenendeinkaufsliste noch nicht geschrieben hatte. Ich kenne Herrn Lawinky nicht, aber kann fast zu gut nachvollziehen, was ihn zu seinem "skandalösen" Verhalten bewegt haben könnte.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,402101,00.html

In den ersten Jahren meines Schauspielerdaseins pflegte ich mir, im Publikum sitzend, auch solche Notizen zu machen, nur mental zwar, aber nichtsdestoweniger. Ich wusste, wie es seien muss, was richtig ist und was nicht, warum dann noch Zeit mit dem bloßen Zuschauen verschwenden, wenn ich so meine (innere) Kritik schon während der Vorstellung abfassen konnte. Ist auch sicherer, man kommt nicht in die Verlegenheit, überrascht zu werden. Es hat lange gedauert bis ich wieder Zuschauer wurde, einer mit Erwartungen zwar, aber diese waren nicht mehr unerschütterlich. Was für eine Befreiung, wie viel mehr Vergnügen seitdem.


Judith Anderson als Irina in der "Möwe"
"Zu keinem Zeitpunkt befindet sie sich auf der selben Bühne wie der Rest des Ensembles. Noch ist sie im selben Stück."
"At no single point is she on the same stage as the rest of the company. Nor for that matter is she in Chekov's play."