Alle Cultur und Kunst, welche die Menschheit ziert, die schönste
gesellschaftliche Ordnung sind Früchte der Ungeselligkeit, die durch
sich selbst genötigt wird sich zu disciplinieren und so durch
abgedrungene Kunst die Keime der Natur vollständig zu entwickeln.
SECHSTER SATZ
Dieses Problem ist zugleich das schwerste und das, welches
von der Menschengattung am spätesten aufgelöset wird. Die Schwierigkeit, welche
auch die bloße Idee dieser Aufgabe schon vor Augen legt, ist diese: der Mensch
ist ein Tier, das, wenn es unter andern seiner Gattung lebt, einen Herrn nöthig
hat. Denn er mißbraucht gewiß seine Freiheit in Ansehung anderer
Seinesgleichen; und ob er gleich als vernünftiges Geschöpf ein Gesetz wünscht,
welches der Freiheit Aller Schranken setze: so verleitet ihn doch seine
selbstsüchtige thierische Neigung, wo er darf, sich selbst auszunehmen. Er
bedarf also einen Herrn, der ihm den eigenen Willen breche und ihn nötige,
einem allgemeingültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehorchen. Wo
nimmt er aber diesen Herrn her? Nirgend anders als aus der Menschengattung.
Aber dieser ist eben so wohl ein Thier, das einen Herrn nöthig hat. Er mag es
also anfangen, wie er will; so ist nicht abzusehen, wie er sich ein Oberhaupt der
öffentlichen Gerechtigkeit verschaffen könne, das selbst gerecht sei; er mag
dieses nun in einer einzelnen Person, oder in einer Gesellschaft vieler dazu
auserlesener Personen suchen. Denn jeder derselben wird immer seine Freiheit
mißbrauchen, wenn er keinen über sich hat, der nach den Gesetzen über ihn
Gewalt ausübt. Das höchste Oberhaupt soll aber gerecht für sich selbst und doch
ein Mensch sein. Diese Aufgabe ist daher die schwerste unter allen; ja ihre
vollkommene Auflösung ist unmöglich; aus so krummem Holze, als woraus der
Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Nur die
Annäherung zu dieser Idee ist uns von der Natur auferlegt.
Es hat etwas Anmaßendes, Kant zu liken, so als stünde man mit ihm auf Augenhöhe. Ich tu’s trotzdem: Gefällt mir! Insbesondere das mit dem krummen Holz.
AntwortenLöschenIch möchte gerne einen Gedanken zum Thema Meinungsfreiheit und (demokratische) Öffentlichkeit beitragen. Ein Blog ist ein von einem privaten Betreiber verantwortetes öffentliches Forum. Die/der Blogger/in ist ein Gastgeber, und die ‚Besucher‘ sind, zumal wenn sie Kommentare hinterlassen, Gäste. Die/der Blogger/in hat sowohl das Recht wie auch die Pflicht, Regeln festzulegen, an die sich die Gäste halten müssen, wenn sie ihr Gastrecht in Anspruch nehmen wollen. Das kollidiert nicht mit ihrer grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.
Ich habe mir angesichts der Diskussion in diesem Blog kurz überlegt, ob ich die Funktion ‚Anonym‘ aus meinem Blog entferne. Ich bleibe aber dabei, da ich mir gute Gründe dafür denken, wenn jemand anonym bleiben will. Wer aber dermaßen selbstgewiß Position bezieht, daß alle, die sich unter ihrem Klarnamen zu Wort melden, unter Verdacht geraten, sollte sich an Schillers Worte erinnern, der nach seinem Attentat auf den Vogt rief: „Wilhelm Tell ist der Schütze, suche keinen andern.“ – Klare Position und Anonymität gehen nicht zusammen. Dazu gehören Bekenntnisbereitschaft und Verantwortungsübernahme.
Da habe ich doch einmal zu wenig Korrektur gelesen. Im letzten Absatz muß es heißen: "... sollte sich an Tells Worte erinnern, der nach seinem Attentat auf den Vogt rief: „Wilhelm Tell ist der Schütze, suche keinen andern."
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