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Donnerstag, 6. Juni 2013

Wünsche


Jeder von uns wünschte gelegentlich, dass es einfache Lösungen gäbe,
wünschte manchmal, dass der Mond aus Butterkäse und die Wolken aus 
weicher Watte wären, dass Kinder auf immer unschuldig und alte Leute wahrhaft weise wären, dass eins und eins zwei macht und dies alles einen Sinn ergibt.
Und erst wenn wir dies nicht mehr wünschen, erst dann kommt es richtig dicke.
Gelbes Haus 1888 Vincent van Gogh

Gedicht für jeden Tag im Jahr

Jeder wünscht sich jeden Morgen
irgend etwas - je nachdem.
Jeder hat seit jeher Sorgen,
jeder jeweils sein Problem.

Jeder jagt nicht jede Beute,
jeder tut nicht jede Pflicht.
Jemand freut sich jetzt und heute.
jemand anders freut sich nicht.

Jemand lebt von seiner Feder,
jemand anders lebt als Dieb.
Jedenfalls hat aber jeder
jeweils irgend jemand lieb.

Jeder Garten ist nicht Eden.
Jedes Glas ist nicht voll Wein.
Jeder aber kann für jeden
jederzeit ein Engel sein.

Ja, je lieber und je länger
jeder jedem jederzeit
jedes Glück wünscht, um so enger
leben wir in Ewigkeit.

James Krüss

Sonntag, 26. Mai 2013

Erinnerungen an etwas Fastvergessenes - Die Jahreszeit



 Vorfrühling Erstfrühling Vollfrühling Frühsommer  
Hochsommer Spätsommer  
Frühherbst Vollherbst Spätherbst  
Winter

Ich erinnere mich, dass diese Namen einst, vielleicht mag es sogar noch vor
nicht allzulanger Zeit so gewesen sein, dazu dienten, den Ort im laufenden Jahr
näher zu bezeichnen. Und wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, würden
wir uns augenblicklich gerade im Vollfrühling befinden. Vollfrühling oder
Spätfrühling, man konnte den Sommer bereits ahnen, der Kampf um das
Tragen von Kniestrümpfen kontra doofe Strumpfhose war fürs Erste
beendet, Jacken wurden ständig irgendwo liegen gelassen und die
Freibäder wurden geöffnet - für Kinder in Mitte, das Mombi, oder 

(für Ausländer) das Kinderbad Monbijou - unser "Kleinod", überfüllt, dreckig 
und herrlich. Und die ganz besonders Mutigen sind auch mal in die 
nebenan fließende Pampe mit Namen Spree gesprungen, immer mit 
einem wachsamen Auge auf die plötzlich auftauchenden Grenzschutzboote. Bockwurst mit Senf für 80 Pfennig der DDR oder zum gleichen Preis 
8 Stullen mit Senf. Das Bad gibt es noch, aber dieses Jahr ist es 
wahrscheinlich noch zugefroren.

Der Mittel- oder Flirtgang

BERLINER FREIBAD

Max Herrmann Neiße
 

Wie sie an des Tümpels Schmutzgestaden
wie an einem Meereshafen baden,
sich ein märkisches Misdroy vortäuschen,
den verbotnen Leib, den heilsam keuschen,
aus sintflutlich steifer Wäsche schälen,
lange zappeln auf den Uferpfählen
und grotesk ins dunkle Spülicht platschen,
neckisch sich die Rundlichkeiten klatschen
und ihr schweres Fett kopfüber kippen
oder lieblich auf und nieder wippen!

Harmlos sich die Voyeure lagern
in ergiebiger Nähe von den magern
Mädchenleibem und markiern gemessen
Zeitungslesen oder Stullenfressen.
Alte Weiber hocken dahingegen
dort, wo Jünglinge des Bades pflegen,
hocken hoffnungslos, weil diese Knaben
eine ganz bestimmte Richtung haben,
die sie zärtlich zirpend wie Kastraten
würstchenwarm und zweifellos verraten.

Angler stehn wie Statuen im Gewimmel,
Flieger knattern am Gewitterhimmel,
Sportler, von dem Wahn besessen, rennen
auf und nieder, Pärchen selig pennen,
um des Dunkels Gnade zu erwarten.
Badehosenstifte spielen Karten,
fühlen sich als Männer und mißbrauchen
als gelegnen Grund zum Kettenrauchen
die vor soviel Schweiß wehrlosen Mücken,
die sich ängstlich in die Büsche drücken.

An den Beinen braun wie Kinderkacke
klebt der Sand, und eine Hinterbacke
schwimmt wie ein Ballon im schmutzgen Schilfe.
Ein getauchtes Wesen wimmert » Hilfe!«
Händler spenden aus verdächtgem Kübel
trübe Limonade. Wem wird übel.
Andern mundet die vom Staub verdreckte
Kost der Apfelsinen und Konfekte,
und ein ganz Verrohter schnappt den Happen
der noch zappelnd moosbedeckten Quappen.

Zu der Frösche lyrischem Gequarre
spielt jetzt einer sinnig die Gitarre,
einer pfeift das Lied von den Bananen.
In der Ferne rattern dumpf die Bahnen,
knallt das Feuerwerk vom Lunaparke.
Und hier produziert sich »Karl, der Starke«
und begeistert durch diverse Flausen
Pupen sowie Puppchen zu Applausen,
bis zuletzt, wenn schon die Blitze schwirren,
Glieder so und so sich toll verwirren.

Und seltsam unfaßbar die Geisterstimme singt:
»Am Wasser, am Wasser, am Wasser bin ich zuhaus . . .«
Und jeder die Seine schließlich heimwärts bringt,
und in den Schlafstuben die Lichter löschen aus,
der Sipo stapft ums Karree- - -
Und prasselt der Regen aufs Fensterbrett,
dann liegt die Nixe geborgen im Bett,
und auch der kesse Wannseekadett,
und er sticht nur im Traum noch in See.



Ursprünglich stand im Monbijoupark ein Rokkoko-Lustschloß aus dem 
18. Jahrhundert, es wurde 1959 aus ideologischen Gründen abgerissen.


Schloß Monbijou und Spree


Die fünf weißen Ratten im Schloss Monbijou
Im Monbijoupark stand einst ein prächtiges Schloss. Dort spukte es in der Johannisnacht. Fünf weiße Ratten huschten dann über die Treppen und 
durch die Zimmer. Ein Feuerschein folgte ihnen und Wehklagen ertönte, 
wo sie weilten. Kein Riegel hielt sie auf und keine Wand konnte sie halten. 
Die Feuerlöcher der Ofen öffneten sich, wenn die seltsamen Tiere kamen. Fünfzehnmal mussten sie in jedes Feuerloch hinein und fünfzehnmal wieder hinaus. Durch die Gänge wankte eine junge Frau und weinte. Um Mitternacht 
sang sie zuweilen ein schauriges Lied:
"Wole, wole, Kindelein mein, starr ist der Stein, war Fleisch und Bein. So jung gestorben, durch mich verdorben. Wole, wole, Kindlein, tanzt!"
Wer mochte die Verdammte sein?
Fünf kleine Mädchen waren die Ratten einst, und die weinende Frau war die Gärtnerin, die Mutter der Kinder. In der Johannisnacht war sie mit ihrem 
Liebsten zum Tanz gegangen, während die Kinder schliefen. In der Nacht 
aber kam ein Gewitter auf und weckte die Kleinen. Sie tasteten sich durch 
das dunkle Schloss, während sie die Mutter suchten und krochen schließlich 
voller Angst in die Feuerlöcher der Kamine. Da kehrte die Mutter heim und 
suchte ihre Kinder im ganzen Schloss. Als sie diese schließlich in den Löchern sitzen sah, da lachte sie über ihre Furcht und sprach: "Wie Ratten sitzen sie 
da im Feuerloch." Aber ein eisiger Schrecken durchfuhr sie, als plötzlich 
fünf Ratten vor ihr herhuschten, weiß wie die Mädchen in ihren Hemdchen gewesen waren. In den Garten huschten die Tiere und die Gärtnerin 
hinterher. Ein greller Blitzstrahl zuckte auf, und sie wurde zu Stein. 
Die Ratten gruben sich darunter in die Tiefe hinab.

Mittwoch, 15. Mai 2013

Flieder, Flieder, Flieder




FLIEDER, FLIEDER

In Jean Genets "Unter Aufsicht" beschreibt der Mörder Grünauge seine 
Bredouille mit etwa diesen Worten: "Flieder zwischen den Zähnen 
tragend, wurde ich verfolgt von Leuten, die diesen Flieder begehrten."
Fliederduft ist sündig, schwer, süß, erotisierend, belebend. Wenn man
länger unter einem Fliederbusch stehenbleibt, wird man ein wenig 
trunken.    



UNTER DEM FLIEDER
Claude Oscar Monet 1873

WEISSER FLIEDER

Naß war der Tag - die schwarzen Schnecken krochen,
Doch als die Nacht schlich durch die Gärten her,
Da war der weiße Flieder aufgebrochen,
Und über alle Mauern hing er schwer.

Und über alle Mauern tropften leise
Von bleichen Trauben Perlen groß und klar,
Und war ein Duften rings, durch das die Weise
Der Nachtigal wie Gold geflochten war.  



Freiherr Börries von Münchhausen
Die Balladen und ritterlichen Lieder [des Freiherrn Börries von Münchhausen], 
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart / Berlin, [73-77 Tausend], o. J., S. 168  



FLIEDER
Henri Matisse 1914


Wenn der weiße Flieder wieder blüht,
sing' ich dir mein schönstes Liebeslied.
Immer, immer wieder 

knie ich vor dir nieder,
trink mit dir den Duft vom weißen Flieder.
Wenn der weiße Flieder wieder blüht,
küß' ich deine roten Lippen müd'.
Wie im Land der Märchen 

werden wir ein Pärchen
wenn der weiße Flieder wieder blüht.
Frühling, Frühling, Frühling, wer liebt dich nie wie ich.
Frühling, Frühling, Frühling, voll Glück erwart' ich dich!
Ach schein in mein Stübchen recht bald nur herein,
mein Schatz hat schon Sehnsucht nach dir!
Er sagt: Ich brauch' Sonne um glücklich zu sein,
dann wünsche dir alles von mir.
Komm Frühling, komm, der du uns zwei vereinst,
schein' und erfüll' unser Sehnen!
Wenn der weiße Flieder wieder blüht ...


Franz Doelle


 WEISSER FLIEDER
Edouard Manet 1883


LIEBESZAUBER. Man nimmt eine Kerze, vorzugsweise in rosa oder rot, 

 lässt sie brennen, bis sich Wachs verflüssigt. In dieses flüssige Wachs gibt man einen Tropfen reines Fliederöl und lässt es verdampfen. 
Noch während es duftet wird ein kleines Blatt Papier mit dem Namen der 
oder des Geliebten in die Flamme gehalten und verbrennt . 
www.perlen-träume.de/kraeutergarten/flieder.htm


Samstag, 20. April 2013

Montag, 8. April 2013

Vanitas Vanitatum et Omnia Vanitas - Es Ist Alles Eitel



VANITAS VANITATUM ET OMNIA VANITAS

Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.
1. Buch Kohelet


Vanitas Figur wahrscheinlich 18. Jahrhundert
Henry Wellcome Collection London



Bedeutungen des Wortes
eitel
sich selbst bewundernd
ohne Aussicht auf Erfolg
ganz rein

http://www.wellcomecollection.org/whats-on/exhibitions/medicine-man.aspx


ES IST ALLES EITEL


„Du sihst / wohin du sihst, nur eitelkeit auff erden.
Was dieser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund städte stehn / wird eine wiesen sein,
Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.

Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen asch und bein.
Nichts ist das ewig sey / kein ertz kein marmorstein.
Itzt lacht das Gluck vns an / bald donnern die beschwerden.

Der hohen thaten ruhm mus wie ein traum vergehn.
Sol denn das spiell der zeitt / der leichte mensch bestehn.
Ach! was ist alles dis was wir für köstlich achten,

Als schlechte nichtikeit / als schaten, staub vnd windt.
Als eine wiesen blum / die man nicht wiederfindt.
Noch wil was ewig ist kein einig mensch betrachten.“

Andreas Gryphius 1658


Mors Omnia Aequat - Der Tod macht alle gleich
Barthel Beham (Dürerschüler) ca.1530

Mittwoch, 3. April 2013

3-3-3 bei Issos Keilerei


3-3-3 bei Issos Keilerei

Soll ich es eine Landschaft nennen, ein historisches Gemälde oder ein Schlachtstück?
Friedrich Schlegel


1528/29
158 x 120 cm
Die Griechen tragen weiß/blaue Uniformen, die Perser rote.

Durch diese Schlacht zwischen den Makedoniern unter Alexander dem Großen und dem Perserkönig Darius III. mit seinem Heer, bei Issos im Jahre 333 v. Chr., kam das westpersische Reich unter Alexanders Kontrolle, es gab zwar danach noch weitere Schlachten, aber diese war die entscheidende.
Das Gemälde zeigt den Moment, wo die Schlacht bereits entschieden ist, Alexander hat gesiegt, Darius wendet sich zur Flucht. 

Alexander der Große besiegt zum letzten Mal den Darius, nachdem in den Reihen
 der Perser 100.000 Mann zu Fuß und über 10.000 Reiter erschlagen
 und Mutter, Gattin und Kinder des Königs Darius mit nicht mehr als 1.000 in Auflösung fliehenden Reitern gefangen worden waren.
Text, der auf der schwebenden Tafel in Latein geschrieben ist.


Das Gemälde gehört zu einem Historienzyklus, den Herzog Wilhelm IV. von Bayern und seine Gattin Jacobaea von Baden für ihre Münchner Residenz anfertigen ließen.

DETAILS

Frauen



Der fliehende Darius


Der verfolgende Alexander = "Alexander Magnus"
 
 Noch eine andere Sicht

Alexander Mosaik, Haus des Fauns, Pompeii, Ende des 2.Jh. v.u.Z.


Eselsbrücken für Geschichtsdaten

7-5-3 Rom schlüpft aus dem Ei

Vier – Sieben – Sechs, und Rom war ex

Acht, null, null –
Karl bestieg den Stuhl.

Neun, sechs, zwo –
der Kaiser heißt Otto

'Acht vor Fünfzehnhundert – Kolumbus wird bewundert!

5. März 1953 
5 3 5 3 – mit Stalin war’s vorbei. 

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seit 1949
Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel
Alle ehemaligen Kanzler bringen samstags keine Semmeln mit.




Freitag, 29. März 2013

Karfreitag - Einsamer geht nicht




DER ÖLBAUMGARTEN


Er ging hinauf unter dem grauen Laub
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände
und legte seine Stirne voller Staub
tief in das Staubigsein der heißen Hände.

Nach allem dies. Und dieses war der Schluß..
Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde,
und warum willst Du, daß ich sagen muß
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.

Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein.
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein.
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.

Ich bin allein mit aller Menschen Gram,
den ich durch Dich zu lindern unternahm,
der Du nicht bist. O namenlose Scham...

Später erzählte man: ein Engel kam -.

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht
und blätterte gleichgültig in den Bäumen.
Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.
Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht.

Die Nacht, die kam, war keine ungemeine;
so gehen hunderte vorbei.
Da schlafen Hunde und da liegen Steine.
Ach eine traurige, ach irgendeine,
die wartet, bis es wieder Morgen sei.

Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern,
und Nächte werden nicht um solche groß.
Die Sich-Verlierenden läßt alles los,
und sie sind preisgegeben von den Vätern
und ausgeschlossen aus der Mütter Schooß..

Rainer Maria Rilke
Aus: Neue Gedichte (1907) 



 Andreas Mantegna Christusam Ölberg im Garten Gethsemane 1455

DETAILS:










Donnerstag, 28. März 2013

Weißes Bild 1883 - von Ö.


Auf den Tipp einer Freundin - da gibt es nix wirklich völlig Neues in der Kunst.

Erstkommunion Anämischer Junger Mädchen im Schnee; Alphonse Allais 1883

e.e. cummings - weiches weißes verdammt


weiches weißes verdammt
XIX

Ich werde kultivieren in mir
gewissenhaft das Unnachahmliche welches
einsamkeit ist, diese einzigartigen träume
sollen niemals ihr gewand beschmutzen

mit gegebenheiten: das
ist ein verhalten wert

schwierigerer
wünsche oder 
hoffnungen weniger
großartig als meine" (die fenster öffnend)

"und da ist philosophie" genau zu
diesem zeitpunkt(sprang
auf die

strasse)diese tiefe sofortige maske und
formulierend"wie für mich selbst, weil ich
zart und zerbrechlich bin
borge ich kontakt von jenem du und von

diesem du empfindungen, imitiere einige verhängnisvoll

vorzüglich"(zieht den schal sorgsam um
sich)"dinge ich meine der
Regen ist kein respektierer von personen
der schnee kehrt sich eine weiches weißes
verdammt Wen er berührt


Rauschenberg, dreiteiliges Weißes Bild


 
soft white damn
XIX

i will cultivate within
me scrupulously the Inimitable which
is loneliness, these unique dreams
never shall soil their raiment

with phenomena: such
being a conduct worthy of

more ponderous
wishes or
hopes less
tall than mine" (opening the windows)

"and there is a philosophy" strictly at
which instant(leaped
into the

street)this deep immediate mask and
expressing "as for myself, because i
am slender and fragile
i borrow contact from that you and from

this you sensations, imitating a few fatally

exquisite"(pulling Its shawl carefully around
it)"things i mean the
Rain is no respecter of persons
the snow doesn't give a soft white
damn Whom it touches


-e.e. cummings, Viva, 27

Donnerstag, 14. März 2013

Franziskus am Bildrand


Seine Eminenz, den hochwürdigste Exzellenz der Heiligen Römischen Kirche, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, nun neuer Papst, er nennt sich Franziskus, übrigens nur Franziskus, der Erste wird er erst, wenn es auch einen Zweiten gibt. Wird jetzt etwas anders werden? Wie denn?

Giovanni Cimabue 1280: Madonna, rechts: Franziskus. Assisi, Unterkirche der Basilika San Francesco

SONNENGESANG DES FRANZ VON ASSISSI

Es beginnt das Lob der Schöpfung, das der selige Franziskus
zu Lob und Ehre Gottes dichtete, als er krank bei St. Damianus lag
Höchster, allmächtiger und guter Herr,
dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und Ehr.

1. Herr, sei gelobt durch Bruder Sonne,
er ist der Tag, der leuchtet für und für.
Er ist dein Glanz und Ebenbild, o Herr.

2. Herr, sei gelobt durch unsre Schwester Mond
und durch die Sterne, die du gebildet hast.
Sie sind so hell, so kostbar und so schön.

3. Herr, sei gelobt durch unsren Bruder Wind,
durch Luft und Wolken und jegliches Wetter.
Dein Odem weht dort, wo es ihm gefällt

4. Herr, sei gelobt durch Schwester Wasser,
sie ist gar nützlich, demutsvoll und keusch.
sie löscht den Durst, wenn wir ermüdet sind:

5. Herr, sei gelobt durch Bruder Feuer;
der uns erleuchtet die Dunkelheit und Nacht.
Er ist so schön, gar kraftvoll und auch stark.

6. Herr, sei gelobt durch Mutter Erde,
die uns ernährt, erhält und Früchte trägt.
Die auch geschmückt durch Blumen und Gesträuch:

7. Herr, sei gelobt durch jene, die verzeihn,
und die ertragen Schwachheit, Leid und Qual.
von dir, du Höchster, werden sie gekrönt.

8. Herr, sei gelobt durch unsren Bruder Tod,
dem kein Mensch lebend je entrinnen kann.
Der zweite Tod tut uns kein Leides an.
Lobet und preiset den Herrn in Dankbarkeit,
und dienet ihm mit großer Demut.
Variantübersetzung der letzten Strophe:
Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihr kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Franziskus vor der Restaurierung
© De Giovanni, Andrea Gaspare

Samstag, 23. Februar 2013

Eros, der Schmerz



Eine kurze Begegnung. Ein besonders schöner kleiner Junge, vielleicht vier oder fünf, vor mir in der Schlange am Wurststand der noch nicht rekonstruierten Ackerhalle in Berlin. Seine Mutter macht ihre Einkäufe, wendet sich zu ihrem Sohn und fragt: „Und was möchtest Du?“ Der Kleine, zart und dichtbewimpert, dreht sich um, schaut in meine Augen und sagt: „Alles!“  Ich erröte bis ins Innerste, weiß nicht zu reagieren und verliebe mich für Momente  unsterblich in ein Kind.

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   Eros

Masken! Masken! Daß man Eros blende.
Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,
wenn er wie die Sommersonnenwende
frühlingliches Vorspiel unterbricht.

Wie es unversehens im Geplauder
anders wird und ernsthaft... Etwas schrie...
Und er wirft den namenlosen Schauder
wie ein Tempelinnres über sie.

O verloren, plötzlich, o verloren!
Göttliche umarmen schnell.
Leben wand sich, Schicksal ward geboren.
Und im Innern weint ein Quell.

Rainer Maria Rilke

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Edvard Munch 1893 Liebe und Schmerz. 
Die Bezeichnung des Werkes als Der Vampir übernahm Munch, nachdem es derart im Freundeskreis betitelt wurde. Die Haare der Frau entstanden aus einem Baumstrunk, welcher in einem früheren Werk an einem Strand stand. 

1894 schreibt Munchs Freund Stanislaw Przybyszewski über dieses Werk Folgendes:
"Ein gebrochener Mann und auf seinem Nacken ein beißendes Vampirsgesicht... Es ist etwas Furchtbares, Ruhiges, Leidenschaftsloses in diesem Bild, eine unermessliche Fatalität der Resignation. Der Mann da rollt und rollt in abgründige Tiefen, willenlos, ohnmächtig, und freut sich, dass er wie ein Stein so willenlos rollen kann. Den Vam­pir wird er doch nicht los, den Schmerz wird er auch nicht loswerden, und das Weib wird immer da sitzen, und wird ewig beißen mit tausend Natterzungen, mit Giftzähnen."
Aus: Edvard Munch, Vampir. Lesarten zu Edvard Munchs Vampir, einem Schlüsselbild der beginnenden Moderne. Kunsthalle Würth, Swiridoff Verlag, 2003, S.  19 ff

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“Die Menschen sind diskontinuierliche Wesen (ein Abgrund trennt sie voneinander; jeder stirbt für sich allein: sein Tod betrifft nur ihn). Diese faktische Diskontinuität kann jedoch nicht die fundamentale Kontinuität des Seins unterdrücken: das diskontinuierliche menschliche Wesen lebt seine Diskontinuität bis zum Ende, aber in der Sehnsucht nach seiner fundamentalen Kontinuität.


Die Erotik der Herzen ist unter gewöhnlichen Bedingungen eine Verlängerung der Erotik der Körper. Die Möglichkeit einer Verschmelzung der Herzen enthüllt sich vor allem durch das Leiden, unter Verhältnissen, die sie schwierig, ja mitunter unmöglich machen; so ist die Faszination des Todes bis an den Rand des Mordes und des Selbstmordes bei der allerheftigsten Erotik , die die Herzen zerreißt, stets mit einbegriffen. Ein stilles Glück, bei dem ein Gefühl der Sicherheit dominiert, bedeutet bloß die Besänftigung des langen Leidens, das ihm vorausgegangen ist Der Egoismus zu zweit begründet normalerweise eine neue Form von Diskontinuität des Paares. Die Erotik der Herzen führt dennoch in ihrer Transparenz, jenseits der realen Einsamkeit und am Rande des Todes, ein wunderbares, vollkommen herzzerreißendes Bild von der begehrenswerten Kontinuität des Seins ein. Bei der Erotik der Körper findet eine Vergewaltigung des individuellen Wesens der Partner statt. Diese Vergewaltigung grenzt an den Tod, sie grenzt an den Mord. Das erotische Spiel setzt die Auflösung der für das diskontinuierliche Wesen konstitutiven Elemente, des in sich geschlossenen Wesens voraus. die Entblößung der verborgenen Kanäle beraubt die Partner ihrer isolierten Persönlichkeit, die Verschmelzung präludierend, die dem Hin und her der Wellen gleicht, die sich durchdringen und ineinander verlieren. Die fleischliche Vereinigung ist im Altertum als Analogon der Opferung aufgefasst worden, bei der der männliche Opferer zu einer Art Tötung, das heißt zur Entblößung des weiblichen Opfers schritt. Bei der gewöhnlichen Form der Erotik der Körper besteht das Spiel des männlichen Partners darin an dieser Aufgelöstheit des Opfers, die er bewirkt hat, teilzuhaben… Die Erotik der Körper leitet weder den endgültigen Bruch der Diskontinuität ein, der der individuelle Tod ist, noch die Augenblicke völliger – realer – Kontinuität, die die Fortpflanzung (Vermehrung) der diskontinuierlichen Wesen begründen, sondern sie führt die, die sich auf sie einlassen , in die Richtung des Todes, in eine Richtung, in der der Tod mit der im Spiel der Organe und Körper gegebenen Kontinuität verbunden ist.“
 
Georges Batailles: Die Tränen des Eros.
Matthes & Seitz Verlag München, 1981

Johann Heinrich Füssli Der Künstler in Verzweiflung über die Grandiosität antiker Fragmente

Sonntag, 17. Februar 2013

Diego Rodríguez de Silva y Velázquez - Die Küchenmagd



Diego Rodríguez de Silva y Velázquez
Die Küchenmagd


   La mulata oder einfach nur Küchenszene wird dieses Bild genannt, oder besser
   diese Bilder. Die hellere Version, mit der 'Jesus in Emmaus Szene' an der Wand
   hinten, hängt in Dublin, die dunklere in Chicago. Es wird heute vermutet, dass beide
   von Velázques gemalt wurden.


1620-22 

   Eine junge Frau, sehr erschöpft, in Gedanken, sie sitzt? Oder steht in gebeugter 
   Haltung.  Den Messinkessel vorne links hat sicherlich sie geputzt. Er strahlt.
   Fast wie ein Lichtverstärker und macht ihre Müdigkeit noch deutlicher.
   Überhaupt, dass Licht so gemalt werden kann!

   
Die Emmausjünger - Lukas 24

   Und siehe, zwei aus ihnen gingen an demselben Tage in einen Flecken, der war 
   von Jerusalem sechzig Feld Wegs weit; des Name heißt Emmaus. Und sie redeten 
   miteinander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, da sie so redeten 
   und befragten sich miteinander, nahte sich Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. 
   Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie ihn nicht kannten. Er sprach aber zu ihnen: 
   Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs, und seid traurig? 
   Da antwortete einer mit Namen Kleophas und sprach zu ihm: Bist du allein unter den
   Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darin geschehen ist? 
   Und er sprach zu ihnen: Welches? Sie aber sprachen zu ihm: Das von Jesus von  
   Nazareth, welcher war ein Prophet mächtig von Taten und Worten vor Gott und allem 
   Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammnis 
   des Todes und gekreuzigt. Wir aber hofften, er sollte Israel erlösen. Und über das alles 
   ist heute der dritte Tag, daß solches geschehen ist. Auch haben uns erschreckt etliche 
   Weiber der Unsern; die sind früh bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht 
   gefunden, kommen und sagen, sie haben ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagen, 
   er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fanden's also, wie die Weiber 
   sagten; aber ihn sahen sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und träges 
   Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus 
   solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an von Mose und allen 
   Propheten und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren. Und sie 
   kamen, nahe zum Flecken da sie hineingingen; und er stellte sich, als wollte er weiter 
   gehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden,
   und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. 
   Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und
   gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand
   vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit
   uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu
   derselben Stunde, kehrten wieder gen Jerusalem und fanden die Elf versammelt und
   die bei ihnen waren, welche sprachen: Der HERR ist wahrhaftig auferstanden und
   Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie
   er von ihnen erkannt wäre an dem, da er das Brot brach.

   Verrückte Szene. Haben die Jünger so ein schlechtes Gedächtnis, oder hat ihn der 
   Tod so verändert, dass sie ihn nur noch an Gebärden erkennen können?  "Er stellte
   sich, als wollte er weitergehen", also will er erkannt werden! Schon verraten und 
   verkauft, und nun auch nicht mehr wiedererkennbar. Wie traurig.