Auf irgendwie ungute Weise ist gerade ein Bild des Malers Rudolf Schlichter auf den deutschen Kunstmarkt gelangt, das meine höchstpersönliche Großmutter in jungen Jahren zeigt.1928. Sie ist 28 Jahre alt. Schön, konzentriert, ernst.
Waren ihre Hände wirklich so groß? Ich erinnere mich nicht. Aber Buster Keaton auf dem Poster, das in meinem Kinderzimmer hing, und das jetzt zu meiner Stieftochter umgezogen ist, hatte auch solche Hände. Groß, zupackend, doch überaus zärtlich. Oma im blauen Kleid mit Hosenträgern?
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Als ich geboren wurde, war sie 58, meine ersten visuellen Erinnerungen beginnen sechs Jahre später. Für mich war sie Großmutter, schön und geliebt, aber für andere und zu anderen Zeiten war sie anderes. Eine sinnliche junge Frau, eine aufstrebende Schauspielerin, eine Österreicherin in Berlin, eine säkuläre Jüdin in Deutschland. Ein politisch denkender Kopf. Eine Liebende. Eine mit wenig Geld.
Als würden wir nur die Kapitel von Menschenbiographien wirklich annehmen, an denen wir selbst beteiligt waren. Das Davor ist in ihnen, ein Teil ihres Puzzles, aber wir sehen nur den Jetzt-Zustand. Meine älteste Freundin kenne ich seitdem sie vierzehn war, und egal wie sehr sie sich auch verändert, in meinen Augen, meinem Hirn, schwingt immer der freche, kantige, schlaue Teenager mit. Aber meine Oma, war immer meine Oma, ohne Vorleben, auch wenn ich, wäre ich aufmerksamer gewesen, die wilde junge Frau hier und da hätte aufblitzen sehen können.
Und so erscheine ich Menschen, die mich jetzt kennenlernen, als wäre ich schon immer alt gewesen. Den ganzen Menschen sehen, kann jeder wohl nur im eigenen Kopf. Und selbst da, treiben Selbstzensur und Unschärfe durch Abstand und Wunschdenken ihr Unwesen.
Am letzen Samstag habe ich mich 30 Jahre jünger auf der Leinwand gesehen. Eine schöne, fremde Frau.
Und ich habe Dich am letzten Samstag als so richtig großartige junge Schauspielerin gesehen!
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