Samstag, 2. April 2011

Lord Byron


George Gordon Noel Byron, 6. Baron Byron of Rochdale, 1788 - 1824

Eine seiner Geliebten sagte über ihn: "He is mad, bad and dangerous to know."
Der eigentlicher Vertreter der englischen Romantik, ein Leben wie ein tragischer Kitschfilm. Noch heute wird ein schöner, geheimnisumwitterter, leidenschaftlicher, von Unglück verfolgter Mann als "Byronic Hero" bezeichnet.

England im 18. Jahrhundert, die Krone verliert die Kolonie "Amerika" an die Befreiungsbewegung, die industrielle Revolution beginnt mit der Entwicklung von dampfbetrieben Maschinen, innenpolitisch starke politische und soziale Reformbewegungen, mit heftigeren Gegenattacken.

Grossvater: John "Jack Foulweather" Byron, Vize-Admiral der britischen Navy (John "Jack Schlechtwetter" Byron), Seefahrer, Eroberer, Gouverneur von Neufundland, In Australien ist Kap Byron nach ihm benannt.
Vater: Captain John "Mad Jack" Byron, vielfach verheiratet, brachte das Geld von Byron's Mutter durch und verließ sie, starb ein Jahr danach an TBC oder an einer Überdosis, Byron behauptete, er hätte sich die Kehle durchgeschnitten.
Mutter: manisch depressiv, musste Land und Titel verkaufen, um die Schulden des Ehemannes zu bezahlen.
1798 erbt Byron, durch den Tod des 5. Baron Byron, der der "Wicked Lord" (der "böse" Lord) genannt wurde, Titel und Grundbesitz, es folgt der Umzug von Schottland nach London, er ist jetzt der 6. Baron Byron und 10 Jahre alt. Es wird behauptet, dass seine Gouvernante ihn als Kind verführt und geschlagen hätte. Er sagte später, dies hätte ihn zum Melancholiker gemacht. Er wurde zum Liebenden in verzweifelter Passion: Frauen, Männer, Halbschwestern, verheiratete Damen, Jünglinge - Dramen, Tragödien und Skandale und immer das Schreiben.
Eine seiner Geliebten, Lady Caroline Lamb, verfolgt ihn nach Beendigung der Affaire seinerseits, unter anderem, indem sie nachts in Männerkleidung in sein Haus einbricht. Sie stirbt nach unzähligen anderen Affairen, als Alkoholikerin und Junkie im Jahr 1827.
Als Aristrokrat war er natürlich auch Mitglied des Oberhauses des Parlaments und trat als Sozialreformer, Kirchenkritiker und Gegner der Todesstrafe auf. Das Wort "auftreten" bezieht sich auf die Theatralik seiner Reden und seiner Erscheinung.


  When we two parted
  In silence and tears,
  Half broken-hearted,
  To sever for years,
  Pale grew thy cheek and cold,
  Colder thy kiss;
  Truly that hour foretold
  Sorrow to this!
  The dew of the morning
  Sunk chill on my brow;
  It felt like the warning
  Of what I feel now.
  Thy vows are all broken,
  And light is thy fame:
  I hear thy name spoken
  And share in its shame.

  They name thee before me,
  A knell to mine ear;
  A shudder comes o'er me­
  Why wert thou so dear?
  They know not I knew thee
  Who knew thee too well:
  Long, long shall I rue thee
  Too deeply to tell.

  In secret we met:
  In silence I grieve
  That thy heart could forget,
  If I should meet thee
  After long years,
  How should I greet thee?­
  With silence and tears.

  Als wir uns trennten
  In Schweigen und Leid,
  Brechenden Herzens,
  Für lange Zeit,
  Bleich war die Wang' und kalt,
  Kälter der Kuß, -
  Wahrlich, mein Ahnen galt
  Bitterem Schluß.

  Der Tau fiel schaurig
  Im Morgenrot;
  Mein Herz war traurig
  Von künft'ger Not.
  Dein Schwur ist verweht nun,
  Dein Nam' ist entehrt,
  Ich hör' ihn geschmäht nun,
  Bis Scham mich verzehrt.

  Sie nennen den Namen,
  Da schaudert' es mich, -
  Mein Herz will erlahmen, -
  So liebte ich dich!
  Sie flüstern und scherzen,
  Sie kennen ja nicht
  Den Gram hier im Herzen,
  Den Schmerz, der nicht spricht.

  Geheim, wie die Lust war,
  Geheim ist der Schmerz,
  Daß falsch deine Brust war,
  Und treulos dein Herz.
  Und säh ich dich wieder
  Nach langer Zeit, -
  Wie sollt' ich dich grüßen?
  In Schweigen und Leid.

 
1808
  Übersetzt von Otto Gildemeister 1823-1902
  Aus: Lord Byrons Werke In sechs Bänden


Als sich die Wolke der Gerüchte und Anschuldigungen immer enger um ihn zusammenzog, verließ er England endgültig und reiste, nach Zwischenaufenthalten in Deutschland und der Schweiz, nach Italien. In Venedig traf er die Shelleys und ihre Freunde. Während dreier regnerischer Tage und Nächte entsanden dort Mary Shelley's "Frankenstein" und Pollidori's "Vampyre" (der Vorläufer aller Vampirgeschichten, inspiriert durch eine Idee Byrons). Byron selbst schrieb unablässig. Wunderbare Texte, von denen nur wenige die Übersetzung ins Deutsche überleben.
Er reiste weiter und kam schließlich nach Griechenland, wo er sich dem Befreiungskampf der Griechen gegen die türkischen Besetzer, das Ottomanische Reich, anschloß. Es wird behauptet, dass er, hätte er überlebt, nach der Befreiung, König von Griechenland hätte werden können. Er starb an Unterkühlung, verschlimmert durch zu starke Aderlässe, 1824. Ein unromantischer Tod.


 So we'll go no more a-roving
 So late into the night,
 Though the heart still be as loving,
 And the moon still be as bright.

 For the sword outwears its sheath,
 And the soul outwears the breast,
 And the heart must pause to breathe,
 And love itself have rest.

 Though the night was made for loving,
 And the day returns too soon,
 Yet we'll go no more a-roving
 By the light of the moon.

 So werden wir nicht mehr schweifen
 Umher in der späten Nacht,
 Wenn das Herz auch noch verliebt ist
 Und der Mond noch immer lacht.

 Denn das Schwert verschleißt seine Scheide
 Und die Seele verschleißt die Brust,
 Und das Herz muß ruhn um zu atmen
 Und Liebe rasten von Lust.

 Ist die Nacht auch gemacht für die Liebe
 Und der Tag folgt zu schnell der Nacht,
 So werden wir doch nicht mehr schweifen,
 Wenn der Mond vom Himmel lacht.

Ambrose Bierce - Wörterbuch des Teufels

Ambrose Gwinnett Bierce 1842 - 1914, Bauernsohn aus Ohio, Soldat, Landvermesser, Journalist; unternahm als 70jähriger eine Reise nach Mexiko, um die mexikanische Revolution zu beobachten, wurde noch im Gefolge Pancho Villas gesehen und verschwand dann. Wurde vermutlich standrechtlich erschossen.
"Mein Ruf als unbekannter Autor ist weltweit."
Er hat u.a. eine wunderschöne Erzählung geschrieben: "Zwischenfall an der Owl Creek Bridge (oder Eulenfluss Brücke). Da ein grosser Teil der Wirkung der Kurzgeschichte auf ihrem unerwarteten Ende beruht, kann ich sie hier leider nicht nacherzählen. Leider habe ich nur ein Link zum Text in Englisch gefunden. Die Amis und Britten setzen viel mehr literarische Texte ins Netz, deren Rechte freigeworden sind. Seltsam.


Aus dem Wörterbuch des Teufels geschrieben 1911.

Abendland: Jener Teil der Welt, der westlich (bzw. östlich) des Morgenlandes liegt. Größtenteils bewohnt von Christen, einem mächtigen Unterstamm der Hypokriten, dessen wichtigste Gewerbe Mord und Betrug sind, von ihnen gern ’Krieg’ und ’Handel’ genannt. Dies sind auch die wichtigsten Gewerbe des Morgenlands. - Occident,  n. The part of the world lying west (or east) of the Orient. It is largely inhabited by Christians, a powerful subtribe of the Hypocrites, whose principal industries are murder and cheating, which they are pleased to call ‘war’ and ‘commerce’. These, also, are the principal industries of the Orient.

Applaus, der [Subst.], Das Echo einer Platitüde. - Applause, n. The echo of a platitude.
 
Begeisterung, die [Subst], ist eine Jugendkrankheit; heilbar durch Reue in kleinen Dosen, verbunden mit äußerlicher Anwendung von Erfahrung.

Christ: Einer, der daran glaubt, dass das Neue Testament ein göttlich inspiriertes Buch ist, bestens den geistlichen Bedürfnissen seines Nächsten angemessen. Einer, der die Lehren Christi befolgt, soweit diese nicht mit einem sündhaften Leben unvereinbar sind. - CHRISTIAN, n.: One who believes that the New Testament is a divinely inspired book admirably suited to the spiritual needs of his neighbor. One who follows the teachings of Christ so long as they are not inconsistent with a life of sin.

Diskussion: Eine Methode, andere in ihren Irrtümern zu bestärken.

Emanzipation, die [Subst.], ist der Übergang eines Sklaven aus der Unterdrückung durch einen anderen in die Unterdrückung durch sich selbst.

Glaube: Dinge für wahr halten, für die es keine Parallele und keinen Beweis gibt und die jemand verkündet, der über kein Wissen verfügt.

Kritiker: jemand, der sich damit brüstet, dass er schwer zufriedenzustellen sei, weil niemand versucht, ihn zufriedenzustellen." - Critic, n. A person who boasts himself hard to please because nobody tries to please him.

Lärm, der [Subst.], Gestank im Ohr. Ungezähmte Musik. Das Hauptergebnis und Bestätigungszeugnis der Zivilisation. - Noise, n. A stench in the ear. Undomesticated music. The chief product and authenticating sign of civilization.

Patriot: Jemand, dem die Interessen eines Teils über die Interessen des Ganzen gehen. Der Gimpel der Politiker und das Werkzeug der Eroberer.

Radikalismus, der [Subst.]: der Konservatismus von morgen als Injektion in die Angelegenheiten von heute.

Realismus, der [Subst.]: die Kunst einer Naturdarstellung aus der Krötenschau: der Zauber einer Landschaft, wie sie ein Maulwurf malt, die Geschichte, wie sie eine Spannerlarve schreibt. - Realism, n. The art of depicting nature as it is seen by toads. The charm suffusing a landscape painted by a mole, or a story written by a measuring-worm.


Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, daß es keinen Sinn hat, sich aufzuregen.


Ungläubiger: in New York: jemand, der nicht an die christliche Religion glaubt; in Istambul: jemand, der an sie glaubt.

Vorurteil: Streunende Meinung ohne erkennbaren Lebensunterhalt.

Werbung ist der Versuch, das Denkvermögen des Menschen so lange außer Takt zu setzen, bis er genügend Geld ausgegeben hat.

Zukunft, die [Subst.], jene Zeit, in der unsere Geschäfte gut gehen, unsere Freunde treu sind und unser Glück gesichert ist. - Future, n. That period of time in which our affairs prosper, our friends are true and our happiness is assured.

 
Zukunft, der [Subst.], ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten. - Cynic, n. A blackguard whose faulty vision sees things as they are, not as they ought to be.


Freitag, 1. April 2011

Buster Keaton

Schaut die riesigen Hände an. Und solche Schönheit.
Samuel Beckett hat einen Kurzfilm für ihn geschrieben. Der Film heisst "Film".
Ein kleinerer Film Keaton's "The Loveable Cheat" in dem er immerwährend auf die Rückkehr seines Partners wartet, dessen Name Godot ist, soll die Inspiration für Beckett's Stück "Warten auf ..." gewesen sein.

Donnerstag, 31. März 2011

Theater ist vergänglich


Leipzig 1996, meine erste Premiere als Regisseurin auf einer großen Bühne, „Frühlingserwachen“; meine persönliche Fangruppe bestehend aus Mutter und Vater (also muss ich sie mit meiner Schwester, der Kostümbildnerin, teilen) ist angereist, sehr aufgeregt und rührenderweise sehr  stolz. Viele der Darsteller sind Schauspielstudenten und mein Vater wandert nach der Vorstellung durch das Foyer und gratuliert, meine Mutter kurz hinter ihm, nutzt Pausen, um erklärend einzuwerfen: „Er ist vom Fach!“ Sie will dem Lob dadurch größeren Wert geben, aber es schließt ein, dass viele der Kleinen noch nie von Ekkehard Schall gehört haben.
Na klar, Bühnenruhm ist gebunden an das Auf-der-Bühne-sein, die aktuellen Theatermoden und die Launen des Feuilletons. Weiß jeder. Schmerzhaft ist es trotzdem. Und immerhin er hat gespielt bis zum Schluss. Gott sei Dank.

Eine traurige Geschichte
(Überliefert von Klaus Piontek einem ganz wunderbaren, schrägen Schauspieler und Freund, der leider 1998 zu früh, viel zu früh verstorben ist.)


Circa 1958/59 war Klaus in Halberstadt engagiert, die übliche Provinztour der damaligen Zeit. Die Opernsparte hatte einen Chor und in diesem gab es einen Chorsänger, versoffen, schlecht riechend, unzuverlässig. Er wurde geduldet, jemandem zu kündigen war damals fast unmöglich. Eines Tages erscheint er nicht zur Probe, auch am nächsten nicht. Am dritten Tag entschließt man sich, nach ihm zu schauen. Die Wohnung oder eher das Zimmer wird aufgebrochen und man findet ihn tot vor. Die Einrichtung: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank. Auf dem Schrank ein abgenutzter Koffer. In dem Koffer – ein Leben. Theaterzettel, Programmhefte, vergilbte Kritiken, alte Verträge. Der jetzt Tote hatte einst große Rollen an der Met gesungen, war gefeiert und angehimmelt worden.
Wir könnten von Kränzen reden, die niemand flicht, müssen es aber nicht. Die Glorie des Theaters ist seine Unmittelbarkeit, der Moment des Spielens und der Moment des Zuschauens und Erlebens fallen zusammen. Da liegt die Kraft und die Erotik der alten Dame Theater, da liegt der Grund für ihr schlechtes Gedächtnis.
Aus: Wallenstein/Prolog
Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798
...
Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,
Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang
Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.
Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,
Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk.
Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze;
Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus.
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.
...
Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.
  
Für die, die ihn nicht mehr kennengelernt haben Ekkehard Schall:







Noch ein Tipp:
Historische Tondokumente aus der Geschichte des Deutschen Theaters in Berlin
Drei CDs. Zweiundvierzig Historische Ton-Aufnahmen deutscher Theatergeschichte der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Es knistert und knackt mehr als drei Stunden von alten Schellackplatten, gar von einer Edison- Wachswalze ist Josef Kainz zu hören - im berühmtesten aller Monologe- Sein oder Nichtsein? - Moissi als Franz Moor, Paul Wegener als Nathan, Tilla Durieux als Klytemnestra, Bassermann als Michael Kramer, als Attinghausen und als Striese aus dem "Raub der Sabinnjerinnen", die Bergner als Fräulein Else, Jannings als Dorfrichter Adam, Heinrich George als Jean Jaurès, Werner Krauss als Wallenstein und als Falstaff, Paul Wegener als Kottwitz, Käthe Dorsch als Katharina, die Widerspenstige, gezähmte? ... Kortner und Bois berichten amüsant und sehr persönlich von ihrer Begegnung mit dem großen Reinhardt. Einer der Höhepunkte - Max Reinhardt selbst - "Über den Schauspieler", ein Redeausschnitt aus dem Jahre 1929.
Die CDNR1, CDNR2 und die CDNR3 werden in Kleinauflage herausgegeben von der schauspieleragentur frank splanemann/ berlin (www.splanemann.de)

Mittwoch, 30. März 2011

Weegee 2



Von der Diktatur zur Demokratie: Ein Leitfaden für die Befreiung


Hochinteressanter Text über die Methoden des gewaltlosen Widerstands. Einiges davon könnte man auch in einer Demokratie nutzen, wenn dort Widerstand nötig ist oder auch gegen diktatorische Demokraten. Liest sich gut und ist auch noch kurz!

Von der Diktatur zur Demokratie: Ein Leitfaden für die Befreiung von Gene Sharp
Unter dem Link kann man auch die deutsche Version runterladen und lesen! 

http://www.facebook.com/5x5strategie/posts/10150156022326113

Hier noch ein Artikel der Tagesschau:

Ein Büchlein mit weltweiter Schlagkraft

Von Nicole Markwald, HR-Hörfunkkorrespondentin New York
Gene Sharp  
Auch mit 83 geht Gene Sharp noch jeden Tag arbeiten. Langsam läuft er ins Büro: Sein Weg ist nicht weit, denn sein kleines unscheinbares Backsteinhaus im Osten von Boston ist gleichzeitig der Sitz seiner Albert Einstein-Institution. Lediglich zwei Angestellte hat das Haus: ihn und seine Geschäftsführerin Jamila Raquib, die sich morgens erst einmal durch Anfragen arbeitet.
Es gibt wieder mal Übersetzungsanfragen für sein Buch "Von der Diktatur zur Demokratie": für China und Somalia. Solche Anfragen seien nicht ungewöhnlich, sie kämen von überall, erzählt Gene Sharp bedächtig. Der Amerikaner hat mit "Von der Diktatur zur Demokratie" einen Bestseller verfasst und er vertreibt ihn, ohne einen Cent dafür zu kassieren.

Wichtigster Tipp: sorgfältig planen

Das Buch ist ein Leichtgewicht: Es hat nur 93 Seiten, doch seine Schlagkraft ist in der ganzen Welt spürbar. Von Burma bis Bosnien, von Ägypten bis Zimbabwe, überall tauchten Sharps praktische Ratschläge, wie man eine unblutige Revolution durchführt, auf. Wichtigster Tipp: sorgfältig planen.
Sein Leitfaden wurde bereits in 28 Sprachen übersetzt – von diesem Erfolg ist auch der Autor überrascht: "Jedes Mal, wenn es in einem neuen Land auftaucht, sagen die Leute: 'Ahh - das ist extra für uns geschrieben worden.’'"

198 Methoden des gewaltfreien Widerstands

Geschrieben hat Sharp "Von der Diktatur zur Demokratie" 1993 nach einer Reise nach Myanmar, dem ehemaligen Birma. Dort lehrte er heimlich gewaltlosen Widerstand. 198 Methoden dazu hat er gesammelt: Vom Wahlboykott, Hungerstreik und Sitzstreiks bis dahin, gezielt die Zusammenarbeit mit der Regierung abzulehnen. Es gebe viele Wege, "Nein" in einem Polizeistaat oder zu einem Regime zu sagen, so Sharp. "Finde heraus, wo Dein Regime stark ist und wo es schwach ist", erzählt er in einem Trailer zu einem Dokumentarfilm, der in diesem Jahr über ihn erscheinen soll und fügt hinzu: "Jede Diktatur hat ihre Schwächen."

Sein ganzes langes Leben hat sich Gene Sharp mit gewaltlosem Widerstand beschäftigt. Natürlich hat er unter anderem Leben und Werke von Mahatma Gandhi und Martin Luther King intensiv studiert. Als Jugendlicher erschütterte ihn die Schreckensherrschaft der Nazis. Als er selbst zum Koreakrieg eingezogen werden sollte, verweigerte er den Kriegsdienst und ging dafür neun Monate lang ins Gefängnis. Der studierte Politikwissenschaftler lehrte mehr als 30 Jahre lang in Harvard. 1973 verfasste er sein Hauptwerk "Politik der gewaltfreien Aktion".
Sharp ist schüchtern, ein stiller Denker. Aber seine Ratschläge werden weltweit beherzigt, bei den friedlichen Protesten in der Ukraine und Georgien, auf dem Balkan und in Ägypten. Er glaubt nicht daran, dass Menschen ohne Waffen in einem Regime machtlos sind. Und diese Botschaft reist um die Welt.
Die Regierenden in Venezuela, dem Iran oder in Burma verunglimpfen Sharp: Er sei ein CIA-Agent, der Unruhe stiften solle. Sharp kann darüber nur müde lächeln. Nie würde er mit irgendeiner Regierung kooperieren, nicht einmal mit der eigenen - auch wenn er das Geld gut gebrauchen könnte. Stattdessen arbeitet er an einem neuen Buch und züchtet seine Orchideen in dem kleinen, unscheinbaren Backsteinhaus im Osten 

Zitat:

"Wenn man auf gewaltsame Mittel vertraut, entscheidet man sich genau für die Art von Kampf, bei der die Unterdrücker so gut wie immer überlegen sind."
Quelle: Gene Sharp, im Vorwort seines Buches "Von der Diktatur zur Demokratie"


Dienstag, 29. März 2011

Weegee!!!


Weegee, eigentlich Arthur Fellig, geboren als Usher Fellig (* 1899 bei Lemberg, Galizien † 1968 in New York) war ein amerikanischer Presse-Photograph. Sein Markenzeichen waren Fotos aus nächster Nähe, frontal und hart mit dem Blitz ausgeleuchtet.


Montag, 28. März 2011

Plumpsack - Ein Spiel

Plumpsack, m. ein schwerer mit wucht niederplumpender sack: da fiel der tropf
zu boden wie ein plumpsack.
Blumauer (1839)

Dreht euch nicht um
Der Plumpsack geht um
Und wer sich umdreht oder lacht
Kriegt den Buckel vollgemacht.
oder Kriegt den Buckel schwarz gemacht.


Die mittelalterliche Spielform:
Zuerst wählten die Kinder mit einem Abzählreim den ersten Plumpsack-Schleuderer aus, der der Einfachheit halber ebenfalls Plumpsack genannt wurde. An einen Ast oder Stock wurde mit einer Schnur ein Säckchen gebunden. Stock- und Schnurlänge zusammen ergaben das Maß, in dem um einen Mittelpunkt ein großer Kreis auf den Boden gezeicBildausschnitt hnet wurde. In der Mitte nahm der 'Plumpsack' Aufstellung, die Mitspieler verteilten sich innerhalb des Kreises.
Das Spiel begann mit dem Singen eines Plumpsackliedes. Das in der Mitte stehende Kind musste durch geschicktes Schleudern ein anderes mit dem Plumpsack treffen, ohne sich jedoch vom Fleck weg bewegen zu dürfen. Tat es das doch und traf dadurch eines der anderen Kinder, zählte dieser Treffer nicht. Neuer 'Plumpsack' wurde, wer regulär getroffen worden war oder auch, wer aus dem Kreis heraus stolperte.
Natürlich waren im Plumpsack keine Steine; es sollte ja niemand verletzt werden. Im Säckchen befand sich damals Asche aus den Feuerstellen und wer häufiger getroffen wurde sah bald aus wie der "Schwarze Mann". Sieger wurde, wer am saubersten geblieben war.




Sonntag, 27. März 2011

Wenn ein Theater schließt und keiner es hört...


Wenn im Wald ein Baum umfällt, und keiner ist da um das zu hören, gibt es dann ein Geräusch?
Gestern in Rostock: "Effie Briest" inszeniert von Matthias Brenner mit Lisa Flachmeyer, Tim Ehlert, Ulrich K. Müller, Petra Gorr, Undine Cornelius, Jakob Kraze, Paul Walther, Dirk Donat, Laura Bleimund, Peer Roggendorf, Caroline Erdmann, Jörg Schulze, Michael Ruchter, Jessica Reinicke, Jewgeni Potschekujew und den Mitarbeitern aller Gewerke des Volkstheaters Rostock.
Premiere. Der Saal war leer. Kein einziger Zuschauer war anwesend. Keine Karte war verkauft worden.
Brandschutzprobleme waren seit Jahren bekannt, geforderte Nachbesserungen wurden aus dem Etat des Theaters durchgeführt, für ein weiteres Gutachten brauchte es über ein Jahr, zuletzt wurde noch eine Wand mit Brandschutztür mitten ins Foyer gebaut, in einer morgendlichen Probe erhielten die Spieler via Privat-Telefon aus Berlin (!) Nachricht von der Schließung ihres Hauses.
Niemand hat vorher von den baupolizeilichen Problemen gewusst? Das war eine ganz plötzliche Entdeckung? Man konnte vor der Katastrophe keine Vorbereitungen für einen Notfallplan treffen? Und jetzt, nach der Entscheidung, soll es bitte keine unsachlichen Diskussionen geben?
„Es geht nicht darum zu bremsen, aber auch nicht darum, irgendeine schnelle Entscheidung durch die Gremien zu ´peitschen`.“ Originalton des Bürgermeisters.
Das Haus ist seit dem 22. Februar 2011 für den Publikumsverkehr geschlossen.
Bisher gibt es einige sehr behelfsmäßige Notspielstätten, Es ist nicht bekannt, wann und ob es zu einer Wiedereröffnung des alten Hauses kommt, oder wo die Produktionen (Tanztheater, Oper, Konzerte, Schauspiel) in der Zwischenzeit oder bis zur Eröffnung des magischen Neubaus (von dem seit ungefähr 25 Jahren die Rede ist) zur Aufführung kommen könnten. Der früheste Termin für die Wiedereröffnung bei einer Investition von circa 3 Millionen wäre März 2012. Ein Neubau könnte frühestens 2016 realer 2017 fertig werden.
Das Theater Stuttgart hat die Sanierungsschließung seines Grossen Hauses in Zusammenarbeit mit der Stadt gründlich vorbereitet und spielt jetzt in einer tollen Übergangslösung vor vollen Zuschauerreihen. Andere Beispiele lassen sich finden.
Für eine Protest-Vorstellung des "Münchhausen" musste das Volkstheater 1000 Euro Miete an die Stadt für drei Stunden Aufenthalt im Rathaus der Stadt Rostock bezahlen.
Der jetzige Intendant ist der 10. seit der Wende. Soweit mir bekannt, hat es fast keiner der 9 Vorgänger bis zum regulären Ende seiner Amtszeit geschafft. Ein Großteil hat die Stadt nach vorfristiger Vertragsaufkündigung mit Abfindung verlassen müssen oder dürfen.

DIE VERANTWORTLICHEN:
Bürgermeister der Stadt Rostock:
Roland Methling
Intendant und Kaufmännischer Geschäftsführer:
Peter Leonhard
Aufsichtsrat:
Dr. Liane Melzer
Dr. Ingrid Bacher
Sandra Benzmann
Sabine Friesecke
Dr. Christel-Katja Fuchs
Eva-Maria Kröger
Heide Mundo
Dr. Anne-Kathrin Riethling
Susanne Schulz

Noch besitzt Deutschland ein Stadttheatersystem.
Und Geldmangel ist sicher nur eines seiner Probleme. Auch eines ist, auf welche Art sich Theater in einer Welt der Digitalisierung, Schnittverschnellerung, Zeitraffung in den sozialen Umbruch unserer Gesellschaft einmischen kann. Wie es Schau - Spiel bleiben kann, in dem Sinne, dass es erkennbare Vorgänge spielerisch durchforstet und sie zum Anschauen anbietet, damit wir uns wiedererkennen mögen in unserer Verzweiflung, unserer Komik und unserem Geheimnis. Diese Fragen, bedürfen jeden Tag neuer Antworten und manche dieser Antworten wollen wir nicht hören und unterhalten uns lieber untereinander in altbekannter Weise weiter, versichern uns gegenseitig unserer Sensibilität und Modernität und lassen die, die wir "bespielen" enttäuscht und ununterhalten zurück.
Aber es gibt auch die Politik! Und die will, zu großen Teilen, Kunst nicht finanzieren. Warum auch? Kunst? Die Schulen müssen bezahlt werde, die Krankenhäuser, die nationale Verteidigung, die Diäten, die Subventionen für die Industrie. Sparen tut not und Geiz ist geil, besonders wenn es etwas betrifft, was man eh nur unter Kinderkram einsortieren sollte. Altes Zeugs, archaischer Müll. Weg damit. Schaut nach Amerika! Da geht es doch auch ohne Subventionen. Und die Engländer arbeiten an einem ähnlichen Plan.
Politiker in Rostock gehen nicht ins Theater. Am gestrigen Abend, einem wichtigen und bedrückenden in der Geschichte des Rostocker Theaters war, wie schon so oft, kein Vertreter der Stadt anwesend. Der Anstand verlangt doch zumindest die Anwesenheit beim Begräbnis eines ungeliebten Kindes, oder?
§ 223 des Strafgesetzbuches sagt über den Tatbestand der Körperverletzung: Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Ich sage, wer ihm anvertraute Institutionen, auch kulturelle, misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, soll bestraft werden.
Aber zurück zum gestrigen Abend: Die Premiere wurde via Livestream übers Internet angeboten. Etwa 4000 Menschen sollen geschaut haben, toll, ABER mit Ausnahme von zwei, drei Clubs, die gemeisam Video guckten: es wurde nirgends hin gegangen, um gemeinsam mit anderen zu schauen, niemand konnte den Schweiß riechen, der vergossen wurde, kein Lacher veränderte den Lauf einer Szene, kein Atem nahm Einfluss auf das Tempo. Entsolidarisierung. Entfremdung. Am Ende verbeugten sich die Spieler vor dem leeren Saal und aus einem iPhone hörte man leise den Applaus der Zuschauer, die die "Vorstellung" in einem Musikclub verfolgt hatten.

Gestern haben viele geweint, ich nicht, mir war schlecht.

Samstag, 26. März 2011

Krankenzimmer Nummer 6 am DT

Dimiter Gottscheff, 7 Schauspieler, eine Tuba mit Musiker und zahllose Scheinwerfer sinnieren über Tschechow.
Eine kleine traurige Erzählung aufgebläht durch eine Auswahl von best of Tschechow Monologen.
Margit Bendokat, Wolfram Koch so toll wie immer, aber wozu?
Ich habe "Die Perser" vom selben Regisseur mit nahezu derselben Besetzung aufgesaugt, jeder Satz geformt und gedacht, zu gross, zu viel und grandios. Hier und heute: Atmosphärisches Stimmungsgewaber.
Wenn die Scheinwerferbatterien zu Beginn abwärts fahren und die Spieler beinah erdrücken, ist das eindrucksvoll, und auch die ersten Male, wenn so ein Riesenscheiner elektronisch gesteuert auf die neue Position eines Spielers fährt, aber nach 10 Minuten wird es öde und nach 20 fand ich mich auf der Suche nach anderweitiger Unterhaltung. Zuschauer angucken ist auch Theater erleben.
War selten so maulfaul nach einem Theaterbesuch und nicht aus Beeindruckung.
Angestrengt.


Das ist Wolfram Koch, wahrscheinlich als Tasso? Lorbeerkranz könnte darauf hinweisen.