Montag, 18. April 2011

Geschichten - Indie-Filme aus den USA


Blue Valentine und Winters Bone und als Extra: The Believer
Zwei Filme in blaugrau und einer in schwarz

Blue Valentine 2009 Regie: Derek Cianfrance  mit Ryan Gosling (The Notebook) und Michelle Williams (Dawson’s Creek); spielt in New York N.Y.

Winter’s Bone 2009 Roman von Daniel Woodrell Regie: Debra Granik mit Jennifer Lawrence;
spielt in  den Ozark Mountains in Missouri, Südstaaten der USA

The Believer 2001 Regie: Henry Bean mit Ryan Gosling, spielt in New York

Drei Filme ganz unterscheidbar und eigen, haben eines gemeinsam, sie hatten ihre Premieren auf dem Sundance-Festival, das 1978, unter anderem von Robert Redford begründet wurde (Butch Cassidy and the Sundance Kid, der Film mit der erotischsten Fahrradfahrszene, die mir bekannt ist!), und das sich in das wichtigste Indie-Film Festival der USA entwickelt hat. Auf diesem Festival in  Utah treffen sich amerikanische Filmemacher die außerhalb und weitgehend unabhängig von Hollywood arbeiten und Filmleute aus aller Welt, um ihre Filme vorzustellen und Hollywood reist an, um zu gucken und einzukaufen. Z.B. Soderbergh, Tarantino, Jarmusch, Aronovsky haben hier ihre ersten Erfolge gefeiert, um dann gen Hollywood zu wandern. Unabhängig Filme zu produzieren heisst in den USA, dass junge Regisseure, Produzenten ihr Haus verpfänden, nahezu ohne Geld und Drehgenehmigungen rasch und hoffentlich unerwischt drehen und die Schauspieler für beinah Nix mitarbeiten.
Natürlich entsteht da auch einiges an bedeutungsschwangerer Kunstlast, aber eben auch solche Filme, wie die, von denen hier die Rede seien soll.
Blue Valentine: Mädchen und Junge verlieben sich, sehr, das Mädchen ist von einem anderen schwanger, Junge will sie trotzdem heiraten, ihr Traum von einem Medizinstudium hat sich nun erledigt. Sprung, circa 5 Jahre später, eine schreckliche Ehe. Ein Valentinstag aus der "normalen" Beziehungshölle. Ganz langsam, ganz unaufwändig, viele fast zu intime Grossaufnahmen, tolles Spiel, Mitgefühl anstatt Mitleid.
Winter's Bone: Ein Mädchen, kein Junge. Armut im Mittleren Westen, Crack als entscheidender Wirtschaftsfaktor, herbe Landschaft, Eichhörnchen und noch mehr Landschaft, wenig Worte, eine archaische Clanstruktur verschlossen und verhärtet in gemeinsamer Hoffnungslosigkeit.
Bedrückend, ohne belästigend zu werden. Harsch.


The Believer: Einer meiner persönlichen Lieblingsfilme war lange nicht in Deutschland erhältlich, weil die Geschichte so gar nicht in unser Geschichtsbild zu passen scheint, obwohl er auf einer realen Biographie basiert.
Ein junger Mann, als orthodoxer Jude in New York aufgewachsen, beginnt unter der Last der Geschichte, mit seinem Judentum zu hadern. Warum haben sich die deutschen Juden nicht mehr gewehrt? Warum so wenig Widerstand? Er denkt diese Fragen bis ins Extrem, beschließt, Antisemit zu werden und tritt einer amerikanischen Naziorganisation bei. Selbsthaß bis zu Äußersten getrieben.  All das klingt propagandistisch und gewollt provokativ, ist es aber nicht. 
Vor allem durch die Erstaunlichkeit des Hauptdarstellers Ryan Gosling.


Sonntag, 17. April 2011

Theater ist absurd


Ein Bühne, die Vorstellung läuft, "Adam und Eva" von Peter Hacks, zwei Herren mittleren Alters, beide großartige Schauspieler, verkörpern einen Engel und die Schlange. Ohne erkennbaren Anlass beginnt einer der beiden gurgelnd zu kichern, er kämpft dagegen an, doch das Lachen ist stärker, es bahnt sich trotz aller Bemühung seine Bahn, schwillt an, das Publikum lacht mit, ist aber verwirrt, der Schauspieler wird mittlerweile von Lachkrämpfen geschüttelt - der Vorhang muß fallen, etwa 5 Minuten dauert es, bis der Kollege Schlange wieder in der Lage ist zu sprechen.
Auf die Frage:"Warum? keucht er, mit lachtränenüberströmten Gesicht und unter Schluckauf hervor:" Einen Moment lang, habe ich klar gesehen, was wir hier tun. Du bist 40, ich bin 50, du trägst Flügel mit Wattetupfern und ich schlängele die ganze Zeit."
Sie haben die Vorstellung dann noch zu Ende gespielt.
Ich habe nur selten solche Momente des kalt von außen auf das Spiel Guckens erlebt. Gott sei Dank. Nicht, dass ich die ganze Zeit in Trance dahinschwanke und man muß ja genug praktische Dinge mitbedenken während man auf der Bühne leidet, liebt, argumentiert, trickst und stirbt. Wovon ich spreche, ist als wenn man den Geliebten einen Moment lang ohne Liebe ansähe. Ganz kalt und distanziert. Oh.
Da ist dann Lachen noch das beste was einem passieren kann.

Theater ist zeitaufwändig


"Wie merken Sie sich bloss den ganzen Text!" Immer wieder gern gefragt, immer wieder ungern gehört. 

Die Fakten: Proben sind in den meisten Fällen von 10 bis 2 und 7 bis 10 Montag bis Freitag, Samstags, außer in der Vorprobenzeit nur vormittags. Text lernen findet davor, dazwischen, danach statt. Vorstellungen gibt es sieben Tage die Woche, und an einem durchschnittlichen Stadttheater kommt man im Jahr schon auf mehr als 120 davon, dazu vielleicht 5 Neuproduktionen mit Probenzeiten zwischen 5 und 9 Wochen. Garantiert frei sind der 1. Mai (immer noch?), der 24. Dezember und der 1. Januar. Packen wir noch Matineen, Soireen, Anproben, Maskenproben dazu, kommt da einiges zusammen. Und manche Spieler sind ehrgeizig genug, auch noch Zeit auf Körpertraining, Gesangsunterricht oder Verwandtes zu verschwenden. Das müssen sie oft auch noch selber finanzieren, da die Theater, es sich entweder nicht leisten können oder wollen.
Nach vier Jahren Hochschulstudium verdient der Absolvent 1650 Euro brutto. Und das nur, wenn er ein Festengagement ergattern konnte. Ich spreche hier vom Stadttheater. Nebenjobs sind schon wegen der Arbeitsmenge nahezu unmöglich. Die Gagenerhöhungen der nächsten Jahre sind meist hart erkämpft und gering.
Und deshalb hier einmal ein Loblied auf den Schauspieler:

Striese: Schmierentheater! Hören Sie, jetzt läuft mir die Galle über. Wissen Sie denn überhaupt, was eine Schmiere ist? Es ist wahr, wir ziehen von einem Ort zum andern, aber mein erhabener Kollege, der Herzog von Meiningen, macht es ja ebenso. — Es ist wahr, daß ich meinen Schauspielern fast gar keine Gage bezahlen kann, aber dafür leisten sie desto mehr. Da ist zum Beispiel mein erster Held — ein früherer Apotheker, — das ist ein Beleuchtungsinspektor, wie Sie ihn suchen können; mit Hilfe einer einzigen Petroleumlampe und einer roten Glasscheibe läßt Ihnen der die Sonne untergehen, daß es Ih­nen nur so vor den Augen flimmert. Und dabei das Familien­leben unter meinen Leuten! Meine Frau kocht für die ganze Gesellschaft, damit meine Sozietäre sich an Entbehrungen gewöhnen. Der Charakterspieler ist nicht zu stolz, die Kartoffeln zu schälen, und mein Jüngster kann gar nicht ein­schlafen, wenn nicht der Intrigant, der gute Kerl, ihn vorher eine Stunde lang in der Stube herumträgt. Und wie anhänglich mir die Leute sind. Meine jugendlich-naive Liebhaberin ist nun bald 18 Jahre bei mir, sie denkt gar nicht daran, wegzugehen. Und was schließlich meine Frau anbelangt ------ nicht nur, daß sie das Kassenwesen besorgt, den Schauspielern die Haare brennt, in der Stadt die Requisiten zusammenborgt und abends die größten Rollen spielt, nein, sie hat trotz dieser Überbürdung im Laufe der Jahre noch Zeit gefunden, mich mit einer Schar lieblicher Kinder zu beschenken. Sehen Sie, Herr Doktor, das wird an einer Schmiere geleistet, und ich bin der Direktor! Empfehle mich!

Samstag, 16. April 2011

Nan Goldin


Nan Goldin geboren am 12.9.1953 in Washington D.C. 

The Ballad of Sexual Dependency - Nan Goldin and The Tiger Lilies (Arles Festival 2009)
http://www.youtube.com/watch?v=cxbxTRtiZtI

Smoky car 1979

Misty and Jimmy Paulette in a taxi, NYC

Nan Goldin one month after being attacked 1984

Ryan in the tub 1975


                                                            Yogo in the mirror 1992

Freitag, 15. April 2011

William Butler Yeats

Had I the heavens' embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

Hätt ich die bestickten Himmelstücher
Durchwirkt mit goldnem und silbernem Licht
Die blauen und fahlen und dunklen Tücher
Von Nacht und Licht und Dämmerlicht,
Ich breitete die Tücher unter deine Füße:
Aber ich, der ich arm bin, habe nur meine Träume;
So breite ich meine Träume unter deine Füße;
Tritt leicht, denn du trittst auf meine Träume.

    W.B. Yeats Portrait von Augustus John

Theater hat einen Kritiker 3


Haben Sie im Theater schon einmal neben jemandem gesessen, der sich, während der Vorstellung, meist natürlich einer Premiere, mit einem Stift nebst eingebauter Lampe, Notizen machte? Das war ein Kritiker, mit a) sehr schlechtem Kurzzeitgedächtnis, b) Egoproblemen, oder c) einer, der seine Wochenendeinkaufsliste noch nicht geschrieben hatte. Ich kenne Herrn Lawinky nicht, aber kann fast zu gut nachvollziehen, was ihn zu seinem "skandalösen" Verhalten bewegt haben könnte.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,402101,00.html

In den ersten Jahren meines Schauspielerdaseins pflegte ich mir, im Publikum sitzend, auch solche Notizen zu machen, nur mental zwar, aber nichtsdestoweniger. Ich wusste, wie es seien muss, was richtig ist und was nicht, warum dann noch Zeit mit dem bloßen Zuschauen verschwenden, wenn ich so meine (innere) Kritik schon während der Vorstellung abfassen konnte. Ist auch sicherer, man kommt nicht in die Verlegenheit, überrascht zu werden. Es hat lange gedauert bis ich wieder Zuschauer wurde, einer mit Erwartungen zwar, aber diese waren nicht mehr unerschütterlich. Was für eine Befreiung, wie viel mehr Vergnügen seitdem.


Judith Anderson als Irina in der "Möwe"
"Zu keinem Zeitpunkt befindet sie sich auf der selben Bühne wie der Rest des Ensembles. Noch ist sie im selben Stück."
"At no single point is she on the same stage as the rest of the company. Nor for that matter is she in Chekov's play."

April - Hilde Domin

April
Die Welt riecht süß
nach Gestern.
Düfte sind dauerhaft.

Du öffnest das Fenster.
Alle Frühlinge
kommen herein mit diesem.

Frühling der mehr ist
als grüne Blätter.
Ein Kuß birgt alle Küsse.

Immer dieser glänzend glatte
Himmel über der Stadt,
in den die Straßen fließen.

Du weißt, der Winter
und der Schmerz
sind nichts, was umbringt.

Die Luft riecht heute süß
nach Gestern –
das süß nach Heute roch.




Ich will dich
 
Freiheit
ich will dich
aufrauhen mit Schmirgelpapier
du geleckte

(die ich meine
meine
unsere
Freiheit von und zu)
Modefratz

Du wirst geleckt
mit Zungenspitzen
bis du ganz rund bist
Kugel
auf allen Tüchern

Freiheit Wort
das ich aufrauhen will
ich will dich mit Glassplittern spicken
daß man dich schwer auf die Zunge nimmt
und du niemandes Ball bist

Dich
und andere
Worte möchte ich mit Glassplittern spicken
wie Konfuzius befiehlt
der alte Chinese

Die Eckenschale sagt er
muß
Ecken haben
sagt er
Oder der Staat geht zugrunde

Nichts weiter sagt er
ist vonnöten
Nennt
das Runde rund
und das Eckige eckig


Donnerstag, 14. April 2011

Theater hat einen Kritiker 2


Seit vier Wochen lese ich wieder Tageszeitung, in meinem Fall die Berliner Zeitung und den Tagesspiegel. Den Wirtschaftsteil muss ich weglassen, da ich ihn nicht verstehe, Sport interessiert mich nicht, eine Unterkunft und ein Auto hab ich schon, es bleibt: Politik, Regionales und der Kulturteil. Ein gemischtes Vergnügen. Auch wörtlich, da die vermischte oder "bunte" Seite irgendwie immer am Kulturteil dranhängt. Ist ja alles irgendwie Kultur. Königshochzeiten, schielende Opossums (Ob das der Plural seien könnte?), Oscarverleihungen und Nekrophilie in Brandenburg/Land. Ja, heute über Letzteres gelesen; und die Theaterkritiken, hmmm.
Ich bin mir bewusst, im Lande des Regietheaters zu leben, eine Bezeichnung, die unter der Last der unterschiedlichen Theaterformen, für die sie herhalten muss, schier zusammenbrechen müsste und mag sogar einige, der in solcher Art entstandenen Inszenierungen, aber die Abwesenheit von auch nur ansatzweisen Beschreibungen oder Meinungen über die doch beteiligten Schauspieler ist leicht verstörend. Wenn überhaupt erwähnt, dann meist unter Zusatz einer belanglosen Formel, als da wären: "Wie aus einer anderen Welt", kräftig, sensibel, überzeugend, zart, blah, blah, blah. Manchmal, nein oft, aber auch gar nicht vorkommend. Man spielt da so vor sich hin, gut oder nicht, wenn kümmerts?
Ich will nicht sentimental werden, aber es scheint mir, als wäre das mal anders gewesen. Auch "damals" war selten etwas dabei, was einem weitergeholfen oder wirklich geschmeichelt hätte, aber die Bemühung war vorhanden, und die soll man doch bekanntlich loben. Obwohl, wenn ich es mir nochmal überlege, es gab ein paar Kritiken, in denen wäre ich lieber nicht aufgetaucht oder lieber unter Pseudonym.

Laurence Olivier als Shylock:

"Jeder Disney Fan könnte den Fernseher anmachen und sehen, dass er seine Äußeres Scrooge McDuck nachempfunden hat."

"Any fan of Disney comics could turn on the set and see that he had modelled his appearance on Scrooge McDuck."

Sambor Prei Kuk

Weil es so schön ist. Sambor Prei Kuk ist der moderne Name eines Hindutempelkomplexes im heutigen Kambodscha. Es handelt sich um die alte Stadt Isanapura. Sie wurde 615 von Isanavarman I. erbaut.

Erich Fried - Was Es Ist

Was es ist
 
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist



sagt die Liebe


Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Erich Fried