Ich habe Meinungen.
Eine große Menge von Meinungen.
Manche sind gut begründet.
Manche entstehen nur aus meinem Bauchgefühl heraus.
Mit manchen liege ich völlig daneben.
Die gesellschaftliche Explosionskraft der #metoo-Debatte habe ich mächtig unterschätzt. Solche Nachlässigkeit ist mir schon mit anderen sozialen Eiterherden unterlaufen. Ich selbst hatte Glück, blieb verschont, und habe darum nicht genau genug hingeschaut und aufmerksam genug zugehört.
ABER. Aber ich bin lernfähig.
Meistens.
Freunde mit geduldigen Zungen und klugen Köpfen reden mit mir, und selbst auf facebook hat mich, hin und wieder, eine Kommentatorin, ein Kommentator mit einer mir unbekannten, von mir vernachlässigten Sicht auf ein Problem dazu gebracht, eine meiner zahlreichen Meinungen zu überprüfen und zu verändern.
Aber. Aber was mich erzürnt, ankotzt, hilflos wütend macht, ist der selbstgerechte Alleinherrschaftsanspruch mancher Zeitgenossen auf die einzig wahre Wahrheit. In meinem Blog passiert das selten, auf Facebook des öfteren. Manchmal, ich gestehe es, poste ich dort eine Meinung, nur weil ich weiß, dass dann ein Wortschlachtfest beginnt. Shitstorm wird das im Neudeutschen benannt. Früher sagte man: "Now the shit has really hit the fan." = "Jetzt hat die Scheiße wirklich den Ventilator getroffen." Ein viel schöneres, weil bildlich nachvollziehbareres Bild.
Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.
Der Psychologe Abraham Maslow 1966
Der Spruch ist geklaut von einem fb -Freund.
Und bin ich nicht willig, so brauchen sie Gewalt. Wortgewalt. Ideologie. Mir wird unterstellt blind, blöd, blasiert oder bloß unfähig zu sein, objektiv zu urteilen. Der Ton ist wohlwollend überlegen, mitfühlend herablassend oder fassungslos empört. Die Möglichkeit des "sowohl als auch" oder des "ja, aber" wird grundsätzlich ausgeschlossen.
Dieses entweder/oder hatte ich schon mal in der DDR, das akzeptiere ich nie wieder.
Es gibt Widersprüche. Es gibt Graubereiche. Nichts ist simpel, sicher und eingetütet.
Ich soll widerspruchslos glauben, dass Frauen nie lügen und Männer a priori nur Mißbrauch im Sinn haben? Nein, das glaube ich nicht.
Auch wenn ich weiß, dass in unserer Welt Frauen, die es wagen, die Wahrheit zu sagen, einen harten Stand haben. Und auch, dass es Männer gibt, die sich in der Gewißheit ihrer Machtfülle erdreisten, mit Hilfe von körperlicher und sozialer Überlegenheit, gewalttätigen Zwang auf verschreckte Opfer auszuüben.
Aber. Aber?
Ist es wahr, dass ich als weiße europäische Jüdin die Brutalität des Rassismus nicht verstehen kann, als verblendete, verwöhnte Frau die grundsätzliche Verächtlichkeit männlicher Sicht nicht erkennen kann, als fast 60-jährige nicht verstehen kann, wie schwer es junge Menschen heutzutage haben?
Woher nehmt ihr eure eherne Gewißheit, zu wissen was richtig und rechtens ist? Wir könnt ihr eure Ohren, Hirne so exakt ausrichten, dass nur noch Bestätigung und keinerlei Zweifel euch mehr erreicht? Der Hashtag "metoo" ist eine wahrhafte Erschütterung eingespielter Machtmuster. Aber würdigen wir die Opfer solchen Mißbrauchs, indem wir nun selber brutal und flächenabdeckend auf vermutete Meinungsabweichler in den eigenen Reihen einhacken?
Catherine Deneuve und ihre Mitunterzeichnerinnen schlagen gewisse Bedenken vor bezüglich des intergeschlechtlichen Umgangs und werden als Dolch-in-den-Rücken-der-Bewegung-Stoßende verhöhnt.
Jemand erwähnt den gerichtlichen Freispruch von Woody Allen und wird als Apologet sämtlicher pädophilen Mistkerle aller Zeiten gebrandmarkt.
NEIN. Nein, es ist nicht alles und jedes das Gleiche. Vergewaltigung ist ein zu bestrafendes Verbrechen. Nötigung durch Mißbrauch von sozialer Macht sollte es sein.
ABER.
Durch Machtmißbrauch sind Körper und Seelen zerstört oder schwer verletzt worden. Fakt. Und deshalb soll ich jetzt mild lächelnd zustimmen, wenn dumme Frauen, ja, die gibt es auch, die Gelegenheit nutzen, um ihre elitäre Denkfaulheit in Politik zu verwandeln? Kunst soll nun ein Ort der objektiv ausgewogenen, von keiner Leidenschaft berührten, erotikfreien Betätigung sein. Kunst?
Wer von uns könnte/wollte das? Jeden Tag, den wir leben, begehren wir, mißachten wir. Wir sind Menschen. Mann, Frau, Transgender, Homo, Lesbe, und was es der erotischen und gelebten Möglichkeiten noch geben mag, geben wird, wir irren während wir schaffen, wir erschaffen, selbst im besten Falle, keine gegen jeden ideologischen Einwand verteidigbaren Werke. Schuld ist ein elementarer Teil von Kunst und ein Teil ihrer Wahrheit.
Und, nebenbei, ein Künstler und sein Werk sind nicht deckungsgleich.
meinen
Vb. ‘eine bestimmte Ansicht haben, annehmen, denken’, ahd. meinen (8. Jh.), mhd. meinen ‘sinnen, (nach)denken, seine Gedanken auf etw. richten, (feindlich oder freundlich) gesinnt sein, einem etw. angenehm machen’, asächs. mēnian, mnd. mēnen, mnl. mēnen, mienen, meinen, nl. menen, aengl. mǣnan, auch ‘klagen’, engl. to mean (germ. *mainjan) sind verwandt mit air. mīan ‘Wunsch, Verlangen’, aslaw. měniti ‘meinen, glauben, erwähnen, halten für’, poln. mienić ‘meinen, glauben’. Erschließbar ist ie. *mein-, *moin- ‘Meinung, Absicht, meinen’. Die Bedeutung ‘seine Gedanken auf etw. richten, (freundlich) gesinnt sein’ entwickelt sich im Mhd. weiter zu ‘lieben’, die in Prosatexten bis ins 17. Jh., in der gereimten Dichtung bis ins 19. Jh. (Freiheit, die ich meine, Schenkendorf) bewahrt wird. Meinung f. ‘Ansicht, Gesinnung’, ahd. meinunga (um 1000), mhd. meinunge ‘Sinn, Bedeutung, Gedanke, Gesinnung, Absicht, freundliche Gesinnung, Liebe’. vermeinen Vb. ‘(fälschlich) annehmen’, ahd. firmeinen ‘darlegen, beweisen’ (9. Jh.), mhd. vermeinen ‘denken, wollen, hoffen, zudenken, zurückweisen’. vermeintlich Adj. ‘(irrtümlich) angenommen, angeblich’ (16. Jh.)
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