Mittwoch, 15. Dezember 2010

Pina Bausch

Wim Wenders hat einen Film über Pina Bausch gedreht!
PINA - Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren 

1987, Ostberlin, eine Freundin schleppt mich, die leise unwillig meckert, zu einem Gastspiel einer Westdeutschen Tanztruppe aus Wuppertal ins Metropol Theater an der Friedrichstrasse (heißt heute Admiralspalast). Das Stück heißt "1980" und ich habe mit Tanz, insbesondere modernem Tanz,  nix am Hut. 
Das nächste, dass ich sicher weiß, ist wie ich aus meinem Sitz springe und Bravo schreie und nicht aufhören kann zu klatschen und meine rechthaberisch grinsende Freundin wild umarme.
Dazwischen, erinnert wie ein Traum: Mechthild Großmann's "Ist die Wiese schön grün!" in der erotischsten weiblichen Bariton-Stimme der Welt und Tänzer, nein, Darsteller, nein, Spieler, die tanzen, als wären sie aus flüssigem Eis oder Sonnenstrahlen und die mir dann ihre Wunden zeigen, die, die es ihnen möglich gemacht haben sich so überirdisch irdisch zu bewegen. Spieler, denen man glaubt, dass sie wissen was sie tun und warum, und die es dann wieder vergessen können, um einfach nur zu spielen. Es wurde viel gelacht an diesem Abend und gestaunt und genossen und verstanden. Beim Applaus in der Mitte der sich Verbeugenden, eine winzige kleine Frau mit der Ausstrahlung einer Supernova, stark, ganz zart, sehr ernst.


DarstellerInnen: Anne Marie Benati, Lutz Förster, Mechthild Großmann, Hans Dieter Knebel, Ed Kortlandt, Mari DiLena, Beatrice Libonati, Anne Martin, Jan Minarik, Vivienne Newport, Nazareth Panadero, Isabel Ribas Serra, Arthur Rosenfeld, Monika Sagon, Jean-Laurent Sasportes, Janusz Subicz, Meryl Tankard, Heide Tegeder




Dienstag, 14. Dezember 2010

Wunder auf der Schiene

Der heutige Eintrag hat nahezu nichts mit Theater zu tun und betrifft doch ein höchst theatralisches Ereignis. Freischaffende Theaterleute fahren sehr viel Bahn, ich z.B. heute mit meinem Bühnenbildner nach Ingolstadt in Bayern zur Bauprobe und danach wieder zurück nach Berlin. Es ist Winter, in Thüringen schneit es, man kann sich also unschwer unseren emotionalen Zustand vor dieser langen Fahrt (ca.11Stunden hin und zurück) vorstellen: Unruhe, leichter Angstschweiß, besorgte Angehörige. Heute früh um 6.39 Uhr die Hinfahrt, pünktliche Abfahrt und Ankunft und zwischendurch ein halbwegs geheizter Zug mit einem reizenden Zugführer, der sogar die für Raucher wichtigen längeren Stops an bestimmten Stationen vorher durchsagte. Es folgte eine wunderbar konzentrierte Bauprobe mit sehr aufgeschlossenen und interessierten Leuten im Theater Ingolstadt und dann:

Der Zug zurück nach Berlin, Abfahrt 15.58 Uhr ab Ingolstadt, ist in Berlin am Hauptbahnhof ZWEI MINUTEN ZU FRÜH eingetroffen!

Die Reisenden, mich eingeschlossen, verliessen den Zug schweigend, weil sprachlos und werden noch lange, sehr lange Zeit ihren Kindern und Kindeskindern mit ruhiger, ehrfürchtig gesenkter Stimme von diesem denkwürdigen Ereignis erzählen. Und ich durfte dabei sein.
Ich danke der Bundesbahn und ihren Mitarbeitern.

Montag, 13. Dezember 2010

Regieanweisung


Unter "Regieanweisung" (oder: "Szenenanweisung") wird hier verstanden, wie ein
Regisseur seine Vorstellungen von einer Figur bzw. einer Szene auf der Bühne
umgesetzt haben möchte. Dem Schauspieler/ Der Schauspielerin stellt er seine
Überlegungen dar und erklärt sie.
 



A   inhaltliche Aspekte
* Bestimmen Sie den zentralen Aspekt der Szene: Was soll der Zuschauer
(vor allem auch bezüglich der ausgewählten Figur) erkennen?

* Ordnen Sie die Szene in den Handlungsverlauf ein? Bzgl. der Figur:
Welches Problem hat sie? Charakterliche Züge? Soziale Daten?
Physische und psychische Verfassung? Absicht? ...

* Legen Sie die Kleidung fest. Soll die Kleidung ein Ausdrucksmittel sein? Wofür?


* Wollen Sie Aussagen zum Bühnenbild, zu Requisiten, zur Beleuchtung, zur Musik
machen? Welche Funktion haben Bühnenbild, Requisiten, ...

*** Im Mittelpunkt stehen nun die Anweisungen an den Schauspieler / die Schauspielerin:

detaillierte, präzise Hinweise zur Sprechweise (Tempo, Betonung,
Lautstärke, ...), zur Gestik, Mimik, zu Bewegungen...Begründen Sie einige Hinweise kurz, wichtige Textstellen ausführlich.  
 
Stellen Sie dabei Bezüge zu vorhergehenden Aussagen her (z.B. Psyche
und Charakter der Figur).
 


B   zur Sprache der Regieanweisungen


* Duzen Sie den Schauspieler / die Schauspielerin.

* Verwenden Sie Elemente der gesprochenen Sprache.

* Präzisieren und veranschaulichen Sie Ihre Aussagen durch treffende Adjektive,
Verben und Vergleiche.

* Bauen Sie Zitate ein und verwenden Sie als Zeitform Präsens.



Hach, wenn es denn so wäre!  Herrlich! Einige Elemente der gesprochenen Sprache mit Adjektiven, Verben und  Vergleichen, natürlich treffenden und DU, der Schauspieler, verstehst mich und ich dann auch DICH! Und wenn ich dann auch noch ein paar Zitate weiß, am besten Goethe im Präsens, da klappt es wie am Schnürchen. Hätte ich das nur schon früher gewußt!


http://www.fg-deutschkurse.de/deu/seiten/kreativ/regie.htm 
     

Banksy 3

Drei Schwestern

1979! Drei Schwestern im Maxim Gorki Theater mit Ursula Werner, Monika Lennartz und Swetlana Schönfeld. 

Die letztere steht als Irina vor dem Spiegel, ist wütend und will ihre Bürste gegen den Spiegel werfen, aber das ist etwas, das ein anständiges Mädchen nicht tut, sie unterläßt es also, ärgert sich dann darüber, dass sie es nicht einfach getan hat, wirft nun die Bürste doch noch, aber es ist zu spät, der ursprüngliche Impuls ist weg. Nun sehen wir eine Frau, die sich selbst verachtet. 

Gespielt in einer Minute, immer noch in meinem Kopf nach 31 Jahren. 
Und ich erinnere mich, dass ich bei dieser Premiere vor Glück geweint habe oder vor Unglück, wer weiß das schon so genau. Das ist mir im Theater in meinem bisherigen Leben genau dreimal passiert.






Sonntag, 12. Dezember 2010

ebay

Ich habe heute zum erstenmal an einer Versteigerung bei ebay teilgenommen. Das ist wirklich etwas Merkwürdiges! Man sucht das Erwünschte, hat, wie ich in diesem Fall, Glück, findet es und bietet. So weit, so gut. Aber dann überkam mich ein Fieber, das in keinem Verhältnis zur Wertschätzung des angestrebten Gegenstandes stand und ich wurde gierig!
Zwei mir völlig unbekannte Personen, d***f und j***2, ebay hält die "wahren" Identitäten der anderen Bieter geheim, wahrscheinlich damit es nicht zu Attentatsversuchen überhitzter Möchtegernkäufer kommt, also d***f und j***2 bieten mit und sind vielleicht reizende Leute, die genau wie ich versuchen, ein spezielles Weihnachtsgeschenk für einen Freund oder Verwandten zu ergattern und sie werden der FEIND! Mein Feind. Ich muß sie beobachten, im Auge behalten, wenn möglich austricksen. Scheinbar hat j***2 gestern abend aufgegeben, aber wer weiß, es könnte ein Trick sein und kurz vor Auktionsende schlägt er/sie doch noch zu? d***f bietet fleißig weiter, er/sie kann nicht wissen, dass mein Höchstgebot noch lange nicht erreicht ist und arbeitet sich nun in 50 Cent-Schritten langsam näher. Und ich schleiche angespannt um meinen Computer wie ein aufgegeilter Großwildjäger und warte, ersehne das Auktionsende. Geht es überhaupt noch um den auktionierten Gegenstand? Ich hoffe ja. Ich hoffe. 
Ein virtuelles Jagdabenteuer mit Real-Jagdlust. Hallali, es lebe das Internet!

Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange;
Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.
W. Shakespeare Ein Sommernachtstraum


Und dies ist das Objekt der Begierde, nein keine Miniatur-Guillotine, sondern eine Brotschneidemaschine! Drückt mir die Daumen und sendet Abwehrstrahlen an d***f und j***"!
 

Freitag, 10. Dezember 2010

Tom Waits

"It ain't no sin, to take off your skin and dance around in your bones." 

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Casanova ein Film von Federico Fellini

Gedreht 1976 mit Donald Sutherland in der Titelrolle ist es einer der wenigen Filme, die ich mindestens 10 Mal gesehen habe. 
Wo anfangen? Das Szenenbild, theatralisch, gewaltig, eine barocke Sinnesorgie, die Menge der Details, Farben, Überraschungen nahezu überwältigend, nie naturalistisch, oft wie das Bühnenbild einer überdimensionalen Theaterinszenierung. Das Meer ist faktisch aus blauer Seide, der Kaiser bewegt sich auf einem meterhohen rollenden Stuhl, übergroße geschlossene Himmelbetten rumpeln durch Sex angetrieben durchs Haus, alles ist größer als es seien sollte, bunter, verlängert, verbreitert - kurz überhöht. Dazu Kostüme aus der Imagination eines lustbesessenen Barockbruders von Dolce und Gabbana oder einer -schwester von Vivienne Westwood, Danielo Donation wurde hierfür 1977 mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet. Eine zarte , sehr kleine, eingehüllte Nonne, erweist sich von hinten als offen für alles. Casanova selbst, eine schrille Überspitzung von Häßlichkeit und männlicher Sexualität.

Fellini soll lang nach einem Produzenten für das Projekt, die Verfilmung von Casanovas Autobiographie "Geschichte meines Lebens" gesucht haben, er fand ihn endlich in Alberto Grimaldi. Allerdings wird berichtet, dass Fellini zu diesem Zeitpunkt schon die Lust an der Unternehmung verloren hatte, er soll gesagt haben: "Ich hasse Casanova." 
Aber er hat den Film gemacht, Gott sei Dank, und Donald Sutherland als Casanova besetzt und entstanden ist vielleicht der unsentimentalste, garstigste und, für mich, wahrhaftigste Film Fellinis. 
Wie fast immer der MANN im Mittelpunkt, nur diesmal nicht Mastroianni, sondern dieser hagere kantige Kanadier mit der fabelhaften Stimme voller Erotik und einer offensichtlichen Lust an der Zersetzung eines, wenn nicht DES italienischen Nationalheiligtums.
Casanova als Philosoph und Schreiber sucht nach Anstellung und Anerkennung und niemand interessiert sich dafür, alle wollen ihn vögeln sehen, die einzige Profession in der er Erfolg hat. Es wird viel gevögelt in diesem Film, laut gestöhnt, wild gerammelt, präzise durchgefickt und kalt gerammelt, und nirgends eine Spur von Nähe. In der letzten Szene sehen wir Casanova, nun alt und angestellt als Bibliothekar eines Böhmischen Grafen, in der einzigen Liebesszene des Filmes, tanzend in großer Zärtlichkeit mit einer Puppe. Herzzerreißend.

Der Film war übrigens ein kolossaler Kassenflop. 
Fellini sagte später: "Was habe ich mit diesem Film machen wollen? Ein gutes Stück weiter zum letzten Grund des Kinos gelangen, zu dem, was meiner Meinung nach der totale Film ist. Also dahin, dass es einem gelingt, aus einem Film ein Gemälde zu machen. ... Das Ideale wäre ein Bild aus einem einzigen Bild zu machen, das ewig feststeht und voller Bewegung ist." (zitiert nach "Casanova", Diogenes 1977) und Sutherland: "“in his relations with actors, Federico was dreadful, a martinet, a tyrant.” aber auch “Fellini is constantly threatened by his own superficiality, and is constantly running away from it...".