Montag, 13. Dezember 2010
Drei Schwestern
1979! Drei Schwestern im Maxim Gorki Theater mit Ursula Werner, Monika Lennartz und Swetlana Schönfeld.
Die letztere steht als Irina vor dem Spiegel, ist wütend und will ihre Bürste gegen den Spiegel werfen, aber das ist etwas, das ein anständiges Mädchen nicht tut, sie unterläßt es also, ärgert sich dann darüber, dass sie es nicht einfach getan hat, wirft nun die Bürste doch noch, aber es ist zu spät, der ursprüngliche Impuls ist weg. Nun sehen wir eine Frau, die sich selbst verachtet.
Gespielt in einer Minute, immer noch in meinem Kopf nach 31 Jahren.
Und ich erinnere mich, dass ich bei dieser Premiere vor Glück geweint habe oder vor Unglück, wer weiß das schon so genau. Das ist mir im Theater in meinem bisherigen Leben genau dreimal passiert.
Sonntag, 12. Dezember 2010
ebay
Ich habe heute zum erstenmal an einer Versteigerung bei ebay teilgenommen. Das ist wirklich etwas Merkwürdiges! Man sucht das Erwünschte, hat, wie ich in diesem Fall, Glück, findet es und bietet. So weit, so gut. Aber dann überkam mich ein Fieber, das in keinem Verhältnis zur Wertschätzung des angestrebten Gegenstandes stand und ich wurde gierig!
Zwei mir völlig unbekannte Personen, d***f und j***2, ebay hält die "wahren" Identitäten der anderen Bieter geheim, wahrscheinlich damit es nicht zu Attentatsversuchen überhitzter Möchtegernkäufer kommt, also d***f und j***2 bieten mit und sind vielleicht reizende Leute, die genau wie ich versuchen, ein spezielles Weihnachtsgeschenk für einen Freund oder Verwandten zu ergattern und sie werden der FEIND! Mein Feind. Ich muß sie beobachten, im Auge behalten, wenn möglich austricksen. Scheinbar hat j***2 gestern abend aufgegeben, aber wer weiß, es könnte ein Trick sein und kurz vor Auktionsende schlägt er/sie doch noch zu? d***f bietet fleißig weiter, er/sie kann nicht wissen, dass mein Höchstgebot noch lange nicht erreicht ist und arbeitet sich nun in 50 Cent-Schritten langsam näher. Und ich schleiche angespannt um meinen Computer wie ein aufgegeilter Großwildjäger und warte, ersehne das Auktionsende. Geht es überhaupt noch um den auktionierten Gegenstand? Ich hoffe ja. Ich hoffe.
Ein virtuelles Jagdabenteuer mit Real-Jagdlust. Hallali, es lebe das Internet!
Ein virtuelles Jagdabenteuer mit Real-Jagdlust. Hallali, es lebe das Internet!
Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange;
Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.
W. Shakespeare Ein Sommernachtstraum
Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.
W. Shakespeare Ein Sommernachtstraum
Und dies ist das Objekt der Begierde, nein keine Miniatur-Guillotine, sondern eine Brotschneidemaschine! Drückt mir die Daumen und sendet Abwehrstrahlen an d***f und j***"!
Samstag, 11. Dezember 2010
Freitag, 10. Dezember 2010
Donnerstag, 9. Dezember 2010
Casanova ein Film von Federico Fellini
Gedreht 1976 mit Donald Sutherland in der Titelrolle ist es einer der wenigen Filme, die ich mindestens 10 Mal gesehen habe.
Wo anfangen? Das Szenenbild, theatralisch, gewaltig, eine barocke Sinnesorgie, die Menge der Details, Farben, Überraschungen nahezu überwältigend, nie naturalistisch, oft wie das Bühnenbild einer überdimensionalen Theaterinszenierung. Das Meer ist faktisch aus blauer Seide, der Kaiser bewegt sich auf einem meterhohen rollenden Stuhl, übergroße geschlossene Himmelbetten rumpeln durch Sex angetrieben durchs Haus, alles ist größer als es seien sollte, bunter, verlängert, verbreitert - kurz überhöht. Dazu Kostüme aus der Imagination eines lustbesessenen Barockbruders von Dolce und Gabbana oder einer -schwester von Vivienne Westwood, Danielo Donation wurde hierfür 1977 mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet. Eine zarte , sehr kleine, eingehüllte Nonne, erweist sich von hinten als offen für alles. Casanova selbst, eine schrille Überspitzung von Häßlichkeit und männlicher Sexualität.
Wo anfangen? Das Szenenbild, theatralisch, gewaltig, eine barocke Sinnesorgie, die Menge der Details, Farben, Überraschungen nahezu überwältigend, nie naturalistisch, oft wie das Bühnenbild einer überdimensionalen Theaterinszenierung. Das Meer ist faktisch aus blauer Seide, der Kaiser bewegt sich auf einem meterhohen rollenden Stuhl, übergroße geschlossene Himmelbetten rumpeln durch Sex angetrieben durchs Haus, alles ist größer als es seien sollte, bunter, verlängert, verbreitert - kurz überhöht. Dazu Kostüme aus der Imagination eines lustbesessenen Barockbruders von Dolce und Gabbana oder einer -schwester von Vivienne Westwood, Danielo Donation wurde hierfür 1977 mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet. Eine zarte , sehr kleine, eingehüllte Nonne, erweist sich von hinten als offen für alles. Casanova selbst, eine schrille Überspitzung von Häßlichkeit und männlicher Sexualität.
Fellini soll lang nach einem Produzenten für das Projekt, die Verfilmung von Casanovas Autobiographie "Geschichte meines Lebens" gesucht haben, er fand ihn endlich in Alberto Grimaldi. Allerdings wird berichtet, dass Fellini zu diesem Zeitpunkt schon die Lust an der Unternehmung verloren hatte, er soll gesagt haben: "Ich hasse Casanova."
Aber er hat den Film gemacht, Gott sei Dank, und Donald Sutherland als Casanova besetzt und entstanden ist vielleicht der unsentimentalste, garstigste und, für mich, wahrhaftigste Film Fellinis.
Wie fast immer der MANN im Mittelpunkt, nur diesmal nicht Mastroianni, sondern dieser hagere kantige Kanadier mit der fabelhaften Stimme voller Erotik und einer offensichtlichen Lust an der Zersetzung eines, wenn nicht DES italienischen Nationalheiligtums.
Casanova als Philosoph und Schreiber sucht nach Anstellung und Anerkennung und niemand interessiert sich dafür, alle wollen ihn vögeln sehen, die einzige Profession in der er Erfolg hat. Es wird viel gevögelt in diesem Film, laut gestöhnt, wild gerammelt, präzise durchgefickt und kalt gerammelt, und nirgends eine Spur von Nähe. In der letzten Szene sehen wir Casanova, nun alt und angestellt als Bibliothekar eines Böhmischen Grafen, in der einzigen Liebesszene des Filmes, tanzend in großer Zärtlichkeit mit einer Puppe. Herzzerreißend.
Der Film war übrigens ein kolossaler Kassenflop.
Fellini sagte später: "Was habe ich mit diesem Film machen wollen? Ein gutes Stück weiter zum letzten Grund des Kinos gelangen, zu dem, was meiner Meinung nach der totale Film ist. Also dahin, dass es einem gelingt, aus einem Film ein Gemälde zu machen. ... Das Ideale wäre ein Bild aus einem einzigen Bild zu machen, das ewig feststeht und voller Bewegung ist." (zitiert nach "Casanova", Diogenes 1977) und Sutherland: "“in his relations with actors, Federico was dreadful, a martinet, a tyrant.” aber auch “Fellini is constantly threatened by his own superficiality, and is constantly running away from it...".
Montag, 6. Dezember 2010
Erich Fried
Was es ist Es ist Unsinn sagt die Vernunft Es ist was es ist sagt die Liebe Es ist Unglück sagt die Berechnung Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst Es ist aussichtslos sagt die Einsicht Es ist was es ist sagt die Liebe Es ist lächerlich sagt der Stolz Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht Es ist unmöglich sagt die Erfahrung Es ist was es ist sagt die Liebe | |
Quelle: Erich Fried "Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte", Berlin 1996. Höre auch das Lied von Mia. "Was es ist" auf dem Album "Stille Post". |
Sonntag, 5. Dezember 2010
Hans Magnus Enzensberger
verteidigung der wölfe gegen die lämmer (1962)
soll der geier vergißmeinnicht fressen? was verlangt ihr vom schakal, daß er sich häute; vom wolf? soll er sich selber ziehen die zähne? was gefällt euch nicht an politruks und an päpsten, was guckt ihr blöd aus der wäsche auf den verlogenen bildschirm? wer näht denn dem general den blutstreif an seine hosen? wer zerlegt vor dem wucherer den kapaun? wer hängt sich stolz das blechkreuz vor den knurrenden nabel? wer nimmt das trinkgeld, den silberling, den schweigepfennig? es gibt viel bestohlene, wenig diebe; wer applaudiert ihnen denn, wer lechzt denn nach lüge? seht in den spiegel: feig, scheuend die mühsal der wahrheit, dem lernen abgeneigt, das denken überantwortend den wölfen, der nasenring euer teuerster schmuck, keine täuschung zu dumm, kein trost zu billig, jede erpressung ist für euch noch zu milde. ihr lämmer, schwestern sind, mit euch verglichen, die krähen: ihr blendet einer den andern. brüderlichkeit herrscht unter den wölfen: sie gehen in rudeln. gelobt sei'n die räuber; ihr, einladend zur vergewaltigung, werft euch aufs faule bett des gehorsams, winselnd noch lügt ihr, zerrissen wollt ihr werden, ihr ändert die welt nicht mehr.
sekundäres gerede.
ein poetischer text ist nicht mehr als das, was er enthält. deshalb kann er immer nur aus sich selber verständlich sein oder gar nicht. jede erläuterung, die von aussen kommt, und wäre es vom poeten selber, ist unnütz, ja ärgerlich. der verfasser, der sein produkt selber kommentiert, spricht sich sein eigenes urteil, wenn er das gedicht aus der poetischen in eine andere sprache rückübersetzt. er gibt damit nämlich zu, dass er das, was er mit den worten seines gedichtes sagte, auch anders, nämlich mit den worten seiner erläuterung hätte sagen können, also, wie das wort erläuterung zu verstehen gibt, lauterer, durchsichtiger, klarer. der satz, mit dem er seinen kommentar begänne, wäre bereits ein geständnis: «ich wollte mit meinem gedicht sagen...» – «warum haben sie es dann nicht gesagt?» die gegenfrage ist nur allzu berechtigt. mithin wäre das einzig richtige verfahren, über ein gedicht zu sprechen, die interpretation von fremder hand; mithin wäre alles andere sekundäres gerede oder indiskretion... hans magnus enzensberger [in: die entstehung eines gedichts] |
Samstag, 4. Dezember 2010
Kinderoper und acapella Gesang
Morgens mit meiner Nichte in der Komischen Oper zur "Schneekönigin" und abends im Cafe Schallote bei "Muttis Kindern", Theaterüberdosis!
Am Morgen viel Bühnenbild, zauberhafte Kinderchöre, teils schlecht verständlicher Gesang und KEINE SCHNEEKÖNIGIN! Um meine Nichte zu zitieren: "Du, weißt Du, ich war schon ein bißchen enttäuscht, das die gar keine Schneekönigin hatten." Ich kann dem nur zustimmen. Symbolträchtiges gleißendes Licht und sphärische Klänge ersetzen nicht die grandiose Bösewichtin des Abends. Wenn es keinen wirklich faszinierenden Feind gibt, sind doch die Heldentaten Gerdas' nur halb so bewundernswert, oder?
Auch wurde irgendeiner Form die Erkaltung Kais' durch die Spiegelscherbe mit plötzlichem fanatischen Interesse für Mathematik und möglicherweise, weil nicht gut hörbar, Astronomie gleichgesetzt, während die warme, gefühlvolle Phase durch ein Lied über eine blaue Rose (blaue Blume der Romantik, wink, wink) konstatiert wurde. Kai und Gerda sind übrigens in dieser Variante Freund und nicht Geschwister, versteht ihr?
Beide Kinder trugen, wohl damit sie als Kinder erkennbar waren, Kniestrümpfe im tiefsten Winter. (Es gibt genau zu diesem Punkt einen tollen Aufsatz von Roland Barthes in den "Mythen des Alltags" über 'Römer im Film'.)
Schöne Bilder hier und da, Musik, die manchmal an veroperte West Side Story Melodien erinnerte und, außer von der Sängerin der Gerda und den oben schon erwähnten Chören, wenig Kommunikation mit den zuschauenden Kindern.
Die Vorstellung ist immer ausverkauft (! Es wird offensichtlich zuwenig Theater für Kinder produziert!) und ist ein Erfolg. Trotzdem waren wir, meine Nicht und ich, anschließend leicht betrübt.
Abends dann, ein Konzert einer dreiköpfigen acapella Kapelle "Muttis Kinder", bestehend aus Claudia Graue, Markus Melzwig und Christoph Nell. Die drei haben sich vor Jahren an der Rostocker Schauspielschule zusammengefunden und singen seitdem, und wie sie singen! Ich kenne die Gruppe schon einige Jahre und sie wird immer besser. In diesem Jahr haben sie den 1. Platz, das Goldene Diplom und den Publikumspreis für Comedy, sowie ein Goldenes Diplom und den "Award for outstanding Performance (Pop) bei Vokal.Total in Graz gewonnen. So eine Lust ihnen zuzuhören und zu schauen. Drei Schauspieler die es lieben, zu singen UND zu spielen. Nicht nur schöner Gesang, nicht nur Spaß, nicht nur, sondern, sowohl als auch. Kleine Meckerei am Rande, eine gewisse anarchische Gefährdung des Vortrages, schien mir früher, stärker zu sein. Das ist nur so ein Eindruck, und vielleicht ist das der Preis, den sie für die gewachsene Perfektion zahlen müssen.
http://www.muttis-kinder.de/index.html
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